• Keine Ergebnisse gefunden

ZIEL-System als Grundlage für methodische Entscheidungen

3 Methodologische Aspekte technischer Bildung

3.3 ZIEL-System als Grundlage für methodische Entscheidungen

Grundlage für eine Methodologie ist in der Regel ein System von Kriterien oder Prinzipien, das entweder eine fundierte Analyse der in Frage kommenden Methoden unterstützt oder bei der Schaffung neuer Methoden behilflich ist. Die Kriterien sollten Beurteilungen zulassen, und zwar bezüglich

 des Realitäts- oder Aufgabenbereichs, der mit den Methoden zu bewältigen ist,

 der gegebenen Voraussetzungen und Funktionen, die zu erfüllen sind sowie

 der Grenzen des Einsatzes der Methoden (vgl. Müller 1990, S. 2).

Eine Methodologie sollte darüber hinaus praxistauglich, also nicht zu umfangreich und kom-plex sein und eine überschaubare Anzahl an Auswahlschritten und Auswahlkriterien zur Typi-sierung der Anforderungssituationen bereithalten.

Schritte zur Auswahl von Methoden technischer Bildung: Die im Abschnitt 3.1 dokumen-tierten allgemeinen Überlegungen verdeutlichen die didaktische Reichweite methodischer Ent-scheidungen. Mit den aus der technikdidaktischen Literatur extrahierten Kriterien in Abschnitt 3.2 wird der Blick auf den mit Methoden zu vermittelnden Sachverhalt gelenkt. Darüber hinaus sind methodische Entscheidungen im Rahmen technischer Bildungsprozesse außerdem immer an den jeweiligen Kontextbedingungen zu orientieren. Grundsätzlich empfiehlt sich daher für Methodenfragen ein strukturiertes und planmäßiges Vorgehen.

Für Paul Heimann (1962, S. 420) integrieren unterrichtliche Methodenbeschlüsse jeweils fünf Einzelentscheidungen, nämlich über die Artikulation des Unterrichts, die Gruppen- und Raum-organisation, die Lehr- und Lernweisen, die methodischen Modelle sowie über die anerkannten Handlungs- und Gestaltungsgrundsätze. Rainer Winkel (1991, S. 20) sieht den Lehrer bei Me-thodenentscheidungen mit folgenden Fragen konfrontiert: Ist die Methode inhaltsbezogen?

Trägt sie der Individuallage des/der Schüler/s Rechnung? Vermögen Lehrer und Schüler sie zu handhaben? Ist sie pädagogisch-didaktisch legitimiert? Kann sie unter den jeweiligen schu-lisch-unterrichtlichen Gegebenheiten realisiert werden? In ähnlicher Weise wie Heimann sieht auch Bernhard Bonz (2001, S. 173ff.) die Festlegung des methodischen Geschehens als Abfolge hierarchisch-sequentieller Entscheidungen. Ausgehend von Zielvorgaben ergibt sich demnach eine Gesamtkonzeption bzw. ein grundsätzlicher methodischer Entschluss, der Einfluss auf nachrangige Entscheidungsebenen nimmt und zu einer Auswahl von Aktionsformen, Sozial-formen, Artikulationsmustern, Lehrgriffen oder Medien führt.

Fasst man die verschiedenen allgemein- und technikdidaktischen Strukturüberlegungen zu Me-thoden zusammen, liegt der Fokus entsprechender Entscheidungen vorrangig auf folgenden Punkten: Auf den angestrebten Bildungsintentionen, der Eignung einer Methode für spezifische Lerninhalte, der Angemessenheit für die individuelle Erkenntnisgewinnung sowie den Mög-lichkeiten, die die Methode für die Gestaltung von Lernprozessen bietet. Daraus ergeben sich vier Auswahlschritte für Methodenentscheidungen:

1. Ausgangspunkt jeglicher Erziehungs- und Bildungsbemühungen – und damit auch der Einsatz spezifischer Methoden – ist eine Orientierung an möglichst rational begründeten bzw. legitimierten Zielen. Am Anfang steht demnach die Frage, was durch die Bil-dungssituation erreicht werden soll.

2. Um den Zielen bzw. Kompetenzen zu entsprechen, gilt es ferner, spezifische Inhalte in den Erkenntnis- und Erlebnishorizont der Zielgruppe zu bringen. Methodenentschei-dungen in Bezug auf inhaltliche Aspekte abzugleichen, ist daher ein weiterer wichtiger Schritt.

3. Erkenntnis wird sowohl als Vorgang aufgefasst, in deren Verlauf sich der Mensch des Wesentlichen eines Seienden oder Sachverhalts gewahr wird, als auch als Ergebnis die-ses Vorganges selbst. Über die Begriffe Kenntnis oder Erfahrung reicht Erkenntnis in-sofern, als sie idealerweise zur Reflexion darüber befähigt. Ob und inwiefern einzelne Methoden geeignet sind, die Erkenntnistätigkeit zu unterstützen, ist bei diesem Schritt zu untersuchen.

4. Der letzte Schritt legt den Fokus auf die besonderen Möglichkeiten, die das institutionell oder schulisch organisierte Lernen der Erkenntnisgewinnung beizusteuern in der Lage ist. Zu fragen ist hier, welche Lernhilfen dem Lernenden mit einer Methode an die Hand gegeben werden beziehungsweise, wie der methodische Gang im Hinblick auf das Lern-ergebnis optimiert werden kann.

Kurz gefasst lassen sich die Auswahlschritte für Methodenentscheidungen folgendermaßen for-mulieren:

1. Ziel: Was soll erreicht werden?

2. Inhalt: Woran soll es erreicht werden?

3. Einsicht/Erfahrung/Erkenntnis: Wie gelangt der Lerner grundsätzlich zu Einsicht, Er-fahrung und Erkenntnis?

4. Lernprozess/Lernhilfe: Wie muss der Lernprozess daher gestaltet bzw. unterstützt wer-den?

Gewinnung der Auswahlkriterien: Für die Beantwortung der oben aufgeführten Fragen ent-lang der Auswahlschritte braucht es Kriterien. Sie lassen sich anhand verschiedener Wissen-schaftsdisziplinen identifizieren und legitimieren. Von Bedeutung sind dabei solche Diszipli-nen, die sich in besonderem Maße dem Verhältnis zwischen den Elementen des Erkenntnisge-schehens im Rahmen unterrichtlicher oder wissenschaftlicher Methoden zuwenden. Bei diesen Elementen handelt es sich einmal um das Objekt, hier also den technischen oder von der Tech-nik induzierten Sachverhalt, um die Methode, diesen Sachverhalt zu erschließen und um das lernende oder forschende Individuum.

Impulse für eine Typisierung der Anforderungssituation von Methoden sind auf alle Fälle aus Richtung der Pädagogik bzw. Technikdidaktik zu erwarten. Pädagogik als angewandte Wissen-schaft versteht sich ja selbst als Vermittlerin zwischen Gegenwart und Zukunft, öffentlichen und privaten Erwartungen und zwischen Subjekt und Objekt. Die Thematisierung der „Vermitt-lerrolle“ von Methoden im Rahmen von Erziehungs- und Bildungsaufgaben hat in der Pädago-gik daher Tradition. Die Leitfragen zur Auffindung geeigneter Kriterien für Methoden beziehen sich aus dieser Richtung auf die besondere Qualität des Verhältnisses zwischen dem lernenden Subjekt und dem zu erlernenden oder anzueignenden Objekt. Welches Verhältnis zwischen Lerner und Gegenstand oder Objekt soll die Methode schaffen und wie kann das Erziehungs- und Bildungspersonal dabei behilflich sein, wird man hier fragen.

Was die kognitiven und motivationalen Aspekte von Methoden anbelangt, sind Anforderungs-kriterien aus Richtung der Psychologie zu erwarten. Lern- oder kognitionspsychologische Er-kenntnisse können Ansatzpunkte hinsichtlich der notwendigen Qualität des Verhältnisses Sub-jekt-Methode liefern. Wie muss die Methode im Hinblick auf den Lerner beschaffen bzw. ge-staltet werden? Diese Fragen stehen hier im Mittelpunkt.

Dass sich der methodische Diskurs innerhalb der Pädagogik auch auf erkenntnistheoretische und wissenschaftstheoretische Überlegungen stützt, ist Anlass, die methodologischen Zusam-menhänge der mit Technik befassten Wissenschaften – also vorrangig der Technikwissenschaf-ten aber auch der NaturwissenschafTechnikwissenschaf-ten – genauer in den Blick zu nehmen. Theodor Litt (1959, S. 59) bezeichnet die Methode dort als Mitte, durch die die beiden äußeren Glieder aufeinander bezogen werden: „Der Mensch wird Subjekt, indem er sich nach Anweisung der Methode auf

das Objekt hin ausrichtet. Das Wirkliche wird Objekt, indem es sich nach Anweisung der Me-thode dem Subjekt entgegenformt.“

Abb. 3.2: Methodenaufklärung durch Wissenschaftsdisziplinen

Während sich die Methodenfrage innerhalb der Pädagogik und Psychologie als Gegenstand erziehungswissenschaftlicher Forschungen darstellt, die dort zu suchenden Hinweise für die Auswahl von Methoden daher selbst Forschungsergebnisse sind, sind Methodenentscheidun-gen in den technischen Bezugswissenschaften erst Teil des Weges zu Erkenntnissen. Zu solchen werden Methodenfragen jedoch aus wissenschaftstheoretischer Perspektive. Aufklärung hin-sichtlich der Passung zwischen dem zu klärenden Objekt und einer bestimmten Methode als Erkenntnisinstrument verspricht daher der Nachvollzug methodologischer Entscheidungen in den Technik- und Humanwissenschaften. Die Ausgangsfrage lautet hier, mit welcher elaborier-ten kulturellen oder wissenschaftlichen Praxis des Erkennens und Handelns sich ein bestimmter Sachverhalt aufklären oder bearbeiten lässt.

Aus Richtung einer jeden, der genannten Wissenschaftsdisziplinen kann daher mit einer Auf-klärung für eine bestimmte „Paarbeziehung“ im Verhältnis von Objekt, Methode und Subjekt gerechnet werden (s. Abb. 3.2). Gleichwohl liefern alle Wissenschaftsdisziplinen Kriterien für die einzelnen Auswahlschritte.

Die nachfolgende Abbildung 3.3 zeigt die Auswahlschritte und Leitfragen für die Gewinnung von Auswahlkriterien noch einmal im Zusammenhang und gibt gleichzeitig einen Überblick über das „Arbeitsprogramm“ der nachfolgenden Abschnitte. Auf der Grundlage der in der Ta-belle aufgeführten Leitfragen sollen dort pädagogisch-fachdidaktische, wissenschafts- und er-kenntnistheoretische sowie psychologische Auswahlkriterien identifiziert werden. Den Anfang machen pädagogisch-fachdidaktische Überlegungen zur Identifikation von Zielen und Inhalten sowie zur Erkenntnisgewinnung und zur Lernprozessgestaltung.

Abb. 3.3: ZIEL-System als Grundlage methodischer Entscheidungen

4 Methodenaufklärung durch pädagogische bzw. technikdidaktische As-pekte

Überblick über das Kapitel: Die Intention dieses Kapitels ist es, die für Methodenentschei-dungen in technikorientierten Bildungsprozessen relevanten Überlegungen aus pädagogischer bzw. technikdidaktischer Sicht entlang der vorher definierten Auswahlschritte vorzustellen.

Bildungs- und Erziehungsprozesse erfolgen auf der Grundlage spezieller Intentionen, die auf Persönlichkeits- und Verhaltensänderungen abzielen. Der erste Abschnitt widmet sich daher dem Komplex der Identifizierung und Legitimation von Lernzielen technischer Bildung. Auf-gezeigt wird eine Vorgehensweise, die bestehende Überlegungen zur Lernzielfindung inte-griert, allerdings offen bleibt für Veränderungen der Zielkategorien und ihrer inhaltlichen Aus-richtung. Die Absicht ist, ein schlüssiges Konzept für die Lernzielfindung vorzustellen, auf-grund dessen sich ein spezifischer Methodeneinsatz im Rahmen technischer Bildungsprozesse rechtfertigen lässt.

Die Sinngebung von Bildungs- und Lehrzielen, ebenso wie der vorgeschlagene Weg zur Kon-struktion von Lernzielen folgt dabei weitgehend vorhandenen theoretischen Ansätzen: Techni-sche Bildung wird zunächst als Teil der Allgemeinbildung charakterisiert. Dann wird auf das für curriculare Überlegungen so bedeutsame Konstrukt der Schlüsselprobleme rekurriert. Aus-gehend von der Überlegung, dass eine ausschließliche Bindung des curricularen Suchprozesses an Schlüsselproblemen die Sichtweise verfestigt, Technik vor allem als Bürde zu begreifen, wird den „Schlüsselproblemen“ das Konstrukt „Schlüsselchancen“ beigestellt. Für eine Ablei-tung von Bildungszielen müssen beide Konstrukte im Hinblick auf verschiedene Erkenntnis-perspektiven analysiert werden. Hierbei hilft der für curriculare Entscheidungen ebenfalls po-puläre Lebenssituationsansatz.

Während Schlüsselprobleme und -chancen die Gesellschaft als Ganzes betreffen, verweist das Lebenssituationskonzept als curricularer Ausgangpunkt konkreter auf das lernende Individuum.

Die Definition von Lebenssituationen, Rollen und ihren Anforderungen ermöglicht die Ein-grenzung konkreter Verhaltensperspektiven oder Kompetenzen.

Um die so gewonnenen Bildungsziele oder Kompetenzen in konkrete Lernziele zu fassen und sie methodisch zu realisieren, ist eine enge Ausrichtung auf Lerninhalte erforderlich. Der zweite Abschnitt ist daher der Konkretisierung der Lerninhalte technischer Bildung gewidmet. Als Lerninhalte lassen sich die Aneignungsobjekte im Lehr-/Lernprozess bezeichnen. Ihre Nutzung oder Anwendung durch die lernende Person können als Beleg für das Erreichen der im Vorfeld definierten Lehr-/Lernziele gelten. Zu den Kerninhalten technischer Bildung zählen naturwis-senschaftliche Grundlagen, Kenntnisse über Sachtechnik und Technikgeschichte, technische Handlungen sowie Motive und Methoden der Technikbewertung. Bei der näheren Beschäfti-gung mit diesen Lerninhalten wird deutlich, in welch enger Beziehung sie untereinander und zu den technikspezifischen Lehr- und Lernmethoden stehen. Während es sich bei den techni-schen Handlungen um das Know-how, also das methodische Handlungswissen handelt, können die naturwissenschaftlichen Grundlagen und das Wissen um die Sachtechnik als Erkenntnis-grundlagen des Know-hows betrachtet werden. Kenntnisse aus der Technikgeschichte sowie Motive und Methoden der Technikbewertung wiederum verhelfen zur Reflexion über Sachtechnik und technische Handlungen.

Im Abschnitt 4.3 und 4.4 werden erkenntnis- und lernförderliche Aspekte beleuchtet, die Me-thoden aus pädagogischer Sicht aufweisen sollten. Das spezifisch Pädagogische wird dabei in der aktiven Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Lerner und Sache durch den Lehrenden gesehen. Der pädagogisch-didaktische Auftrag, dem lernenden Individuum zu Erkenntnissen zu verhelfen, formiert sich zum Beispiel in der Vorbereitung der Inhalte und der Lernumge-bung. Impulse im Rahmen des methodischen Geschehens, etwa zur Motivation, Unterstützung

oder Reflexion, können als Lernhilfen aufgefasst werden. Sie werden im Abschnitt 4.4 behan-delt. Eine Zusammenfassung schließt das Kapitel ab.