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Konturen und Entwicklung einer allgemeinbildenden technischen Bildung

2 Geschichte technischer Bildung und ihrer Methoden

2.2 Vom Handwerker zum Techniker – Technische Bildung im Übergang

2.3.3 Konturen und Entwicklung einer allgemeinbildenden technischen Bildung

Der Neuhumanismus hatte die Idee, das Kind könne anders als über die Auseinandersetzung mit verbalisierbaren Lerninhalten an Reife gewinnen, mehr oder weniger verworfen. Dem zweckhaften Tun wurde das scheinbar höherwertige zweckfreie Handeln gegenübergestellt.

Schulreformerische Ansätze, die dem motorischen Lernen mehr Potential zubilligten als bloße Leibesertüchtigung oder vertiefende Anschauung des theoretisch Gelernten, taten sich daher schwer. Für eine wie auch immer geartete technische Bildung stellte dies eine schwere Bürde dar, kommt sie doch kaum ohne Praxis, Poiesis und Kineses aus. Die Trennung in ein allge-meinbildendes und ein technisch-berufliches Schulsystem verfestigte das zerrüttete Verhältnis von Bildung und Technik weiter. Dafür, dass technische Bildung in allgemeinbildenden Schu-len doch wieder fassen Fuß konnte, sind verschiedene Strömungen verantwortlich. Eine davon ist das Werken, das sich ebenfalls erst aus verschiedenen Zuflüssen konstituieren musste.

Werkunterricht – Ergebnis verschiedener pädagogischer Strömungen: Handfertigkeits- und Zeichenunterricht, Kunsterziehungsbewegung und Arbeitsschulidee sind die verschiede-nen Traditioverschiede-nen des Werkunterrichts, über den technische Bildungsinhalte letztlich auch die allgemeinbildenden Schulen wieder erreichten. Der Werkunterricht integrierte diese Bildungs-intentionen, oszillierte dabei allerdings zwischen den verschiedenen Strömungen. Zur jeweils aktuellen Technik konnte er didaktisch oder methodisch damit nicht aufzuschließen. Nach der Aufnahme von Elementen der Bauhauslehre, hatte der Werkunterricht seine inhaltliche Kon-zeption im Wesentlichen erreicht. Sie folgte dem Kunstunterricht und dominierte bis in die 60er

Jahre an verschiedenen Schularten. In Reinform am ehesten am Gymnasium, in abgeschwächter Form aber auch an Real- und Hauptschulen (vgl. Biester 1968, S. 12).

Der bereits hundert Jahre bestehenden Industriekultur, mit ihrer funktionalen und arbeitsorga-nisatorischen Struktur sowie ihrem naturwissenschaftlich-technologischen Fundament näherte sich das allgemeinbildende Schulwesen erst im Zuge der Bildungsreformen der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts wieder an. Eine Ausnahme bildete die polytechnische Bildung in Ost-deutschland.

Handfertigkeitsunterricht

Ein Anknüpfungspunkt für allgemeinbildende Schulen, der materiellen Kultur und dem zweck-bezogenen Handeln mehr Raum zu geben, lag besonders zum Ende des 19. Jahrhunderts in dem international propagierten Handfertigkeitsunterricht. Etliche prominente Pädagogen hatten ja bereits umfangreiche theoretische und praktische Vorarbeiten unternommen, um die enge Be-ziehung zwischen manueller Tätigkeit und Persönlichkeitsentwicklung herauszuarbeiten (vgl.

Wessels 1969, S. 12ff.). In Rousseaus Erziehungsroman Emile Hinweise finden sich beispiels-weise Hinbeispiels-weise darauf, wie sich in Folge kindlichen Entdeckungsdrangs handwerkliches Tun und technisch-naturwissenschaftliche Erkenntnis gegenseitig befruchten können. Auch bei Pestalozzi tritt mit der bildungswirksamen Dreieinheit von Kopf, Herz und Hand der Nukleus aller werkdidaktischen Ansätze klar hervor. Selbst Friedrich Fröbels Spiel und die von ihm betonte Lust am Werkschaffen lassen sich für werkdidaktisches Denken vereinnahmen. Es herrschte also kein Mangel an Konzepten, wie der dem Menschen eigene Handlungs-, Bewe-gungs- und Schaffensdrang Bildungszwecken dienstbar gemacht werden könnte (vgl. Freihofer 1862)17. Der Fokus der vorhandenen Konzeptionen zum Handarbeits- oder Handfertigkeitsun-terricht lag – entsprechend der neuhumanistischen Tradition – indes weniger auf der techni-schen Gestaltungskompetenz, sondern vielmehr auf der allgemeinen Persönlichkeitsbildung.

Eine flächendeckende Einführung des Handfertigkeitsunterrichts scheiterte jedoch an verschie-denen Punkten. Einer davon bestand in den Kosten für Werkzeuge und Werkstätten, ein anderer in der Ablehnung der Lehrerschaft, der ein solcher Unterricht eindeutig gegen das vorherr-schende Bildungsideal gerichtet schien (vgl. Sachs 1988, S. 8). Dort wo der Handarbeits- und Handfertigkeitsunterricht in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an den Volksschulen rea-lisiert wurde, besaß er einen stark disziplinarischen Charakter. Oberliesen, Plickat & Wiemann (1996) charakterisieren ihn als „[…] paramilitärisch strukturierte Lehrgänge und schematisch formalisierte Reproduktionen von Mustervorlagen“ im Dienst der Untertanenerziehung.

Die Intentionen für den Handfertigkeitsunterricht waren indes nicht ausschließlich pädagogi-scher Natur, ins Feld geführt wurden auch ökonomische Argumente. Für eine Öffnung beson-ders der Volksschule in Richtung Handwerk und Industrie sprachen unter anderem die Ergeb-nisse der Weltausstellungen in Wien und Philadelphia 1873 und 1876, bei denen deutsche Pro-dukte nicht gerade brillierten. Die Volksschulen sollten durch eine Integration der Handarbeit ihren Teil zur Belebung des Gewerbes beitragen. Zudem wurde ein solcher Unterricht mit der Öffnung der Schule in Richtung Arbeitswelt begründet. Die Schüler sollten so frühzeitig an Geschicklichkeit und körperliche Arbeit gewöhnt werden. Argumentiert wurde außerdem, dass motorisches Handeln eine lernförderliche Wirkung für naturwissenschaftliche Fächer habe. Zu-dem setzte sich die Auffassung eines engen Zusammenhangs zwischen motorischer Erfahrung

17 „Wie da Auge, das Ohr und der Mund, so ist auch die Hand ein Werkzeug des menschlichen Geistes, durch welches dessen Wille vollzogen und die mannigfaltigsten Tätigkeiten ausgeübt «erden. Ohne ihren Dienst könnte der Geist selbst nicht zur vollen Entfaltung seines Wirkens gelangen. Ja die Hand giebt leinen geringen Beitrag zur Wirkung und Stärkung der Kräfte und Sinne des Geistes selbst. Durch ihre Arbeit bildet sich das Gefühl aus bis zu einem hohen Grade der Feinheit, schärft sich der Blick bis zur genauesten Warnehmung und Unterscheidung und gewinnt selbst das Gehör in Bezug auf Ton und Zeitmaß. (Man denke an Hämmern, Sägen, Dreschen, Trommeln.) Durch Handhabung der verschiedenartigen Dinge lernt der kindliche Geist allmählich aber sicher die Natur der Dinge selbst, ihre Gestalt, ihre Wirkungen, ihr gegenseitiges Verhältnis und das Einwirken des einen auf das andere erkennen, und zwar weit anschaulicher und genauer als durch Be-schreibungen oder durch Anschauung in Bildern oder bloß theoretisches Betrachten der Sachen.“ (Freihofer 1862, S. 260)

und Gehirnentwicklung durch. Eine gewisse Vorreiterrolle in Bezug auf pädagogische Kon-zepte praktischer Unterrichtsgestaltung übten die skandinavischen Länder aus, über die wich-tige Impulse für den Handfertigkeitsunterricht nach Deutschland zurückkamen (Wessels 1969, S. 19).

Für Deutschland unterscheidet Wilkening (1970, S. 60) drei Phasen der Knabenhandfertigkeits-bewegung: Die Übernahme der im Ausland vorgebildeten Formen des Handfertigkeitsunter-richts in der Frühphase. Die Ausbildung einer deutschen Form des HandfertigkeitsunterHandfertigkeitsunter-richts, der „Leipziger Methode“, die in Schülerwerkstätten neben der Schule praktiziert wurde.18 Zu-letzt die Einführung der Handarbeit als Unterrichtsprinzip unter der Bezeichnung „Werkunter-richt“ an den Schulen. In den 20iger Jahren des 20. Jahrhunderts war der Werkunterricht mehr oder weniger flächendeckend eingeführt.

Inhaltlich blieb der Werkunterricht ausschließlich handwerklich orientiert. Damit blieb die Chance vertan, Technik und Produktion in ihren wissenschaftlichen, technisch-praktischen und gesellschaftlichen Dimensionen ausreichend zu thematisieren (Sachs 1988, S. 9). Die Gründe hierfür lagen u.a. im Mangel an personellen oder finanziellen Voraussetzungen, vor allem aber daran, dass ein eigenständiger Bildungsauftrag technischer Bildung gesellschaftlich gar nicht vorhanden war. Schlagenhauf (1988) zeigt dies am Beispiel von Johannes Kühnel auf. Dieser hatte in seinen Arbeiten im ersten Viertel des 20sten Jahrhunderts – ganz in der Tradition Gau-digs – zwar eine stärkere Berücksichtigung handlungs- und problemorientierter Phasen für die bereits von ihm propagierte Technische Bildung eingefordert, sich aber letztlich auch nicht dem handwerklich verengten Konzept des Handfertigkeits- bzw. Werkunterrichts mit seiner Dienst-funktion für die Schule oder für andere Fächer entziehen können.

Arbeitsschulbewegung

Die aus der Kritik an der im 19. Jahrhundert vorherrschenden Buch- oder Lehrerschule herrüh-renden unterschiedlichen Ansätze der Reformpädagogik steuerten der Idee des Werkunterrichts den Arbeitsschulgedanken bei. Dessen Anliegen kann zusammenfassend mit drei Aspekten skizziert werden: Erstens die Berücksichtigung der praktischen Arbeit als pädagogisches und methodisches Element zur Überwindung rein rezeptiver Unterrichtsformen, zweitens die Aus-wahl von lebensnahen Lehrinhalten, u.a. auch orientiert an beruflichen Anforderungen und drit-tens die Betonung des Zusammenhangs zwischen praktischer Tätigkeit und geistig-sittlicher Entwicklung sowie staatsbürgerlichem Verhalten (vgl. Flintner 2001, S. 77ff.).

Anders als es das Zeitalter der Maschine hätte vermuten lassen, orientierte sich der den Arbeits-schulkonzepten unterlegte Arbeitsbegriff jedoch nicht an der industriellen Arbeit, wie sie Karl Marx 1866 (S. 194) mit seiner Idee der polytechnischen Bildung vorschwebte.19 Bestimmend wurde vielmehr ein vormoderner, handwerklich und künstlerisch orientierter Begriff von Ar-beit. „Nicht die Öffnung der Schule zur industriellen Produktion, wurde als das entscheidende bildungstheoretische Moment gesehen, sondern die Hereinnahme von Arbeitselementen in die Schule“ (Uhlig 2004, S. 20). Die inhaltliche Orientierung an den Realitäten der industriellen Arbeitswelt musste daher zugunsten der Schulung allgemeiner in der Berufswelt notwendiger Arbeitstugenden zurücktreten.

Die Vertreter der Arbeitsschulidee scheinen – wie Theodor Litt (1961, S. 69) bemerkt – der humanistischen Bildungstheorie mehr als zunächst vermutet verhaftet gewesen zu sein. Zwar

18 Woldemar Götze, ein Gymnasiallehrer in Leipzig, war der Initiator für Lehrerkurse, in denen diese mit den Inhalten und Methoden des Handfertigkeitsunterrichts vertraut gemacht werden sollten. Sie wurden zu einer festen Einrichtung und führten 1887 zur Gründung einer Lehrerbildungsanstalt für Knabenhandarbeit. Die Leipziger Schülerwerkstatt und die Lehrerbildungsanstalt wurden unter der Leitung Götzes zur Keimstätte der „Leipziger Methode“. Der Handfertigkeitsunterricht dient ihm zur Ergänzung der formalen Geistesbildung. Inhaltlich ist der Unterricht in vier grundlegende Arbeitszweige unterteilt. 1. Papier- und Papparbeit für die kleineren Knaben, 2. Holzarbeit für die mittlere Altersstufe, 3. Metallarbeit für die älteren Schüler, 4. Modellieren in Ton und Plastilin für die ästhetische Schulung in allen Altersstufen, die eine allgemeine handwerkliche Bildung beabsichtigten und durch Auswahl der Werkverfahren und Materialien eine altersstufengemäße Anordnung im Lehrplan ermöglichen sollten (Wilkening 1970, S. 68f.).

19 Die Seitenzahl bezieht sich auf: Marx, K., & Engels, F. (1971). Werke Band 16. Berlin: Dietz Verlag

betonten sie den Bildungswert der manuellen Arbeit und der sinnlichen Erfahrung, maßen diese aber vorrangig an in ihrer Bedeutung für die innere Ausformung des Menschen. So bleibt dann auch ein Georg Kerschensteiner (1854-1932), der als Münchner Stadtschulrat die Einführung des Werkunterrichts in den 8. Jahrgangsstufen der Volksschulen und später auch in den ersten Schuljahren durchsetzen kann, allein bei der bereits bei Goethe so geschätzten handwerklichen Arbeit stehen und negiert die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Realitäten der industriel-len Arbeitsordnung (vgl. Wehnes 1964a, S. 135). Kerschensteiner sieht keinen Bedarf für eine Bildung, die sich die kreative Gestaltung der Moderne zum Ziel setzt. Er dringt damit weder zum Bildungswert der Technik vor, noch beabsichtigt er die Bildung zur Technikkritik (vgl.

hierzu auch Stratmann 1999, S. 650; Konrad 2012, S. 54f.). Die Schwächen der Arbeitsschuli-dee wurden indes schon von den Zeitgenossen wahrgenommen. Sie monierten, dass es sich hier um eine kritiklose Idealisierung der Arbeit an sich handele, die aufgrund der Verbürgerlichung der Arbeitsschulidee kein emanzipatorisches Moment in sich trage, wie es beispielsweise Marx intendiert habe. Zudem sei die Arbeitsschulidee ungeeignet für eine Vorbereitung auf die Be-dingungen, unter denen produziert werde. Es bestehe vielmehr die Gefahr bloßer mechanischer Spielerei ohne Berücksichtigung der gesellschaftlichen Bedingungen der Wirtschaftsorganisa-tion (Uhlig 2004, S. 21f.).

Zeichenunterricht

Das etwa ab Ende der 20iger Jahre des letzten Jahrhunderts mit dem Werkunterricht zusam-menfallende Fach Zeichnen hat eine Tradition, die sich bis zu den bereits im Zeitalter der Auf-klärung geführten Diskussionen über ästhetische Erziehung zurückführen lässt. Ziel und Zweck des Zeichenunterrichts blieben innerhalb dieser Entwicklungsgeschichte keineswegs nur auf ästhetische Aspekte beschränkt, sondern unterliegen ganz unterschiedlichen Intentionen, wie Diethart Kerbs (1976, S. 35) feststellt: „Mal stand er der politisch harmlosen Freizeitbeschäf-tigung höfischer Adelskreise am nächsten, mal der bürgerlichen Philosophie und Ästhetik, mal der handwerklich-technischen Berufsgrundbildung vom sozialen Abstieg bedrohter Kleinbür-gerschichten. Mal sollte er der Hebung des nationalen Gebrauchsgüterexports, mal der Stei-gerung des individuellen Genuß- und Glücksempfindens dienen, mal eine Jugend der Ideologie der herrschenden Klasse gefügiger machen, mal sie zum Durchschauen von Ideologien befähi-gen.“

Auf die zwischen berufsbildenden und allgemeinbildenden Schulwesen verschlungene Ent-wicklung des Zeichenunterrichts im 19. Jahrhundert hat Antonius Lipsmeier (1971) hingewie-sen. Die im 18. Jahrhundert in manchen Regionen eingerichteten Zeichenschulen sollten zuvör-derst dem Gewerbe zuarbeiten. Die Einführung des Zeichenunterrichts an allgemeinbildenden Schulen wie den Volksschulen vollzog sich im 19. Jahrhundert dagegen eher zögerlich. Auch an Gymnasien war er keinesfalls üblich (Kerbs 1976). Mit der erstarkenden ästhetisch wie öko-nomisch orientierten Kunsterziehungsbewegung kamen zum Ende des 19. Jahrhunderts neue Impulse für das Zeichnen an allgemeinbildenden Schulen. Die Kunsterziehungsbewegung arti-kulierte sich aus der allgemeinen Unzufriedenheit mit dem Kunsthandwerk bzw. der „Kunstin-dustrie“ und forderte „eine möglichst breite kulturelle Trägerschicht innerhalb der Werktätigen und der Konsumenten heranzubilden, eine Schicht mit handwerklich-technischem Geschick und kritischem Urteilsvermögen in Fragen der Kunst“ (Wessels 1969, S. 23). Im handwerklich-technischen Ansatz der Arbeitsschulbewegung hatte sich das Zeichnen als methodisch-didakti-sche Leitidee ebenfalls etabliert (vgl. Kermethodisch-didakti-schensteiner 1904). Die Funktion dort lag bei der ver-standesmäßigen Durchdringung der sachlichen Welt über die konzentrierte „Anschauung“ der Form.

Mit den reformpädagogischen Ansätzen zu Beginn des 20. Jahrhunderts entfernte sich der Zei-chenunterricht indes zunächst von den traditionellen Bahnen und damit auch vom eher tech-nisch orientierten Abbilden und Vorausdenken. Das „Zeichnen nach der Natur“, das Freihand-zeichnen aufgrund von Beobachtungen, später dann das Zeichnen als „Ausdruck der Gefühle“

lenkten den Blick des Zeichners mehr und mehr ins Imaginäre. Pädagogisch wurden damit neue Türen aufgeschlossen, weil nun eingeräumt wurde, dass das Kind über eigene Ausdrucksweisen und ästhetische Empfindungen verfügt (vgl. Flintner 2001, S. 62).

Dem Zweck der Technik, Bedürfnisse konkret und konstruktiv zu erfassen wird das künstleri-sche Zeichnen mit seinem stilistisch gefärbten Nachvollzug der Realität oder der Verbildli-chung der Gefühlswelt freilich nicht gerecht. Während man dem Skizzieren in technischer Ab-sicht noch Parallelen zum künstlerischen Zeichnen unterstellen kann, weil hier Körper und Geist ganz beisammen sind und die Skizze aus der „Innen-Außen-Verschränkung herausgesti-kuliert“ wird, wie Ulrich Glotzbach Lindemann (2013, S. 118) bemerkt, verlangt die Techni-sche Zeichnung nach geometriTechni-schen Axiomen, normierter Anschaulichkeit, sachlicher Objek-tivität und zweckbezogener Vereinfachung.

Methodik des Handfertigkeits-, Werk- und Zeichenunterrichts: Bei dem sich im Lauf des 19. Jahrhunderts etablierenden Zeichenunterricht überwog methodisch das Nachzeichnen nach vorgegebenen geometrischer Figuren, Gipsmodellen oder nach den auf Vorlageblättern abge-bildeten Gegenständen (näheres zu den einzelnen Methoden bei Weishaupt 1867).

Die für den Handfertigkeitsunterricht in Deutschland tonangebende „Leipziger Methode“ sah eine Dreiteilung des Unterrichts vor: In der ersten Phase, der Anschauung oder Darbietung, sollte das zu erarbeitende Artefakt je nach Niveau entweder anhand eines Modells oder einer Werkzeichnung besprochen werden. Dabei sollten Teile, Form, Abmessungen und Materialbe-schaffenheit ins Bewusstsein gerufen werden, sodann sollte in der zweiten Phase die Herstel-lung im fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch geklärt werden. In der dritten Phase sollte das Gelernte zur Anwendung kommen, der Schüler den Gegenstand also abschnittsweise ferti-gen. Die besonderen Umstände des Klassenunterrichts machen eine Anpassung der handwerk-lichen Methode der Einzelunterweisung erforderlich. Dies wird durch die Demonstration der notwendigen praktischen Handgriffe durch den Lehrer vor der Klasse sowie durch „innere Dif-ferenzierung“ gelöst. Damit sind Nebenarbeiten oder Arbeiten mit unterschiedlichem Schwie-rigkeitsgrad gemeint (Wilkening 1970, S. 80ff.). Nur langsam wird vom Prinzip der vollständi-gen Reproduktion abgerückt und dem Schüler mehr Planungsfreiheit zugebilligt, beispielsweise indem ihm bei der Anfertigung von Werkzeichnungen mehr Optionen bei der Wahl konstruk-tiver Details eingeräumt werden.

Streng an vorgegebenen Aufgaben ist auch Kerschensteiners Konzept des Arbeitsunterrichts orientiert. In den ersten Klassen dominieren Holzarbeiten, die teilweise auch projektartig be-trieben werden können. In der 8. Jahrgangsstufe findet der Arbeitsunterricht fünfstündig statt und setzt auf Holz- und Metallarbeiten, die durch Übungen im Werkzeuggebrauch an Probe-stücken vollzogen werden. Ausgangspunkt ist die Werkzeichnung eines jeden Übungsstückes.

Nicht die Bearbeitungstechnik an sich, sondern das maßgenaue Arbeiten ist das Ziel des Unter-richts. Der den technischen Werkprozess eigentlich auszeichnenden Zusammenhang zwischen Zwecksetzung und Mittelfindung bleibt dabei nach Ansicht Wilkenings (1970, S. 109) aller-dings ebenso auf der Strecke, wie der Freiraum für Kreativität und Phantasie.

Verbindung von Kunst, Handwerk und Industrie – Werkbund und Bauhaus als Ansatz für technische Bildung? Das ausgehende 19. Jahrhundert beziehungsweise der Beginn des 20.

Jahrhunderts war eine Zeit wirtschaftlicher Blüte und rasanter industriekapitalistischer Ent-wicklung. Zeitgleich formierten sich lebensreformerische und kulturkritische Bewegungen, et-liche davon in ideologischer Distanz zum „Zeitalter des Fortschritts und der Industrie“, der

„Dominanz der Technik“ oder der „Welt der Maschinen“.

Dass Kunst, Handwerk und Industrie unter dem verbindenden Begriff „Gestaltung“ durchaus in einen fruchtbaren Zusammenhang gebracht werden und damit Impulse für die technische Bildung an allgemeinbildenden Schulen liefern können, bewies eine Bewegung, die ihren An-fang in der Gründung kleiner Werkstätten nahm. In diesen kam es zuerst auf der Grundlage

englischer Vorbilder, im späten 19. Jahrhundert dann durch eigenständige Entwürfe zur Ferti-gung zeitgemäßer Produkte. Aus der Fusion solcher Werkstätten ging 1907 der „Deutsche Werkbund“ hervor, dem neben Architekten, Industriellen, Schriftstellern auch Politiker ange-hörten. Ziel war „[…] die Veredelung der gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie und Handwerk, durch Erziehung, Propaganda und geschlossene Stellungsnahme zu einschlägigen Fragen“ (zit. nach Droste 1990, S. 12).

Die Einheit von Kunst und Handwerk stand auch im Gründungsmanifest des Bauhauses 1919.

Personell mit dem Werkbund verflochten, hatte sich diese Lehreinrichtung der Formgebung im Industriezeitalter verschrieben. Stilfragen, künstlerische Ausrichtung sowie Art und Inhalt der Ausbildung wurden indes maßgeblich von einzelnen, in der Einrichtung arbeitenden und leh-renden Persönlichkeiten beeinflusst. Der Schweizer Johannes Itten (1888-1967) beispielsweise erhob die ganzheitliche Arbeit zum Programm der Bauhausausbildung. Charakteristisch hierfür war eine Überhöhung des handwerklichen Tuns und eine besondere Beziehung zum Werk-stoff.20 Was Itten wohl ganz bewusst als kreativen und künstlerischen Gegenentwurf zur in-dustriellen Fertigung mit ihrer Aufspaltung der Arbeit in einzelne Verrichtungen verstand, deckte sich freilich nur unzureichend mit den Intentionen des Gründers des Bauhauses Walter Gropius (1883-1969). Dessen Absicht war keineswegs eine Belebung des Handwerks, sondern eine künstlerische Beeinflussung des modernen industriellen Fertigungsprozesses (Stelzer 1968, S. 245). Der Ungar Lászlo Moholy-Nagy (1895-1946) und der ehemalige Volksschulleh-rer Josef Albers (1888-1976) lenkten den Blick dann wieder mehr auf Fragen einer zeitgemäßen industriellen Formgestaltung für Architektur und Wohndesign.

Das von Walter Gropius als Einheit von Kunst und Technik propagierte Konzept, machte eine stärkere didaktische Auseinandersetzung mit der Welt der Maschinen erforderlich. „Die Schü-ler besichtigten Fabriken und Handwerksbetriebe, machten sich mit einfachem Werkzeug ver-traut und lernten, Material einzeln und dann kombiniert zu verarbeiten“ (Droste 1990, S. 60).

Dass Kunst vom Schaffensprinzip her individuell-subjektiven Abhängigkeiten folgt, technische Gebrauchsgegenstände dagegen objektiven Zwecksetzungen genügen müssen, stellte einen nur zum Teil lösbaren Widerspruch dar, dessen sich auch die Bauhauslehrer mehr und mehr be-wusstwurden. „Vielmehr führten die Lehrerfahrungen am Bauhaus zu der Erkenntnis, daß Kunst und Technik, freies bildnerisches Gestalten und Produktentwicklung wohl in ihrem Ur-sprung eine Einheit bilden und auf gegenseitige Befruchtung angewiesen sein mochten, daß diese beiden Bereiche jedoch auf Grund ihrer unterschiedlichen Intentionen und Sachstruktu-ren in einer Lehre didaktisch nicht gleichzeitig bewältigt werden konnten“ (Wilkening 1970, S. 153).

Methodik des Bauhauses: Das didaktische Konzept des Bauhauses sieht Wilkening (1970, S.

154) inspiriert einerseits durch die Arbeitsschulbewegung mit ihrer Zielstrebigkeit und strengen Arbeitsplanung, andererseits durch die Kunsterziehungsbewegung mit ihrer Betonung der Frei-setzung individueller Gestaltungskräfte. Die Ausbildung selbst war in Phasen unterteilt. In so genannten Vorkursen ging es um Materialerfahrungen und -übungen. Durch anfängliches Er-tasten und Befühlen und später durch die gezielte Freigabe von Werkzeugen wird diese Mate-rialerfahrung gelenkt. Die Schüler sollten so zur eigenständigen Erfindung von Materialbear-beitungsverfahren, Materialkonstruktionen und -verbindungen jenseits traditioneller Lösungen angeregt werden. Ziel dabei war jedoch immer ein ökonomisch tragfähiges Ziel (Wilkening 1970, S. 144ff.). In der zweiten Phase ging es in Spezialwerkstätten um konkrete Produkte.

Ausgangspunkt für den Gestaltungsprozess des zu schaffenden Gegenstandes ist dessen We-senserforschung. Damit sollen die Funktionen klar herausgearbeitet werden, wobei nicht nur der Gebrauch, sondern moderne Herstellungsmethoden, Konstruktionen und Materialien be-rücksichtigt werden müssen. Neben der Werkarbeit in den Werkstätten gehörten zum Unterricht

20 Im Gründungsaufruf des Bauhauses findet sich der Satz: „Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück.“