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2.4 Rolle und Bedeutung von Daten bzw. Big-Data und Digitale Wertschöpfung

2.4.1 Rolle und Bedeutung von Daten bzw. Big-Data

Hat man die über Telekommunikationsnetze übertragenen Daten im Blick, kann der Eindruck entstehen, dass insbesondere klassische Telekommunikationsdiensteanbieter aus umfangreichen Datenbeständen einen öko-nomischen Mehrwertgenerieren können sollten. Allerdings sind klassische Telekommunikationsdienste-anbieter aufgrund des Fernmeldegeheimnisses sowie der sektorspezifischen Datenschutzvorschriften in der ökonomischen Verwertbarkeit der Daten gesetzlich eingeschränkt.

Anders kann dies bei OTT-Kommunikationsdiensten aussehen, die auch über Internet-basierte Plattformen bereitgestellt werden. Sofern diese als Telekommunikationsdienst eingestuft sind, unterliegen sie zwar auch den Datenschutz-Vorschriften des TKG, die Durchsetzung der entsprechenden Datenschutzvorschriften ist allerdings in zahlreichen Fällen schwierig. Die Unternehmen behalten sich vor, in weitaus größerem Umfang Daten der Nutzer zu erheben und auszuwerten. Mit Hilfe dieser Daten können über Internet-basierte Platt-formen bereitgestellte OTT-Kommunikationsdienste neue Dienste bereitstellen und ihre Diensteangebote sukzessive verbessern. Damit können sie einen Mehrwert erzeugen, der Verbrauchern vorher nicht zur Ver-fügung stand. Durch diese neuen Dienste und Anwendungen entsteht jedoch auch eine neue Anspruchs-haltung gegenüber klassischen Diensten – Verbraucher verlangen hier die gleiche Bequemlichkeit und den gleichen Komfort wie bei Internet-basierten Plattformdiensten.

Insgesamt ist feststellbar, dass die wirtschaftliche Bedeutung von Datenim Telekommunikationssektor stark zugenommen hat. Nachfolgend wird deshalb der Einfluss der datenbasierten Wertschöpfung auf die

Geschäftsmodelle im Telekommunikationssektor näher analysiert.

(a) Rolle und Bedeutung von Daten bzw. Big-Data

OTT-Anbieter können, wenn sie Kommunikationsdienste erbringen, zwar auch als Telekommunikations-diensteanbieter mit den entsprechenden datenschutzrechtlichen Verpflichtungendes TKG eingestuft werden, die Durchsetzungdieser Verpflichtungen begegnet aber großen Schwierigkeiten, da die Unter-nehmen oftmals keine Niederlassung im europäischen Raum haben und auch die Server im außereuro-päischen Ausland stehen können.

Zu den von OTT-Diensten erfassten Daten gehören nicht nur Standortdaten oder Endpunkte von Verbin-dungen, sondern auch Inhaltsdaten. So analysieren zahlreiche Anbieter von kommunikativen OTT-Diensten Inhaltsdaten beispielsweise von E-Mails und Nachrichten, um auf Basis der so gewonnenen Daten ziel-gruppenspezifische Werbung anzeigen zu können.

OTT-2-Anbieter, die keine Kommunikationsdienste erbringen, können den Datenschutzvorschriften des Telemediengesetzes(TMG) unterliegen, die aber weniger streng sind als die des TKG. Was den Umgang mit personenbezogenen Daten betrifft, gelten für diese OTT-2-Anbieter damit oftmals geringere gesetzliche Vorgaben als für Telekommunikationsdiensteanbieter. Generell sind die Vorgaben schwerer durchsetzbar, wenn Anbieter keine Niederlassung im europäischen Raum besitzen. In der Folge erfassen und analysieren die

Anbieter personenbezogene Daten der Nutzer sehr umfassend und zum Teil ohne Wissen der Nutzer. Oft geschieht dies als Gegenleistung zur entgeltlosen Dienstbereitstellung zum Zweck der Schaffung zielgruppen-spezifischer Werbemöglichkeiten. Daneben ermöglicht die Datenerfassung auch ein personalisiertes Dienste-angebot und die Optimierung eigener Dienste und Anwendungen.

(b) Einfluss der Daten auf Prozesse und Geschäftsmodelle

Telekommunikationsdiensteanbieter können von den personenbezogenen Daten ihrer Kunden auf unter-schiedliche Art profitieren. Beispielsweise dürfen Telekommunikationsdiensteanbieter mit Einwilligung des Kundendie Bestandsdaten zur Werbung für eigene Angebote oder zur Marktforschung verwenden. Ebenfalls mit Einwilligung des Kunden dürfen Verkehrsdaten u. a. zum Zwecke der Vermarktung von Telekommunika-tionsdiensten oder zur Bereitstellung von Diensten mit Zusatznutzen verwendet werden. Schließlich ist eine Verwendung unbeschränkt zulässig, wenn die Daten anonymisiertwurden. Beispielsweise können Bewe-gungsströme als Summe vieler Bewegungsprofile auf Basis anonymisierter Daten dafür genutzt werden, Verkehrsflüsse in Städten zu optimieren oder die Informationen für Staumeldungen zur Verfügung gestellt werden. Aufgrund der Schwierigkeit der Durchsetzbarkeit der gesetzlichen Vorgaben bei OTT-Anbietern sind klassische Telekommunikationsdiensteanbieter jedoch in der Konkurrenzfähigkeit zu Angeboten von OTT-Anbietern, die wesentlich umfangreicher auch personenbezogene Daten in ihren Geschäftsmodellen ein-setzen, beeinträchtigt.

Für Prozesse im Telekommunikationssektor kann ein mögliches Optimierungspotenzial beispielsweise darin liegen, einen sehr genauen Eindruck über das Telefonie- und Internetnutzungsverhalten der eigenen Kunden zu gewinnen, um darauf aufbauend die eigenen Netzkapazitäten optimal zu dimensionieren. Davon ausge-hend sind auch neue Tarifmodelledenkbar, die besser auf den eigenen Kundenkreis zugeschnitten sind, um zugeschnittene Endkundenprodukte anbieten zu können. Die Datenauswertung erleichtert so dynamische Anpassungen beispielsweise der Tarifmodelle.

(c) Bedeutung von Big Data

Der Erfolg Internet-basierter Plattform-Geschäftsmodelle wird unter anderem auf die sogenannte Big-Data-Nutzungzurückgeführt. Die Voraussetzung von Big Data wurde durch die Fähigkeit geschaffen, riesige un-strukturierte Datenmengen zu analysieren und mit un-strukturierten Daten zu verknüpfen. Dadurch können Informationen aus unstrukturierten Datengewonnen werden, was zuvor aufgrund fehlender Analyse-methoden nicht möglich war. Beispielsweise werden Marketingabteilungen in die Lage versetzt, durch die Verknüpfung von Bewegungs- und Einkaufsdaten mit Einkommen und sozialem Status potenzieller Käufer, das Kundenverhalten besser zu prognostizieren und Waren zielgerichteter zu bewerben. Industrieunter-nehmen sind imstande, durch vernetzte Herstellungsprozesse die Fertigungs- und Produktqualität zu optimieren, indem zum Beispiel Produktionsdaten, Qualitätseigenschaften von Materialien und Nutzungs-daten in Beziehung gesetzt werden, um den Maschinenverschleiß besser vorherzusagen. Qualität und Leistungsfähigkeit vieler physischer Produkte werden durch die Verbindung mit zielgerichtet verknüpften Daten verbessert bzw. erweitert (sogenannte cyber physical products, CPP). Damit hängt der Erfolg von CPP entscheidend von der Qualität der erhobenen Daten sowie von den datenanalytischen Fähigkeiten und Infrastrukturen des jeweiligen Unternehmens ab. Denn die Verwertbarkeit der heute massenhaft gewon-nenen Daten setzt die richtige Anwendung von statistischen Methoden, Technologien, Algorithmen und Analysestrategien, aber auch eine ausreichende IT-Sicherheit und die Einhaltung der geltenden Daten-schutzvorschriften voraus.

32 | 2SEKTORSPEZIFISCHE ENTWICKLUNGEN: TELEKOMMUNIKATION

Die Verknüpfung kontextbezogener Informationen gelingt dabei mit Hilfe des sogenannten Data-Mining, wodurch sich Wertschöpfungs- und Effizienzpotenziale für (unstrukturierte) Daten ergeben. Derartige Techniken erlauben u. a. die Identifikation von Abhängigkeiten, Mustern, Strukturen und Anomalien in umfangreichen Datenbeständen. Bei Internet-basierten Plattformen können beispielsweise Protokolle der Web-Server (Logfiles) mittels Data-Mining dahingehend untersucht werden, welche Webseiten häufig auf-gerufen werden und wie auf den Webseiten navigiert wird.22Die hierdurch gewonnenen Informationen ermöglichen Prognoseverfahren zu Bedarfen und Marktentwicklungen, einen besseren Produkt- und Dienstleistungsservice oder zielgenauere Werbemaßnahmen. Neue Produkte lassen sich einfacher auf die Bedürfnisse der Nutzer ausrichten, detaillierte Nachfrageschätzungen erleichtern die Preisgestaltung und vertiefte Kenntnisse über Kunden helfen Unternehmen dabei, Ausfallrisiken zu minimieren. In der Folge können bedeutende Effizienz- und Transaktionskostenvorteile entstehen.

Entsprechend der Nutzung der Daten, die während des Betriebes von Telekommunikationsnetzen anfallen, wird deutlich, dass auch die Anwendung von Big Data-Methoden Vorteile schaffen und Optimierungspoten-ziale hervorbringen kann. Schon heute wird für Netzplanung und -betrieb auf Daten aus zahlreichen Quellen zurückgegriffen und dadurch die internen Unternehmensprozesse optimiert. Durch Analyse des Datenver-kehrsaufkommens kann erkannt werden, welche Dienste und Anwendungen besonders viel Interesse auf sich ziehen. Die Inhalte dieser Anwendungen könnten daraufhin im eigenen Netz zwischengespeichert werden, um somit zum einen die Infrastruktur weniger zu belasten, zum anderen um die Kundenzufriedenheit durch schnellere Erreichbarkeit dieser Inhalte zu erhöhen. Des Weiteren kann dieses Wissen auch anderen zur Ver-fügung gestellt werden – beispielsweise in Form von Beratungstätigkeiten zur Netzoptimierung. Daneben können diese Erkenntnisse über populäre Anwendungen dafür genutzt werden, eigene Dienste zu optimieren und ähnliche Funktionen zu implementieren.

Die Analyse von großen Datenmengen kann auch sektorübergreifendgenutzt werden, indem beispielsweise Mobilfunkdaten zur Verbesserung der Verkehrsplanung, Stauwarnungen oder zur Verringerung von CO2-oder Feinstaub-Emissionen eingesetzt werden. Standortdaten könnten darüber hinaus für ortsbezogene Aktionen, beispielsweise in Zusammenhang mit Heimvernetzung, Unterhaltungsmedien, Augmented Reality oder mit standortbezogenen Produktangeboten verwendet werden. Hierdurch können sich neue Koopera-tionen und unternehmensstrategische Entscheidungen ergeben.

Grundsätzlich können alle Marktakteure derartige Big Data-Methoden einsetzen. Eine ökonomische Mono-polstellung im Bereich der Big-Data-Anwendungen aufgrund eines exklusiven Datenbesitzes durch munikationsdiensteanbieter lässt sich insgesamt bisher nicht ableiten. Zwar besitzen die einzelnen Telekom-munikationsdiensteanbieter im Rahmen der gesetzlich normierten Grenzen ein exklusives Datennutzungs-recht bei Daten ihrer Kunden, allerdings können auch andere Unternehmen ähnliche Daten erfassen. Daten besitzen die ökonomische Eigenschaft der Nicht-Rivalität im Konsumund nutzen sich auch bei mehr-maliger Verwendung nicht ab, weshalb auch mehrere Unternehmen gleichzeitig die gleichen Daten erheben und verarbeiten können.23Die Daten, die ein Netzbetreiber erheben kann, können in der Regel auch von anderen Unternehmen gesammelt werden – im Gegensatz zu Telekommunikationsdiensteanbietern jedoch nicht so zentral und umfassend. So können die Standortdaten und Bewegungsprofile der Nutzer auch über die End-geräte direkt erfasst und von OTT-Diensten und Anwendungen genutzt werden, ohne dass

Telekom-22 Vgl. Clement/Schreiber(2016).

23 Vgl. Schepp/Wambach(2016).

munikationsdiensteanbieter involviert sein müssen. Dies setzt allerdings in der Regel eine explizite Ein-willigung des Nutzers zur Datenerfassung voraus. Hier müssen im Rahmen von Big Data-Analysen personen-bezogene Daten in Deutschland gesondert behandelt werden, weil sie insbesondere von der (widerrufbaren) Einwilligung in die Nutzung betroffen sind. So muss sichergestellt sein, dass personenbezogene Daten bei Widerspruch umgehend aus einem Datensatz und allen weiteren Speicherstellen entfernt werden können.

Außerdem müssen Informationspflichten gegenüber dem Betroffenen bei der Weitergabe von personen-bezogenen Daten beispielsweise aus einer herkömmlichen Anwendung in eine Big-Data-Anwendung berücksichtigt werden.

Verkehrsanalysen zur Netzoptimierung kann jeder Diensteanbieter durchführen. Auch hier besitzt der Tele-kommunikationsdiensteanbieter nicht die alleinige Hoheit über diese Daten – er hat nur einen umfas-senderen Blick über alle Diensteanbieter. Die inhaltliche Auswertung von Verbindungsdaten in Form von Verkehrsdaten erlaubt theoretisch einen tiefen Einblick in das individuelle Nutzerverhalten und die Kontakte des Nutzers. Allerdings dürfen klassische Telekommunikationsdiensteanbieter diese Metadaten – wie bereits dargestellt wurde – durch die Datenschutzbestimmungen des TKG nicht inhaltlich analysieren und ver-werten.

Insgesamt ist es für viele Big-Data Anwendungen und Geschäftsmodelle nicht zwingend notwendig, den-selben Datenbestand eines Telekommunikationsdiensteanbieters zu besitzen oder Zugriff zu diesem zu erhalten.24Vielmehr können Wettbewerber eigene Methoden entwickeln, um die jeweils auf ihr Geschäfts-modell zugeschnittenen relevanten Datenzu sammeln und zusammenzuführen, um ein wettbewerbsfähiges Produkt zu entwickeln.