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2 Literaturübersicht

2.5 Zelluläre Veränderung während der intestinalen Entzündung

Die dominierenden Entzündungszellen während des Ischämie-Reperfusions-Geschehens sind neutrophile Granulozyten, Lymphozyten und Makrophagen (MOORE et al. 1994; KALFF et al.

1998, 1999). Neutrophile Granulozyten machen beim Pferd 50 % der Blutleukozyten aus (TIZARD 2004). Die eosinophilen Granulozyten gehören zu den stationären Zellen des Gastrointestinaltrakts (MCEWEN 1992), wobei ihre Funktion während der Ischämie und Reperfusion bisher nicht vollständig geklärt ist.

2.5.1 Neutrophile Granulozyten

2.5.1.1 Rekrutierung neutrophiler Granulozyten

Die zu den polymorphkernigen Zellen zuzuordnenden neutrophilen Granulozyten spielen ins-besondere in der frühen Phase der ischämischen Entzündungsreaktion eine zentrale Rolle (GRISHAM et al. 1986; LITTLE et al. 2005).

Neutrophile Granulozyten sind Entzündungszellen der akuten Entzündungsreaktion. Sie werden im Knochenmark gebildet und in die Blutbahn abgegeben, von wo aus sie innerhalb von 12 Stunden ins Gewebe wandern (TIZARD 2004). Die Aktivierung dieses Vorgangs erfolgt mit Hilfe eines inflammatorischen Stimulus. Kapilläre Endothelzellen werden, z. B. durch von Bakterien freigesetzte Lipopolysaccaride (LPS: Lipopolysaccharide), von Histamin oder Thrombin stimuliert, die von geschädigtem Gewebe sezerniert werden, und sezernieren ihrerseits das Glykoprotein P-Selektin. Dieses bindet über Carboxylketten an das von neutrophilen Granulozyten exprimierte L-Selektin. Diese Bindung induziert die Verlangsamung der neutro-philen Granulozyten im Blutstrom und ein „Rolling“ entlang der Gefäßwand (TIZARD 2004). Die so verlangsamte Zelle wird durch den Lipid Platelet Activating Factor (PAF) aktiviert und

exprimiert ein Integrin (CD11a/CD18), das sich an das Glykoprotein Intercellular Adhesion Molecule-1 (ICAM-1) der inflammatorischen Endothelzellen bindet. Dieser Mechanismus wird als „adherence“ bezeichnet (TIZARD 2004).

Die Einwanderung ins entzündete Gewebe, „emigration“, bildet die letzte Phase der Aktivierung.

Hierfür wandert der fixierte neutrophile Granulozyt zwischen den Endothelzellen und der Basalmembran hindurch ins Gewebe (TIZARD 2004).

2.5.1.2 Nachweisverfahren

Zur Erhebung der Granulozytenakkumulation im Gewebe wurden in der Literatur verschiedene Nachweismethoden, die sich in Spezifität, Selektivität und Aufwand unterscheiden, beschrieben.

Die klassische histomorphometrische Auszählung aufgrund der morphologisch gut differenzierbaren Eigenschaften neutrophiler Granulozyten in der HE-Färbung (HE: Hämatoxilin-Eosin) barg laut MOORE et al. (1994) einige Nachteile, wie einen hohen Zeitaufwand und eine stark subjektive Beurteilung der Schnitte, insbesondere bei hohen Zellzahlen nach Ischämie und Reperfusion.

Der immunhistochemische Nachweis von Calprotectin im Zytoplasma neutrophiler Granulozyten ist eine weitere Methode zur Detektion neutrophiler Granulozyten. Calprotectin macht ca. 30–50 % des Gesamtproteins im Zytoplasma neutrophiler Granulozyten aus (SORENSEN u. BORREGAARD 1999; YUI et al. 2003). Zudem wird Calprotectin in akuten inflammatorischen Prozessen auch in Makrophagen und Monozyten exprimiert (YUI et al. 2003).

In Lymphozyten konnte hingegen kein Calprotectin nachgewiesen werden (YUI et al. 2003). Mit Studien am Jejunum und Kolon von Pferden konnte eine signifikante Korrelation zwischen Calprotectin positiven Zellen und neutrophilen Granulozyten in der HE-Färbung nachgewiesen werden (LITTLE et al. 2005; GROSCHE et al. 2008). Die bessere Differenzierbarkeit neutrophiler Granulozyten aufgrund der Darstellung des Calprotectins in ihrem Zytoplasma ermöglicht eine objektive Beurteilung der neutrophilen Zellzahlen insbesondere in ischämie- und reperfusionsgeschädigten Proben mit hohen Zellzahlen.

2.5.1.3 Infiltration neutrophiler Granulozyten im geschädigten Dünndarm

Neutrophile Granulozyten stellen bei Ischämie- und Reperfusionsbedingter Schädigung des Dünndarms eine wichtige Zellfraktion dar. Die möglichen Zusammenhänge zwischen der Akkumulation neutrophiler Granulozyten im Gewebe und der Regeneration des geschädigten Dünndarms wurden in diversen Studien untersucht.

Die Dauer der Ischämie scheint für die Intensität der Infiltration mit neutrophilen Granulozyten, sowohl in der Tunica mucosa (TOMLINSON et al. 2004; LITTLE et al. 2005) als auch in der Tunica muscularis und der Tunica serosa (LITTLE et al. 2005), eine entscheidende Rolle zu spielen. In der Tunica muscularis des equinen Jejunums war nach einstündiger Ischämie und 18 Stunden andauernder Reperfusion eine deutliche Zunahme der neutrophilen Granulozyten Perimysium sowohl in der Zirkulär- als auch in der Longitudinalmuskulatur zu beobachten (LITTLE et al. 2005).

So kam es zu einem signifikanten Anstieg der Infiltration an neutrophilen Granulozyten in der

Longitudinalmuskulatur sowohl nach einstündiger als auch nach zweistündiger Ischämiephase im Vergleich zur ungeschädigten Kontrollprobe (LITTLE et al. 2005). In einer weiteren Studie wurde nach neunzigminütiger Ischämie zu den erfassten Reperfusionszeitpunkten (zwischen 5 und 120 Minuten) eine stärkere Infiltration neutrophiler Granulozyten in der Longitudinalmuskulatur im Vergleich zur Zirkulärmuskulatur beobachtet (VENTE 2011). FRANZ (2013) kam zu einem ähnlichen Ergebnis: Nach neunzigminütiger Ischämie- und drei-ßigminütiger Reperfusionsphase am equinen Jejunum wurde auch hier eine deutlichere Zunahme an neutrophilen Granulozyten in der Longitudinalmuskulatur im Vergleich zur Zirkulärmuskulatur der Tunica muscularis beobachtet (FRANZ 2013).

Die Hypothese einer generalisierten neutrophilen Entzündungsreaktion im equinen Jejunum ergab sich aus den weiteren Ergebnissen der Studie von FRANZ (2013). Hier wurde in ungeschädigten Jejunumabschnitten, die in einem Meter Abstand zum ischämie- und reperfusionsgeschädigten Jejunum entnommen wurden, signifikant erhöhte neutrophile Zell-zahlen in der Longitudinalmuskulatur im Vergleich zur Kontrollprobe beobachtet (FRANZ 2013).

2.5.2 Eosinophile Granulozyten

Eosinophile Granulozyten gehören zu den polymorphnukleären Zellen der Leukozytenfraktion und sind etwas größer als neutrophile Granulozyten. Unter physiologischen Bedingungen sind eosinophile Granulozyten überwiegend gewebsständige Zellen (STRAUMANN u. SIMON 2004).

Eosinophile Granulozyten wurden bei Ratten in der Haut, im Gastrointestinaltrakt, in der Lunge und im Uterus als gewebsständige Zellen nachgewiesen (MCEWEN 1992). Im Blut zirkulierende eosinophile Granulozyten machen etwa 1–10 % der Leukozyten bei Haustieren aus (MCEWEN et al. 1992; DUNCAN et al. 1994). Bei Pferden variiert diese Zellzahl über den Tag verteilt.

Morgens und abends waren sie am zahlreichsten im Blut nachweisbar (KOTTMANN-JÜTTER 1975; MCEWEN et al. 1992). Eosinophile Granulozyten sind laut MOQBEL et al. (1994) sogenannte Endzellen im Blut und Gewebe und besitzen dementsprechend nur eine limitierte Kapazität zur Transkription und Translation neuer Proteine.

Im Gastrointestinaltrakt gesunder Pferde liegen eosinophile Granulozyten inhomogen verteilt in der Tunica mucosa und in der Tela submucosa vor. Die niedrigste Zelldichte wurde im Magen beobachtet, während im Caecum die höchste Zelldichte festgestellt wurde (RÖTTING et al.

2008a). Im Colon ascendens und Colon transversum wurden des Weiteren mehr eosinophile Granulozyten in der Tunica mucosa und Tela submucosa nachgewiesen als im Duodenum und Jejunum (RÖTTING et al. 2008a).

Auch die Zellverteilung innerhalb der Darmwand ist inhomogen. Die in der Tunica mucosa und Tela submucosa befindlichen eosinophilen Granulozyten orientieren sich überwiegend entlang der Lamina muscularis mucosae des Kolons (HOPSTER-IVERSEN et al. 2011) und des Jejunums (VENTE 2011). RÖTTING et al. (2008a) zeigten, dass sich die eosinophilen Granulozyten innerhalb der Tunica mucosa zu 80 % in der Lamina propia mucosa befanden und keine in der Angrenzung zum Lumen beobachtet wurden. Innerhalb der Tunica muscularis und der Tunica serosa wurden

sowohl im Kolon (HOPSTER-IVERSEN et al. 2011) als auch im Jejunum (VENTE 2011; FRANZ 2013) nur vereinzelte eosinophile Granulozyten beobachtet. Unter pathologischen Bedingungen erfolgt die Rekrutierung eosinophiler Granulozyten primär durch die Freisetzung des Zytokins Interleukin-5 (IL-5) (TIZARD 2004). WARREN und MOORE (1988) fanden heraus, dass das von T-Helfer-Zellen freigesetzte IL-5 die Differenzierung und die Proliferation der Vorläuferzellen im Knochenmark zu eosinophilen Granulozyten stimulierte.

2.5.2.1 Nachweis eosinophiler Granulozyten

Zur Darstellung eosinophiler Granulozyten in histologischen Präparaten eignet sich die Färbung nach LUNA (1992). Die eosinophilen Granula der Zellen werden bei diesem Verfahren leuchtend rot gefärbt, während die Erythrozyten orange und die restlichen Zellen blau erscheinen. Somit ist eine objektive Darstellung und Beurteilung der Verteilung und der Akkumulation eosinophiler Granulozyten möglich. Das Färbeprotokoll hat sich bereits in vorangegangenen Studien bewährt (RÖTTING et al. 2008a, b; HOPSTER-IVERSEN et al. 2011; VENTE 2011; FRANZ 2013).

2.5.2.2 Eosinophile Granulozyten im geschädigten Dünndarm

Der Einfluss von mechanischer Irritation, chemischen Substanzen und Ischämie-Reperfusion auf die Akkumulation eosinophiler Granulozyten in den Darmschichten des Jejunums von Pferden wurde in verschiedenen Studien untersucht. In der Tunica mucosa des equinen Kolons kam es infolge einer Laparotomie und mechanischer Manipulation des Jejunums zu erhöhten Zahlen eosinophiler Granulozyten (HOPSTER-IVERSEN et al. 2011). Die Akkumulation dieses Zelltyps in der Tunica muscularis und in der Tunica serosa des equinen Jejunums wurde in den Studien von VENTE (2011) und FRANZ (2013) untersucht. In der von VENTE (2011) konnten in der Zirkulärmuskulatur, in der intermuskulären Schicht und in der Longitudinalmuskulatur keine Unterschiede bezüglich der Akkumulation dieser Zellen über den gesamten Messzeitraum (90 Minuten Ischämie und 5–120 Minuten Reperfusion) im Vergleich zur Kontrollprobe festgestellt werden. In der Tunica serosa wurde hingegen in der frühen Reperfusionsphase nach 5, 10, 15, 20, 30 und 90 Minuten eine signifikant erhöhte Akkumulation von eosinophilen Granulozyten im Vergleich zur Kontrollprobe beobachtet. Im Vergleich zur Ischämieprobe war die Akkumulation nach 15, 20 und 90 Minuten der Reperfusion signifikant erhöht. Dabei waren die Zellen sowohl intravasal als auch gewebsständig fokal verteilt (VENTE 2011). In der Studie von FRANZ et al. (2013) konnten im equinen Jejunum zu keinem Probezeitpunkt (Kontrolle, 90 Minuten Ischämie, 30 Minuten Reperfusion) signifikant erhöhte Zellzahlen pro Quadratmillimeter in der Zirkulär- und Longitudinalmuskulatur der Tunica muscularis sowie der Tunica serosa im Vergleich zur Kontrollprobe festgestellt werden.