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Die stetig wachsenden Datenmengen aus unterschiedlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen (u. a.

Industrie, öffentliche Verwaltung, Energie, Mobilität, Gesundheitswesen oder Bildung) bieten grundsätzlich große Potenziale. Durch vernetzte Fertigungsprozesse (Industrie 4.0) und den vermehrten Einsatz intelli-genter Betriebsmittel können kontinuierlich und umfassend Daten erzeugt, verknüpft und ausgewertet werden. Die Fähigkeit, massenhaft strukturierte und unstrukturierte Daten zu sammeln und mit intelligenten Algorithmen im Rahmen von Big-Data-Analysen auszuwerten, erlaubt aus unternehmensinterner Sicht ein nie gekanntes Maß an effizienter Produktionssteuerung, die Optimierung bestehender und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Kunden können so von stärker bedarfsorientierten und individualisierten Produkten profitieren. Digitalisierung nimmt damit erheblichen Einfluss auf die Wertschöpfungsketten und hiermit verbundene Prozesse.

Daten werden zu einem zentralen Inputfaktorfür die Entwicklung von neuen Gütern und Dienstleistungen und besitzen so auch eine immer größere ökonomische Relevanz. Die Europäische Kommission schätzt bei-spielsweise, dass sich die Wertschöpfung der Datenökonomie in der EU durch Aktivitäten wie Daten-erfassung, Speicherung und Auswertung im Jahr 2015 auf rund 273 Milliarden Euro belief.185

Für die vernetzten Anwendungsszenarien in den unterschiedlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen einer wissens- und innovationsbasierten Wirtschaft ist dabei der Zugang zu umfangreichen Datenbeständen aus unterschiedlichen Bereichen und über Sektor- und Industriegrenzen hinweg zentral.186Aufgrund des erkennbaren gesamtgesellschaftlichen Mehrwerts (u. a. in Form von positiven externen Effekten) wird der Förderung des Austauschs von Daten auch im politischen Raum eine hohe Bedeutung beigemessen.187

Unmittelbar verbunden mit der Etablierung von Geschäftsmodellen der digitalen Ökonomie (u. a. Internet-basierte Plattformen) sind deshalb neue Fragen der Datenökonomie. In diesem Zusammenhang gilt es einige Besonderheiten zu berücksichtigen:188

• Es existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Datenkategorien(beispielsweise personenbezogene und nicht-personenbezogene Daten, strukturierte und unstrukturierte Daten),

185 Vgl. Europäische Kommission(2017b).

186 Vgl. OECD(2015).

187 Vgl. beispielsweise OECD(2015) und Europäische Kommission(2017b).

188 Vgl. hierzu beispielsweiseAutorité de la concurrence/Bundeskartellamt(2016), Schepp/Wambach(2016), Dewenter/Lüth(2016), WIK (2016b) oder Bourreau et al.(2017).

• Anders als physische Produkte werden Daten durch ihre Nutzung nicht verbrauchtund können von mehreren Unternehmen parallel genutztwerden (Nicht-Rivalität im Konsum),

• Grundsätzlich können bestimmte Nutzer von der Datenverwendung ausgeschlossen werden, womit Daten oftmals die Eigenschaft eines Klubgutsaufweisen,

• Darüber hinaus kann die Verwendung von Daten gesetzlich eingeschränktsein (insbesondere bei personenbezogenen Daten),

• Für informationsverarbeitende Prozesse und Geschäftsmodelle ist es wichtig, die Daten kontext-bezogenzu interpretieren. Ein alleinstehendes Datum ohne den dazugehörigen Kontext ist häufig nicht verwertbar, und

• Daten sind mitunter von begrenzter zeitlicher Relevanz. Das bedeutet, ihr Wert kann in bestimmten Fällen im Laufe der Zeit abnehmen.

Ferner können erhobene Daten mit Dritten (Datenintermediären, Brokern) gehandelt werden.189Insbesondere personenbezogene Datenwie Adressen oder Kaufverhalten stehen im Interesse von Datenhändlern und werden im großen Umfang erfasst sowie international gehandelt.190Der Handel mit Datenist dabei kein neues Geschäftsmodell. Auch vor der Etablierung digitaler Kommunikationsprozesse fand beispielsweise ein Handel mit Adressdaten statt. Durch die technische Entwicklung sind die Erfassungs- und Speicherungs-kosten allerdings signifikant gesunken, weshalb heute eine Vielzahl von Daten umfassender und Speicherungs- kosten-günstiger erfasst und ausgewertet werden kann. Die Integration verschiedenster Datentypen und Profile vor allem über Internet-basierte Plattformdienste ermöglicht die Erstellung detaillierter und umfassender Personenprofile, was aus datenschutzrechtlicher Sicht – je nachdem von wem und in welchem Zusammen-hang die Profile erstellt werden – bedenklich sein kann, insbesondere wenn ein solches Vorgehen nicht von einer Einwilligung des Nutzers gedeckt ist.

Aus ökonomischer Sicht sind ambivalente Effektehinsichtlich der Verwendung von Daten festzustellen. Auf der einen Seite sind datengetriebene Geschäftsmodelle in der Lage, beachtliche Effizienzgewinne und Kostensenkungspotenziale zu realisieren. Hierzu zählen Komfort- und Nutzengewinne durch Individuali-sierung, Bedarfsorientierung, ständige Verfügbarkeit und besseren Service, die Schaffung von Transparenz und der Abbau von Transaktionskosten (Preis- und Produkttransparenz), die vergleichsweise kostengünstigen Möglichkeiten der Geschäftsausweitung (Marktgröße) sowie die Potenziale der (sektorübergreifenden) Ver-netzung von Individuen, Dienstleistungen und Maschinen. Auf der anderen Seite ist eine Verfestigung von Marktzutrittsbarrierendenkbar, etwa wenn Unternehmen fähig sind, Daten systematisch anzuhäufen und sich hieraus einzigartige Informationsvorteile ergeben. Um sich einen solchen Wettbewerbsvorteil ver-schaffen zu können, müssen Unternehmen neben dem großen Datenpool, allerdings über weitere Input-faktoren verfügen. Hierzu zählen insbesondere fähige und kreative Mitarbeiter, die in der Lage sind, Daten-bestände wertschöpfend zu verarbeiten sowie innovative Applikationen und Algorithmen zu entwickeln.191

189 Vgl. Federal Trade Commission(2014).

190 Vgl. OECD(2013).

191 Vgl. Tucker/Wellford(2014) und Borreau et al.(2017).

128 | 8DIGITALE AKTEURE, DATEN UND WEITERGEHENDE HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE REGULIERUNG

Vor diesem Hintergrund ist die Frage zu klären, ob Daten als ein marktmachtverstärkender Wettbewerbs-faktor zu Lasten der Marktteilnehmer wirken können. Hierbei sind vor allem zwei Fälle denkbar:192

Exklusivität von Daten: In der Regel können Daten durch verschiedene Akteure gleichzeitig erhoben und genutzt werden. Es sind aber auch Fälle denkbar, in denen ein Anbieter exklusiv über bestimmte Daten verfügt, eine Duplizierung der Daten nicht möglich ist und Wettbewerbern somit der freie Zu-gang zu gleichen oder ähnlichen Daten verwehrt bleibt. Eine derartige Marktzutrittsschranke könnte sich nachteilig auf den Wettbewerb im Markt und für die Verbraucher auswirken.

Skalen- und Verbundvorteile durch Daten: Unter bestimmten Bedingungen ist es theoretisch möglich, dass Skaleneffekte durch Daten eine Art natürliches Monopol begründen. Dazu müssen die vorliegenden Skaleneffekte jedoch so stark sein, dass die mindestoptimale Datenmenge nur durch einen einzigen Akteur erreicht werden kann. Dieser Akteur muss dabei gleichzeitig über das ent-sprechende Know-how verfügen, um die Daten verarbeiten und verwerten zu können. In die Betrachtung sollten dabei auch Verbundvorteile eingehen, die vor allem durch horizontale und vertikale Integration ermöglicht werden. Hierzu zählen etwa die Datenerfassungs- und

Ver-wendungsmöglichkeiten, die über verschiedene Geschäftsfelder im Konzernverbund erreicht werden können. Demnach gilt es nicht nur die absolute Datenmenge, sondern auch die unterschiedlichen Erfassungs- und Kombinationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Insgesamt ist festzustellen, dass sich der Wettbewerb einerseits durch neue Akteure der digitalen Ökonomie grundlegend intensivieren kann. Andererseits kann eine Monopolisierung oder zumindest eine wachsende Marktkonzentration durch datengetriebene Geschäftsmodelle befördert werden.

Hinsichtlich der skizzierten Eigenschaften des Inputfaktors Daten scheint es derzeit fraglich, ob sich eine durch Daten begründete „Essential Facility“ im Rahmen Internet-basierter bzw. datengetriebener Geschäfts-modelle herausbilden und belegt werden kann. Ob Skalenerträge durch Daten, in einem entsprechend vorab abzugrenzenden Markt, dabei eine wirksame Markteintrittsbarrieredarstellen, hängt vor allem von ihrer jeweiligen Stärke ab. Es ist jedoch davon auszugehen, dass ab einer bestimmten Größe des Datenpools keine steigenden, sondern konstante oder sogar abnehmende Grenzerträge (Gesetz des abnehmenden Grenz-nutzens) des Datensammelns vorliegen.193Da Daten nur kontextbezogen interpretierbar sind, sollten diese in der Praxis immer abhängig vom jeweiligen Geschäftsmodelldes zu betrachtenden Akteurs analysiert werden. Aus „Datenreichtum“ allein kann nicht verallgemeinernd auf das Vorliegen von Marktmacht geschlossen werden. Vor allem die Eigenschaften der Nicht-Rivalität und die vielfältigen Möglichkeiten bei der Datenerhebung sprechen dagegen.194Denn oftmals können Wettbewerber eigene Methodenentwickeln, um die jeweils auf ihr Geschäftsmodell zugeschnittenen relevanten Dateneigenständig zu erheben und zusammenzuführen. Die reine Datenmenge als solche ist nicht ausschlaggebend, sondern es kommt darauf an, die jeweils individuell relevanten Datenkontextbezogen unter Zuhilfenahme von intelligenten Algorithmen inhaltlich zu verwerten.

192 Vgl. Dewenter/Lüth(2016) und Borreau et al.(2017).

193 Vgl. Junqué de Fortuny et al.(2013).

194 Vgl. Tucker/Wellford(2014).