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Syntaktische, semantische und pragmatische Einflussfaktoren

Im Dokument 4.1 Selektion der Analysebereiche (Seite 87-102)

4.3.1 Externe Intensivierung der Nominalphrase

4.3.1.3 Syntaktische, semantische und pragmatische Einflussfaktoren

4.3.1.3 Syntaktische, semantische und pragmatische Einflussfaktoren

Zunächst soll der spezielle semantische Effekt der indefiniten Interpretation bei Belegen der phrasenexternen Realisierung mit definitem Artikel noch einmal in den Blick genommen werden. Androutsopoulos (1998: 353) führt dies auf den ebenfalls als indefinit zu interpretierenden Gebrauch starktoniger Definitartikel wie in „Das ist DER Trottel → Das ist ein besonders großer Trottel“ (Androutsop-oulos 1998: 353) zurück. Die Starktonigkeit des Definitartikels sei im Laufe der Zeit neutralisiert worden, was wiederum eine Verstärkung durch zusätzliche Intensivierer wie voll/absolut/total begünstigte (z.B. Das ist total der Trottel, nicht aber: ??Das ist total DER Trottel.). Androutsopoulos beschreibt davon ausgehend eine Verbreitung der externen Intensivierung der definiten Nomin-alphrase von festen Verbindungen (Phraseolexemen wie da geht voll die Post ab) hin zu freien Verbindungen (z.B. das ist voll die Frechheit). Die in den Freundesgesprächen der Südbairisch-Sprecher/-innen aus Osttirol vorfindliche Artikelverdoppelung im Bairischen stellt dabei einen weiteren Variabilitätsfak-tor in der Serialisierung der Nominalphrase dar, was zusätzlich die externe Realisierung befördernd wirken könnte. Ob das gemeinsame Auftreten von Belegen mit Artikelduplikation und jenen mit externer Realisierung der defini-ten und indefinidefini-ten Nominalphrase über Osttirol hinaus auch in anderen Regio-nen des bairischen Dialektraums in mündlicher Kommunikation Jugendlicher vorzufinden ist, müsste jedoch erst anhand eines größeren Korpus geklärt wer-den.

Die Annahme, dass die bairische Artikelverdoppelung einen Einflussfaktor für die Stellungsvariabilität darstellt, verstärkt sich aber zusätzlich mit Blick auf die syntaktisch ähnlich gebildeten Konstruktionen mit so ein- bzw. was für ein-.

Wie im Rahmen der Frequenzanalyse bereits erwähnt wurde, entspricht die Serialisierung von Intensivierer, Artikel und Nomen bzw. Nominalphrase der Wortstellung mit so ein- bzw. was für ein- (z.B.: Das ist voll die Niederlage. – Das ist so eine Niederlage; vgl. Androutsopoulos 1998: 353). Merkle (2005: 89) fol-gend ist in den bairischen Dialekten u.a. bei der intensivierenden Proform so ein- die Artikelverdoppelung häufig belegt (z.B. Des is a so a Niederloge. ʹDas ist eine so eine Niederlage.ʹ). Tatsächlich findet sich diese Variante auch in der Osttiroler Jugendkommunikation in Alternation zur einfachen Artikelrealisie-rung: Von 119 Belegen mit Intensivierungsproform so ein- sind etwas mehr als ein Drittel (41 Belege) mit zweifachem indefinitem Artikel realisiert (a so a) und etwas weniger als zwei Drittel mit standardkon-formem einmaligem Artikel (so a) belegt. Analog zur oben beschriebenen externen Realisierung von expressi-ven Intensivierern wie z.B. absolut (absolut der/ein Hammer) sind in den Freun-desgesprächen der Jugendlichen Äußerungen wie Bsp. (159) belegt, aber auch

Äußerungen mit Artikelverdoppelung (Bsp. 160) sowie – mitunter vom selben Sprecher verwendet – im gleichen Kontext mit einmaligem indefinitem Artikel (Bsp. 161). Die Artikelverdoppelung kann auch in verneinten Äußerungen mit quantifizierendem Determinierer kein auftreten, wie Bsp. (162) zeigt.317

Beispiel 159: de isch so a HAMmer. [JD 7, Z. 1238]

'Die ist so ein Hammer.'

Beispiel 160: ((lacht leise)) <<flüsternd> a so a SCHA:ß>- [JD 23, 539, Sprecher Ste]

'Ein so ein Scheiß.'

Beispiel 161: (--) i müss no oa JOAH. so a SCHEIß; [JD 23, Z. 681, Sprecher Ste]

'Ich muss noch ein Jahr [in die Schule gehen]. So ein Scheiß.'

Beispiel 162: oba a !GSCHEIDS! handy;=ge- (---) koa so a schwuls I phone; [JD 7, Z. 501ff.]

'Aber ein gescheites [ordentliches] Handy [kaufen], gell? Kein so ein schwules I-Phone.' Die syntaktischen Parallelen zwischen der externen Realisierungsvariante voll_DET_NP und so-ein-Konstruktionen sind nicht von der Hand zu weisen und die Variabilität im Bereich der Artikelverdoppelung setzt sich in jenem der ex-ternen Intensivierung der Nominalphrase fort. Es stellt sich hier die Frage, ob neben syntaktischen möglicherweise auch semantische Charakteristika der phrasenexternen Intensivierung Erklärungsmuster für das Vorkommen dieses Phänomens liefern können. Mit Blick auf die semantische Spezifik der in der Osttiroler Jugendkommunikation belegten Intensivierer mit phrasenexterner Realisierung ist mit Breindl (2007) festzuhalten, dass das besonders frequente voll/völlig ein „Intensitäts-Adjektiv mit eingeschränkter attributiver Verwend-barkeit“ (Breindl 2007: 401) ist, während andere Intensivierer wie absolut, total, echt oder ganz eine breite attributive Verwendbarkeit aufweisen. Das Oszillieren von voll zwischen den unflektierbaren „echten“ Intensitätspartikeln wie sehr, überaus, besonders und der offenen Gruppe der „polysemen Intensifikatoren“

(Breindl 2007: 401) wie absolut, äußerst, echt, extrem, die sowohl intensivierend als auch nicht-intensivierend fungieren können, könnte ebenfalls begünstigend auf die Stellungsalternation wirken. Ob sich diese Variabilität lediglich in Kom-bination mit dem definiten Artikel oder dem quantifizierenden Determinierer kein zu einer phrasenexternen Realisierung zukünftig zu stabilisieren vermag, müsste anhand größerer Datenmengen weiter beobachtet werden.

|| 317 Dieser Subtyp der Artikelverdoppelung wird auch bei Merkle (2005: 90) erwähnt. Der Autor weist darauf hin, dass kein nur in Kombination mit so ein- möglich ist, nicht aber mit anderen Gradausdrücken wie ganz oder voll (vgl. a gonz a schens Haus - *ka gonz a schens Haus vs. a so a schens Haus – ka so a schens Haus.).

Prinzipiell betont Breindl, dass „die Intensivierung eine starke Affinität zum hyperbolischen Sprechen“ habe und sich daher „neue Intensifikatoren […]

überall dort [entwickeln], wo phatische Kommunikation dominiert, besonders in Jugendsprache und Werbesprache“ (420). Die dabei zentrale Rolle von voll in Passagen mit Intensivierung in der Osttiroler Jugendkommunikation zeigt sich nicht nur in der phrasenexternen oder -internen Intensivierung der Nomin-alphrase, sondern u.a. auch als Gradpartikel vor prädikativ verwendeten Adjek-tiven mit einfacher (Bsp. 163) oder mehrfacher Intensivierung (Bsp. 164), zuwei-len auch hier mit Stellungsvariabilität (Bsp. 165), oder in adverbialer Verwendung (Bsp. 166), und hier auch in verneinten Äußerungen (Bsp. 167):

Beispiel 163: des is voll SCHLIMM. [JD 13, Z. 590f.]

'Das ist voll schlimm.'

Beispiel 164: jo de isch oba echt voll geMEIN; [JD 14, Z. 1348]

'Ja, die ist aber echt voll gemein.'

Beispiel 165: i find des exTREM voll; [JD 3, Z. 1255]

'Ich finde das extrem voll [iSv.: voll extrem].'

Beispiel 166: sem hot_s mi voll ONgegast; [JD 13, Z. 534]

'Damals hat es mich voll angegast [iSv.: geärgert].'

Beispiel 167: du hoscht_s voll nit AUFgessen; [JD 13, Z. 1191]

'Du hast es voll nicht aufgegessen.'

Neben Absolutheit anzeigenden Intensivierern wie voll/völlig, absolut, total oder affirmativen Intensivierern wie ausgesprochen oder echt können auch seman-tisch negativ konnotierte Adjektive wie furchtbar, wahnsinnig, teuflisch als be-wertungspositive Intensivierer eingesetzt werden:

Das gegenwartssprachliche Inventar von Intensifikatoren zeigt unterschiedliche Grade von Desemantisierung. […] Intensivierend können dann bewertungsnegative evaluative Adjektive mit bewertungspositiven Intensifikanden kombiniert werden. (Breindl 2007:

400)

Dies zeigt sich in der Osttiroler Freizeitkommunikation etwa in der intensivie-renden Funktion von brutal:

Beispiel 168: die [name] isch brutal DÜNN- [JD 22, Z. 163]

'Die [Name] ist brutal [iSv.: sehr] dünn.'

So könnten sich möglicherweise zukünftig in der Osttiroler Jugendkommunika-tion dem Intensivierungsmuster voll_DET_NP folgend (z.B. Des is voll is moderne Haus.) auch Äußerungen wie z.B. Des is brutal is moderne Haus etablieren.

Durch die Diskussion einzelner Beispiele wurde bisher in der Analyse der Eindruck erweckt, intensivierende Elemente kämen in den Osttiroler diskursi-ven Daten eher isoliert vor und hätten womöglich Seltenheitswert. Tatsächlich werden neben dem Einsatz expressiver Partikel in phraseninterner oder -externer Intensivierung in der Fachliteratur folgende – sich an der Schnittstelle von Lexikon und Syntax befindliche – Phänomene als typisch für die Dimension der Expressivität im Sprachgebrauch Jugendlicher genannt:

– Expressiver Nachtrag, z.B. Ich war genervt wie Sau, echt. (Androutsopoulos 1998: 333)

– Gesprächspartikel ey/he/Alter in expressiven, syntaktisch reduzierten Sprech-handlungen, z.B.: boah Alter, total geil, ey (Androutsopoulos 1998:

319; Schlobinski/Kohl/Ludewigt 1993: 138; Baradaranossadat 2011: 5354) – Topikalisierung des Prädikativs, z.B.: Absolut kultig das Heft

(Androutsop-oulos 1998: 331)

– expressive/intensivierende Wortbestandteile in Komposita: derbst-, end-, giga-, gummi-, mega-, ober-, übel(st)-, voi- etc. -langweilig, -genial etc. (Sed-laczek 2006: 12; Baradaranossadat 2011: 36)

– mehrfache Intensivierung der Adjektivphrase, z.B.: echt total lustig (Androutsopoulos 1998: 349)

– Intensivierung der Verbal- und Adverbialphrase, z.B.: es geht verdammt gut ab; es killt total (Androutsopoulos 1998: 357361)

Diese expressiven Elemente können auch kombiniert auftreten:

Tab. 22: Kombination expressiver Elemente (angelehnt an Androutsopoulos 1998: 327)318

GS AB EI DET expK GS

hey Alter du hast echt voll die megageile Wohnung ey

Im Vergleich der untersuchten Teilkorpora JD und ED stechen – neben der phrasenexternen Intensivierung der Nominalphrase – v.a. die beiden erstge-nannten Phänomenbereiche hervor: expressive Nachträge und der Gebrauch von he(y), ey und Alter als Gesprächspartikel.

|| 318 Die Abkürzungen bedeuten wie folgt: GS=Gliederungssignal; AB=Abtönungspartikel;

EI=expressiver Intensivierer; expK=expressives Kompositum.

Expressive Nachträge werden v.a. bei Androutsopoulos (1998: 333341) v.a.

aufgrund der Frequenz ihres Gebrauchs als jugendspezifisch beschrieben. Der Autor nennt Beispiele wie:

Beispiel 169:

(a) ich war genervt wie Sau, echt.

(b) das ist klasse, aber hallo.

(c) das kriegt ihr zurück, logo. (Bspe. vereinfacht nach Androutsopoulos 1998: 333)

Äußerungen wie diese kennzeichnet aus prosodischer Perspektive ihre intona-torisch selbständige Realisierung mit eigenem Fokusakzent sowie aus pragma-tisch-informations-struktureller Perspektive, dass sie an die thematische Refe-renz der vorhergehenden Intonationsphrase gebunden sind. Ihre besondere kommunikative Leistung besteht dabei in der expressiven Verstärkung der Vor-gänger-Intonationsphrase (vgl. Androutsopoulos 1998: 334).

Im Vergleich von Teilkorpus JD und Teilkorpus ED zeigt sich auch in diesem Bereich der Expressivität eine signifikant höhere Frequenz von expressiven Nachträgen bei den Osttiroler Jugendlichen als bei den Erwachsenen.319 Wie untenstehende Tabelle zusammenfasst, sind in den Freundesgesprächen der Jugendlichen rund 11% aller Nachträge mit expressiven Intensivierern ausge-stattet, während die Frequenz expressiver Nachträge in der Erwachsenenkom-munikation mit rund 5% deutlich niedriger ist.320

||

319 In die Auswertung gingen dabei nicht nur die Belege ein, in denen der expressive Nach-trag vom selben Sprecher/von derselben Sprecherin geäußert wurde, sondern auch interaktiv geäußerte expressive Nachträge.

320 Die beobachteten Frequenzunterschiede sind statistisch signifikant: χ2=13,159 (df=1, Signifikanzniveau P=0,001).

Tab. 23: Expressive Nachträge in den Teilkorpora JD und ED (absolute und relative Häufigkei-ten)

Korpus JD - absolut (hi)

Korpus JD - relativ (f%i)

Korpus ED - absolut (hi)

Korpus ED -relativ (f%i) KomS-Nachtrag

andere

419 89,15% 516 95,38%

KomS-Nachtrag expressiv

51 10,85% 25 4,62%

KomS-Nachtrag total

470 100% 541 100%

Besonders häufig belegt ist der expressive Nachtrag in Teilkorpus JD mit den Lexemen voll (20 Belege, vgl. Bsp. 170) und echt (12 Belege, vgl. Bsp. 171).

Beispiel 170: jo sie MOG an. oba VOLle. [JD 4, Z. 306ff.]

'Ja, sie mag einen. Aber voll.'

Beispiel 171: wos du fr_a TROTtel bisch [name]. (1.0) na ECHT- [JD 17, Z. 1005f.]

'Was du für ein Trottel bist [Name]. Nein echt.'

Und auch in Bezug auf die oben angesprochenen expressiven Gesprächspartikel wie he(y), ey und Alter zeichnet sich eine alterspräferentielle Verwendung in der Osttiroler Jugend-kommunikation ab. Sie können eigenständig prosodisch reali-siert als Attention getter (Bsp. 172) fungieren, aber auch innerhalb einer proso-dischen Einheit als expressive Diskurs-marker verwendet werden.

Beispiel 172: (1.0) he; (1.0) i derZÄHL da oan; [JD 23 Z. 590f.]

'He. Ich erzähle dir einen [Witz].'

Innerhalb einer Intonationsphrase können he(y), ey und Alter sowohl redebei-tragseinleitend als auch redebeitragsabschließend auftreten. Im Vergleich der Korpora JD und ED ist dabei festzuhalten, dass Alter/Olter/Older ausschließlich in den Gesprächen der jugendlichen Osttiroler/-innen belegt ist, sowohl als Attention getter, als auch innerhalb einer Intontationsphrase, und zwar rede-beitragseinleitend:

Beispiel 173: die neue E klasse; (--) olter der isch GÜET; [JD 7, Z. 768]

'Die neue E-Klasse. Alter, der ist gut.'

Beispiel 174: olter hetz is da michael JACKson der trottel !AA! Eingegroben; [JD 14, Z. 191f.]

'Alter, jetzt ist der Michael Jackson, der Trottel, auch eingegraben.'

Auch redebeitragsabschließend ist Alter/Olter/Older bei den Jugendlichen aus Osttirol belegt:

Beispiel 175: wie_s geil AUSschaug older; [JD 3, Z. 1193]

'Wie es geil ausschaut, Alter.'

Beispiel 176: <<gähnend> i hob mi jo lei GSTRECKT olter>. [JD 17, Z. 1226f.]

'Ich habe mich ja nur gestreckt, Alter.'

He(y)/ey können ebenfalls als expressive Marker sowohl links- als auch rechts-peripher auftreten. Sie kommen in der Jugend- und der Erwachsenenkommuni-kation vor, letztere weist aber eine deutlich geringere Frequenz dieser Diskurs-marker auf.

Tab. 24: he(y)/ey als Attention getter in Teilkorpus JD und ED (absolute Häufigkeiten)

Teilkorpus JD Teilkorpus ED

"he(y)/ey" linksperipher 54 11

"he(y)/ey" rechtsperipher 156 43

"he(y)/ey" als NZ 53 41

Gepaart mit der höheren Frequenz der Diskurspartikeln he(y)/ey in den Gesprä-chen der jugendliGesprä-chen Osttiroler/-innen ist auch eine höhere Variationsbreite in der Lokalisierung der betreffenden Elemente innerhalb einer Intonationsphrase in der Kommunikation der jugendlichen Proband/-innen festzustellen. Einer-seits finden sich einige Belege in Korpus JD, die zeigen, dass die Gesprächspar-tikeln nicht nur als Vorlaufelemente redebetragseinleitend oder als Gliede-rungsmarker redebeitragsabschließend vorkommen können, sondern auch innerhalb einer Intonationsphrase realisiert werden können:

Beispiel 177: °h oamol hun i zu fleiß volle hoch he AUFgscholten; ge- [JD 20, Z. 375ff.]

'Einmal habe ich absichtlich voll hoch he hinaufgeschalten, gell?'

Darüber hinaus ist die Gesprächspartikel he(y) im Korpus JD auch in einer die Äußerung umschließenden Funktion belegt:

Beispiel 178: he waasch no mit der [NAme] he; [JD 6-1, Z. 26]

'He, weißt [du] noch [das] mit der [Name], he.'

Besonders häufig belegt sind die expressiven Diskurspartikel he(y) und ey in direktiven Sprechakten (Aufforderungen, Befehlen, Bitten; vgl. Bsp. 179) und

eine Sachlage kommentierenden bzw. eine Person bewertenden/beschimpfen-den Äußerungen des Typs der/die/das ist/war/wäre + Prädikativum (Bsp. 180):

Beispiel 179: holts MAUL amol he. [JD 17, Z. 1194f.]

'Halt das Maul einmal, he.'

Beispiel 180: <<lachend> na des is volle COOL he>; [JD 13, Z. 592f.]

'Nein, das ist voll cool, he.'

Äußerungen dieses letzteren Typs sollen im Folgenden näher in ihrem Vor-kommen beleuchtet werden: Sie finden sich nicht nur in satzförmigen Äuße-rungen (KS oder MS321) wie in Beispiel (180), sondern auch in kompakten Äuße-rungen (KomS322), wie in Beispiel (181):

Beispiel 181: voll UNfair he. (JD 3, Z. 200) '[Das ist/finde ich] voll unfair, he.'

Das Vorkommen dieser Belege wurde in den Teilkorpora JD und ED323 überprüft und die kommentierenden Äußerungen in Form von KS, MS oder KomS mit anschließendem he/hey/ey mit jenen ohne redebeitragsabschließendes he/hey/ey gegenübergestellt.

In den Gesprächen der jugendlichen Osttiroler/-innen finden sich 530 Bele-ge von Konstruktionen des Typs der/die/das ist/war/wäre + Prädikativum, da-von wurden 62 mit der Partikel he/hey/ey abgeschlossen (vgl. Tabelle 25). In Teilkorpus ED ist die Häufigkeit der Konstruktion mit Gesprächspartikel deut-lich seltener belegt:324 Von 340 Belegen werden nur 14 mit he/hey oder ey abge-schlossen.

|| 321 Zur definitorischen Abgrenzung kanonischer Sätze geschriebener Sprache (KS) von mög-lichen Sätzen (MS) sei auf Kapitel 3.3.2.2. verwiesen.

322 Nähere Informationen zu Definition und Charakteristika kompakter Strukturen (KomS) finden sich in Kapitel 3.3.2.3.

323 In Teilkorpus GF mit standardnahen Gesprächen unter Erwachsenen enthielt keine der kommentierenden Äußerungen mit Prädikativum (111 Belege) die Diskurspartikel he/hey bzw.

ey. Aus diesem Grund werden im Folgenden nur die dialektal geprägten Korpora JD und ED gegenübergestellt.

324 Die beobachteten Frequenzunterschiede sind statistisch signifikant: χ2=13,993 (Signifi-kanzniveau P=0,001, df=1).

Tab. 25: Äußerungen des Typs „der/die/das ist/war/wäre + Prädikativum mit/ohne he/hey/ey in Teilkorpus ED und JD (absolute und relative Häufigkeiten)

Korpus JD -

Damit sind in der Freizeitkommunikation der Jugendlichen in Osttirol fast drei-mal so oft (11,70%) Gesprächspartikeln am Ende der kommentierenden Äuße-rungen realisiert als in den Freundesgesprächen der erwachsenen Osttiroler/-innen (4,12%).

Dass sich in den Gesprächen der Jugendlichen generell mehr Belege für kommentierende Äußerungen mit einem Prädikativum finden als in den Ge-sprächen der Erwachsenen, hängt wohl mit den verstärkt zum Einsatz kom-menden Kommunikationsmustern des gegenseitigen Frotzelns325 und Dissens326 sowie des Lästerns327 unter den Jugendlichen zusammen. Diese kommunikati-ven Gattungen „weisen häufig eine doppelte Ausrichtung von spaßhaften und ernsthaften Interaktionsmodi auf und dienen der Imagepflege und der Selbst-präsentation nach außen“ (Neuland 2008: 141). Der bzw. die Sprecher/in weist dabei entweder anwesenden (beim Frotzeln und Dissen) oder abwesenden Refe-renzobjekten (beim Lästern) Eigenschaften zu, dabei „dient das Dissen der Selbstdarstellung des Handlungsträgers, das Lästern hingegen der Werteaus-handlung in der Bezugsgruppe“ (Neuland 2008: 141).

Um das Zusammenspiel verschiedener Formen von Intensivierung in der Jugend-kommunikation nachzuzeichnen, sollen abschließend vier

Gesprächs-||

325 Vgl. Günthner (1996; 2000), die das Frotzeln als für die Jugendkommunikation charakte-ristische kommunikative Gattung beschreibt.

326 Das kommunikative Muster „Dissen“ bezeichnet die aggressivste Form des Frotzelns, bei der weniger die Unterhaltung und der Spaß innerhalb der Gruppe als die Provokation des Gegenübers und gleichzeitig die Steigerung des eigenen Images im Vordergrund stehen. Nähe-re Informationen finden sich in Deppermann/Schmidt (2001).

327 Zum Kommunikationsmuster des Lästerns vgl. z.B. die Ausführungen bei Schubert (2009).

sequenzen vorgestellt werden. Im ersten Beispiel (182) handelt es sich um deik-tisch-bewertende Sprechhandlungen:

Beispiel 182: JD 13, Z. 588-599: „Bewertung eines Fotos“

588 Bar: → (-) <<lächelnd> du hosch> (-) vo dir so a cools FOto do;

589 wo du so wi (.) so SCHAUGSCH;

590 Isa: des is voll SCHLIMM.

591 [(-) wieSO, ]

592 Bar: [<<lachend> na des is volle] COOL he>, 593 ((lacht))

594 Isa: wah do schaug i echt HORT aus;

((…))

598 oba do sein mia (-) olle volle f: (-) ROT im gsicht irgendwie.

599 Bar: (1.0) jo VOLle.

ʹBar: Du hast von dir so ein cooles Foto da, wo [auf dem] du so schaust. – Isa: Das ist voll schlimm. Wieso? – Bar: Nein, das is voll cool he. – Isa: Wah, da schaue ich echt hart [iSv.:

schlecht] aus. ((…)) Aber da sind wir alle voll rot im Gesicht irgendwie. – Bar: Ja, voll.ʹ

Das außersprachliche Thema der Gesprächssequenz (ein Foto, das die beiden Freundinnen gerade betrachten) wird mit einer so ein-Konstruktion eingeleitet:

du hosch vo dir so a cools Foto do. Die darauffolgende evaluative Diskussion enthält mehrere Intonationsphrasen328 mit dem attributiv gebrauchten Intensi-vierer voll (des is voll schlimm, des is volle cool, do sein mia olle volle rot im Gsi-cht) sowie einen Beleg mit echt als attributiv gebrauchten Intensivierer zum Adjektiv hart (ꞌschlechtꞌ). Auffallend ist dabei, dass diese evaluativen Passa-gen häufig mit expressiven Diskurspartikeln umrahmt werden, z.B. äußerungs-final mit he in Z. 592 oder auch äußerungsinitial mit wah in Z. 594. Im interakti-ven Austausch der Sprecherinnen kann eine schon durchgeführte Intensivierung in Form einer kompakten Struktur auch noch einmal verstär-kend aufgegriffen werden, wie dies etwa in Z. 598f. erkennbar ist: Sprecherin Bar greift die Prädikation der vorangegangenen Äußerung von Isa volle rot im Gsicht in ihrem bekräftigenden Kommentar jo volle noch einmal auf.

|| 328 Zur Definition von Intonationsphrasen vergleiche man Kapitel 3.3.1. der vorliegenden Arbeit.

Bewertende Sprechhandlungen werden aber auch, wie oben bereits ange-deutet wurde, in erhöhtem Maße in Lästersequenzen durchgeführt. Dafür soll folgendes Beispiel (183) stellvertretend besprochen werden:

Beispiel 183: JD 3, Z. 55-71: „Kleidungsstil einer Mitschülerin“

055 Mar: ah die die:: [NAme] aus deiner klasse;

056 Fel: (--) !WOAH!;

057 Mar: (-) de hund is so ORM;

058 des is [NIMmer normal.]

059 Flo: [wa::h; ]

060 Fel: [de ziag sich ON ] als wie die- 061 wie HAAßen [denn de teile; ]

062 Flo: [so richtig RANzig] he;

063 Fel: (-) korSETTS;

064 =oder [WIE haaßen-]

065 Mar: [korSETT; ] 066 [jo. ]

067 Fel: [jo:; ] 068 W:AH;

069 und non (---) is FETT [unten ausa; ]

070 Mar: [<<lächelnd> presst_s AUsa he;]

071 Fel: =wah des is jo Ekelhoft he-

ʹMar: Ah, die [Name] aus deiner Klasse. Fel: Woah! Mar: Die Hund [iSv. die Alte; abwertend] ist so arm. Das ist nicht mehr normal. Flo: Wah! Fel: Die zieht sich an wie die- Wie heißen denn die Teile. Flo: So richtig ranzig, he. Fel: Korsetts – oder wie heißen- Mar: Korsett, ja. Fel: Ja.

Wah! Und dann das Fett unten heraus. Mar: [Das] presst es unten heraus he. Fel: Wah, das ist so ekelhaft he.ʹ

Neben satzförmigen Lästerkommentaren (z.B. de hund is so orm) finden sich hier auch kommentierende kompakte Strukturen (z.B. so richtig ranzig he), bei-des auch kombiniert mit redebeitragseinleitenden und/oder -abschließenden expressiven Diskurspartikeln (z.B. wah des is jo ekelhoft he).

Mit dem Begriff des „Lästerns“ soll hier jedoch auch das gemeinsame Aus-verhandeln positiver Eigenschaftszuweisungen besprochener Personen mitge-dacht sein. Auch in diesen Sequenzen wie in folgendem Bsp. (184) können ver-schiedene Formen der Intensivierung kombiniert auftreten:

Beispiel 184: JD 2, Z. 840-844: „Netter Lehrer“

840 Mel: äh a(l)so geschichte_s mei absolutes [HOSSfoch;]

841 Lis: [da [name]] is decht voll NETT oder?

((…))

843 Mag: (1.0) und er PRÜFT aa fein.

844 Mel: (1.0) voll da nette LEHrer he;

'Mel: Äh, also Geschichte ist mein absolutes Hassfach. Li: Der [Name] ist doch voll nett, oder?

Mag: Und er prüft auch fein. Mel: Voll der nette Lehrer he.'

So wird in den Gesprächen der jugendlichen Osttiroler/-innen häufig der Prädi-katsverband mit einer die Aussage verstärkenden Gesprächspartikel kombi-niert, hier umgesetzt in Form einer externen Intensivierung der Nominalphrase mit redebeitragsabschließendem he (voll da nette Lehrer he).

In der oben genannten Vorkommensanalyse expressiver Diskurspartikel nicht berücksichtigt wurden Gesprächspassagen des szenischen Schilderns.

Doch auch hier sind zweifelsohne in den Gesprächen der jugendlichen Osttiro-ler/-innen besonders häufig expressive Elemente enthalten. Folgendes Beispiel soll dies verdeutlichen:

Beispiel 185: JD 3, Z. 516-546: „Stunts in der TV-Show Nitro Circus

516 Fel: jo waasch [wie des OBgeht; ] 517 Flo: [so wie bei DINGS;]

518 [bei NITro circus;]

519 Fel: [he: do gib_s NIX;]

520 Flo: sem wo [se Obirutschen he.]

Mar: [jo: des is GEIL. ] 521 Fel: (-) des is GEIL.

522 =über_n [gonzen wold Obe he; ]

523 Mar: [die rutschbohn woa donn a] [LOOping; ] ge.

524 Flo: [woah_oba-]

525 [na;]

526 Fel: [jo-]

527 [(-) jo des is jo is GEIle_he;]

Flo: [(-) da aane voll in BAAM ] eini he;

528 Mar: WAH;

((…))

536 Fel: da ondere ähm mit ihm voll AUfe;

537 DES woa cool.

538 Flo: der DINGS woa zach he;

539 wie_er in BAAM eini;

540 Mar: da FETte;

541 Flo: (--) t_he_he (-) FETte;

542 Fel: (-) da fette is SOwieso a trottel.

543 (-) der hund zipft mi so ON der typ;

544 Flo: =kotzt jede sch DINGS he- 545 Mar: <<lachend> JO>-

ʹFel: Ja weißt [du], wie das abgeht. Flo: So wie bei Dings – bei Nitro Circus. Fel: He, da gibt es

ʹFel: Ja weißt [du], wie das abgeht. Flo: So wie bei Dings – bei Nitro Circus. Fel: He, da gibt es

Im Dokument 4.1 Selektion der Analysebereiche (Seite 87-102)