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Weiterführende formale und funktionale Aspekte

Im Dokument 4.1 Selektion der Analysebereiche (Seite 194-200)

4.4.1 Nicht-Realisieren der Präposition

4.4.1.3 Weiterführende formale und funktionale Aspekte

4.4.1.3 Weiterführende formale und funktionale Aspekte

Die Auseinandersetzung mit den beobachteten Belegen in den Korpora JD und ED bringen einige Ergänzungen zur formalen und funktionalen Beschreibung, wie sie der bestehenden Fachliteratur zum Präpositionswegfall in Jugendkom-munikation zu entnehmen ist, mit sich. Zunächst soll noch einmal darauf hin-gewiesen werden, dass – im Gegensatz zu den Belegen aus dem Stuttgarter Datenkorpus (vgl. Auer 2013; Siegel 2014) – in den Osttiroler Gesprächen kein Preposition drop in Präpositionalphrasen mit Eigennamen belegt ist (z.B.: non tat i zum BOHlen giahn; (JD 15, Z. 57; Anm. ML: gemeint ist: Dieter Bohlen) - 'Dann täte ich zum Bohlen gehen.'). Dies gilt jedoch nicht für Objektnamen (und hier v.a. Unternehmens- und Institutionsnamen), selbst wenn diese auf Perso-nennamen (z.B. Baumax) basieren. Eine Äußerung wie „Komm, fahren wir Baumax“ ist also durchaus möglich. Dies zeigt sich etwa in folgender Äuße-rung:

Beispiel 263: und non geht se MÄCki danoch. [JD 11, Z. 1320]

'Und dann geht sie [zum] Mäcki [Anm. ML: Kurzform für: MacDonalds] danach.'

Hinsichtlich des Modus, in dem die Verben der beobachteten Belege mit Präpo-sitionswegfall realisiert sind, steht die überwiegende Mehrheit im Indikativ.

Von den 244 präpositionslosen Belegen sind nur 4 Beispiele mit Konjunktiv nachgewiesen:443

Beispiel 264: der [name] hätt oba m mit uns (.) kennen ding AA giahn; ge- ((…)) juz. [JD 23, Z.

221f.]

'Der [Name] hätte aber mit uns können [ins] Ding auch gehen, gell? [Ins] Juz [Anm. ML: Ju-gendzentrum].'

Beispiel 265: (1.0) sem foahrat ma oba nur obi <<lachend> GRAdo>; [JD 22, Z. 332f. ] 'Dann führen wir aber nur hinunter [nach] Grado.'

Beispiel 266: (--) weil sie kannt jo_eh SOzak giahn- [ED 1, Z. 1790f.]

'weil sie könnte ja eh [in die] Sozak [Anm. ML: Sozialakademie] gehen.' Beispiel 267: ob i nit daweil hätt nommitoge amol zu FOAHN. [ED 4, Z. 167f.]

'ob ich nicht Zeit hätte [am] Nachmittag einmal zu fahren.'

Ob die Verwendung des Konjunktivs in Bezug auf den Präpositionswegfall rest-riktiv wirkt, und ob Modalität generell einen Einflussfaktor darstellt, könnte

|| 443 Aus einer vermeintlich generell deutlich niedrigeren Frequenz von Konjunktiv- im Ver-gleich zu Indikativformen kann dies nicht liegen – wie Kapitel 4.3.2.2. zeigt, ist der Konjunktiv-gebrauch sowohl bei den erwachsenen als auch bei den jugendlichen Osttiroler/-innen häufig belegt.

Gegenstand weiterführender Untersuchungen anhand größerer Korpora münd-licher Kommunikation sein.

Neben der beobachteten Tendenz im Bereich der grammatischen Kategorie Modus ist auch hinsichtlich der semantischen Zuordnung der Belege eine deut-liche Gewichtung festzustellen. Dass nur lexikalische Nomen präpositionslos realisiert werden können, hält Siegel (2014: 80) bereits fest. Die Nomen der in den Korpora JD und ED belegten direktionalen oder lokal-statischen Lokalad-verbiale ohne Präposition treten jedoch in bestimmten Kontexten von Räum-lichkeit besonders frequent auf. Der überwiegende Teil aller Belege ist folgen-den semantischen Feldern zuzuordnen:

– Ort als Gemeinde/Ortschaft/Tal: i woa heint AA schon mölltol. - 'Ich war heute auch schon [im] Mölltal.' [JD 11, Z. 165]

– Ort als Reiseziel: i fliag heier äGYpten. - 'Ich fliege heuer [nach] Ägypten.' [JD 14, Z. 575]

– Ort als Institution, z.B. Schule: zweite VOLKSschüale kimmp_er. - '[In die]

zweite Volksschule kommt er.' [JD 23, Z. 6]

– andere stark frequentierte Gebäude bzw. Orte (Kino, Kirche, Proberaum, Toilette), z.B.: non geht man KIRchen. 'Dann geht man [in die] Kirche.' [JD 9, Z. 744]

– den Kommunikationsteilnehmer/-innen bekannte Veranstaltungen, z.B.:

bisch du SCHItzengunggl gewesen; 'Bist du [beim] Schützengunggl [Anm.

ML: Schützenfest] gewesen.' [ED 4, Z. 2252]

Unter den in diesen Wortfeldern belegten Beispielen ist v.a. für das Wortfeld Schule eine große Ausdehnung auf verschiedenste mit der Institution konnotier-te lexikalische Elemenkonnotier-te festzuskonnotier-tellen. Vom Lexem Schule (vgl. Bsp. 268) und spezifischen Bezeichnungen einzelner Schultypen inklusive Abkürzungsformen (vgl. Bsp. 269) über Schulfächer (vgl. Bsp. 270) und schulverwandte Angebote (vgl. Bsp. 271) bis hin zu bestimmten schulspezifischen Zeiträumen (vgl. Bsp.

272) ist die präpositionslose Realisierung hochfrequent in Gebrauch:

Beispiel 268: mei beschte freindin is mit der SCHUAL gongen; [JD 2, Z. 378]

'Meine beste Freundin ist mit der [in die/zur] Schule gegangen.' Beispiel 269: SPORTgym is er gongen. [JD 3, Z. 1247]

'[Ins] Sportgym[nasium] ist er gegangen.'

Beispiel 270: wieso bisch nit franZÖsisch gongen. [JD 2, Z. 58]

'Wieso bist du nicht [zu] Französisch gegangen.' Beispiel 271: i ge:h (-) priVATnochhilfe; [JD 2, Z. 140]

'Ich gehe [zur] Privatnachhilfe.'

Beispiel 272: do geht hetz olls (-) SOMmerpause. [JD 9, Z. 132]

'Da geht alles [auf] Sommerpause.'

Einige der unter den belegten Lokaladverbialen ohne Präposition besonders frequenten Verbindungen scheinen bereits stark lexikalisiert zu sein, z.B.: Klo gehen, Schule gehen oder Kino gehen.444 Hier stellt sich die Frage, ob diese mög-licherweise bereits lexikalisierten Konstruktionen ähnlich wie Schi fahren (vgl.

mit Schiern fahren), eislaufen (vgl. auf dem Eis laufen) oder Rad fahren (vgl. mit dem Rad fahren) als Inkorporierung von Substantiven ins Verb analysiert wer-den können.

Dagmar Bittner (2010) behandelt dieses Phänomen in einem Aufsatz zur Klammerstruktur des Deutschen. Die – nach Wurzel (1993) im Gegenwartsdeut-schen zunehmende – Inkorporierung von Substantiven ins Verb sieht sie als

„klammerstärkende[n] Prozess“, der „zur Bildung von distanzstellungsfähigen Verben“ (Bittner 2010: 239) führe. Da das inkorporierte Nomen seine unabhän-gigen syntaktischen Funktionen als Teil einer Präpositional- bzw. Nomin-alphrase verliert, müssen ihm weder Präposition noch Determinierer beigestellt werden (vgl. Berman 2009: 108). Die Motivation für diesen Prozess der Lexikali-sierung sieht Bittner „wie bei den Partikelverben in der Bereitstellung von Ver-ben […], die eine kontrastfreie ‚Sättigung‘ von Assertions- und Rhemaposition erlauben“ (Bittner 2010: 239). Rhematische Informationseinheiten können demnach einen Prozess der „Verbartigmachung“ (Bittner 2010: 241) durchlau-fen. Beispiele mit Artikelwegfall wie „… weil ich in Erdkunde Prüfung schreibe.“

(240) beschreibt Bittner als „okkasionelle Inkorporierungen“ (241). Es entstehe hier „ein Prädikat karte-mithaben, buch-kaufen bzw. prüfung-schreiben“ (Bittner 2010: 241). Dieser Prozess scheint sich auch bei den oben angesprochenen Kon-struktionen „Kino/Schule/Klo gehen“ abzuzeichnen. Die folgenden konstruier-ten Beispiele sollen die Nähe solcher okkasioneller Inkorporierungen zu Parti-kelverbkonstruktionen demonstrieren:

Beispiel 273: Normalerweise gehe ich freitags mit meinen Freunden aus.

Beispiel 274: Normalerweise gehe ich freitags mit meinen Freunden Kino/kino.

Wie beim Verb ausgehen bildet die Konstruktion Kino gehen eine lexikalische Einheit, die in Distanzstellung stehen kann. In diesem Sinne wäre Kino (oder

|| 444 Hierbei könnte auch die Tatsache, dass Konstruktionen wie „Kino gehen“ den gesamten Ablauf (im Sinne eines Scripts, d.h. des erwarteten zeitlichen Verlaufs von Handlungsfolgen:

ein Ticket erwerben, sich Getränk und Knabbereien kaufen, den Film ansehen, sich im An-schluss darüber austauschen) erfasst, den Präpositionswegfall begünstigen.

kino?)-gehen nicht als eine Verbindung eines Richtungsverbs mit einer Präposi-tionalphrase, sondern – Bittner (2010) folgend – als okkasionelle Inkorporie-rung des Substantivs ins Verb und damit als geschlossene lexikalische Einheit anzusehen. Das Nicht-Realisieren von Präposition und Artikel in Fällen wie diesen passiert also nicht zufällig, sondern korreliert mit dem abnehmenden semantischen Gewicht des Substantivs und seinen semantischen445, syntakti-schen und informationsstrukturellen Funktionen.

Dieser Argumentationsgang deckt sich u.a. mit den Ausführungen von Eli-sabeth Leiss (2010) zum Abbau des Artikels im Gegenwartsdeutschen. Sie er-kennt im Wegfall von Artikel (und Präposition) in der „Kanak sprak“ migran-tendeutscher Jugendlicher das Prinzip der „Hypodetermination“446, d.h. der Tendenz zum Nicht-Realisieren semantisch redundanter Determinierer, die

„möglich ist, weil sprachliche Normierung natürliche Phasen des Sprachwan-dels, hier des Artikel-Aspekt-Zyklus, nicht blockiert oder verzögert“ (Leiss 2010:

153). Die Realisierung von Präposition und Artikel in Beispielen wie dann gehen wir Kino oder ich fahre München ist redundant, da die Bewegungsverben gehen und fahren die direktionalen Komponenten bereits kodieren. Leiss sieht die Tendenz zur präpositions- und artikellosen Realisierung v.a. in Bezug auf ethni-sche Sprechweisen wie die „Kanak sprak“ belegt und hält fest: „Sprecher von Kanak Sprak machen […] keine fehlerhaften Artikelsetzungen. Sie reduzieren lediglich ein System, das längst funktionslos geworden und damit voll von

Arti-|| 445 Aus semantischer Perspektive ist v.a. dann der Präpositions- bzw. Artikelwegfall ange-zeigt, wenn die Definitheit eines Lexems bereits durch die semantische Spezifizierung des Substantivs markiert ist. Vanessa Siegel führte dies in einem mit Peter Auer gemeinsam gehal-tenen Vortrag unter dem Titel „Grammatical Reduction in polyethnic young speech styles in Germany: fact and fiction“ bei der 7. Internationalen Konferenz zur Jugendsprache 2014 (02.-05.04.2014) näher aus: In einem Beispiel wie „er hat Kurdische Krieg gemeint“ sei die Definit-heit durch das Nomen als abolutes Unikum bereits gegeben, was den Artikelwegfall begünsti-ge.

446 Den Begriff der „Hypodetermination“ bezieht Leiss ursprünglich auf die Entstehung des definiten Artikels im Altisländischen. Demnach kann zwischen a) hypodeterminierenden und b) hyperdeterminierenden Artikelsprachen unterschieden werden. Hypodeterminierend ist eine Sprache dann, wenn der Artikel aufgrund einer Indefinitheitsumgebung gesetzt wird und nicht redundant ist; im Falle einer Hyperdetermination ist hingegen eine „übergeneralisieren-de Verwendung „übergeneralisieren-des „übergeneralisieren-definiten Artikels“ (Leiss 2010: 137) auch in Definitheitsumgebungen festzustellen (vgl. auch Leiss 2000). Für die diachrone Entwicklung des Deutschen zeichnet Leiss einen „Artikel-Aspekt-Zyklus“ (Leiss 2010: 138) nach: Während in den germanischen Sprachen der definite Artikel als Konsequenz des Abbaus des Verbalaspekts entstanden sei (Wechsel von Aspekt zu Artikel), finde im Gegenwartsdeutschen ausgelöst durch Hyperdeter-mination eine „Neukodierung des Artikels“ (137) und „Etablierung eines neuen Aspektsystems als funktionale Kompensation für die funktionale Schwächung des Artikels“ (138) statt.

kelballast ist“ (Leiss 2010: 153). Die Autorin räumt aber selbst ein, dass das Phä-nomen nicht auf eine bestimmte Sprechergruppe begrenzt ist:

Der Abbau des Artikels sowie von Richtungspräpositionen bei Richtungsverben (determi-nierten Verben) ist […] im gesprochenen Deutsch längst weiter fortgeschritten, als allge-mein wahrgenommen wird (Leiss 2010: 153154).

Allerdings nimmt die Autorin in ihren Ausführungen eher gesprochene Stan-dardsprache in den Blick – in welchem Ausmaß der Wegfall von Präposition und Artikel in den verschiedenen Dialekten vorkommt, wird nicht näher thema-tisiert. Zumindest im Hinblick auf Südbairisch-Sprecher/-innen in Osttirol kann die hier vorliegende Untersuchung dazu weiterführende Informationen liefern.

4.4.1.4 Fazit

Im Vergleich der belegten Daten aus den Osttiroler Korpora JD und ED mit den Ergebnissen aus der bestehenden Fachliteratur sind in Bezug auf das Nicht-Realisieren der Präposition einige Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Form, aber auch der syntaktischen Funktion festzustellen. So sind auch in den Osttiroler Gesprächen v.a. in direktionalen und lokal-statischen Lokaladverbialen, aber auch in Temporalangaben Äußerungen mit präpositions-loser Realisierung der Präpositionalphrase belegt, und dies mit den bereits bekannten formalen (Til-gungs-)Restriktionen (z.B. der Artikel der Präpositionalphrase kann nicht allei-ne stehen bleiben, Preposition drop ist nicht möglich in Kombination mit Pro-formen u.a.). Auch die in topologischen Analysen festgestellte Tendenz zum vermehrten Auftreten des Wegfalls, wenn die Präpositionalphrase im Mittelfeld realisiert wird, bestätigt sich in Bezug auf die Osttiroler Daten.

Der bisherigen Verortung des Phänomens im Kontext (multi-)ethnolektaler Sprechergruppen ist auf Basis der in dieser Untersuchung vorliegenden Ergeb-nisse jedoch nicht zuzustimmen. Als Sprecher/-innen des Südbairischen weisen die Gespräche der Osttiroler Proband/-innen eine deutlich höhere Frequenz an präpositionsloser Realisierung in Präpositionsphrasen, die als Lokaladverbiale mit direktionaler oder lokal-statischer Semantik belegt sind, auf als dies in Be-zug auf Migrantenjugendliche in Deutschland (vgl. Auer 2013; Siegel 2014) fest-gestellt wurde. Dies begründet sich primär durch die diatopischen Gegebenhei-ten, nicht aufgrund jugendsprachlicher oder (multi)ethnolektaler Besonder-heiten. Was die Erklärungswege für das Vorkommen des Präpositionswegfalls angeht, ist die Situation in Osttirol also gänzlich anders als jene in Deutschland zu beurteilen. Während in bundesdeutschen Arbeiten Auer (2003 und 2013) folgend ethnolektale Sprechweisen als Ausgangspunkt des Phänomens

tet werden und von einer Verbreitung der präpositionslosen Konstruktion einer-seits durch gemischt-ethnische Gruppen und anderereiner-seits über die Medien aus-gegangen wird, ist in Bezug auf die Osttiroler Sprecher/-innen vielmehr von einem diatopisch geprägten Phänomen, das sich beeinflusst von der Sprach-kontaktsituation mit dem Slowenischen in Südkärnten ausgehend auch in Ostti-rol verbreitet hat, plausibel. Das erklärt auch die – im Vergleich zu den Ergeb-nissen bei Auer (2013b) in Bezug auf Stuttgarter Migrantenjugendliche – relativ hohe Frequenz des Präpositionswegfalls bei den erwachsenen Osttiroler Teil-nehmer/-innen.

Wie sich gezeigt hat, ist der Preposition drop hier also (auch) unter dialekto-logischer Perspektive zu analysieren. An dieser Stelle sei noch einmal auf die Arbeiten von Heinz-Dieter Pohl (1989; 2009) verwiesen, der den Süden Kärntens als Ausgangspunkt der präpositionslosen Richtungskodierung sieht, präpositi-onslose Lokalkodierung aber als deutlich seltener vorkommend einschätzt.

Diese Beurteilung scheint sich durch die Osttiroler Daten zu bestätigen.447 Über-raschend ist dagegen, dass auch die Temporaladverbiale in Korpus JD und ED häufig ohne Präposition realisiert sind und dass die direktionalen Lokaladver-biale in den untersuchten Beleggruppen sogar häufiger ohne als mit Präposition belegt sind.

Aus dialektologischer Perspektive ist ebenfalls festzuhalten, dass nicht nur Belege ohne Präposition in den beiden Korpora JD und ED aufzufinden sind, sondern dass auch Äußerungen mit dialektalem Präpositionalgebrauch – so-wohl bei den Jugendlichen als auch bei den Erwachsenen – belegt sind, z.B.:

auf Innsbruck fahren, auf Matrei gehen. Doch auch wenn für beide Altersgrup-pen Gemeinsamkeiten festgestellt wurden, so ist in der Häufigkeit des Vorkom-mens präpositionsloser Präpositionalphrasen in Lokal- und Temporaladverbia-len ein signifikanter Unterschied nachweisbar. In den Gesprächen der jugendlichen Osttiroler/-innen sind rund 39% der Präpositionalphrasen in syn-taktischer Funktion als Lokal- oder Temporaladverbiale ohne Präposition reali-siert, für die Gruppe der Erwachsenen konnte dagegen „nur“ ein Wert von rund 29% festgestellt werden. Dieses Verhältnis bestätigte sich auch unter Einbezug von Restkorpus JD – also im Vergleich des Gesamtkorpus JD mit Korpus ED.

||

447 Der Vergleich mit den Ergebnissen bezüglich der Jugendkommunikation in Hallein (Salz-burg) aus Ivušić (2011) deutet darauf hin, dass das hohe Vorkommen präpositionsloser Präposi-tionalphrasen mit Lokal-, Richtungs- und Zeitkodierung eher auf den Süden Österreichs be-schränkt sein könnte. Dies wäre anhand eines größeren, Jugendkommunikation aus ganz Österreich erfassenden Korpus näher zu beleuchten.

Dass die präpositionslose Realisierung nicht völlig wahllos und zufällig, sondern nur unter bestimmten Bedingungen bzw. in bestimmten Kontexten passiert, wurde in den vorangegangen Unterkapiteln bereits im Detail unter Einbezug syntaktischer, semantischer und informationsstruktureller Aspekte dargelegt. Der Frage, ob das vermehrte Nicht-Realisieren der Präposition auf einen allgemeinen Prozess der Hypodetermination – also eines Abbaus von Artikel und Präposition in redundanter Definitheitsumgebung – im Deutschen hinweist, und zwar für den gesamten deutschen Sprachraum und alle im Deut-schen verwendeten Varietäten, kann jedoch nicht erschöpfend nachgegangen werden. Es sei lediglich festgehalten, dass bei den jugendlichen Teilnehmer/-innen aus Osttirol das – als ein Phänomen von Kompaktheit beschreibbare – Nicht-Realisieren der Präposition ein alterspräferentielles Muster im Sinne eines signifikant höheren Gebrauchs im Vergleich zu den Erwachsenen zu sein scheint. Diese Feststellung wird allerdings für den syntaktischen Bereich getrof-fen; über das Zusammenspiel kompakter Strukturen wie den Präpositionsweg-fall mit anderen sprachlichen Ebenen der Jugendkommunikation in Osttirol ist damit freilich nichts ausgesagt. Hier müssten u.a. auch auf lexikalischer Ebene jugendsprachlich markierte Synonyme für Richtungsverben näher analysiert werden; der folgende Gesprächsausschnitt, in dem Sprecher Chr das Verb schweißen für 'fahren' verwendet (Z. 92), soll exemplarisch dafür angeführt sein:

Beispiel 275: JD 26, Z. 89-93: „Motorradfahren“

089 Mar: FOAH_ma a runde, 090 Chr: =FOAH ma a runde- 091 Mar: ans oder ZWOA-

092 Chr: → =schwoaß ma_amol [ORTschaft] in;

093 (.) PASST?

'Mar: Fahren wir eine Runde. – Chr: Fahren wir eine Runde. – Mar: Eins oder zwei. – Chr:

Schweißen wir einmal [nach] [Ortschaft] hinein. Passt?'

Weiterführende Untersuchungen könnten semantische Erweiterungsprozesse dieser Art berücksichtigen und so zu einer vertieften Analyse des Phänomenbe-reichs unter Einbezug lexikalischer Spezifika von Jugendkommunikation bei-tragen.

Im Dokument 4.1 Selektion der Analysebereiche (Seite 194-200)