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E NTSTEHUNG UND E NTWICKLUNG DER E XPORTKULTUREN IN G UINEA -B ISSAU

In den Gebieten Westafrikas existierten bereits weit vor der Kolonialzeit, schon seit tausenden von Jahren, nachweislich Agrarstrukturen. Chevalier im Jahr 1938 und Vignier sechs Jahre später zeigen auf, dass in der Sudan-Zone um den Niger schon 5000 Jahre v. Chr. Kulturpflanzen wie Baumwolle, Hirse-, Sorghum-Hirse und Fonio-Arten angebaut wurden. Auf der Basis seiner Forschungsergebnisse belegte Chevalier den Reisanbau für Westafrika zu einem sehr frühen Zeitpunkt (Imfeld, 1986:85).

Möglicherweise könnten die “Reiserzeugnisse sogar älter als die chinesischen sein”

(ibd., 1986:85).

Der Sklavenhandel ab dem 16. Jahrhundert hat enorme Schäden in der afrikanischen Landwirtschaft verursacht bzw. zu ihrer weitgehenden Degradierung geführt. Die Agrikultur stagnierte und wurde später, nach Abschaffung der Sklaverei, durch die Einführung von Monokultur weiter deformiert.

Die Portugiesen schufen die Sklaverei in Guinea-Bissau, wie in Kap. 4.1 ausgeführt, erst im Jahr 1836 ab. Parallel dazu setzte sich der Anbau der cash crops-Pflanze Erdnuss als Monokultur in “Portugiesisch-Guinea” durch. Das erste Exportkontingent von Erdnuss und Baumwolle soll von der Galinha-Insel (im Bijagos-Archipel) aus dem Jahr 1835 stammen (Mendy, 1994:354). Bis dahin gehörte auch der Erdnussanbau zur Subsistenzwirtschaft, wie derselbe Verfasser andeutet. Von 1898 bis 1907 lag nach Angaben von Cortesão (1928:18) das Exportvolumen von Erdnuss aus Portugiesisch-Guinea bei durchschnittlich 2.018 Tonnen jährlich und für Palmkerne bei 3.488 Tonnen jährlich. Etwa eine Dekade später, im Zeitraum von 1918 bis 1927, erhöhte sich das jährliche Exportvolumen dieser Produkte auf 15.988 Tonnen für Erdnuß, und auf 8.203 Tonnen für Palmkerne (ibd. 18).

Reis wurde aus “Portugiesisch-Guinea” vor allem nach Portugal und Cap Verden exportiert. In Abbildung 1 sind die Reisexportvolumen von 1939 bis 1959 ausgewiesen:

0 1 2 3 4 5 6 7 8

1939 1941

1943 1945

1947 1949

1951 1953

1955 1957

1959 Jahre

In Tausend Tonnen

Abbildung 1: Reis-Export aus Portugiesisch-Guinea Nach Mendy, 1994: 380

Aus dem Agrarzensus von 1953 konnte Cabral (1988:529) ermitteln, dass Reis und Erdnuss größtenteils von Kleinbauern angebaut wurden (s. Tabelle 6). Diese Tabelle zeigt ebenfalls die Diversität der Produktpalette an: von Fonio für den Familienkonsum bis zu reinen cash crops wie Zuckerrohr und Baumwolle.

Tabelle 6: Produktionsverteilung in Hektar der Hauptanbaukulturen in “Portugiesisch-Guinea”

Nassreis 124.765 26 90.247

Trockenreis 28.265 6 10.030

Gemäß Agrarzensus 1953, nach A.Cabral, 1988: 529-

Um das Jahr 1864 wurde eine beachtliche Menge Erdnüsse exportiert. Ein französischer Händler namens Max Astrie berichtete über das Exportvolumen von Erdnuss wie folgt:

“plus qu`un million boisseaux” (=bushels41) wurden jährlich ausgeführt (zitiert nach Mendy; 1994:356).42 Die Trendwende fand einige Jahre später statt: So wurden 1885 weniger als 200.000 bushels Erdnüsse ausgeführt (ibd. 365).

Die Marktprodukte Erdnuss und Baumwolle wurden überwiegend von der guineischen kleinbäuerlichen Landwirtschaft angebaut. Faktisch hat die “traditionelle“

Landwirtschaft, wie in Kap. 4.1 bereits angedeutet, nicht nur die lokale Versorgung mit Agrarprodukten geleistet, sondern auch den größten Teil des Exports getragen.

41Lokale Einheit. Nach Angaben eines Ponteiro auf der Ponta “Adolfo Ramos” in der Region Biombo entspricht ein bushel 45 kg.

42Neben Erdnüssen importierte Portugal Leder, Elfenbein, Wachs, Gummi und Goldpulver aus

“Portugiesisch-Guinea” (vgl. Mendy; 1994:351).

4.2.2 Nach der Unabhängigkeit des Landes / post-koloniale Epoche

Unterschiedliche Faktoren, wie die Verschlechterung der Umweltbedingungen, der Kolonialkrieg und die Vernachlässigung der Kleinbauern durch den Nationalstaat (s.

Kap. 5.5) führten dazu, dass Guinea-Bissau sich von einem Reisexporteur zu einem Reisimporteur wandelte. 1993 schrieb Achinger (1993:253):

“Jedes Jahr verliert Guinea-Bissau ungefähr 34.000 ha Wald, vor allem wegen der zunehmenden Brandrodung durch Kleinbauern und unsachgemäßen Holzschlags.”

Unkontrollierte Waldbrände sollen gestiegen sein. Said (1996:281) berichtet, dass Waldbrände jährlich 50.000ha Wald in Guinea-Bissau vernichten. Dorfbewohner erwähnten die Verminderung der Niederschläge als einen der wichtigsten Gründe für die Verschlechterung bzw. Abnahme der Reisproduktion in den Bolanhas und für den starken Rückgang der Wasserspiegel der Flüsse (van der Drift und Viegas, 1997:14).

Alle diese Fakten zeigen, wie dringend der Staat sich ernsthaft mit den Umweltproblemen beschäftigen müsste, indem er als ersten Schritt eine nationale Umweltpolitik definiert und versucht, Lösungen für die Probleme zu finden. Sven Sohr (2000:189) erwähnt, dass “afrikanische Experten (…) Lösungsmöglichkeiten für ihre Umweltprobleme vor allem in der Rückbesinnung auf eigene Traditionen” sehen.

Von 1974 bis 1987 mussten jährlich 20.000 Tonnen Reis importiert werden. Dieses Volumen erhöhte sich von Jahr zu Jahr. So führte man in dem Zeitraum 1995 bis 1996 zusätzlich rund 60.000 Tonnen Reis ein, was knapp der Hälfte des nationalen Reisbedarfes von Guinea-Bissau entspricht (vgl. De Faria, 1993:172; MDRA: Carta de Politica de Desenvolv., 1997:12).

Die Zusammensetzung der klassischen Exportkulturen (Erdnuss, Palmkerne, Baumwolle) der ehemaligen Kolonie “Portugiesisch-Guinea” hatte sich bis zur Mitte der achtziger Jahre nicht wesentlich geändert. Zu diesem Zeitpunkt erreichten Cajunüsse eine große Nachfrage auf dem Weltmarkt.

Der hohe Stellenwert der Cajuproduktion für die Nationalökonomie hat zu einer rapiden Erhöhung ihrer Produktionsmenge geführt. Die für die Caschunuss sehr positive Preisentwicklung im Vergleich mit den anderen Exportkulturen Erdnuss und Baumwolle hat auch das Exportbild der landwirtschaftlichen Erzeugnisse geprägt, wie in Tabelle 7 dargestellt ist.

Tabelle 7: Export von Erdnuss und Cajunüssen in Tonnen

Jahr Cajukerne Erdnüsse

1983 2.000 8300

1984 8.000 8100

1985 6.600 4300

1986 6.000 2400

1987 10.470 3300

1988 10.500 3900

1989 9.410 200

1990 16.410 2200

1991 18.250 1100

1992 3.650 440

1993 16.990 440

1994 46.460 440

1995 29.280 60

1997 57.870 (Produktion)

2007 81.000

2008 110.000

2009 150.000 (geschätzt)

Zusammengestellt aus: Anuário Estatístico 1991, MDRA, Bissau, 1992:36; Anuário Estatístico 1995, MDRA, Bissau, 1996:36; Country Report 2009:3.

In gut zehn Jahren hat sich der Export von Cajunüssen verfünfzehnfacht, während der Erdnussexport in diesem Zeitraum von 1983 bis 1995 von immerhin 8.300 t pro Jahr völlig zusammengeschrumpft ist auf 60 t im Jahr 1995. In nur weiteren zwei Jahren hat sich dagegen der Cajuexport fast noch einmal verdoppelt, im Jahr 1997 wurden bereits 57.870 Tonnen produziert. 1995 hat Guinea-Bissau allein aus Cajuexporten 25 Millionen US-Dollar erwirtschaftet (vgl. dazu Lekberg, 1996:5-9; BCEAO43, 1998:4).

Aus diesen Daten deutet sich an, dass innerhalb weniger Jahre eine Umwandlung von der Erdnuss- zur Cajumonokultur stattgefunden hat. In weiteren zwölf Jahren nach Erehebung der Einzeldaten hat sich der Cajuanbau rasant weiterentwickelt und der

43 BCEAO: Zentralbank der westafrikanischen Staaten.

Export quasi verdreifacht; 2007 wurden aus dem Export 81.4 Millionen US-Dollar erwirtschaftet (Country Report, 2009:6); 2009 dürften es aufgrund gestiegener Produktion und Preise deutlich über 100.000 Millionen US-Dollar sein (ibd.). Es hat also in der postkolonialen Phase in erster Linie ein Monokulturtransfer in der bissau-guinensischen Landwirtschaft stattgefunden.

Die wichtige Rolle der kleinbäuerlichen Landwirtschaft für das wirtschaftliche, politische und soziale Leben in Guinea-Bissau hat sich dagegen bis heute nicht wesentlich gewandelt. Dies beweisen neueste Studien, wie beispielsweise die des MDRA (Ministério de Desenvolvimento Rural e Agricultura) im Jahr 1997.

Der Agrarzensus von 1988 belegt, dass 90% aller landwirtschaftlichen Betriebe Kleinbauern gehören und ihre Durchschnittsgröße auf nationaler Ebene 1,2 ha beträgt.

Es sind diese Klein- bis Kleinstbetriebe, die ca. 90% der Agrarproduktion des Landes erzielen (MDRA, Carta de Politica de Desenvolv., 1997:9). Ihre Existenz ist immer noch durch das lokale, gewohnheitsrechtlichen Bestimmungen folgende Bodenrecht geregelt. Die Produktionsmethoden, die dieses Bodennutzungssystem praktiziert, sind nach wie vor “traditionell”. Versuchen zur Beseitigung oder Einschränkung des auf Gewohnheitsrecht basierenden Bodennutzungssystems begegnen die Betroffenen mit starkem Widerstand, wie die jüngste Entwicklung seit der offiziellen Einführung von individuellem Eigentum an Boden in Guinea-Bissau zeigt.

Cabral sprach im Jahr 1954 über eine Transformation der auf gewohnheitsrechtlichem Landtransfer basierenden kleinbäuerlichen Landwirtschaft im Sinne einer Verbesserung im akzeptablen Rahmen. Er plädierte für eine solche Lösung, anstatt ihre radikale Beseitigung im Sinne der Modernisierung ins Auge zu fassen (“Transformação e não eliminação pura e simples”). Jeder Erneuerungsversuch könne nur dann erfolgreich sein - so Cabral -, wenn man die Jahrhunderte alte Erfahrung der Traditionen nutzt (Cabral, 1988a: 248).