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Grundsätzliche Ziele der Marktregulierung im Postsektor sind der Schutz der Verbraucher und Wettbewerber vor Ausbeutungsmissbrauch sowie der Schutz der Wettbewerber vor Behinderungsmissbrauch durch einen marktmächtigen Monopolisten in vor- und nachgelagerten Märkten. Die Einhaltung dieser Ziele wird über sektorspezifische Vorgaben in den Bereichen Marktzugangs-, Entgelt- sowie Qualitätsregulierung sicher-gestellt. Nach § 2 PostG ist die Regulierung des Postwesens eine hoheitliche Aufgabe des Bundes. Sektor-spezifische Ziele der Postregulierung sind:

• Die Wahrung der Interessen der Kundensowie Wahrung des Postgeheimnisses,

• die Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs, auch in der Fläche,

• die Sicherstellung einer flächendeckenden Grundversorgungmit Postdienstleistungen zu erschwinglichen Preisen (Universaldienst),

• die Wahrung der Interessen der öffentlichen Sicherheit,

• die Berücksichtigung sozialer Belange.

155 Vgl. Europäische Kommission(2017a).

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Weitere sektorspezifische Vorgaben finden sich in den nachstehenden Verordnungen: PUDLV, PDLV, PDSV, PEntgV und PLGebV. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen bleibt unberührt.

Im Rahmen der digitalen Entwicklungen nimmt die Bedeutung von Internetplattformen, Daten und Daten-schnittstellen nicht nur im Bereich der nicht-lizenzpflichtigen KEP-Dienste zu, wenngleich diese Entwicklung hier besonders deutliche Veränderungen hervorruft. Auch im Briefmarkt führt der digitale Wandel wahr-nehmbare Veränderungen herbei.

Neben dem verstärkten Aufkommen digitaler Geschäftsmodelle und der zunehmenden Bedeutung von Daten, bewirkt die Digitalisierung im Postsektor eine nachhaltige Veränderung innerhalb der Märkte und Strukturen. In diesem Kontext stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit für eine Anpassung oder Aus-weitung der Regulierung. Folgende Handlungsfelder im Postsektor bedürfen einer kritischen Überprüfung:

(a) Intensivierung der Marktbeobachtung und Marktabgrenzung

Im Briefsegment führt die zunehmende elektronische Substitution physischer Postproduktezu einer stetig sinkenden Anzahl von Briefsendungen. Daneben entwickeln und verbreiten sich neue Produkte wie die Hybridpost und elektronische Einschreiben, die ebenfalls den klassischen Brief unter Druck setzen. Die Aus-wirkungen dieses Substitutionsprozesses sind auch in der sich verändernden Anbieterstruktur und durch die Verbreitung neuer Geschäftsmodelle erkennbar. Die voranschreitende Entwicklung im Bereich E-Govern-ment wird den Briefmarkt zukünftig weiter verändern.

Hingegen wächst der Kurier-, Express- und Paketbereichdurch die zunehmende Bedeutung des

E-Commerceimmer stärker. Es entstehen neue serviceorientierte, individualisierte Geschäftsmodelle, die gravierende Auswirkungen auf Kosten- und Prozessstrukturen haben. Logistische Prozesse werden zu-nehmend in das Angebot von Unternehmen im Bereich E-Commerce integriert, mit Auswirkungen auf den Wettbewerb im KEP-Bereich. Die Grenzen zwischen dem Kurier-, Express- und Paketbereich

ver-schwimmendurch die Digitalisierung immer stärker. Darüber hinaus entstehen rein digitale Geschäfts-modelle, bei denen keine Transportleistungen erbracht werden, die aber dennoch Bestandteile der postlogistischen Prozesskette sind.

Die Bundenetzagentur beobachtet und beschreibt aktuelle und perspektivische Marktentwicklungen, Ver-änderungen und Verschiebungen im Brief- wie auch im KEP-Bereich, u. a. auch durch die Vergabe von Studien. Die Digitalisierung der Prozesse und Produkte im Postsektor führt zu nachhaltigen Veränderungen der Marktstrukturund stellt neue Anforderungensowohl an die Marktbeobachtung als auch die Markt-abgrenzung im Postsektor.

Die vorhandenen Auskunftsrechte der Bundesnetzagentur schränken die Aussagekraft der Markt-beobachtungzunehmend ein, da diese die aktuellen Marktgegebenheiten nicht mehr vollumfänglich abbilden kann. Daher erscheint eine Ausweitung der regulatorischen Befugnisse auf bestimmte nur mittelbar im Postwesen tätige Unternehmen sinnvoll und erforderlich. Beispielsweise erfasst und analysiert die Bundes-netzagentur im Rahmen des Auskunfts- und Prüfungsrechts nach § 45 PostG regelmäßig die Mengen- und Umsatzentwicklung auch im Bereich hybrider Briefdienstleistungen. Allerdings können aufgrund der vorhandenen Auskunftsbefugnisse nur Marktdaten von Unternehmen erfasst werden, die an der physischen Beförderung dieser Sendungen beteiligt sind. Tatsächlich übernehmen im Geschäftsfeld Hybridpost

zu-nehmend Unternehmen angrenzender Branchen einzelne Schritte in der Prozesskette (wie z. B. Lettershops oder Druckdienstleister).

Die Marktabgrenzungwird zunehmend schwieriger und komplexer, da die Marktbeobachtung mit ihren vorhandenen Kompetenzen nur Teilbereiche vertikal integrierter Unternehmen abbilden kann. Auch die Bestrebungen der Europäischen Kommission, Begriffsbestimmungen im Postsektor zu verändern und zukünftig alle Sendungen, die nicht dem Zweck der Korrespondenz dienen, als Paket zu definieren, müssen bei der Marktbeobachtung Berücksichtigung finden.

Im Hinblick auf eine sachgerechte Marktabgrenzung bei Briefdienstleistungen wird die Bundesnetzagentur zukünftig ihr besonderes Augenmerk auf die Hybridpost, die zunehmend an Bedeutung gewinnt, legen. Mit Blick auf die zunehmende Produktvielfaltund Komplexität von Geschäftsmodellenin diesem Bereich ist für die Informationsbeschaffung und -analyse der Dienstleistungen allerdings ein vollumfänglicher Blick auf die gesamte Prozesskette (postalischer und nicht-postalischer Teil) notwendig. Nur so können richtungs-weisende Entwicklungen abgebildet und antizipiert, sowie entsprechende regulierungsrelevante Ent-scheidungen getroffen werden.

Das noch im Papierzeitalter erlassene Postgesetzwird den marktlichen Entwicklungen und Anforderungen in den zunehmend durch Digitalisierung geprägten Brief- und Paketmärkten nicht mehr gerecht. Anzustreben ist ein Ordnungsrahmen, mit dem die Bundesnetzagentur schnell und flexibel auf Marktumbrüche reagieren kann. Außerdem muss sich die Regulierungsintensität dynamisch und verhältnismäßig der jeweiligen Markt-und Wettbewerbssituation anpassen können. Hierzu ist es erforderlich, die Marktbeobachtung Markt-und -abgren-zung auszuweiten und zu intensivieren. Auch die Aktivitäten neuer Spieler im Markt, wie z. B. Amazon, müssen erfasst und bewertet werden können.

(b) Neue Anforderungen an den Universaldienst

Die digitalen Entwicklungen in den Postmärkten werfen zudem die Frage nach dem Umfang einer hin-reichenden und „zeitgemäßen“ postalischen Grundversorgungauf. Die Digitalisierung bietet einerseits Raum für Innovationen, andererseits sehen sich traditionelle Geschäftsmodelle durch das veränderte Kommunikationsverhalten spürbar unter Druck gesetzt. Die gesetzlichen Universaldienstvorgaben, in denen das in der Bundesrepublik Deutschland garantierte Mindestangebot an Postdienstleistungen festgelegt ist, wurden Ende der 1990er-Jahre geschaffen. Es ist daher auf den Prüfstand zu stellen, ob der aktuelle bzw.

zukünftige Bedarf noch identisch ist mit dem vor rund 20 Jahren festgestellten Grundbedarf.

Dabei sollten die vielfältigen Auswirkungen der Digitalisierung ebenso berücksichtigt werden wie die unter-schiedlichen Interessen verschiedener Marktteilnehmer und Postnutzer. So geht z. B. eine Vielzahl neuer Dienste und Services, insbesondere bei der Paket- und Warenbeförderung, z. T. weit über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Die Relevanz gesetzlicher Universaldienstvorgabennimmt möglicherweise in solchen dynamischen und wettbewerblich geprägten Bereichen ab. Andererseits könnten die qualitativen Verbesserungen aber auch einen neuen Grundbedarf begründen.

Im klassischen Briefbereichsind die Substitutionseffekte durch digitale Medien in besonderem Maße zu spüren und drücken sich in zurückgehenden Sendungsmengen aus. Hier ist ein Bedeutungsverlust physischer Sendungen zu beobachten. Diese Entwicklung hat zudem das Potenzial, die – derzeit noch gesicherte – Rentabilität der Universaldiensterbringung zu mindern. Gleichzeitig darf nicht außer Acht gelassen werden,

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dass möglicherweise bestimmte Bevölkerungsteile und Wirtschaftsbereiche weiterhin auf physische Brief-dienstleistungen besonders angewiesen sind. Gleiches gilt auch für die Erreichbarkeit der postalischen Infra-struktur (z. B. Filialen, Agenturen und Briefkästen).

Ein funktionierendes und zukunftsfähiges Universaldienstregimemuss sich in die veränderten technischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen einfügen. Alle relevanten Akteure von den Marktteilnehmern über die Regulierungsbehörde bis zum Gesetz- und Verordnungsgeber sind gefordert, neue Anforderungen an den Universaldienstzu bewerten und tragfähige Lösungenzu entwickeln. Die Bundesnetzagentur hat hierzu eine Verbraucherbefragung beauftragt.

(c) Entgeltregulierung

Der technische Fortschritt im Postsektorwirkt sich auf die Kostenstrukturender Unternehmen aus.

Während in vergangenen Jahren vor allem die Personalkosten wesentlicher Kostentreiber waren, spielen als Folge der digital getriebenen Produkt- und Prozessinnovationen zunehmend auch Kapitalkosten eine be-deutende Rolle. Aufgrund der Digitalisierung schreitet insbesondere die Substitution des Produktionsfaktors Humankapital durch kapitalintensivere Produktionsfaktoren, wie Rechnerkapazitäten für Big Data Analysen, Zustelldrohnen, Paketroboter, autonome Fahrzeuge etc., zunehmend voran.

In Verbindung mit den strukturellen Marktveränderungen(sinkende Sendungsmengen im Bereich der Briefpost) führt die Digitalisierung im Postsektor zu einer insgesamt geringeren Netzauslastung in der Brief-logistik. Diese mengeninduzierten Auslastungseffekte einerseits und die weitgehend fixen Netzkosten sind entgeltregulatorisch von erheblicher Bedeutung, da hierdurch die Kostenentwicklung und Kostendeckung maßgeblich mitbestimmt werden. Die beschriebene Verringerung des Sendungsaufkommens im Briefbereich wird daher im Rahmen der Entgeltverfahren weiter zu berücksichtigen sein.