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2 Schrifttum

2.1 Züchtung und Haltung von Mastputen

2.1.2 Züchtung

Der weltweite Putenmarkt lässt sich in drei Segmente gliedern: in einen Markt für leichte Puten zur Ganzkörpervermarktung (Südamerika, Frankreich), einen Markt für

mittelschwere Puten (Nordamerika, Osteuropa) und einen Markt für schwere Puten (dominierend in Westeuropa), in dem die Puten hauptsächlich zerlegt und weiterverarbeitet vermarktet werden (MEYER 2006, siehe Tabelle 1). Zur Zeit sind noch drei bedeutende Zuchtunternehmen für Mastputen am Markt: Hybrid (Kanada), British United Turkeys (BUT, UK) und Nicholas Turkey Breeding Farms (N.T.B.F., USA). Hybrid ist Teil der Nutreco Holding N.V. (Niederlande), und sowohl BUT als auch Nicholas gehören zur Aviagen Holding (Schottland/USA).

Tabelle 1: Ausgewählte Zuchtprodukte bei Mastputen nach Zuchtfirmen (nach MEYER 2006)

Zuchtunternehmen Linie Endgewicht

[kg] Typ Nutzung Big 6 21,72 schwer Zerlegung

T9 19,60 mittelschwer Zerlegung/Ganzkörper BUT

T8 18,60 mittelschwer Ganzkörper 700 21,95 schwer Zerlegung Nicholas 300 18,15 mittelschwer Zerlegung/Ganzkörper

Extreme 22,99 schwer Zerlegung XL 22,31 mittelschwer- bis schwer Zerlegung

Converter 21,41 mittelschwer Zerlegung/Ganzkörper Hybrid

Grade Maker 17,86 mittelschwer Zerlegung/Ganzkörper

Die Zuchtfirmen entsprechen mit den von ihnen angebotenen Linien den unterschiedlichen Marktsegmenten (BUDDIGER u. WOJCINSKI 2001). In Deutschland hat seit 1982 die Linie Big 6 mit über 90 % den größten Marktanteil (GRASHORN u. BESSEI 2004;

BRANSCHEID et al. 2004).

Obwohl die Haltung von Puten weltweit mehr oder weniger standardisiert erfolgt, wirkt sich die Ausrichtung der Linien auf bestimmte Marktsegmente auf die Mastleistungen bei unterschiedlichen Haltungsbedingungen aus. So zeigen amerikanische Mastlinien in Europa allgemein eine höhere Anfälligkeit gegenüber metabolischen Erkrankungen, wohingegen europäische Mastprodukte unter amerikanischen Bedingungen ihr genetisches Potential nicht ausschöpfen können (EMMERSON 2003).

Neben den drei großen weltweit operierenden Zuchtfirmen gibt es noch weitere kleinere Firmen, die sich auf Nischenmärkte wie zum Beispiel Puten für die Mast in ökologischer Haltung spezialisiert haben (MOORGUT KARTZFEHN 2000).

Tabelle 2: Einführung von Zuchttechniken in die Putenwirtschaft nach Jahrzehnten im Überblick (nach BUDDIGER u. ALBERS 2000; MEYER 2006)

Einführung Zuchttechnik

1940er Massenselektion 1960er Pedigree reine Linien

1960er Hybridisation 1980er Selektions-Indizes 1990er BLUP*/Statistische Modelle

2000er DNA-Marker

*best linear unbiased prediction

In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts war die Putenhaltung beschränkt auf kleine bäuerliche Betriebe und Hobbyhaltungen. Über Jahrzehnte wurden dabei durch Massenselektion des erwünschten Phänotyps (z.B. von schwereren Tieren) verschiedene Rassen gezüchtet wie die Cambridgeshire Bronze, Norfolk Black, White Holland etc. Die Entwicklung verschiedener technischer Neuerungen gab der Putenzüchtung in der Mitte des vorigen Jahrhunderts Auftrieb. Dazu gehörte der Einsatz von künstlicher Besamung, Brutmaschinen und Lichtregimen, die es ermöglichten, das ganze Jahr hindurch zu züchten. Mit der Ausnutzung der Heterosis durch die Hybridisation verschiedener Elterntierlinien wurden in den 50er und 60er Jahren verschiedene Mastlinien eingeführt (Beltsville Small White, Broad Breasted Bronze, Small White und Broad Breasted Large White). Seitdem werden die unterschiedlichen Elterntierlinien auf verschiedene Eigenschaften hin selektiert (BUDDIGER u. ALBERS 2000). Die Vaterlinien werden in der Regel auf erwünschte Eigenschaften des Endprodukts gezüchtet (Körpermasse, Futterverwertung, Brustfleischanteil). Bei den Hennenlinien wird versucht, gute Zuchteigenschaften (Fruchtbarkeit und Schlupfrate) mit Masteigenschaften zu kombinieren. Alle heute eingesetzten Mastlinien sind daher Produkte einer Drei- oder Vier-Linienkreuzung, wobei teilweise die Großelterntier- oder Elterntierlinien eines Zuchtunternehmens für mehrere Mastlinien genutzt werden (BUDDIGER u. ALBERS 2000; MEYER 2006).

In den Anfängen der Hybridzüchtung waren vor allem hohe Zunahmen und eine günstige Futterverwertung vorrangige Zuchtziele für das Mastprodukt. Beide Parameter zeichnen sich durch eine hohe Heritabilität aus (HAVENSTEIN et al. 1988; NESTOR et al. 1996), so dass sich mit relativ geringem züchterischem Aufwand Fortschritte in den Mastleistungen der Mastendprodukte erzielen ließen (HUNTON 2006). Im Laufe der Zeit wurden aber

darüber hinaus weitere Kriterien in die Zuchtauswahl mit einbezogen. So wurde es zunehmend wichtiger, die Reproduktionsleistung bei der Bewertung der Zuchttiere zu berücksichtigen, da diese negativ mit einem hohen Zuwachs korreliert (DECUYPERE et al. 2003). Die steigende Anzahl von Parametern mit teilweise geringer Heritabilität machte es notwendig, aufwändigere Modelle zur Zuchtwertschätzung der Einzeltiere einzuführen.

Dazu zählt der Selektionsindex, mit dem ein Gesamtzuchtwert für Zuchttiere geschätzt werden kann, der die verschiedenen Züchtungskriterien berücksichtigt. Seit Einführung des BLUP- (best linear unbiased prediction) Verfahrens in den 90er Jahren, bei dem gleichzeitig verschiedene Merkmale, Informationsquellen und Umweltbedingungen berücksichtigt werden, konnte die Genauigkeit der Zuchtwertschätzung weiter gesteigert werden (BUDDIGER u. ALBERS 2000).

Zukünftig werden auch das Verhalten sowie Prädispositionen für bestimmte Erkrankungen bei der Zucht eine zunehmende Rolle spielen (HARTMANN 2000; BUDDIGER u. ALBERS 2000; THILE 2001; DISTL u. SIEGMANN 2005).

Bei den Zuchtunternehmen werden höchste Anforderungen an die Haltungsbedingungen und die Tiergesundheit gestellt. Nur dadurch kann sichergestellt werden, dass gesunde Tiere an die weiteren Produktionsstufen geliefert werden. Bei der Selektion von Großeltern- und Elterntieren mit besonderen Leistungseigenschaften wird aber in diesem System indirekt auf eine geringere Anpassungsfähigkeit der Tiere an unterschiedliche Umweltbedingungen in der Mast gezüchtet (MATHUR 2003). Es wird daher auch für kommerzielle Mäster, die keine sehr guten Haltungsbedingungen bieten können, immer schwieriger, das genetische Potential der Masttiere hinsichtlich ihrer Mastleistungen auszuschöpfen (FERKET 2001). Deshalb haben wahrscheinlich einige Zuchtunternehmen im Geflügelbereich bereits damit begonnen, bewusst bei der Zucht die Anpassungsfähigkeit der Masttiere zu berücksichtigen (FAURE et al. 2003).

Das Züchten auf bestimmte Eigenschaften wird durch die Anwendung von DNA-Markern (marker assisted selection, MAS) weiter verbessert. Dadurch lassen sich Individuen nicht nur wie bisher anhand des Phänotyps, sondern auch aufgrund von genotypischen Merkmale selektieren. Vorteile bietet dies insbesondere bei Eigenschaften, die schwer am Phänotyp zu bewerten sind wie Verhalten und Wohlbefinden oder die eine geringe Heritabilität aufweisen wie Fitness und Reproduktionsleistung (BULFIELD 2004).

Quantitative trait loci (QTL; Gene oder chromosomale Regionen, die quantitative phänotypische Merkmale beeinflussen) und Gene, die für Krankheitsresistenzen verantwortlich sind, können mit DNA-Markern und statistischen Analysen identifiziert werden. Nach der Identifikation können unerwünschte Allele mittels MAS aus der Zucht ausgeschlossen werden (PINARD-VAN DER LAAN et al. 2003). Zur Zeit werden diese molekularbiologischen Techniken genutzt, um die Entwicklung und den Aufbau der Muskulatur und die Wirkungsweise des Immunsystems sowie die Entstehung der spontanen Kardiomyopathie bei der Pute zu studieren (REED 2005).

Die Zuchtunternehmen sehen weiterhin züchterische Steigerungsmöglichkeiten bei den biologischen Leistungen der Mastputen. Neben der Leistungssteigerung ist eine Verbesserung der Tiergesundheit das Zuchtziel für die Zuchtunternehmen (CLAUSEN 2000; FRANCIS 2000; LIBERTINI 2000).