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Ein zentrales Merkmal der Digitalisierung, das alle beteiligten Akteure vor neue Herausforderungenstellt, ist die hohe Entwicklungsdynamik, die Innovationen und neue Geschäftsmodelle vorantreibt. Gleichzeitig bringt sie aber auch neue Fragestellungen in den Bereichen Wettbewerb, Verbraucherschutz oder Qualifizierung von Arbeitskräften hervor und erfordert neue Lösungsansätze. Demnach sollte Digitalisierung nicht als isolierter Themenkomplex betrachtet werden. Es wurde bereits verdeutlicht, dass die Bundesnetzagentur durch die Veränderungen im Rahmen der Digitalisierung weiterhin in ihrem klassischen Regulierungshandeln gefor-dert ist (vgl. insbesondere Kap. 6). Neben einem sektorspezifischen regulatorischen Anpassungsbedarfist zu beobachten, dass sich sektorübergreifendin allen regulierten Netzsektoren zusätzlicheneue Fragestellungen ergeben (vgl. Kap 7).

Vor allem datengetriebene Geschäftsmodelle und Internet-basierte Plattformanbieter rücken immer stärker in den Fokus der Betrachtung. Hierzu zählen beispielsweise die GAFA-Konzerne (Google, Apple, Facebook und Amazon), aber auch Akteure wie Uber, WhatsApp oder Airbnb, die mit ihren Geschäftsmodellen etablierte Marktakteure unter Druck setzen oder diese verdrängen. In der Wahrnehmung von Nutzern, Medien und Politik verfügen diese bereits heute über eine überragend starke Marktposition, die sie zusätzlich durch horizontale und vertikale Integrationweiter auszubauen scheinen. Gemessen an ihrer Marktkapitalisierung sind einzelne Akteure der digitalen Ökonomie (oder auch Technologie- und Internet-Konzerne) längst in der Spitzengruppe der bedeutendsten Unternehmen angekommen. Neben der Erstellung von klassischen Hard-und Softwareprodukten bieten diese Akteure oftmals Plattform-basierte Dienstleistungen an, die allgemein in folgende Kategorien eingeteilt werden können:170

• Suchmaschinen,

• Handels- und Tauschplattformen,

• Soziale Netzwerke,

• Vergleichsportale,

• Vermittlungsplattformen (u. a. Sharing Economy),

• Medien- und Inhaltedienste und

• Internet of Things (IoT)-Dienste.

170 Vgl. u. a. WIK(2016a) oder Hamelmann/Haucap(2015).

Aus ökonomischer Sicht stellt die fundierte Bestimmung der tatsächlichen Marktmacht solcher Anbieter je-doch eine große Herausforderung dar. Aus diesem Grund werden die zur Verfügung stehenden Instrumente und Methoden derzeit von Politik und Wissenschaft kritisch diskutiert.171Sicher scheint aber schon jetzt, dass die Klärung der hiermit verbundenen, äußerst komplexen Fragen einen deutlich umfangreicheren Ansatz der klassischen Wettbewerbsanalyse erfordert.172

Gemein ist den Akteuren der digitalen Ökonomie, dass sie für gewöhnlich große Datenmengenvon ihren Nutzern erheben, um diese anschließend weiterzuverarbeiten. Hierzu zählen etwa persönliche Präferenzen, Einstellungen und Beziehungen sowie Nutzungs-, Verhaltens- und Metadaten. Häufig werden sie zur Ent-wicklung bzw. WeiterentEnt-wicklung unternehmenseigener Dienste verwendet und derzeit vor allem zur Vermarktung treffgenauer Werbedienstleistungen eingesetzt.173Allerdings sind auch zahlreiche weitere Verwendungszwecke denkbar. Darüber hinaus werden Daten aus unternehmensinternen Prozessen oder aus zahlreichen anderen Quellen gewonnen und verarbeitet.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Produkten und Dienstleistungen ist eine Vielzahl der oben genannten Dienste für den Verbraucher entgeltlos nutzbar. Das bedeutet, die Daten können als ökonomischer Input-faktor verstanden werden.174Daneben verbreiten sich gleichermaßen neue Dienste, die ein gängiges Entgelt-basiertes Bezahlmodell verfolgen. Außerdem setzen auch etablierte Marktakteure, die klassische Geschäfts-modelle betreiben, vermehrt auf die Potenziale der Datenerhebung und -nutzung. Große Datenmengen bzw.

Big Data werden dabei vor allem auch zur Umsetzung innovativer Dienstleistungen und Produkte an der Schnittstelle zum Kunden verwendet.175

Verschiedene Marktmachtfaktorenkönnen sich förderlich auf Marktposition von Akteuren der digitalen Ökonomie auswirken. Dabei können der Zugang zu Daten und die damit verbundenen Möglichkeiten der Datenverarbeitung diese nachstehenden Effekte begünstigen oder verstärken:176

Direkte Netzwerkeffekte(Nutzer einer Plattformseite profitieren von der Erhöhung der Anzahl der Nutzer auf derselben Plattformseite, beispielsweise bei sozialen Netzwerken),

Indirekte Netzwerkeffekte(Nutzer einer Plattformseite profitieren von der Anzahl der Nutzer auf einer anderen Plattformseite und vice versa, beispielsweise profitieren auf einer Handelsplattform die Käufer von einer hohen Anzahl an Verkäufern und umgekehrt),

171 Vgl. hierzu beispielsweise Monopolkommission(2015c), Bundeskartellamt(2016), BMWi(2016b), Bundesnetzagentur(2016), Krämer et al.

(2016) und Schweitzer et al.(2016).

172 Vgl. hierzu auch Bundesnetzagentur(2016).

173 Die Effekte zielgenauer Werbung werden aus wohlfahrtsökonomischer Sicht ambivalent bewertet. Hier stehen die positiven Aspekte potenziell steigender Absatzmengen für Unternehmen und ein erhöhter Suchkomfort für Verbraucher, den negativen Aspekten aufdringlicher Werbeanzeigen gegenüber. Vgl. u. a. Bourreau et al.(2017).

174 Oftmals werden Daten als „Öl des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet. Anders als Rohstoffe sind Daten jedoch in vielen Fällen nicht knapp und in der Regel parallel oder mehrfach nutzbar. Transaktionen, die (auch) den Austausch von Daten einschließen, sind häufig entgeltlos, aber nicht zwingend kostenlos. Der beigemesse Datenwert ist dabei immer vom Kontext abhängig.

175 Eine Kundenschnittstelle kann als Zugangspunkt zum Kunden beschrieben werden, welche die Interaktion und Transaktion mit der Anbieterseite und den dort angebotenen Dienstleistungen und Produkten ermöglicht.

176 Vgl. hierzu Evans/Schmalensee(2007), Graef(2015) oder Schepp/Wambach(2016).

124 | 8DIGITALE AKTEURE, DATEN UND WEITERGEHENDE HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE REGULIERUNG

Dynamische Skaleneffekte(Spezialisierung und Lernkurveneffekte) und statische Skaleneffekte (Größenvorteile; Fixkostendegression; Ausweitung der Geschäftstätigkeit verursacht nur geringe Zusatzkosten),

Lock-In-Effekte(ein durch hohe Wechselkosten oder sonstige Wechselbarrieren bedingtes Abhän-gigkeitsverhältnis, das es dem Kunden erschwert, einen Anbieter zu wechseln) und

Verbundeffekte(wirtschaftliche Vorteile, die bei diversifizierten Unternehmen auftreten können, die auf verschiedenen Märkten tätig sind bzw. unterschiedliche Produkte anbieten; Synergieeffekte).

Ob sich Akteure der digitalen Ökonomie, insbesondere Internet-basierte Plattformen, aufgrund des Input-faktors Daten oder anderer Faktoren zu marktmächtigen Akteuren entwickeln können und in die Lage versetzt werden, eine potenzielle marktmächtige Stellung zu missbrauchen, sollte in jedem Fall im Rahmen einer tiefergehenden Marktanalysedurch entsprechende Aufsichtsbehörden beantwortet werden. Die be-schriebenen Effekte können das Entstehen marktmächtiger Strukturen dabei durchaus begünstigen. Aller-dings existieren zugleich auch Faktoren, die Marktmachtkonzentrationen in Plattformmärkten tendenziell entgegenwirken.177So stärken insbesondere das sogenannte Multi-Homing(parallele Nutzung verschiedener Dienste) und die Möglichkeiten des Anbieterwechsels den Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern.

Darüber hinaus richten digitale Akteure ihr Angebot häufig an einen beschränkten Nutzerkreis (z. B. Online-portale, die ihr Angebot bewusst auf eine bestimmte Zielgruppe ausrichten), um für heterogene Nutzer-gruppen die Suchkosten zu senken (Möglichkeiten der Differenzierung).178Aufgrund der Heterogenität der verschiedenen Akteure (beispielsweise hinsichtlich der Art und Menge der verwendeten Daten, der hori-zontalen und vertikalen Unternehmensausdehnung oder des gewählten Geschäftsmodells) erscheint es zielführend, grundsätzlich von pauschalen Antworten hinsichtlich der Bestimmung von Marktmacht in der digitalen Welt abzusehen. Vielmehr erfordert der hohe Grad an Komplexität eine differenzierte Betrachtung, beispielsweise in Form von konkreten Einzelfallanalysen.

Im Interesse von Wettbewerb und Verbraucherschutz gilt es, neue Entwicklungen durch Akteure der digitalen Ökonomie kritisch zu beobachten und die wahrnehmbaren Veränderungen aufmerksam zu begleiten. Hierbei ist einerseits das Kartellrecht mit seinen Instrumenten der Fusionskontrolle und Miss-brauchsaufsicht gefordert.179Gleichermaßen ist festzustellen, dass der digitale Strukturwandel sich

zunehmend auf die Märkte und Marktteilnehmer in den von der Bundesnetzagentur regulierten Netzsektoren auswirkt. Sofern die Netzinfrastrukturen und auf ihnen erbrachte Dienstleistungen direkt betroffen sind oder das Erreichen von Regulierungszielen beeinflusst wird, etwa in den Bereichen Marktzugang, Wettbewerb oder Datenschutz, ist andererseits ein Handeln der Regulierungsbehörden erforderlich. Dazu ist es unbedingt notwendig, dass sich Regulierung in allen Sektoren verstärkt mit Themen wie Datenerhebung und Daten-verwertung auseinandersetzt.

Zu den neuen Herausforderungen zählt, dass klassische Instrumente der Wettbewerbs- und Regulierungs-ökonomie, etwa bei der Marktabgrenzung und Marktmachtbestimmung, an ihre Grenzen geraten. Schon die Marktabgrenzungals wesentliche Voraussetzung für die Marktmachtbestimmung ist äußerst komplex, weil

177 Vgl. Evans/Schmalensee(2007).

178 Vgl. hierzu auch Bundesnetzagentur(2016).

179 Vgl. Bundeskartellamt(2016).

beispielsweise aufgrund des mehrseitigen Charakters von Plattformmärkten oder des oft hohen Grades an Produktdifferenzierung unterschiedliche Kundengruppen von Akteuren der digitalen Ökonomie adressiert werden. Diese Akteure bedienen oft verschiedene Märkte, die gleichzeitig auch analoge Produkte umfassen können und für gewöhnlich in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen, so dass auch die Beziehung zwischen diesen Märkten in die Abgrenzung einbezogen werden sollte. Sobald es gelungen ist, einen geeig-neten Markt abzugrenzen, stellt sich die Frage der Bestimmung von Marktmacht. Auch hier weisen die neuen Akteure Besonderheiten auf. Gängige Marktmachtkriterien wie umsatzbasierte Marktanteile oder Preisver-änderungen sind häufig nicht geeignet, da Leistungen in der digitalen Welt oft entgeltlos zur Verfügung gestellt werden.180

Auch das Thema Transparenz in der digitalen Weltkann den Wettbewerb beeinflussen. Transparenz ist in diesem Zusammenhang mindestens von zwei Seiten zu betrachten. Vergleichsportale und Suchmaschinen schaffen mitunter eine ungeahnte Transparenz in Märkten. Mobil und jederzeit können Suchanfragen gestellt werden, die unmittelbar beantwortet werden. Hierdurch sinken Transaktionskosten und die wirtschaftliche Interaktion wird gefördert. Preis- und Produktvergleiche werden somit tendenziell einfacher. Gleichzeitig entsteht jedoch eine neue Intransparenz über die Erfassung und die Verwendung von Nutzerdaten sowie die Beeinflussung von Suchergebnissen.181Beispielsweise wird zunehmend über wettbewerbsverzerrende Such-ergebnisse berichtet, weil etwa versteckte Kosten im Rahmen eines Online-basierten Preisvergleichs nicht ausgewiesen werden.182Demnach werden auf der einen Seite marktliche Informationsasymmetrien abgebaut, während auf der anderen Seite zur gleichen Zeit neue Informationsasymmetrien, beispielsweise zwischen Verbrauchern und Plattformbetreibern, aufgebaut werden. Dieses Transparenz-Dilemmaerfordert mög-licherweise neue Regeln, um Verbraucher vor intransparenten Geschäftspraktiken zu schützen. Hier gilt es sorgfältig zwischen den Interessen des Verbraucherschutzes und der Innovationsoffenheit abzuwägen, also die Frage zu beantworten, wie das Vertrauen in digitales Wirtschaften durch neue bzw. bessere Regeln gestärkt werden kann, ohne Innovationen und damit ökonomische Potenziale auszubremsen.183

Märkten, die durch digitale Akteure geprägt sind, wird oftmals eine Tendenz zur Unternehmenskonzentration unterstellt, womit möglicherweise Einschränkungen des Wettbewerbs einhergehen. Allerdings kann auch dieser Aspekt von zwei Seiten betrachtet werden. Einerseits gibt es zahlreiche Beispiele für Märkte, die grund-sätzlich wettbewerblich geprägtsind, obwohl oder gerade weil datengetriebene Akteure in diesen Märkten aktiv sind. Aus ökonomischer Sicht kann auf solchen Märkten ausreichender Wettbewerbsdruck vorhanden sein, obwohl aktuell keine aktiven Substitute verfügbar sind (Bestreitbarkeit von Märkten184). Gleichwohl müssen sich diese neuen, innovativen Akteure, auch in einem wettbewerblich geprägten Umfeld, an be-stimmte Spielregeln halten, beispielsweise im Bereich der Verbraucherrechte. Insbesondere eine verbesserte Transparenz, beispielsweise über die Nutzung von Daten oder die Funktionsweise von Suchalgorithmen, kann dabei helfen, das Vertrauen in Akteure der digitalen Welt zu steigern und für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen. Andererseits scheint den o. g. Marktmachtfaktorenin anderen Märkten eine größere Bedeutung

180 Vgl. Monopolkommission(2015c), Bundeskartellamt(2016) und Bundesnetzagentur(2016).

181 Vgl. Bundesnetzagentur(2016).

182 Vgl. beispielsweise Zeit-Online(2014).

183 Die Bundesnetzagentur hat sich in ihrer Stellungnahme zum Grünbuch „Digitale Plattformen“ zum Beispiel ausführlich mit dem so-genannten „Identity Management“-Konzept und mit Überlegungen zur treuhänderischen Wahrnehmung von Datenrechten durch Dritte befasst. Siehe dazu Bundesnetzagentur(2016).

184 Vgl. zum Konzept der Bestreitbarkeit von Märkten u. a. Baumol et al. (1982).

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zuzukommen. Beispielsweise stärken Skalen- und Verbundeffekte die Marktposition einzelner Anbieter in einer Weise, die das Herausbilden marktmächtiger Strukturen begünstigen können. Dies kann im Extremfall in einer Monopolisierung bestimmter Märkte münden und das Potenzial für Marktmachtmissbrauch bieten.

Demnach kann das Marktergebnis auf verschiedene Weise durch Akteure der digitalen Welt beeinflusst werden. Daher sollte im regulatorischen Handeln von einer Anwendung verallgemeinernder Lösungsansätze im Rahmen der digitalen Ökonomie abgesehen werden, da derartige Konzepte den vielfältigen Ausprägungen der neuen Akteure vermutlich nicht in vollem Umfang gerecht würden.