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II. Methodischer Teil

7. Politische Partizipation und politische Einstellungen

7.6. Politische Partizipation und politische Einstellungen bei Wählern,

fin-den. Umgekehrt verhält es sich bei den Engagierten: Hier sind Wähler deutlich über- (+12,2%), Nichtwähler deutlich (-8,1%), ungültig Wählende etwas gerin-ger (-4,0%) unterrepräsentiert. Hinsichtlich der verschiedenen Wertedimensi-onen weisen Wähler ein hohes Maß an Engagement und geringe Orientierung an hedonistisch-materialistischen Werten, Nichtwähler im Gegensatz dazu ge-ringe Orientierung an Engagement und ein hohes Maß an hedonistisch-materialistischen Positionen auf. An Hedonismus und Materialismus orientier-te Befragorientier-te beorientier-teiligen sich häufig nicht an Wahlen, diejenigen für die Engage-ment ein zentraler Wert in ihrem Leben ist beteiligen sich dagegen häufig an Wahlen. Wie bereits bei den analysierten Aspekten der politischen Einstellun-gen sind die ungültig Wählenden auch hinsichtlich der vertretenen Werte nicht eindeutig den Wählern oder Nichtwählern zuzuordnen: Einzige Auffälligkeit ist die gegenüber dem Durchschnitt etwas geringer ausfallende Orientierung am Engagement.

7.6. Politische Partizipation und politische Einstellungen bei

Nichtwäh-ler zeichneten sich durch einen niedrigen sozio-ökonomischen Status aus, ha-ben die Analysen nicht bestätigt. So verschieden die politischen Einstellungen sind, Konventionalismus und Selbstentfaltung betreffende Wertorientierungen werden von Wählern, Nichtwählern und ungültig Wählenden als nahezu gleich relevant eingeschätzt.

Doch wer sind die Wähler, Nichtwähler und ungültig Wählenden? Wie parti-zipieren sie politisch, wie optimistisch bzw. pessimistisch schätzen sie subjek-tiv die wirtschaftliche Lage ein, wie stark ist ihr Interesse für Politik, halten sie sich für politisch kompetent, sind sie der Meinung politisch Einfluss ausüben zu können und an welchen Werten orientieren sie sich? Im Folgenden werden die einzelnen Gruppen vor allem unter Berücksichtigung der die Gruppen dis-kriminierenden Merkmale beschrieben.

Wähler – unkritische Mitläufer oder pflichtbewusste Bürger?

Wähler beteiligen sich auch an anderen Formen der politischen Willensbil-dung - bevorzugt an Unterschriftensammlungen, genehmigten Demonstratio-nen und als Leserbriefschreiber. Sie sind oft älter, viele sind über 65 Jahre alt.

Die wirtschaftliche Lage sehen sie optimistisch: Sowohl die eigene wirtschaftli-che Lage wie auch die eigene wirtschaftliwirtschaftli-che Situation wird positiv bewertet.

Auch in Zukunft wird sich nach Einschätzung der Wähler die eigene wirtschaft-liche Lage nicht wesentlich ändern. In der subjektiven Beurteilung der wirt-schaftlichen Lage unterscheiden sich Wähler, Nichtwähler und ungültig Wäh-lende deutlich voneinander, was vor dem Hintergrund der objektiv betrachtet ähnlichen wirtschaftlichen Lage (Berufsabschluss, Erwerbstätigkeit) über-rascht. Interessant ist an dieser Stelle der Zusammenhang zwischen der sub-jektiven Einschätzung der wirtschaftlichen Lage und der wahrgenommenen politischen Selbstwirksamkeit, also der Performance des politischen Systems in Abhängigkeit von den eigenen Vorstellungen und Wünschen: Je positiver die wirtschaftliche Lage beurteilt wird, desto höher ist die wahrgenommene politi-sche Selbstwirksamkeit.

Die eigene politische Kompetenz wie auch das Interesse für Politik und poli-tische Fragen wird von Wählern als hoch bewertet – sie sind politisch infor-miert und politisch selbstbewusst. Viele Wähler fühlen sich einer Partei ver-bunden, vor allem CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS haben Anhänger unter den Wählern. In das Bild vom politisch aktiven, pflichtbewussten, wäh-lenden Bürger passt, dass politisches und soziales Engagement als wichtige Werte erachtet werden. Hedonistische und materialistische Werte werden

da-gegen von vielen Wählern als weniger bzw. unwichtig beurteilt. Der Wähler - der idealistische, pflichtbewusste und politisch aktive Muster-Demokrat?

Nichtwähler – apathische Aussteiger?

Die meisten Nichtwähler nutzen keine alternativen Formen der politischen Partizipation, um sich außerhalb des Wahlvolks am politischen Willensbil-dungsprozess zu beteiligen. Wenn doch dann handelt es sich – wie auch bei den Wählern nur in geringerem Umfang – um die verhältnismäßig unauf-wendige und themenbezogene Beteiligung an Unterschriftensammlungen, ge-nehmigten Demonstrationen und als Leserbriefschreiber. Viele Nichtwähler haben keinen bzw. einen niedrigen Schulabschluss. Dies wirkt sich nicht auf einen gegenüber Wählern oder ungültig Wählenden besonders niedrigen sozi-o-ökonomischen Status aus. Dennoch schätzen Nichtwähler sowohl die allge-meine wirtschaftliche Lage wie auch die eigene wirtschaftliche Situation als schlecht ein. Für die Zukunft erwarten sie eine weitere Verschlechterung ihrer Lage. Zur pessimistischen Beurteilung der wirtschaftlichen Lage passt die als gering wahrgenommene politische Selbstwirksamkeit: Viele Nichtwähler sind der Meinung das politische System, die Politik, die Parteien und Politiker gin-gen nicht auf ihre Vorstellungin-gen und Wünsche ein. Das kann bedeuten, dass sich Nichtwähler aus dem politischen Prozess herausziehen, da ihrer Ansicht nach jegliche politische Aktivität ohne Wirkung bleibt. Wenn auch nicht zu klä-ren ist, welche Einstellung die andere bedingt, so fügt sich das geringe Interes-se für Politik und die von ihnen Interes-selbst als niedrig eingeschätzte politische Kompetenz in das Bild vom apathischen, politisch desinteressierten Nichtwäh-ler.

Nichtwähler fühlen sich Parteien kaum verbunden. Was ist Nichtwählern wichtig, welche Werte bestimmen Lebenswandel und -orientierungen? Auf po-litisches und soziales Engagement legen Nichtwähler, wie erwartet, wenig Wert. Wichtig sind ihnen besonders Hedonismus und Materialismus: ein hoher Lebensstandard, Macht und Einfluss, Durchsetzungsvermögen und Genuss. Of-fensichtlich die Dinge, die sie selbst in ihrem Leben als negativ und verbesse-rungswürdig erachten –zumindest wenn man an diesem Punkt die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage mitdenkt. Die Lage wird als schlecht wahrgenom-men, die Lebensziele beziehen sich auf eine gute eigene Situation. Der Nicht-wähler – der egoistische, apathische Politik-Aussteiger?

Ungültig Wählende – kritische Demokraten?

Die ungültig Wählenden in einer Gruppe zusammen zu fassen, gar eine Typo-logie der ungültig Wählenden zu entwerfen entspricht nicht der Realität der Personen, die angaben „keine Partei“ wählen zu wollen. Es handelt sich um ei-ne hinsichtlich Verhalten und Einstellungen äußerst heterogeei-ne Gruppe, deren möglicherweise einzig gemeinsames Merkmal die Absicht ist, bei einer Bundes-tagswahl am kommenden Sonntag „keine Partei“ zu wählen. Deutlich zeigt sich dies bei der Teilnahme an politischen Aktivitäten neben der Beteiligung an Wahlen: Die Partizipation ungültig Wählender an Unterschriftensammlungen und Bürgerinitiativen und auch die Initiative sich direkt mit den eigenen Wün-schen und Ideen an einen Abgeordneten zu wenden, ist relativ häufig. Die Be-reitschaft zu illegalem Protest und parteigebundener Beteiligung ist dagegen gering. Der sich in der ungültigen Wahl ausdrückende Unmut gegenüber der aktuellen politischen Performance findet keinen Ausdruck in illegalem Protest oder dem langfristigen Engagement beispielsweise über die Mitarbeit in einer Partei. Offensichtlich bevorzugen ungültig Wählende die themenbezogene, kurzfristig angelegte, zum Teil dennoch mit hohem Einsatz verbundene Betei-ligung am politischen Willensbildungsprozess.

Die meisten der ungültig Wählenden haben einen mittleren Schulabschluss, doch trotz höherem Schulabschluss wird die allgemeine wie auch die eigene wirtschaftliche Lage wie auch von den Nichtwählern als nicht gut bewertet. Die Aussichten auf die zukünftige wirtschaftliche Lage sind gemäß den ungültig Wählenden schlecht. Auch hier sind die Unterschiede in der Wahrnehmung der aktuellen wie auch der zukünftigen wirtschaftlichen Lage zwischen positiver Einschätzung unter den Wählern und negativer Einschätzung unter den Nicht-wählern und ungültig Wählenden vor dem Hintergrund der gleichen objekti-ven wirtschaftlichen Situation aller drei Gruppen bemerkenswert.

Sie fühlen sich keiner Partei verbunden und interessieren sich – wenn auch wenig mehr als Nichtwähler – kaum für Politik. Dennoch halten sich die ungül-tig Wählenden zumindest zum Teil für politisch hoch kompetent. Ungülungül-tig Wählende sind politisch selbstbewusst, sie sind der Meinung politische Fragen gut zu verstehen, wenn sie sich auch nicht sonderlich für Politik interessieren.

Eine mögliche Erklärung könnte die Geringschätzung von sozialem und politi-schem Engagement sein. Im Gegensatz zu den Nichtwählern werden jedoch auch hedonistisch-materialistische Werte nicht als besonders wichtig beurteilt.

Der ungültig Wählende – der kritische Demokrat?

Wähler, Nichtwähler und ungültig Wählende unterscheiden sich in ihrem po-litischen Verhalten, den popo-litischen Einstellungen und auch den beidem zu-grunde liegenden Wertorientierungen. Wähler sind meist älter, was auf eine größere Bedeutung von Pflichtwerten und damit zusammenhängend der Wahrnehmung von Wählen als Bürgerpflicht spricht. Wenn auch hinsichtlich der objektiven wirtschaftlichen Lage keine Unterschiede zwischen Wählern, Nichtwählern und ungültig Wählenden festzustellen sind, so bewerten Nicht-wähler und ungültig Wählende die allgemeine, die eigene aktuelle und zukünf-tige wirtschaftliche Situation deutlich negativer als Wähler. Hinsichtlich der Parteibindung und dem politischen Interesse nehmen Wähler und Nichtwähler die beiden Extrempositionen ein: Die Wähler parteigebunden und politisch interessiert, die Nichtwähler ungebunden und desinteressiert. Interessant sind die Einstellungen der ungültig Wählenden: Bei hohem politischem Interesse bestehen nur selten Bindungen an eine Partei. Ähnlich verhält es sich hinsicht-lich der Wertorientierungen: Wähler als die überzeugten Engagierten, Nicht-wähler als die hedonistischen Materialisten, ungültig Wählende weder noch.

Im Folgenden gilt es die beschriebenen Typen näher zu konturieren: Passt die soziale Einbindung zu den beschriebenen Typen Muster-Demokrat, Politik-Aussteiger und kritischer Demokrat? Verhält sich der Muster-Demokrat auch gesellschaftlich mustergültig? Steigen Politik-Aussteiger auch aus dem sozialen Leben aus? Engagiert sich der kritische Demokrat sozial?