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2 Schrifttum

2.2 Primär nicht-infektiöse Gesundheitsstörungen in der Putenmast

2.2.2 Verhaltensstörungen

Ein verbreitetes Problem in der Putenhaltung stellen durch Artgenossen verursachte Wunden dar (CLASSEN et al. 1994; HUGHES u. GRIGOR 1996). Sie führen häufig zum

Tod oder dazu, dass die verletzten Tiere getötet werden müssen (HESTER et al. 1987;

SHERWIN u. KELLAND 1998; MOINARD et al. 2001).

Die Diskussion über Verhaltensanomalien bei Puten gestaltet sich schwierig, da für die verschiedenen Verhaltensweisen eine uneinheitliche Terminologie benutzt wird.

SHERWIN et al. (1999) und MOINARD et al. (2001) unterscheiden zwischen Federpicken (feather pecking), Kannibalismus (cannibalism) und aggressivem Picken (head pecking).

BIRCHER und SCHLUP (1991a) fassen Federpicken, das Bepicken von Partikeln im Gefieder und das Bepicken von federlosen Stellen unter dem Begriff „Artgenossenpicken“

zusammen. Andere Autoren beschreiben die Verhaltensprobleme dagegen nur mit den Begriffen „Federpicken und Kannibalismus“ (HALE et al. 1969; ZYLLA-BLUM 1993;

HAFEZ u. JODAS 1997; HIRT 1998; ELLERBROCK 2000; REDEMANN u. LÜDERS 2005).

Obwohl die Verhaltensprobleme in der Putenhaltung schon seit Jahrzehnten bekannt sind (REDEMANN u. LÜDERS 2005) und sowohl bei der Stall- als auch Auslaufhaltung auftreten (BESSEI 1995), ist wenig über ihre genauen Ursachen bekannt. Generell werden endogene Ursachen wie Geschlecht und genetische Disposition von exogenen Faktoren unterschieden. Zu letzteren zählen unter anderem die Besatzdichte, Tierzahl, Futterstruktur, Haltungseinrichtungen und Licht (HAFEZ u. JODAS 1997).

Um Schäden durch Federpicken und aggressives Picken zu vermeiden, werden im Allgemeinen die Oberschnäbel von Mastputen gekürzt. Dadurch kann das Auftreten von Schäden nicht verhindert, aber zumindest begrenzt werden (HAFEZ u. JODAS 1997).

Beim Federpicken scheint es sich um ein umorientiertes Verhalten zu handeln, wobei der zugrunde liegende Verhaltenskreis bisher nicht geklärt worden ist. Diskutiert werden die Funktionskreise Nahrungsaufnahme, Komfortverhalten und Sozialverhalten (BLOCKHUIS 1986; CRAIG 1992; VESTERGAARD 1994; HUGES u. GRIGOR 1996). Es scheint eine genetische Komponente als Ursache für das Federpicken zu bestehen, denn in der schweren Linie Big 6 wird es besonders häufig beobachtet (KORTHAS 1987).

Beim Federpicken werden eine milde Form ohne Federverlust von einer energischeren Form unterschieden, die zum Federverlust bei dem manipulierten Tier führt (SAVORY 1995; MARTRENCHAR et al. 2001). Bei dieser zweiten Form des Federpickens mit Federverlust können Blutungen auftreten. Das sichtbare Blut kann attraktiv auf die

pickende und andere Puten wirken, so dass die Manipulation fortgesetzt wird. Das weitere Bepicken vergrößert die Wunde, wird bei der Aufnahme von Gewebe durch das pickende Tier Kannibalismus genannt und kann letztlich zum Tod führen (SAVORY 1995).

Bei gemeinsamer Haltung von bronzefarbenen und weißen Putenküken wurde festgestellt, dass von beiden Farbschlägen allgemein nur die weißen Küken bepickt wurden. Dagegen wurden die bronzefarbenen Küken nicht bepickt (DILLER 1991). Begründet wird dies mit dem stärkeren Kontrast des weißen Gefieders, welches es zum Beispiel zu Futterpartikeln bildet. Der Aussage, dass das Federpicken ein umorientiertes Verhalten darstellt, liegt die Annahme zugrunde, dass Puten ein Bedürfnis haben, „Pickverhalten“ auszuüben, wobei dies gegen eine Reihe von Gegenständen gerichtet werden kann. (HUGHES u. GRIGOR 1995). Dieser Ansatz scheint dadurch bestätigt zu werden, dass die Gefiederqualität einer Herde durch verschiedene Umweltanreicherungen verbessert werden konnte. Ein breiiges Futter wird langsamer aufgenommen als pelletiertes Futter und beschäftigt die Tiere dadurch länger (HALE et al. 1969). Als Pickobjekte, welche die Häufigkeit von Pickwunden senken, können Metallketten und Strohballen dienen (MARTRENCHAR et al. 2001).

Aggressives Picken wird bei Puten vor allem gegen die unbefiederten Stellen an Kopf, Nacken und Hals von einem dominanten gegenüber einem subdominanten Tier ausgeübt (HALE et al. 1969; SAVORY 1995). Die eigentlichen Ursachen für aggressives Picken von Artgenossen scheinen andere zu sein als die für das Federpicken. Dabei können Veränderungen im sozialen Gefüge einen Trigger für aggressives Picken darstellen (SAVORY 1995). Wildputen haben ein stark hierarchisches Sozialsystem, und kämpferische Auseinandersetzungen unter Hähnen finden relativ häufig statt, um die Rangordnung auszubilden (BUCHHOLZ 1997). Bei der Stallhaltung von Puten mit mehreren tausend Individuen auf begrenzter Fläche kann keine stabile Rangordnung aufgebaut werden, da eine individuelle Wiedererkennung von mehr als 25 Tieren nicht möglich ist (KORTHAS 1987). Die dadurch entstehende Frustration für das Einzeltier sehen BUCHWALDER und HUBER-EICHER (2003) als eine mögliche Ursache für aggressives Verhalten in großen Tierherden. Daneben wird die Besatzdichte als Faktor diskutiert. Bei hoher Tierdichte werden Tiere häufiger in ihrem Ruheverhalten gestört oder können andere Verhaltensweisen wie Flügelschlagen oder Laufen nicht ausführen (NOBLE et al. 1995; ELLERBROCK 2000).

Es wird außerdem angenommen, dass aggressives Picken erlernt wird, wenn Puten ihre Artgenossen bei dieser Handlung beobachten (SHERWIN et al. 1998).

Wildputen und auch Mastputen zeigen häufig aggressives Verhalten, allerdings werden Kampfhandlungen in der Regel abgebrochen, bevor schwerwiegende Verletzungen entstehen. Eine genetische Disposition für eine gesteigerte Aggressivität wird diskutiert (HAFEZ u. JODAS 1997).

Kannibalismus wird definiert als das An- oder Auffressen von Artgenossen oder von Teilen des eigenen Körpers (HURNIK et al. 1985). Der Begriff Kannibalismus wird zwar von vielen Autoren verwendet, eine Abgrenzung des Begriffs zu anderen Pickverletzungen ist jedoch in der Literatur nicht zu finden. SCHMIDT (1996) führt an, dass Kannibalismus besonders häufig bei leichten Putenschlägen auftritt und deshalb wahrscheinlich genetisch bedingt ist. Besonders gefährdet sind Legeputen im Kloakenbereich.

FRANCKENPOHL (2004) gibt eine Übersicht über die verschiedenen Möglichkeiten, durch Umweltanreicherung das Auftreten von Federpicken und Kannibalismus zu vermeiden bzw. zu reduzieren und bewertet diese. Er kommt zu dem Schluss, dass mehr oder weniger alle Pickobjekte nur zeitlich begrenzt attraktiv für die Puten sind und deshalb keinen zufriedenstellenden Erfolg für die Vermeidung von Pickwunden haben.

Andere Autoren berichten über positive Effekte von Haltungsanreicherungen wie Stroh, Heuraufen, Aufbäummöglichkeiten, Sichtschutz und UV-Licht (SHERWIN et al. 1999;

MARTRENCHAR et al. 2001).