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In den folgenden Disziplinen sind weitere Arbeiten zu Wikis vorhanden: Betriebswirt-schaftslehre, Psychologie, Kommunikationswissenschaft und Geschichtswissenschaft. Da der Schwerpunkt im Folgenden auf Unternehmenswikis und deren Analyse liegt, sollen lediglich einige der Arbeiten vorgestellt werden, die einen direkten Bezug zu diesem Kontext haben.

Im Rahmen seiner Diplomarbeit im Fach Betriebwirtschaftslehre hat Tim Bartel ei-ne nicht repräsentative Umfrage zu Wikis in Unterei-nehmen durchgeführt [9]. 196 gültige Fragebögen konnten im deutschen Teil ausgewertet werden8. Es wurde z.B. danach ge-fragt, seit wann und warum ein Wiki eingesetzt wurde, welche Probleme bei der Nutzung auftraten usw.. Zwei Jahre zuvor hat Espen Andersen einen Artikel zum Wiki-Einsatz in Unternehmen vorgelegt, indem er zwei grundlegende Wiki-Konzepte identifiziert: zum einen die einfache und intuitive Technologie, die wissensbasierte Prozesse schnell und tief unterstützt. Zum anderen eine Management-Philosophie, die Wissensgenerierung durch Evolution von Normen und Werten und nicht durch Anweisungen und Anreize vertritt [3].

Cass R. Sunstein hat versucht, den Erfolg der Wikipedia mit dem Preissystem des Ökonomen Friedrich A. Hayek zu erklären. Hayek erklärt in einem seiner wichtigsten Werke [88], dass der große Vorteil von Preisen darin bestehe, „dass sie die Informationen und die Vorlieben zahlreicher Menschen aggregieren und so viel mehr Material berück-sichtigen, als je von einem zentralen Planer oder einem Gremium angesammelt werden könne“ [233, S. 148]. Sunstein fasst nun jeden Artikel in jeder Version als einen „Preis“

auf. Für Preis und Artikel gilt, dass sie das Ergebnis der Urteile und Vorlieben zahlreicher Konsumenten bzw. Autoren sind [233, S. 190]. Die Unterschiede werden im Folgenden kurz erläutert. Ökonomische Anreize spielen für die Motivation der Wikipedianer keine

6Als Wiki-Engine wurde MoinMoin eingesetzt, vgl.: http://moinmoin.de, letzter Abruf: 15. November 2010.

7Sie hätten z.B. gern das Prinzip der „Social Translucence“ [66] umgesetzt: „[..] it might be possible to employ principles of social translucence [...] to allow some information to pass through to the general audience, for example the fact that a strategist commented on a project, while allowing the content of that message to be private between the PD owners and the strategist.“ [39, S. 504].

8http://wikipedistik.de/umfrage/ergebnisse.html, letzter Abruf: 15. November 2010.

Rolle, sie motivieren sich eher durch Reputation. Die Macht, die der letzte Autor eines Artikels hat, ist sehr viel höher als die Macht des letzten Käufers oder Verkäufers – ihr Einfluss auf den Preis ist sehr gering. Sunstein schließt mit der Feststellung, dass das „Wunder“ des Preissystems, das Hayek beschrieben hat, auf die Wikipedia nicht direkt anwendbar ist – dort gelte die „Regel des zeitlich letzten Bearbeiters“, es sei kein tatsächlicher Preis im Spiel und Anreize seien nicht direkt involviert [233, S. 192].

Von Joachim Schroer und Guido Hertel sind aus dem Bereich Organisations- bzw.

Arbeitsspsychologie einige interessante Arbeiten zur Motivation für die freiwillige Mitar-beit an der Wikipedia verfügbar, z.B. [211]. In einer Umfrage an 106 Wikipedia-Nutzern stellte sich heraus, dass die Wikipedianer überwiegend männlich, eher jung und ledig sind.

Sie befassen sich mit der Wikipedia aus kollektiven Motiven („Generativität“) und um zu lernen. Das nachhaltige Engagement der Wikipedianer ist wegen der Aufgabenmerkmale, intrinsischer Motivation und Identifikation sichergestellt. Joachim Kimmerle beschreibt psychologische Aspekte, die allgemein die Partizipation an Wikis beschreiben und erklä-ren können [103, S. 69-82]. So postuliert er, dass Wikis dem „menschlichen Bedürfnis nach Selbstbestimmung“ [103, S. 81] entgegenkommen – restriktive Vorgaben hinsichtlich Art und Frequenz der Partizipation seien daher zu vermeiden. Im Fachbereich Kognitions-psychologie haben Ulrike Cress und Joachim Kimmerle ein Rahmenmodell entworfen, das die kollaborative Wissenskonstruktion mit Wikis auf Grundlage konstruktivistischer und systemischer Annahmen detailliert beschreibt. Dieses Modell lässt sich auch auf die Konstruktion von Wissen im Unternehmenskontext übertragen [37, S. 105-122].

In der Domäne Medienwissenschaft stellen sich Alexander Richter und ich die Fra-ge, inwieweit sich die in der Praxis vielfach beobachtete Barriere der Medienwahl – am Beispiel des neuen Mediums Wiki – im Unternehmen anhand der verbreiteten Media-Synchronicity-Theorie erklären lässt [197].

Schließlich soll noch auf eine Arbeit von Jochen Waltert [250] hingewiesen werden.

Zwar beschäftigt sich Waltert nicht mit Wikis, sondern mit elektronischen Kommunika-tionsforen, doch auch hier geht es um die Frage, ob sich die Prinzipien eines Mediums im Internet in einen organisatorischen Kontext übertragen lassen9. Er bezieht sich bei der Systematisierung der Potenziale dieser Foren für das Wissensmanagement auf das in Kapitel 4 kurz skizzierte Bausteinmodell von Probst et al. [183]. Dessen Funktionen

„Entwicklung“, „Teilung“ und „Nutzung von Wissen“ identifiziert er als Potenziale und evaluiert sie empirisch [250, S. 192]. Als Ergebnis hält Waltert fest:

„Die aus der Theoriebildung abgeleiteten Potenziale elektronischer Foren für die Teilung, Nutzung und Entwicklung von Wissen konnten durch die durch-geführte Fallstudie ein erstes Mal gefestigt und quantifiziert werden. Auch lie-ßen sich Anhaltspunkte ermitteln, dass sich die Prinzipien der Kommunikation elektronischer Foren im Internet auf das organisatorische Umfeld übertragen lassen“ [250, S. 196].

9In Walterts Arbeit fungieren genossenschaftliche Filialbanken als Unternehmenskontext [250].

Mit diesem Abschnitt wird der Teil des Kapitels zu Forschungsperspektiven auf Wikis abgeschlossen. Es sollte – auch wenn nur wenige Arbeiten kurz skizziert werden konnten – deutlich geworden sein, dass gerade in den letzten drei Jahren sehr viel Wiki-Forschung in den unterschiedlichsten Disziplinen betrieben wurde.

7 Wikis im Unternehmen

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Einsatz von Wikis im Unternehmen. In Abschnitt 7.1 werden zunächst die Unterschiede zwischen öffentlichen Wikis – wie der Wikipedia – und nicht-öffentlichen Wikis innerhalb von Unternehmen auf sechs Ebenen herausgear-beitet. Für den Nutzen, welchen Wikis dort stiften können, werden in Abschnitt 7.2 sieben Beispiele genannt. Eine besondere Herausforderung für die Wiki-Nutzung in Unternehmen ist die dort oftmals bereits vorhandene, vielfältige Medienlandschaft. In Abschnitt 7.3 wird die daraus resultierende Barriere der Medienwahl anhand verschiedener Theorien zur computervermittelten Kommunikation theoretisch fundiert. Dagegen liefert Abschnitt 7.4 praktische Anwendungsfälle für Unternehmenswikis. Hat man sich mit den verschiedenen Optionen beschäftigt, rückt auch das für die Einführung notwendige Change Management [116] in den Fokus – dieses wird, reflektiert an praktischer Erfahrung bei Bosch, in Abschnitt 7.5 auf Wikis bezogen.

Nachdem in Abschnitt 7.4 konkrete Einsatzszenarien für Unternehmenswikis be-schrieben wurden, handelt Abschnitt 7.6 abstrakter von möglichen Wiki-Typologien. Der dieses Kapitel abschließende Abschnitt 7.7 stellt die Verbindung zwischen dem Theorie-und dem Untersuchungsteil her: Es werden insgesamt fünf Ansätze aus der Literatur dargestellt, welche Anregungen für die quantitative und qualitative Evaluation für Wikis liefern.