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Nach seiner Ausbildung zum Diplomagraringenieur machte der Verfasser erste praktische Berufserfahrungen mit Kleinbauern im Rahmen eines Studienprojektes in der ländlichen Region von Gabú. In dieser Zeit nahm er Kontakte mit mehreren Fachkollegen auf, die in verschiedenen Regionen Guinea-Bissaus arbeiteten. Aus den eigenen Berufserfahrungen und durch diesen kollegialen Austausch wuchs beim Verfasser das Bewußtsein, dass ein zentrales Problem im Bereich der landwirtschaftlichen Entwicklung Guinea-Bissaus insgesamt und insbesondere der kleinbäuerlichen Entwicklung in der Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Akteuren12 liegt. Nachhaltige Entwicklung ist nicht möglich ohne das Verstehen der ruralen Gesellschaft. Es geht nicht nur darum, die Sorgen und Wünsche der Kleinbauern nachzuvollziehen, sondern es ist vielmehr erforderlich, die Hintergründe dieser Sorgen und die Wichtigkeit der Wünsche, vor allem auf lokaler Ebene, wahrzunehmen und zu verstehen. Nur mit einer solchen kulturellen Sensibilität gegenüber der bäuerlichen Gesellschaft ist ein ernsthafter Dialog möglich, welcher zu langfristigen Entwicklungsentscheidungen führen kann.

12 Darunter fallen die Kleinbauern einerseits und andererseits staatliche Verwaltungsbeamte, aus- und inländische Experten, Forscher etc

Die Kultur eines Volkes ist nicht nur sein höchstes Gemeinschaftsgut, sondern beeinflusst das Sozialverhalten, das politische Leben und die Wirtschaft der Gesellschaft stark. Es ist nicht übertrieben, die Kultur als Epizentrum des Lebens einer Gesellschaft zu charakterisieren. Die Kultur stellt gleichzeitig eine der empfindlichsten Sphären der Gesellschaft dar. Daher kann die Art des Umgangs mit der Kultur sowohl Erfolg in den verschiedenen Lebensbereichen der Gesellschaft erleichtern als auch Misserfolg hervorrufen. Somit ist es äußerst wichtig, die Kultur eines Volkes, mit dem man als Forscher oder im wirtschaftlichem Bereich etc. zusammenarbeitet bzw. über das man forscht, nicht nur richtig zu kennen und zu verstehen, sondern vor allem auch die Hintergründe dieser Kultur zu erfassen.

Die dörflichen Sozialstrukturen, die Höflichkeit, die Wertvorstellungen der ländlichen Gesellschaft, ihre Kommunikationsformen, die das gemeinschaftliche Gleichgewicht reglementierenden Aspekte, wie beispielsweise die Vermeidung von privatem Eigentumsrecht an lebenswichtigen Gütern, etwa dem Boden, sind sehr wichtige Bausteine der ländlichen Gesellschaften Afrikas.

Die Umgangsformen mit diesen Bausteinen, ihr tiefgreifendes Verständnis und die Fähigkeit, mit ihnen respektvoll umzugehen, entwickeln ein besonders günstiges Dialogklima zwischen den verschiedenen Akteuren und diesen Gesellschaften. Ein Mangel bzw. das Fehlen solcher kulturellen Sensibilität auf Seiten der Forscher, Entwicklungsakteure etc. trägt dagegen massgeblich zu Misserfolgen vieler Vorhaben in Afrika bei.

In diesem Zusammenhang ist es dringend wünschenswert, die Entscheidungsträger, die Entwicklungsplaner sowie lokale und ausländische Fachkräfte (Experten) mit den ländlichen Institutionen und dem ländlichen Gewohnheitsrechtssystem besser vertraut zu machen. Der Verfasser ist sich des Umstandes bewusst, dass Forschung innerhalb der eigenen Kultur auch mit ganz spezifischen Problemen behaftet ist, nämlich vor allem dem der Distanzierung und Vereinnahmung, d.h.unter anderem der Einstellung (Wahrnehmungsfehler), Phänomene als ganz gewöhnlich und normal zu betrachten, die es in Wirklichkeit – aus der Perspektive des aussenstehenden Beobachters – gar nicht sind (Badi, 2008: 69-94).

Mit der vorliegenden Arbeit beabsichtigt der Verfasser, einen Beitrag zu leisten, welcher den Diskurs über diese Problematik anreizen möchte. Ebenso möchte er mit dieser Studie, die sich vorwiegend auf die Bodenrechtsformen konzentriert, und zwar sowohl

auf das autochthone, den ruralen Gemeinschaftsbesitz regelnde Bodenrecht als auch auf das Individualbesitz an Land bestimmende westliche Bodenrecht, bei der Suche nach Problemlösungen mitwirken.

Die beiden divergierenden Rechtssysteme des Bodens werden vorgestellt und analysiert, ihre Entwicklung, ihre Wandlungen und Folgen im Verlauf der Zeit dargestellt und punktuelle Vergleiche mit der Bodenrechtssituation in anderen afrikanischen Ländern durchgeführt. Großes Gewicht legt der Verfasser auch auf die Analyse der dörflichen Strukturen, auf die Darstellung der Herrschaftsformen und die Formen der Machtausübung in der kleinbäuerlichen Gesellschaft. Ebenso werden der Umgang mit den Naturressourcen, vor allem mit dem Boden, und die Produktion und Reproduktion von Reichtum sowie die Reichtumsvorstellungen innerhalb der dörflichen Gesellschaft diskutiert. In diesem Sinne analysiert die Studie die gesellschaftlichen Strukturen von den kleinen Sozialeinheiten bis zur regionalen Ebene, nämlich von der Familienstruktur - morança - bis zu den überdörflichen Strukturen, wie sie in den regulados (Herrschaftsgebiete der lokalen Autoritäten in vielen ruralen Gesellschaften Guinea-Bissaus) repräsentiert sind.

Es wurden zwei Untersuchungsregionen ausgewählt, welche trotz der vielen Ähnlichkeiten in Bezug auf gesellschaftliche Strukturen, landwirtschaftliche Praxis und Bodenrecht doch interessante Differenzen und kontrastive Vergleichsperspektiven bieten.

Zentrales Ziel der empirischen Feldstudie war es, festzustellen, wie die Bauern auf die Individualisierung von Land reagieren und wie sich eine solche Individualisierung auf die ländliche Gesellschaft (sei es im Rahmen der Sozial-, Produktions- oder Wirtschaftsstrukturen) auswirkt. Es ist aus der afrikanischen Erfahrung bekannt, dass in der Regel Bodenprivatisierung zu Knappheit an gutem Boden führt, da hier die Möglichkeit gegeben wird, große Landflächen in den Händen weniger Personen zu konzentrieren, was wiederum Landkonflikte verursacht. In diesem Zusammenhang sollen die so entstandenen Landkonflikte identifiziert und analysiert werden, mit dem Ziel, Lösungsansätze für diese Problematik vorzuschlagen.

Die Fragestellungen dieser Arbeit lauten:

1. Einstellung der Kleinbauern zur Einführung des “modernen“ Bodenrechtssystems.

2. Konflikte zwischen der kleinbäuerlichen Gesellschaft und den “modernen”

kapitalistischen Großbauern, den Ponteiros, sowie die unterschiedlichen

Konfliktformen zwischen beiden in Abhängigkeit davon, ob die Ponteiros lokaler Herkunft sind oder von ausserhalb kommen.

3. Mögliche Koalitionen von Kleinbauern und Régulos gegen die Privatisierung des Gemeinschaftslandes.

4. Modernitätsunterschiede zwischen Pontas und der sogenannten „traditionellen“

Landwirtschaft sowie daraus resultierende Auswirkungen auf die kleinbäuerliche Landwirtschaft.

Aus den Ergebnissen dieser Studie sollen Lösungsansätze entwickelt werden, die zur Minderung oder zur Vermeidung von Bodenkonfrontationen beitragen können. Dafür werden Vorschläge gemacht, in welchen Bereichen die “traditionellen” Bodenrechte und die Individualbesitz an Land nach westlichem Muster regelnde Rechtsform vereinbart werden können und welche Modalitäten vorstellbar wären, die eine Alternative zum aktuellen Betitelungssystem von Land anbieten; eine Alternative, welche sowohl das

“traditionelle” als auch das “moderne” Bodenrechtssystem berücksichtigt.

2 Methodische Durchführung der Fallstudie