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3 Methodologische Aspekte technischer Bildung

4.1 Welche Ziele werden im Rahmen technischer Allgemeinbildung angestrebt?

4.1.4 Exkurs: Probleme und Chancen im Kontext von Technik und technischer Bil- Bil-dung Bil-dung

4.1.4.1 Technik und Bildung bzw. Qualifizierung

Probleme und Chancen: Frühe Auseinandersetzung mit Technik40

Wie in anderen Bildungsbereichen auch, steht das pädagogische Handeln in den vorschulischen Bildungseinrichtungen unter einem ständigen Legitimationszwang. Dies führte und führt zu verschiedenen pädagogischen Konzepten. In den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts dominierten behavioristische und an der Entwicklung allgemeiner „Funktionen“ des Kindes orientierte Konzepte. Sie orientierten sich am Denken, Fühlen oder an der Kreativität des Kin-des. Mit der Curriculumphase in den 70er Jahren kam es auch im Elementarbereich zu funkti-ons- und disziplinorientierten Ansätzen, die zum Ziel hatten, Kinder systematisch in die ele-mentaren Kenntnisse der Mathematik, des Schreibens und Lesens sowie der Naturwissenschaf-ten einzuführen. Den Fokus auf die Förderung benachteiligter Kinder legNaturwissenschaf-ten dagegen kompen-satorische Ansätze (Wannack 2010, S. 20). Ergänzt wurden diese Konzepte ab den 80er Jahren durch die Beschäftigung mit spezifischen Lebenssituationen, wobei sich sowohl Inhalte als auch Erziehungsprozesse vorrangig an den Wünschen und Bedürfnissen der Kinder und nicht so sehr an der Struktur der Inhalte oder den zu erreichenden Zielen orientierten (vgl. König 2007, S. 2). Insgesamt wurde den Selbstentwicklungskräften des Kindes ein relativ großer Frei-raum eingeräumt. Die Bildungsarbeit des Kindergartens orientierte sich sehr stark an den vom Kind vorgebrachten Bedürfnissen sowie an Spiel und Phantasie. Infolge neuro- und kognitions-wissenschaftlicher Erkenntnisse hat sich seit geraumer Zeit jedoch die Auffassung durchge-setzt, dass die kognitive Entwicklung systematischer als bisher von außen stimuliert werden kann und sollte. Die Erkenntnis über die frühe, bereits vor Schuleintritt beginnende Entwick-lung von Kompetenzen sowie über die Bindung des Kompetenzerwerbs an bestimmte Lernbe-reiche führte in den einzelnen Bundesländern dazu, dass man den relativ beliebigen Bildungs-angeboten der Erziehungseinrichtungen mit den sogenannten Bildungs- und Erziehungsplänen einen formellen Katalog an Zielen beigestellt hat. Beabsichtigt ist damit die gezielte Förderung differenzierter und nachhaltiger Lern- und Bildungsprozesse in spezifischen Bildungsberei-chen. Dazu zählt auch die Beschäftigung mit Naturwissenschaft und Technik. Diese Entwick-lung stellt einen gewissen Paradigmenwechsel dar, der insbesondere das Erziehungspersonal in die Pflicht nimmt. Den Erzieherinnen und Erziehern kommt die Aufgabe zu, dem Kind als „Ko-Konstrukteure“ bei der Erschließung der Umwelt und dem Aufbau des Wissens zur Seite zu

40 Der Abschnitt ist im Wesentlichen eine Zusammenfassung des Aufsatzes „Über das Staunen hinausführen: didaktische Überlegungen zum Bildungsbereich Naturwissenschaft und Technik.“ (Köck 2017).

stehen.

Die Erkenntnis, dass Kinder für einen frühen, ihrem Alter entsprechenden Zugang mit natur-wissenschaftlich-technischen Themen motivational wie kognitiv durchaus aufgeschlossen wer-den können, ist heute wissenschaftlich unbestritten und bestätigt sich im Alltag: Bereits Vor-schulkinder gehen mit Technik recht selbstverständlich um. Sie handhaben Spielzeug mit me-chanischen Funktionen oder elektrischen Antrieben, telefonieren und nutzen Lern- oder Spielsoftware am Computer.

Die Forderung diesem Bildungsbereich daher mehr Raum als bisher in der vorschulischen und schulischen Bildung einzuräumen, wird durch verschiedene Argumente flankiert. Mit dem Her-anführen der Kinder an Naturwissenschaft und Technik ist die Erwartung verbunden, Interesse für den sogenannten MINT-Bereich zu wecken (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) und damit einseitigen Rollenprägungen entgegenzuwirken. Innerhalb der öffent-lichen Debatte schwingt dabei auch die Vorstellung mit, so die spätere Berufswahl und letztlich die Innovations- oder Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft günstig beeinflussen zu kön-nen. Neben diesem ökonomischen Aspekt, wird aber auch das Kind selbst in den Blick genom-men und die Grundlegung eines naturwissenschaftlichen-technischen Verständnisses in frühen Jahren als Basis für die individuelle Partizipation in zunehmend von Technik geprägten bzw.

abhängigen Gesellschaften gesehen.

Individuell treffen naturwissenschaftlich-technische Phänomene nicht nur bei Kindern oft auf ein unbefriedigtes Interesse, das technischen Wirkungen mit Aufgeschlossenheit begegnet und realisiert, dass etwas funktioniert, aber nicht, wie es funktioniert (vgl. Duismann 2010, S. 206).

Es besteht daher sowohl ein gesellschaftliches Interesse als auch ein individuelles Verlangen, technische Phänomene nicht nur wahrzunehmen, sondern Technik in ihren Sinnbezügen zu er-fassen oder sogar aktiv mitzugestalten. Dem stehen andererseits Sozialisationsbedingungen ent-gegen, die dazu führen, dass „Kinder immer weniger Gelegenheiten haben, sich mit technikbe-zogenen Inhalten, mit Bastel-, Bau-, Konstruktions- und „Erfinder“tätigkeiten zu beschäftigen“

(Buhr 2008, S. 26).41

In Kindertagesstätten genauso wie in der Grundschule muss die Auseinandersetzung mit Tech-nik nicht grundlegend neu erfunden werden, sie ist seit langem präsent: Beim Werken oder Gestalten, bei der Materialerfahrung oder beim Lesen in Sachbilderbüchern. Der stete Umgang mit Technik in Form von Werkzeugen, Artefakten oder Systemen im privaten Bereich oder auch im Spiel bildet die Grundlage dafür, Technik als selbstverständlichen Bereich menschli-cher Kultur zu begreifen. Gerade im Spiel mit seinem unbefangenen Umgang mit Materialien, seinen selbst auferlegten Regeln und Zielen werden wichtige Fähigkeiten auch für das techni-sche Tun erworben. Allerdings verbleiben Kinder – wie die meisten Erwachsenen auch – in der alltäglichen Auseinandersetzung mit Technik in einer vorwiegend rezeptiven Nutzer- oder An-wenderrolle, die heute weder den gesellschaftlichen Ansprüchen an Kindererziehung noch den tatsächlichen individuellen Erfordernissen des Kindes nach Weltaufschluss genügen kann.

Auch die im Primarbereich präferierten und der kindlichen Entwicklung durchaus angemesse-nen unmittelbaren sinnlichen Erfahrungen sind oftmals allein nicht mehr ausreichend: Um die Technik in ihrer Vielschichtigkeit zu erfassen, ist ein über das bloße Staunen, Betrachten und Anwenden von Technik hinausreichendes Repertoire an methodischen Zugängen und inhaltli-chen Grundlegungen sinnvoll.

Mit der frühen Beschäftigung mit Naturwissenschaften und Technik wird dem kindlichen Inte-resse an der natürlichen und gestalteten Umwelt entsprochen. Dem InteInte-resse lässt sich durch das situationsgerechte Eingehen auf die Bedürfnisse der Kinder genauso zuarbeiten wie durch inhaltlich und methodisch geplante und gestaltete Lern- und Spielumgebungen. Methodisch lassen sich so grundsätzliche Herangehensweisen an naturwissenschaftlich-technische Themen und Fragestellungen anbahnen. Dazu zählen neben der genauen Beobachtung beispielsweise das Experimentieren, Messen und (zeichnerische) Protokollieren. Innerhalb überschaubarer

41 Dass eine solche Bestandsaufnahme durchaus nicht neu ist, zeigt beispielsweise Wehnes (1964a, S. 136f.).

Werkprojekte können die Kinder zudem allgemeine „handwerkliche“ und konstruktive Fähig-keiten erwerben. Inhaltlich geht es dabei um elementares Wissen sowie um grundlegende Zu-sammenhänge. Die Kinder lernen Materialien und Stoffe kennen und beurteilen Sie im Hinblick auf ihre ökologische und ökonomische Bedeutsamkeit. Sie eignen sich naturwissenschaftlich-technische Kenntnisse und Erkenntnisse an, die ihnen bei ihrem Weltaufschluss behilflich sind und im unmittelbaren Lebensbereich der Kinder „geerdet“ sind. Durch die Beschäftigung mit Natur und Technik wird Rollenzuweisungen und unterschiedlichen Sozialisationsbedingungen entgegengewirkt. Des Weiteren reflektieren die Kinder technische Artefakte im Hinblick auf ihre Entstehungs- und Verwendungszusammenhänge. So erschließen sie sich einerseits den ob-jektiven nutzorientierten Sinnzusammenhang sowie andererseits den auf ihre eigene werdende Persönlichkeit bezogenen subjektiven Sinn der Technik.

Eine solche altersgemäße naturwissenschaftlich-technische Bildung, die sich zudem noch als anschlussfähig für schulische Formen des Lernens erweist, ist eine Chance für die Zukunft.

Probleme und Chancen: Fachkräftemangel und Arbeitsmarkt

Menschen bringen die Technik hervor und nutzen sie. Die Ausdehnung der Technik in die ver-schiedensten gesellschaftlichen Bereiche fordert selbst bei Gegenrechnung von Rationalisie-rungspotenzialen ein hinreichend großes Reservoir an qualifizierten Fachkräften. Langfristige Arbeitsmarktprojektionen deuten darauf hin, dass die Arbeitskräftenachfrage nach Personen mit einem Qualifikationsprofil aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) in Zukunft weiter ansteigen wird. Gründe hierfür werden im Strukturwan-del sowie im demografischen WanStrukturwan-del gesehen. Der ökonomisch bedingte volkswirtschaftliche Strukturwandel zieht eine Änderung der Qualifikationsstrukturen innerhalb der Bevölkerung nach sich, der demografische Wandel lässt einen Mangel insbesondere an Hochqualifizierten erwarten. Eine Analyse aktueller Entwicklungen am Arbeitsmarkt verleitet zur Annahme, dass ein solcher Mangel bereits für die nächsten zwei Jahrzehnte zu erwarten ist. Dies liegt bei den akademischen Berufen u.a. daran, dass die Akademikererwerbstätigkeit heute hauptsächlich von den mittleren Altersgruppen getragen wird. Diese geburtenstarken Jahrgänge scheiden aber sukzessive aus dem Erwerbsleben aus. Sie könnten nur dann halbwegs ausreichend ersetzt wer-den, wenn die nachrückenden geburtenschwachen Jahrgänge deutlich besser qualifiziert sein würden als frühere Kohorten. Selbst wenn die sich derzeit abzeichnende Bildungsexpansion zu einer Abmilderung des Fachkräftemangels im akademischen Bereich führen würde, ist dann aber mit einem Mangel an Fachkräften auf der mittleren Qualifikationsebene zu rechnen. Von einem generellen Fachkräftemangel kann indes nicht gesprochen werden (vgl. Helmrich u.a.

2012). Vielmehr wird dieser sektoral und regional begrenzt bleiben. Besonders bestimmte Be-triebe mit geringer Größe werden den Fachkräftemangel spüren. Darunter fallen vor allem Klein- und Kleinstbetriebe, Betriebe, die unternehmensnahe Dienstleistungen anbieten oder Be-triebe in forschungs- und entwicklungsintensiven Branchen des verarbeitenden Gewerbes, die jetzt schon dauerhaft damit zu kämpfen haben, ihre Stellen zu besetzen.

Die strukturellen und demografischen Entwicklungen fordern schulische Berufsorientierung und technische Bildung jedoch nicht allein aus ökonomischen Motiven. Es gilt des Weiteren berufsbiographische Chancen für verschiedene Personengruppen zu eröffnen, die solche bis heute nur unzureichend wahrnehmen können. Dazu zählen zum einen die Mädchen und zum anderen die Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Beide Gruppen sind in den gewerblich-technischen Ausbildungsgängen wie in den gewerblich-technischen Studiengängen bisher unterrepräsen-tiert. Dass die Nachqualifikation von älteren Arbeitnehmer ein weiteres Aufgabenfeld techni-scher Bildung darstellt, sei hier ebenfalls bemerkt (Buhr 2008, S. 17).

Ein übergeordnetes Ziel technischer Bildung unter der Arbeitsmarktperspektive ist die We-ckung von Motivation und Interesse, sich mit naturwissenschaftlich-technischen Phänomenen und Problemen auseinanderzusetzen. Inhaltlich und methodisch macht dies eine stärkere

Be-rücksichtigung von Selbstbewusstsein, Selbstkonzept und (vor)beruflicher Identität erforder-lich. Es gibt einige Hinweise, dass sich derartige Dispositionen durch die Erfahrung technischer Gestaltungsmöglichkeiten sowie durch das Wissen über berufliche Optionen im MINT-Bereich positiv beeinflussen lassen. Zu beachten ist freilich, dass die Angebote naturwissenschaftlich-technischer Bildung zielgruppenspezifisch ausgestaltet werden.

Probleme und Chancen: Technik und Frauen

Der homo faber als anthropologisches Konzept ist nur theoretisch geschlechtsneutral (Karafyl-lis 2009, S. 342). Wenngleich in prähistorischen Frauengräbern auch Waffen und Werkzeuge gefunden wurden, scheint die Technik seit Jahrtausenden eine Domäne der Männer zu sein.

Weder für die eindrucksvollen baulichen Zeugnisse altorientalischer Hochkulturen (Sumerer, Assyrer, Chaldäer oder Perser), noch für die der Antike können aufgrund der Ausgrabungen oder anderer archäologischen Fundstücke Frauen als Urheber in Betracht gezogen werden.

Auch die feinmechanischen Uhren der Neuzeit oder andere Apparate sind uns ausschließlich als männliche Schöpfungen bekannt (vgl. Bagg & Cancik-Kirschbaum 2006, S. 9). Selbst die griechisch-römische Mythologie legt den schöpferischen Akt gerne in die Hände männlicher Götter. Deswegen aber nun Technik allein als männliche Domäne zu identifizieren, übersieht geflissentlich die Anteile der Frauen am Entstehungsprozess von Kleidung, Schmuck, Hausrat oder ihre Bedeutung in der Landwirtschaft. Wenngleich also weder der gedanklich-schöpferi-sche noch der handwerkliche Anteil der Frauen an der Technik im Vergleich zu männlichen Urhebern ausreichend belegt ist, darf doch angenommen werden, dass die praktischen Erkennt-nisse und Erfahrungen der Frauen etwa in der Textiltechnik, der Keramik, im Garten- oder Möbelbau einen zur Weiterentwicklung der Technik bedeutenden Anteil beigetragen haben.

Dabei ist die niedrigere Partizipation an technischen Innovationen und Errungenschaften von Frauen wohl in erster Linie ein kulturelles Phänomen. Anders als es etwa Rollenzuweisungen in afrikanischen Kulturen zeigen, führte in unserem Kulturkreis die physiologische Dominanz der Männer zu einer Segregation der Aufgaben. Sie beschränkte die Frauen auf bestimmte Tä-tigkeiten – vor allem auf Kinderpflege und Haushalt. Der damit einhergehende Ausschluss von herrschaftlicher beziehungsweise auch politischer Verantwortung verhinderte andererseits aber auch die Erwähnung in den Zeugnissen der sozialen Gemeinschaften. Dagegen werden Herr-scher oder Baumeister in Urkunden, Annalen oder Inschriften als Urheber von Stadtplanung, Städte-, Hafen- oder Wasserbau, Militär und Kriegstechnik ausdrücklich erwähnt.

Die bis heute vorherrschende geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, die im Wesentlichen ein Produkt der Industrialisierung und der sich ausformenden Bürgergesellschaft ist, hat die Zu-gänge zur Technik weiter eingeengt. Die technische Entwicklung begünstigte eine generelle Trennung von Arbeit und Privatem, gleichzeitig versuchte man die Geschlechterdifferenzie-rung mit naturphilosophischen und medizinischen Argumenten zu begründen. Dies führte dazu, dass Frauen im bürgerlichen Lager auf häusliche Tätigkeiten festlegt wurden, verhinderte an-dererseits aber nicht, dass die Mädchen und Frauen der nichtbesitzenden, einkommensschwa-chen Schichten auf körperliche Arbeit in den Manufakturen und Fabriken angewiesen blieben.

Nach wie vor scheinen die kulturellen Segregationsmechanismen einer männerdominanten Technikkultur zu wirken (vgl. Wender 2005). Gleichwohl könnte ein alleiniger Defizitansatz zur Klärung der Bildungs- und Berufsbiographien von Frauen zu kurz greifen. Die Technikso-zialisation junger Frauen muss nach Ansicht von Hans-Jürgen von Wensierski (2015, S. 465) vielmehr als komplexer Prozess gedeutet werden, in dem sich Werte, Einstellungen und Erfah-rungen mit Technik im Alltag und in der Biographie zu einer habitualisierten kulturellen Praxis verbinden. Diese führe selbst bei Frauen mit hoher Affinität zu MINT-Fächern anders als bei vergleichbaren Männern zu stark diversifizierenden Fächerinteressen, so dass Bildungs- und Berufswahlentscheidungen letztlich in eine andere Richtung gehen.

Eine Folge dieser Mechanismen ist, dass eine substanzielle Beteiligung von Frauen an gesell-schaftlichen Technikbewertungs- und Gestaltungsprozessen unterbunden wird. Damit bleiben

die Ressourcen, die Frauen bei der Gestaltung der Technik einzubringen in der Lage sind, un-genutzt und es besteht zudem die Gefahr, dass in einer auf Ausgleich der Positionen angewie-senen Demokratie ihre Interessen nur unzureichend berücksichtigt werden. Überdies verhindert der Teil der männlich „inszenierten“ Arbeitswelt Karrierechancen. Dass dies nicht nur im Hin-blick auf Chancengleichheit, sondern auch ökonomisch ein unhaltbarer Zustand ist, gilt seit langem als ausgemacht und wird derzeit vorrangig im Kontext des Fachkräftemangels disku-tiert.

Beide Problemkreise sind Anlass, das Aufgabengebiet technischer Bildung in allgemeinbilden-den wie beruflichen Bildungsreinrichtungen zu erweitern: Zusätzlich zur Umsetzung klassi-scher techniklassi-scher Bildungsziele muss auch in der Schule eine Auseinandersetzung mit den Ur-sachen der ungleich verteilten Partizipationsmöglichkeiten in technischen Arbeits- und Berufs-feldern erfolgen.

Die Disparitäten werden heute als Folge einer ganzen Reihe von Faktoren gesehen. Eine nach-haltige Wirkung entfalten geschlechtertypische Sozialisationsprozesse sowie fehlende Rollen-modelle in Familie, Schule, Organisationen und Unternehmen. Die Entwicklung der Identität mit ihren Subkategorien wie Selbstkonzept, Selbstwertgefühl oder Kontrollüberzeugungen wird in erheblichem Maße davon beeinflusst, ob ein Individuum als „weiblich“ oder als „männ-lich“ klassifiziert wurde (vgl. Schaufler 2009, S. 320). Bei Frauen verfestigen sich auf diese Art geschlechtertypische Normalitätsvorstellungen, die ihrerseits die Erfahrungen mit Technik und in der Folge das Technikwissen sowie letztendlich auch das Interesse an Technik beeinflussen.

Die konstitutiven Bedingungen des Arbeitsmarktes, die dazu führen, dass Frauen in technischen Berufen häufiger arbeitslos sind und bei gleicher Tätigkeit schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen, tun ihr Übriges.

Dies alles zeigt, dass Technik als männliche Domäne nur dann aufgebrochen werden kann, wenn in verschiedenen individuellen Erlebnisbereichen und auf unterschiedlichen gesellschaft-lichen Ebenen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Frauen in einer Welt der Technik Selbstgestaltungskompetenzen ausbilden können und ihre Lebensvorstellungen ver-wirklicht sehen. Das bedeutet, dass sie auf der Grundlage ausreichender Erfahrungen und Rol-lenbilder, in Abwägung der eigenen Möglichkeiten mit den für sie günstigen Arbeitsmarktchan-cen und Karriereoptionen ohne Einschränkung in einen technischen Beruf einmünden können, dort entsprechend ihrer Leistung bezahlt werden und – für den Fall familiär bedingter Pausen – Anschluss- bzw. Wiedereinstiegsoptionen wahrnehmen können.

Den vorschulischen und schulischen Bereich verpflichtet diese genderspezifische Bestandsauf-nahme auf verschiedene Angebote, Selbstkonzept und berufliche Identität in Richtung Technik zu erweitern.