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II. Methodischer Teil

7. Politische Partizipation und politische Einstellungen

7.5. Wertorientierungen

Geschehen zu übernehmen, ist an Politik interessiert.253 Nichtwähler interes-sieren sich häufig nicht für Politik und haben kaum politisches Selbstbewusst-sein. Wie auch bezüglich ihres Partizipationsverhaltens nehmen Personen, die angeben ungültig zu wählen, eine mittlere Position zwischen Nichtwählern und Wählern ein: Sie interessieren sich häufiger für politische Fragen und halten sich häufiger für kompetent als Nichtwähler – ihr politisches Interesse und ihre politische Kompetenz sind aber nicht so hoch ausgeprägt wie bei den Wählern.

Hieraus ergibt sich ein weiterer Anhaltspunkt für die zu Beginn dieses Kapitels aufgestellte Hypothese, bei den ungültig Wählenden handele es sich im Unter-schied zu den bekennenden Nichtwählern nicht um apathische, ausgestiegene Bürger, sondern möglicherweise um das Klingemannsche demokratische Kor-rektiv.

eingeführt, so dass Selbstentfaltung und Engagement zwei getrennte Dimensi-onen bilden. Mehrfach konnte empirisch bestätigt werden (Klages, Herbert, Kleinhenz), dass vor allem die hedonistischen Materialisten zur Wahlenthal-tung neigen. Im Gegensatz hierzu ist vor allem bei den Konventionalisten die Orientierung an Pflichtwerten nach wie vor stark, so dass Personen dieses Typs sich am ehesten an Wahlen beteiligen.

Im Folgenden gilt es zu prüfen, welche Wertorientierungen Wähler, ungültig Wählende und Nichtwähler aufweisen, ob und wenn ja worin sie sich unter-scheiden und inwiefern bisherige Forschungsergebnisse zum Zusammenhang zwischen bestimmten Wertorientierungen und dem Wahlverhalten mit der vorliegenden Studie bestätigt werden können. Die vier verschiedenen Werte-typen Konventionalismus, hedonistischer Materialismus, Selbstentfaltung und Engagement werden separat auf ihre Befürwortung unter den Wählern, ungül-tig Wählenden und Nichtwählern hin geprüft.

Konventionalistische Wertorientierungen haben Befragte, die auf die Frage, was ihnen wichtig sei im Leben254 die Aspekte „fleißig und ehrgeizig sein“,

„nach Sicherheit streben“ und „Gesetz und Ordnung respektieren“ genannt ha-ben.

254 Der Frageformulierung lautete: „Jeder Mensch hat ja bestimmte Vorstellungen, die sein Leben und Verhalten bestimmen. Wenn Sie einmal daran denken, was Sie in Ihrem Leben eigentlich anstreben: Wie wichtig sind Ihnen die folgenden Dinge?“. Zu den insgesamt 15 Items konnte angegeben werden: „Ist mir....außerordentlich wichtig (1), eher wichtig (2), teils/ teils (3), eher unwichtig (4), unwichtig (5)“. Für die Auswertung wurden alle Items umgepolt, so dass der niedrige Wert der Aussage „unwichtig“ entspricht und vice versa.

Tabelle: Konventionalistische Werte

„Jeder Mensch hat ja bestimmte Vorstellungen, die sein Le-ben und Verhalten bestimmen. Wenn Sie einmal daran den-ken, was Sie in Ihrem Leben eigentlich anstreben: Wie

wich-tig sind Ihnen die folgenden Dinge?“

„fleißig und ehrgeizig sein“, „nach Sicherheit streben“, „Ge-setz und Ordnung respektieren“

Angaben in Prozent

(Fallzahl) unwichtig teils/teils wichtig

gesamt 0,9

(6)

22,3 (152)

76,8 (524)

Wähler 0,7

(3)

23,6 (96)

75,6 (307)

Nichtwähler 1,9

(2)

19,8 (21)

78,3 (83) ungültig Wählende 1,2

(1)

20,0 (17)

78,8 (67)

Signifikante Unterschiede zwischen Wählern, Nichtwählern und ungültig Wählenden sind nicht festzustellen. Ein großer Teil der Befragten weist kon-ventionalistische Wertorientierungen auf, diese sind somit nicht als diskrimi-nierendes Kriterium zwischen den einzelnen Wahlverhaltenstypen geeignet.

Im Gegensatz dazu können deutliche Unterschiede zwischen den Befragten in ihrer Zustimmung zu hedonistisch-materialistischen Werten konstatiert werden, wobei diese insgesamt als weniger wichtig als konventionalistische Werte eingeschätzt werden.

Tabelle: Hedonistisch-materialistische Werte

„Jeder Mensch hat ja bestimmte Vorstellungen, die sein Leben und Verhalten bestimmen. Wenn Sie einmal daran denken, was Sie in Ihrem Leben eigentlich anstreben: Wie wichtig sind Ihnen

die folgenden Dinge?“

„einen hohen Lebensstandard haben“, „Macht und Einfluss ha-ben“, „sich und seine Bedürfnisse gegen andere durchsetzen“,

„die guten Dinge des Lebens in vollen Zügen genießen“

Angaben in Prozent

(Fallzahl) unwichtig teils/teils wichtig

gesamt 14,6

(97)

66,3 (441)

19,1 (127)

Wähler 13,1

(52)

69,2 (274)

17,7 (70)

Nichtwähler 10,7

(11)

60,2 (62)

29,1 (30) ungültig Wählende 28,6

(24)

51,2 (43)

20,2 (17)

Zu den hedonistisch-materialistischen Werten zählen die Angaben „einen hohen Lebensstandard haben“, „Macht und Einfluss haben“, „sich und seine Bedürfnisse gegen andere durchsetzen“ und „die guten Dinge des Lebens in vollen Zügen genießen“. Wähler, Nichtwähler und ungültig Wählende unter-scheiden sich signifikant in ihrer Zustimmung zu hedonistisch-materialistischen Werten: Während Nichtwähler diese für wesentlich wichti-ger erachten als Wähler und ungültig Wählende (unter den Nichtwähler halten 29,1% diese für wichtig, Wähler 17,7%, ungültig Wählende 20,2%) empfinden ungültig Wählende hedonistisch-materialistische Werte als deutlich unwichti-ger als Wähler und Nichtwähler (unter den ungültig Wählenden erachten 28,6% diese für unwichtig, Wähler 13,1%, Nichtwähler 10,7%).255 Wie bereits bei den politischen Einstellungen erweist sich die Differenzierung zwischen Nichtwählern und ungültig Wählenden als sinnvoll und notwendig. Bezogen auf die in der Literatur beschriebenen Wertetypen sind die ungültig Wählen-den nicht Wählen-den Wertetypen der Resignierten bzw. Apathischen, sondern viel-mehr den Typen Idealisten zuzurechnen. Nichtwähler hingegen zeigen sich vor allem an einem „guten Leben“ und sich selbst interessiert. Die Analyse kann so

255 Chi2 = 21.821; df = 4; p = .000; Cramers V=.137.

interpretiert werden, dass Nichtwähler die Egoisten, ungültig Wählende die Idealisten unter den Stimmverweigerern bei Wahlen sind. Wenn auch im Er-gebnis die abgegebene Stimme „zählt“, scheint die zugrunde liegende Motivati-on äußerst unterschiedlich: Nichtwähler steigen zumindest hinsichtlich der Stimmabgabe aus dem politischen Willensbildungsprozess aus, ungültig Wäh-lende verfolgen möglicherweise das Ziel, ihrem Unmut in Form des Protests via ungültigem Stimmzettel Ausdruck zu verleihen.

Hedonistische Materialisten legen vor allem Wert auf ein angenehmes, mate-riell gut ausgestattetes Leben. Personen, denen Selbstentfaltungswerte wichtig sind, haben vor allem die Verwirklichung ihrer eigenen Interessen und Persön-lichkeit zum Ziel („seine eigene Fantasie und Kreativität entwickeln“, „etwas im Beruf erreichen“, „sich selbst verwirklichen“). Erstaunlicherweise sind – im Gegensatz zur differenten Zustimmung zur Hedonismus-Materialismus Dimen-sion – nahezu allen Befragten Selbstentfaltungswerte teilweise bis sehr wichtig (96,3%).

Tabelle: Selbstentfaltungswerte

„Jeder Mensch hat ja bestimmte Vorstellungen, die sein Leben und Verhalten bestimmen. Wenn Sie einmal daran denken, was Sie in

Ihrem Leben eigentlich anstreben: Wie wichtig sind Ihnen die fol-genden Dinge?“

„seine eigene Fantasie und Kreativität entwickeln“, „etwas im Beruf erreichen“, „sich selbst verwirklichen“

Angaben in Prozent

(Fallzahl) unwichtig teils/teils wichtig

gesamt 3,7

(25)

25,4 (171)

70,9 (478)

Wähler 3,5

14)

27,7 (111)

68,8 (276)

Nichtwähler 3,8

(4)

23,6 (25)

72,6 (77) ungültig Wählende 4,7

(4)

22,1 (19)

73,3 (63)

Die insgesamt hohe Zustimmung zu Selbstentfaltungswerten unter den Be-fragten deutet bereits darauf hin, dass auch zwischen Wählern, Nichtwähler und ungültig Wählenden kaum Unterschiede bestehen. Nichtwähler und ungül-tig Wählende halten die persönliche Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung

für etwas wichtiger in ihrem Leben als Wähler, wobei die Differenz tatsächlich minimal ist.

Eine relevante Dimension für die Analyse politischer Partizipation ist die Einstellung zum Engagement. Die Frage wie wichtig dem Einzelnen Engage-ment in seinem Leben ist („sozial Benachteiligten und gesellschaftlichen Rand-gruppen helfen“, „auch solche Meinungen tolerieren, denen man eigentlich nicht zustimmen kann“, „sich politisch engagieren“, „sich für den Umweltschutz einsetzen“), könnte ein zentraler Indikator zur Differenzierung zwischen enga-giert Aktiven, Idealisten und resignierten Apathikern sein.

Tabelle: Engagement Werte

„Jeder Mensch hat ja bestimmte Vorstellungen, die sein Leben und Verhalten bestimmen. Wenn Sie einmal daran denken, was Sie in Ihrem Leben eigentlich anstreben: Wie wichtig sind

Ihnen die folgenden Dinge?“

„sozial Benachteiligten und gesellschaftlichen Randgruppen helfen“, „auch solche Meinungen tolerieren, denen man

eigent-lich nicht zustimmen kann“, „sich politisch engagieren“, „sich für den Umweltschutz einsetzen“

Angaben in Prozent

(Fallzahl) unwichtig teils/teils wichtig

gesamt 4,1

(28)

63,2 (429)

32,7 (222)

Wähler 3,7

(15)

57,5 (233)

38,8 (157)

Nichtwähler 6,7

(7)

74,0 (77)

19,2 (20) ungültig Wählende 3,5

(3)

74,4 (64)

22,1 (19)

Wie zu erwarten ist den Wählern unter den Befragten gesellschaftliches und politisches Engagement wichtiger als den Nichtwählern und auch denjenigen, die angeben ungültig zu wählen.256 Drei Viertel der Nichtwähler und ungültig Wählenden sind Engagement-Werte nur teilweise wichtig; dagegen ist es mehr als einem Drittel der Wähler wichtig, sich in ihrem Leben in der einen oder an-deren Form zu engagieren. Der Hypothese folgend, es handele sich bei den

256Chi2 = 20.829; df = 4; p = .000; Cramers V=.132.

gültig Wählenden um Idealisten, überrascht der relativ geringe Anteil derer, die Wert auf Engagement legen.

Sowohl Konventionalismus als auch Selbstentfaltung sind Werte, die von den meisten Befragten als erstrebenswert angesehen werden. Unterschiede zwi-schen Wählern, Nichtwählern und ungültig Wählenden sind dementsprechend bei diesen Wertorientierungen minimal.

Tabelle: Wertedimensionen und Wahlverhalten (in Prozent) alle HedoMat Engagierte

Konventio-nalisten

Selbstent-falter

Wähler 68,0 - 8,2 + 12,2 - 0,8 - 1,7

Nichtwähler 17,8 + 7,8 - 8,1 + 0,4 + 0,7

ungültig

Wählen-de 14,2 + 0,3 -4,0 + 0,5 + 0,9

p .000 .000 .719 .784

Cramers V .137 .132 .042 .038

Chi2 21,821 20,829 2,092 1,738

df 4 4 4 4

Die Typen wurden auf der Basis der Antworten zu den in den vorangegangenen Tabellen genann-ten Items gebildet.

Lesehilfe: 68,0% der Befragten gaben an zu wählen. Unter den hedonistischen Materialisten sind es 8,2% weniger, also 59,8%. Bei den Engagierten liegt dagegen der Anteil über dem Durch-schnitt, d.h. bei insgesamt 80,1%. Der Anteil an Wählern ist dementsprechend bei den HedoMats unterdurchschnittlich, bei den Engagierten überdurchschnittlich.

Wie bereits oben zeigt auch diese Übersicht, dass bei den Wertetypen Kon-ventionalist und Selbstentfalter nur geringfügige Unterschiede hinsichtlich ih-rer Wahlabsicht – wählen, nichtwählen, ungültig wählen – bestehen. Konventi-onalisten sind in keiner der drei Gruppen Wähler, Nichtwähler, ungültig Wäh-lende über- oder unterrepräsentiert. Befragte, die besonderen Wert auf Selbst-entfaltung legen, sind unter den Wählern mit 1,7% leicht unterrepräsentiert.

Auffällig dagegen die Differenzen bei hedonistischen Materialisten und Enga-gierten: Hedonistische Materialisten sind überdurchschnittlich häufig im Lager der Nichtwähler (+ 7,8%) und eher selten im Lager der Wähler (-8,2%) zu

fin-den. Umgekehrt verhält es sich bei den Engagierten: Hier sind Wähler deutlich über- (+12,2%), Nichtwähler deutlich (-8,1%), ungültig Wählende etwas gerin-ger (-4,0%) unterrepräsentiert. Hinsichtlich der verschiedenen Wertedimensi-onen weisen Wähler ein hohes Maß an Engagement und geringe Orientierung an hedonistisch-materialistischen Werten, Nichtwähler im Gegensatz dazu ge-ringe Orientierung an Engagement und ein hohes Maß an hedonistisch-materialistischen Positionen auf. An Hedonismus und Materialismus orientier-te Befragorientier-te beorientier-teiligen sich häufig nicht an Wahlen, diejenigen für die Engage-ment ein zentraler Wert in ihrem Leben ist beteiligen sich dagegen häufig an Wahlen. Wie bereits bei den analysierten Aspekten der politischen Einstellun-gen sind die ungültig Wählenden auch hinsichtlich der vertretenen Werte nicht eindeutig den Wählern oder Nichtwählern zuzuordnen: Einzige Auffälligkeit ist die gegenüber dem Durchschnitt etwas geringer ausfallende Orientierung am Engagement.

7.6. Politische Partizipation und politische Einstellungen bei