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Der praktische Liberalisierungsprozess des deutschen Postmarktes begann mit der 1989 verabschiedeten Post-reform I und wurde sukzessive mit den PostPost-reformen II (1994) und III (1997) fortgesetzt. Im Rahmen dieser Neustrukturierung erfolgten die organisatorische Aufteilung der Deutschen Bundespost, die formale Privati-sierung der in bundeseigener Verwaltung geführten Unternehmensbereiche sowie die (zunächst) teilweise Öffnung des Briefmarktes für Wettbewerber. Darüber hinaus wurden sektorspezifische Aufgaben, in den Bereichen Marktzugangs-, Entgelt- sowie Qualitätsregulierung, auf die Regulierungsbehörde für Telekom-munikation und Post (RegTP) bzw. die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, TelekomTelekom-munikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA) übertragen. Mit dem Ziel der Vollendung des europäischen Binnenmarktes für Post-dienste (Richtlinie 2008/6/EG) folgte im Jahr 2008 schließlich die vollständige Öffnung des Briefmarktes für Wettbewerber.

Zweck des Postgesetzes (PostG) ist es, durch Regulierung den Wettbewerb zu fördernund flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten. Der Zugang zum deutschen Briefmarkt wird dabei durch einen Lizenzvorbehalt kontrolliert. Gleichwohl ist keine Begrenzung der verfügbaren Lizenzen vorgesehen, sofern potenzielle Lizenznehmer ihre Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Fach-kunde nachweisen können. Damit teilen sich die Märkte für Postdienstleistungen in einen lizenzpflichtigen und in einen nicht-lizenzpflichtigen Bereich auf, womit unterschiedliche regulatorische Anforderungen für die jeweiligen Marktteilnehmer gelten.

Als lizenzpflichtige Postdienstleistungendefiniert das PostG die gewerbsmäßige Beförderung von Briefen mit nicht mehr als 1.000 Gramm. Im Rahmen des Post-Universaldienstes (Abschnitt 3 PostG) bestehen u. a.

gesonderte Anforderungen an die Beförderung von Briefdienstleistungen. Des Weiteren unterliegen die Ent-gelte für lizenzpflichtige Briefdienstleistungen, die durch ein im relevanten Markt marktbeherrschendes Unternehmen erbracht werden, einer ex-ante Price-Cap Regulierung (Abschnitt 5 PostG).34

Derzeit grenzt die Bundesnetzagentur in Abstimmung mit dem Bundeskartellamt (BKartA) zwei Märkte im lizenzpflichtigen Postsektor voneinander ab: Den Markt für die physische Beförderung von Standard-Brief-dienstleistungen bis 1.000 Gramm von Geschäftskunden (B2X) und den Markt für Standard-Briefdienst-leistungen bis 1.000 Gramm von Privatkunden (C2X).

3.2 Marktstruktur und Marktentwicklung

Der lizenzpflichtige Briefmarktist durch eine Vielzahl von klein- und mittelständischen Briefdienstleistern gekennzeichnet, die überwiegend eigene, regionale Zustellnetze betreiben. Über den Zusammenschluss in Verbundstrukturen erfolgt teilweise auch der Aufbau eigener überregionaler Zustellnetze. Als ehemaliger Monopolist ist die Deutsche Post DHL Group (DP DHL) weiterhin der einzige Anbieter im deutschen Post-markt, der über ein bundesweit flächendeckendes Zustellnetz für Briefe (und weitere Postdienstleistungen;

Möglichkeiten der Verbundzustellung) verfügt. Dieses wird in Kooperation mit zahlreichen Subunternehmern betrieben.

34 Die spezifischen Regelungen für die deutschen Postmärkte finden sich im PostG und darüber hinaus in folgenden Verordnungen:

PUDLV, PDLV, PDSV, PEntgV, PLGebV.

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Das PostG verpflichtet Lizenznehmer, die auf einem Markt für lizenzpflichtige Postdienstleistungen markt-beherrschend sind, Teile ihrer Beförderungsleistung auch anderen Marktanbietern gesondert (gegen Entgelt) zugänglich zu machen (§ 28 PostG). Demzufolge sind Wettbewerber der marktbeherrschenden DP DHL im Rahmen der Teilleistungsregelungebenfalls in der Lage, flächendeckend Zustellungen im deutschen Markt anzubieten.

Im Jahr 2015 wurden in etwa 15,8 Mrd. Briefsendungen35befördert und ein Umsatz von ca. 8,9 Mrd. Euro er-zielt. Hiervon entfielen etwa 85 Prozent auf die DP DHL. Demzufolge ist die Deutsche Post-Gruppe das markt-beherrschende Unternehmen im lizenzpflichtigen deutschen Briefmarkt. Außerdem ist zu beobachten, dass die Anzahl der im Markt aktiven Wettbewerber abnimmt, wobei überwiegend kleine Unternehmen aus dem Markt ausscheiden. Dabei verändern sich die Marktanteile jedoch nur geringfügig. Gleichzeitig ist die Zahl neu erteilter Lizenzen rückläufig. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend in den kommenden Jahren fort-setzt. Denn aufgrund der zu erwartenden rückläufigen Sendungsmengen und der daraus resultierenden sinkenden Netzauslastung, scheint der Aufbau und Unterhalt von alternativen flächendeckenden Zustell-netzen nur schwer zu realisieren. Vermutlich wird hierdurch auch die Marktkonzentration weiter zunehmen.36

Obwohl sich die Art der Kommunikation in Gesellschaft und Wirtschaft derzeit grundlegend verändert, wird weiterhin (zumindest mittelfristig), insbesondere im internationalen Vergleich, ein hohes Volumen

physischer Briefposterwartet, wenngleich bereits heute ein kontinuierlicher Abwärtstrend erkennbar ist.

Der nicht-lizenzpflichtige Postsektorumfasst generell alle Sendungen, die nicht als lizenzpflichtige Post-dienstleistungen klassifiziert sind. Hierzu zählen die Beförderung von adressierten Zeitungen und Zeit-schriften37sowie die gewerbliche Beförderung von Kurier-, Express- und Paketsendungen.38Die Entgelte für nicht-lizenzpflichtige Postdienstleistungen, die durch ein im relevanten Markt marktbeherrschendes Unter-nehmen erbracht werden, unterliegen der nachträglichen Entgeltüberprüfung nach § 25 PostG oder gegebe-nenfalls der besonderen Missbrauchsaufsicht nach § 32 PostG.

Mit einem Gesamtumsatzvon 20,3 Mrd. Euro im Jahr 2015 ist das Kurier-, Express- und Paketgeschäft (KEP) der umsatzstärkste Bereichdes gesamten deutschen Postsektors. Im Jahr 2015 entfielen Umsätze von 9,7 Mrd.

Euro auf den Paketmarkt (48 Prozent), 6,7 Mrd. Euro auf den Expressmarkt (33 Prozent) und 3,9 Mrd. Euro auf den Kuriermarkt (19 Prozent). Die größten jährlichen Zugewinne, von bis zu 7,7 Prozent, konnte dabei der Paketbereich erwirtschaften. Bei den Sendungsmengen dominierten im Jahr 2015 maßgeblich die Paket-märkte mit insgesamt 2,3 Mrd. Sendungen. In den Bereichen Express- und Kurierdienstleistungen wurden 0,22 Mrd. bzw. 0,28 Mrd. Sendungen abgewickelt. Bis 2017 wird weiterhin ein stetiges Wachstum im Bereich der KEP-Märkte erwartet.39

35 Die Sendungsmenge liegt damit unter dem Niveau des Jahres 2000. Zwischenzeitlich wurde ein Peak im Jahr 2008, mit etwa 17,4 Mrd.

Sendungen, erreicht.

36 Vgl. Bundesnetzagentur(2015b).

37 Der Gesamtumsatz im Bereich adressierter Zeitungen und Zeitschriften lag im Jahr 2014 bei 830 Mio. Euro.

38 Zu den KEP-Sendungen wird auch die Beförderung von nicht-lizenzpflichtigen Postsendungen mit einem Gewicht über 1.000 Gramm (u. a. Briefe, Kataloge, Bücher und Broschüren) gefasst.

39 Vgl. MRU/IAL(2015).

Im Allgemeinen sind die KEP-Märkte durch eine heterogene Strukturgeprägt. Weder KEP-Dienste, noch deren spezifisches Angebot an Dienstleistungen sind dabei aus rechtlicher Sicht eindeutig bestimmt, sodass eine allgemeingültige Definition bislang nicht existiert. Daher wird bei der Marktsegmentierung üblicher-weise auf das Verkehrsverständnis dieser Begriffe zurückgegriffen:40

Kurierdienstezeichnen sich vor allem durch Flexibilität, Schnelligkeit und Individualität aus. Sen-dungen werden einzeln befördert und permanent persönlich begleitet, wodurch ein Zugriff auf die Sendungen auch während des Transportvorgangs möglich ist. Mithilfe elektronischer Kommunika-tionsmittel besteht die Möglichkeit, Sendungen entlang der gesamten Transportkette zu orten und (kurzfristige) Änderungen der Transport- oder Zustellwege, auch durch den Kunden selbst, zu ver-anlassen.41Kurierdienste transportieren häufig Sendungen mit geringem Gewicht und Volumen.

Allerdings werden zunehmend auch gewichtsunabhängige Transporte durchgeführt. Die Abwicklung erfolgt für gewöhnlich noch am selben Tag, wobei der Zustellzeitpunkt vorab vereinbart wird. Kurier-dienste führen die Zustellung in der Regel per Direktfahrt aus (Direktverkehrsnetze). Das bedeutet, dass keine flächendeckenden Hub & Spoke-Netze genutzt werden, wie beispielsweise in der Express-oder Paketzustellung. Kurierdienstleister operieren häufig regional als Einzelunternehmer Express-oder über Vermittlungszentralen, die Aufträge an angeschlossene Einzelunternehmer weitergeben.

Expressdienstegarantierten eine feste Beförderungslaufzeit. Das Spektrum der angebotenen Dienst-leistungen reicht von Overnight-Sendungen bis zur klassischen Speditionslieferung. Im Gegensatz zu Kurierdiensten erfolgt der Transport nicht direkt oder persönlich. Zustellzeiten sind in der Regel nicht individuell vereinbar, allerdings wird ein Zustelltermin vorab verbindlich festgelegt. Die Preise für Expresssendungen orientieren sich für gewöhnlich an der Transportentfernung und am Sen-dungsgewicht (für gewöhnlich ohne Gewichtsbeschränkung). Die Beförderung erfolgt charakteris-tisch über Umschlagzentren und innerhalb eigenständiger, mitunter globaler Transportnetze. Im Expressgeschäft sind insbesondere international agierende Marktteilnehmer von Bedeutung wie z. B.

DHL, FedEx und UPS. Daneben gibt es eine größere Anzahl national agierender Dienstleister, die mit-einander kooperieren, um flächendeckende Services anbieten zu können.

Paketdienstesind durch einen sehr hohen Grad an Standardisierung und Automatisierung geprägt.

Für den Transport werden Standardpakete (Unterscheidung nach Größe und Gewicht) genutzt, die auf ein Maximalgewicht von 31,5 Kilogramm, mitunter auch 70 Kilogramm, beschränkt sind. Die Beförderungslaufzeiten für innerdeutsche Sendungen betragen im Regelfall, abhängig von der ge-wählten Transportroute und Entfernung, ein bis drei Tage. Eine Zustellgarantie innerhalb dieses Zeit-fensters gibt es von Seiten der Paketdienste für gewöhnlich nicht. Ebenso werden keine festen oder individuellen Zustelltermine vereinbart.42In Deutschland sind hauptsächlich fünf Unternehmen

40 Vgl. hierzu u. a. WIK-Consult(2014), Bundesnetzagentur(2015b), Monopolkommission(2015) oder MRU/IAL(2015).

41 Die Möglichkeiten der elektronischen Lieferverfolgung (Track & Trace) übertragen sich zunehmend auch auf das Express- und Paketsegment.

42 Seit Juli 2016 bietet beispielsweise DHL eine deutschlandweite Paketzustellung am Abend an. Kunden haben die Möglichkeit, sofern der jeweilige Händler dieses Verfahren unterstützt, ein zweistündiges Zustellfenster zwischen 18 und 21 Uhr anzugeben (teltarif.de, 4.7.2016). Dieses Konzept bietet einerseits mehr Komfort und Flexibilität für zeitsensible Kunden und erhöht die Wahrscheinlichkeit der Zustellung im ersten Versuch, allerdings werden auf diese Weise auch die Kostenvorteile bei der Abwicklung von Standardpaketen aufgeweicht.

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(DHL, DPD, Hermes, GLS und UPS) mit eigenen flächendeckenden Netzen tätig. Diese kooperieren in vielen Fällen mit Subunternehmern, die Teilleistungen innerhalb der Transportkette übernehmen.

Auf der Dienste-Ebene ist bisweilen eine Abgrenzung nach Sendungsströmensinnvoll, um eine geeignete Marktabgrenzung vornehmen zu können. Geschäfts- (Business) und Privatkunden (Consumer) können in KEP-Märkten als Versender oder als Empfänger auftreten. In Abhängigkeit der konkreten Anforderungen an die Sendung wählt der Versender entweder einen Kurier-, Express- oder Paketdienst für den Zustellprozess.

Grundsätzlich kann in Abhängigkeit vom Versender zwischen den Marktsegmenten Geschäftskunden (Business-to-X) und Privatkunden(Consumer-to-X) unterschieden werden:43

Business-to-X(B2X): Versender und Empfänger sind jeweils Geschäftskunden (B2B). Dazu zählen Privatunternehmen und Behörden. Das Kerngeschäft im B2B-Bereich ist der Versand von Inves-titions- und Vorleistungsgütern.44Versender sind Geschäftskunden (z. B. Online-Händler), Empfänger sind Privatkunden (B2C). Hauptsächlich werden im B2C-Geschäft Ver- und Gebrauchsgüter beför-dert. In den vergangenen Jahren führte hier vor allem das Wachstum im Bereich E-Commerce zu steigenden Sendungsmengen (2014: Anteil B2X-Sendungsmengen im KEP-Markt bei 94 Prozent).

Consumer-to-X(C2X): Versender sind Privatkunden, Empfänger sind Geschäftskunden (C2B) oder ebenfalls Privatkunden (C2C). Bei C2B-Sendungen handelt es sich überwiegend um Retoursen-dungen, beispielsweise an Online-Händler. Als C2C-Sendungen erfolgt beispielsweise der Transport von Ver- und Gebrauchsgütern, die über Handelsplattformen ersteigert werden (2014: Anteil C2X-Sendungsmengen im KEP-Markt bei 6 Prozent).

KEP-Dienste sind ursprünglich aus dem klassischen Stückgutgeschäft der Logistikbranche hervorgegangen.

Im Rahmen dieser Entwicklung haben KEP-Dienstleister ein Marktsegment etabliert, das sich auf den Anteil der Güter konzentriert, der sich standardisiertund damit kostengünstigin Form von Paketsendungen ab-wickeln lässt. Dem Paketmarkt werden in der Regel gewichtsbeschränkte Kleingutsendungen zugerechnet, womit sich Paket-Dienstleister durch ihr kostengünstiges Preismodell, kurze Laufzeiten und das relativ geringe transportierte Gewicht deutlich von der Stückgut-Logistik (bis zwei Tonnen) abgrenzen.45

Die Marktanteile im Paketmarktkonzentrieren sich überwiegend auf wenige große Dienstleister, die eigene flächendeckende Zustellnetze betreiben. Der deutsche Kuriermarktist hingegen wettbewerblich geprägt und kennzeichnet sich durch eine hohe Anbietervielfalt. Insgesamt gilt für den gesamten Postsektor, dass die DP DHL über eine herausgehobene Marktstellung verfügt, die sie insbesondere über die Möglichkeiten bei der Verbundzustellung festigen und teilweise sogar ausbauen kann.46

43 Vgl. MRU/IAL (2015), WIK-Consult (2014) und BIEK (2016). Sofern eine differenzierte Zuordnung möglich ist, können dem Verkehrsverständnis nach auch weitere Segmente unterschieden werden.

44 Vgl. MRU/IAL(2015).

45 Vgl. Vahrenkamp/Kotzab(2012).

46 Vgl. WIK-Consult(2014), Monopolkommission(2015a) und Haucap/Kehder(2016).

Die Anforderungen und Erwartungen an den Postsektor verändern sich durch den fortschreitenden digitalen Wandel grundlegend. In der Folge entwickeln sich die angebotenen Produkte zunehmend weg von den Standardleistungenhin zu aufwendigen, individualisierten und damit stärker serviceorientierten Ange-boten. In der KEP-Branche führt dies auch zu einer Anpassung der Prozess- und Kostenstrukturen, die folg-lich nicht mehr unmittelbar auf das „alte Marktschema“ übertragbar sind.47