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Im Zuge der digitalen Transformation ist in den Netzsektoren ein Trend zur Etablierung neuer sektorüber-greifender, digital gestützter Geschäftsmodelleerkennbar, welche die Bedeutung von Datenschutz, IT-Sicherheit und Interoperabilität bzw. Standardisierung noch weiter erhöhen können. Treiber dieser Ent-wicklung sind maßgeblich neue technische Vernetzungsmöglichkeiten, die oftmals unter dem Schlagwort des Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) zusammengefasst werden. Es bezeichnet die Digitalisierung von realen, physischen Objekten und deren Vernetzung über das Internet. Dazu gehören neben gängigen ver-netzten Geräten wie Computer, Smartphones und Tablets vor allem Objekte, die klassischerweise nur in der

„analogen Welt“ verfügbar sind, wie etwa Autos, Küchengeräte, Heizungen, Wetterstationen und andere Gegenstände.

Durch die Entwicklung des Internet der Dinge wird ein Aufbruch von bestehenden Wirtschafts- und Sektor-Strukturen („Silos“) z. B. in der Transportbranche, der Gesundheitsbranche, im Maschinenbau etc. erwartet.

Charakteristisch ist in einem IoT-basierten Wirtschaftssystem die Herausbildung von sektorübergreifenden Geschäftsmodellen, die eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure(Unternehmen, Konsumenten, Maschinen) innerhalb einer Wertschöpfungskette integrieren.165Die im Entstehen begriffenen neuen Geschäftsmodelle zielen darauf ab, durch eine umfassende Vernetzung verschiedener Geräte und Lebensbereiche für den Nutzer und die Gesellschaft einen Mehrwert zu generieren. Gängige Anwendungsszenarien umfassen beispielsweise:

Smart Home: Mit dem Begriff Smart Home wird die intelligente Vernetzung von Häusern und Woh-nungen beschrieben. Anwendungsbereiche umfassen beispielsweise vernetzte und fernsteuerbare Sicherheitssysteme, Haushaltsgeräte, Heizungs- und Energiemanagementsysteme oder medizinische Assistenzsysteme. Für diesen Bereich wird ein umfangreiches Umsatzwachstum erwartet. Eine im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) erstellte Studie prognostiziert

165 Vgl. Europäische Kommission(2016d).

für den Zeitraum 2015 bis 2025 einen Anstieg des Smart-Home-bezogenen Umsatzes in Deutschland von 2,3 auf 19 Mrd. Euro.166

Smart Cities: Mit dem Begriff Smart Cities wird die digitale Transformation von Städten in intelli-gente urbane Räume zusammengefasst. Anwendungen umfassen die Bereiche Smart Economy (Wirtschaft), Smart People (Bevölkerung), Smart Governance (Verwaltung), Smart Mobility (Mobi-lität), Smart Environment (Umwelt) und Smart Living (Leben). Im Fokus stehen Sensoren, die flächen-deckend im urbanen Raum angebracht werden, um Daten zu erfassen und diese nutzbringend ver-fügbar zu machen. Hiermit soll eine ständige Interaktion zwischen Stadtbewohnern und Technologie ermöglicht werden. Beispielsweise sollen „smarte“ Mobilitäts- und Energiemanagementsysteme sensorgestützt Verkehrsflüsse lenken, Informationen zu freien Parkplätzen bereitstellen oder die Straßenbeleuchtung energiesparend steuern.

Diese gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen im Bereich der sektorübergreifenden Geschäftsmodelle be-einflussen auch die regulierten Netzsektoren. Die Etablierung derartiger Geschäftsmodelle kann grundsätzlich einen Paradigmenwechsel in den Netzsektoren einleiten. Nicht mehr die Herstellung oder Belieferung mit einem bestimmten Produkt oder einer spezifischen Dienstleistung stehen im Mittelpunkt dieser neuen Geschäftsmodelle, sondern die datenbasierte Verknüpfung von vormals getrennten Gütern und Dienst-leistungen in ein komplexes Wertschöpfungsnetzwerk. Eine Kernkompetenz für Unternehmen ist es dabei, die Verteilung sowohl von physischen Gütern, als auch Informationen (beispielsweise in Form von Sensor-oder Kundendaten) Sensor-oder Energie in Netzwerken als Ganzes effizient zu beherrschen.

Schlüsselressourcefür solche sektorübergreifenden Geschäftsmodelle ist hierbei insbesondere der Zugriff auf umfangreiche Datenbestände. Neben Daten aus vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen sind vor allem auch Kundendaten, aus denen sich beispielsweise das Verbrauchsprofil und Verhalten der Endkunden ableiten lassen, von entscheidender Bedeutung. Aus diesem Grund steht die Kundenschnittstelle bei der Etablierung neuer Geschäftsmodelle oftmals im Fokus. Die Hoheit über die Kundeschnittstelle ermöglicht zum einen, Daten unmittelbar und auf das eigene Geschäftsmodell abgestimmt, zu erfassen. Zum anderen können in einem zweiten Schritt die erfassten Daten umfangreich analysiert werden, sodass sich Bedarfe sowohl erkennen als auch wecken lassen. Dies ermöglicht nachgelagerte Interaktionen, wodurch sich beispielsweise Kaufentscheidungen oder Verbrauchsverhalten direkt beeinflussen lassen. Auf Unternehmens-seite setzt die Datenanalyse insbesondere den Aufbau umfangreicher Data-Analytics-Kompetenzen voraus, damit ein Netzwerkbetreiber seine Rolle als Steuerungs- und Koordinationsinstanz einnehmen kann.

Charakteristisch für viele neue Geschäftsmodelle in den Netzsektoren ist weiterhin ihr Plattform-basierter Ansatz. Der Plattformbetreiber agiert dabei als Intermediär, indem dieser Kunden mit Anbietern von Produkten und Dienstleistungen zusammen bringt. Netzwerkbetreiber entwickeln sich durch die Digitali-sierung zunehmend zu solchen Plattformanbietern, was sich bereits heute in den einzelnen Sektoren ab-zeichnet: Neben den etablierten Anbietern aus den Netzsektoren versuchen zunehmend auch „Over-The-Top“-Akteure neue Geschäftsmodelle zu etablieren:

166 Vgl. BMWi(2016a).

120 | 7SEKTORÜBERGREIFENDE HERAUSFORDERUNGEN INFOLGE DER DIGITALISIERUNG

• Im Energiesektorbieten zahlreiche Unternehmen neben der „klassischen“ Erzeugung bzw. Belie-ferung von Energie und dem Betrieb von Stromnetzen auch Smart-Home Produkte und Lade-lösungen für den Bereich der Elektromobilität an. Zudem vermarkten einige Unternehmen der Energiebranche zusätzlich eigene Breitbandanschlüsse sowohl auf Endkunden- als auch auf Vor-leistungsebene des Telekommunikationsbereichs.

• Im Telekommunikationssektorbieten klassische Telekommunikationsunternehmen beispielsweise auch Stromlieferverträge und Dienstleistungen rund um das vernetzte Haus an.

• Im Post- und Logistiksektortreiben insbesondere E-Commerce-Plattformen sektorübergreifende Geschäftsmodelle an. Neben der Koordinierung und Durchführung von Zustellvorgängen erweitern die Plattformanbieter ihr Angebot beispielsweise um Cloud-Dienstleistungen, verschiedene OTT-Dienste wie Video- und Musikstreaming sowie digitale Assistenzsysteme beispielsweise zur Steuerung des Smart Home.

• Im Eisenbahnsektorwird die Integration verschiedener Verkehrsmittel (u. a. Zug, Bus, Taxi, Car-Sharing und BikeCar-Sharing) im Personenverkehr angestrebt. Davon eingeschlossen ist beispielsweise auch das Angebot von Elektromobilität.

Diese technischen Entwicklungen und neuen Geschäftsmodelle können einen hohen Mehrwert und wirt-schaftliche Potenziale bieten, beispielsweise in Form von verbesserten Produkten und Produktinnovationen, Effizienzsteigerungen in Fertigungsprozessen, Verminderung von Ressourcen- und Energieverbrauch, einer besseren Erfassung und Berücksichtigung von Kundenbedürfnissen sowie flexibleren Produkten, die Sharing-und Co-Creation-Modelle erlauben.167

Neben diesen Potenzialen können die vernetzten Entwicklungen und sektorübergreifenden Geschäftsmodelle aber auch neue Herausforderungeninsbesondere für die staatliche Regulierung bedeuten.

Die Interoperabilitätverschiedener Systeme ist ein Schlüsselthema. Beispielsweise existieren zahlreiche Smart-Home-Protokolle, die untereinander inkompatibel sind. Interoperabilität ist allerdings eine not-wendige Voraussetzung, um Skaleneffekte in der Herstellung zu erzielen, Kundenakzeptanz und so die Markt-durchdringung und Verbreitung derartiger Anwendung erst zu erreichen. Zwar fördern proprietäre (her-stellerspezifische) Standards in der Anfangsphase der Entwicklung Investitions- und Innovationsanreize auf Herstellerseite, jedoch erhöhen proprietäre Standards auf Endkundenseite auch die Wechselkosten (Lock-In-Effekt). Im Extremfall können Kunden aufgrund von Wechselkosten beispielsweise ihren Anbieter nicht mehr frei wählen, da ihre Endgeräte aufgrund des proprietären Standards an einen spezifischen Anbieter gebunden sind. Für die Etablierung sektorübergreifender Geschäftsmodelle ist deshalb Interoperabilität eine

entscheidende Grundvoraussetzung.

Auch rücken die vernetzten Geschäftsmodelle Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheitsowie der Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten des Verbrauchers über die Gerätein den Mittelpunkt. Insbesondere durch die Vernetzung alltäglicher Gegenstände können massenhaft personenbezogene Daten in einem bisher nie gekannten Umfang erfasst und ausgewertet werden. Datenschutzrisiken werden beispielsweise von

Ver-167 Vgl. Europäische Kommission(2016d).

brauchern häufig als Grund für die Zurückhaltung beim Kauf von Smart-Home-Produkten genannt. So war in einer Befragung in Deutschland für 22 Prozent aller Befragten die Sorge um Datenschutz/Datensicherheit der Grund dafür, dass sie ihr Zuhause noch nicht bzw. nicht umfangreicher vernetzt haben.168

Neue regulatorische Fragen stellen sich im Bereich der Plattformökonomie. Viele bereits etablierte digitale Geschäftsmodelle, die häufig auf einem Plattform-basierten Ansatz aufbauen, beruhen auf überwiegend ge-schlossenen Plattform-Ökosystemen. Als Gründe lassen sich Qualitäts-, Haftungs- sowie Sicherheitsaspekte anführen, die durch einen geschlossenen Ansatz besser kontrollierbar erscheinen.169Sofern Dritte auf Platt-formfunktionalitäten zugreifen können, besteht bei geschlossenen Plattformen die Gefahr, dass Schnittstellen und der Zugang zu diesen strategisch durch den Plattformbetreiber genutzt werden können, um Konkur-renten zu diskriminieren. Plattformen mit offenen Schnittstellen können hingegen diskriminierendem Ver-halten vorbeugen und so auch Wechselkosten der Nutzer reduzieren.

Auch nimmt die Bedeutunghinsichtlich der ökonomischen Verwertung von Datenzu. Daten stellen ins-besondere im Bereich der sektorübergreifenden Geschäftsmodelle für viele Anbieter eine Schlüsselressource dar. Auf der anderen Seite weisen insbesondere Daten in den Netzsektoren hinsichtlich ihrer Erfassung und Verwertung einige Besonderheiten auf.

Das folgende Kapitel 8 adressiert deshalb die grundsätzlich neuen regulatorischen Fragestellungen im Bereich der Plattform- und Datenökonomie.

168 Vgl. Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz(2017).

169 Vgl. Europäische Kommission(2016e).

122 | 8DIGITALE AKTEURE, DATEN UND WEITERGEHENDE HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE REGULIERUNG

8 Digitale Akteure, Daten und weitergehende Herausforderungen für die

Regulierung