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2 Literaturübersicht

2.3 Klinik des kaninen Hypoadrenokortizismus

2.3.4 Weiterführende Diagnostik

Das Differentialblutbild nebennierenrindeninsuffizienter Hunde weist verschiedene Veränderungen auf, die HERRTAGE (2005) zufolge jedoch von geringer Konstanz sind. Zu den Befunden sollen eine Leukozytose, Lymphozytose, Neutrophilie, Eosinophilie und Anämie zählen (RAKICH u. LORENZ 1984, FELDMAN u. NELSON 1996, REUSCH u.

HÄHNLE 2004, HERRTAGE 2005). Handelt es sich um eine milde Anämie, kann diese durch eine gleichzeitig bestehende Dehydratation maskiert werden (HERRTAGE 2005). Eine

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Erythrozytose, wie sie u.a. PETERSON et al. (1996) beschreiben, wird ebenfalls auf einen bestehenden Volumenmangel zurückgeführt.

Die von weiteren Autoren ermittelte absolute (n) und prozentuale (%) Häufigkeit, mit der entsprechende Veränderungen des Differentialblutbildes auftreten, ist in Tabelle 4 zusammengefasst.

Tabelle 4: Häufigkeit von Veränderungen des Differentialblutbildes in der Literatur Feldman u. Nelson

Diese Veränderungen hämatologischer Parameter werden von einigen Autoren als wichtiger Hinweis in der Diagnostik des Hypoadrenokortizismus angesehen. Während eine erhöhte oder innerhalb der Referenz befindliche Eosinophilen- und eine erhöhte Lymphozytenzahl bei einem kranken Individuum als ungewöhnlich beurteilt werden (HERRTAGE 2005), können diese Befunde gemäß CHURCH (2004) und HERRTAGE (2005) auf das Vorliegen einer Unterfunktion der Nebennierenrinde hinweisen.

Von den Referenzwerten abweichende Elektrolytkonzentrationen sind im Rahmen der klinischen Chemie von Bedeutung. Sie bestehen in einer Hyponatriämie und Hyperkaliämie (WILLARD et al. 1982b, RAKICH u. LORENZ 1984, PETERSON et al. 1996, MELIÀN u.

PETERSON 1996); häufig sind beide Elektrolyte gleichzeitig verändert (RAKICH u.

LORENZ 1984, MELIÀN u. PETERSON 1996). Infolge der Änderungen dieser Einzelwerte sinkt das Natrium-Kalium-Verhältnis auf unter 27 zu eins ab (WILLARD et al. 1982b, MELIÀN u. PETERSON 1996, PETERSON et al. 1996).

In Tabelle 5 ist die absolute (n) und prozentuale (%) Häufigkeit, mit der verschiedene Untersucher Veränderungen der Elektrolyte erheben konnten, dargestellt.

Tabelle 5: Häufigkeit der Veränderungen der Elektrolyte (Natrium, Kalium, Natrium-Kalium-Verhältnis die zugrundeliegenden Ursachen. Bei 28 Prozent der Patienten mit einem Elektrolytverhältnis von unter 25 zu eins lag ein Hypoadrenokortizismus vor. Unter ausschließlicher Betrachtung der Erkrankungsfälle, bei denen das Verhältnis auf unter 20 zu eins verringert war, stieg die prozentuale Häufigkeit auf 64 Prozent an. Auch im Zuge der Untersuchungen von ROTH und TYLER (1999) erwies sich häufig die Unterfunktion der Nebennierenrinde als Auslöser veränderter Natrium- und Kaliumkonzentrationen.

Entsprechende Elektrolytveränderungen können auch durch eine Niereninsuffizienz (PAK 2000), einen Chylothorax (WILLARD et al. 1991), parasitäre Infektionen (DiBARTOLA et al. 1985, RUCKSTUHL et al. 2002) oder Trächtigkeit (SCHAER et al. 2001) verursacht sein.

CHURCH (2004) beziffert die Anzahl von unter einem primären Hypoadrenokortizismus leidenden Hunden, die unveränderte Elektrolyte aufweisen, mit zehn Prozent. Ihm zufolge liegt in diesen Fällen entweder eine frühe, sich auf die glukokortikoidsynthetisierenden Schichten beschränkende oder aber die atypische Form dieser Erkrankung vor.

Neben den Elektrolyten sollen eine erhöhte Harnstoff- und Kreatininkonzentration vorliegen (REUSCH 2000, HERRTAGE 2005). Dieser Konzentrationsanstieg wird als Folge der renalen Minderdurchblutung und nachfolgend verringerten glomerulären Filtrationsrate (FELDMAN u. NELSON 1996) oder gastrointestinaler Blutungen (MEDINGER et al. 1993) angesehen. Die Erhöhung des Kreatinins ist vergleichsweise gering (REUSCH 2000), eine Korrelation zwischen beiden Blutparametern besteht nicht (FELDMAN u. NELSON 1996, HERRTAGE 2005). Das Ausmaß der Veränderungen ist von MELIÀN und PETERSON (1996), PETERSON et al. (1996) sowie FELDMAN und NELSON (1996) charakterisiert worden. Die Untersuchungsergebnisse dieser Autoren sind weitgehend identisch.

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Der Tabelle 6 kann die absolute (n) und prozentuale (%) Häufigkeit klinisch chemischer Veränderungen entnommen werden.

Tabelle 6: Häufigkeit des Auftretens einer Azotämie in der Literatur Feldman u. Nelson

Mit geringerer Häufigkeit kann eine Hypoglykämie bzw. Hyperglykämie beobachtet werden (SCHRADER 1986, HARDY 1995, MELIÀN u. PETERSON 1996). Die Hypoglykämie nebennierenrindeninsuffizienter Hunde kann Folge einer reduzierten Glukosesynthese in der Leber oder einer erhöhten Sensitivität der Zellrezeptoren gegenüber Insulin sein. Sie zieht selten klinische Symptome nach sich (REUSCH 2000), die in Ataxie, Orientierungslosigkeit und Krämpfen bestehen können (LEVY 1994).

Die absolute (n) und prozentualen (%) Häufigkeiten, mit der Veränderungen der Serumglukosekonzentration beobachtet werden können, sind der Tabelle 7 zu entnehmen.

Tabelle 7: Häufigkeit des Auftretens einer Hypoglykämie bzw. Hyperglykämie in der Literatur

Die Blutgasanalyse gibt Aufschluss über das Vorliegen einer metabolischen Azidose. Diese resultiert aus einer infolge des Mineralokortikoidmangels verringerten renalen Ausscheidung von Wasserstoffionen (SCHRADER 1986). Eine Hypotension und Hypovolämie verschlechtern diesen Zustand zusätzlich (HARDY 1995). Nach HERRTAGE (2005) gehört eine milde bis moderate metabolische Azidose zu den häufigen Befunden nebennierenrindeninsuffizienter Hunde. Eine Abnahme der partiellen Kohlendioxidkonzentration (pCO2) und Bikarbonatkonzentration (HCO3) ist von diversen Autoren beschrieben worden (FELDMAN u. NELSON 1996, MELIÀN u. PETERSON 1996, PETERSON et al. 1996, NELSON 2003b, CHURCH 2004).

Die Tabelle 8 umfasst die absoluten (n) und prozentualen (%) Häufigkeiten von Veränderungen der venösen Blutgase.

Tabelle 8: Häufigkeit des Auftretens einer metabolischen Azidose in der Literatur

pCO2: partielle Kohlendioxidkonzentration, HCO3: Bikarbonatkonzentration, n.g.: nicht genannt

Das spezifischen Gewicht des Urins ist häufig niedriger (1.015 bis 1.030) als bei einer prärenal lokalisierten Azotämie erwartet. So befundeten PETERSON et al. (1996) bei 99 von insgesamt 172 Hunden (57,6%) sowie MELIÀN und PETERSON (1996) bei 13 von 42 Hunden (31%) ein spezifisches Gewicht von unter 1.030. Diese scheinbare Unstimmigkeit wird von HERRTAGE (2005) mit der bei einem Hypoadrenokortizismus auftretenden Auswaschung des medullären Natriumionengradienten und der infolgedessen beeinträchtigten Konzentrationsfähigkeit des Urins erklärt. Die Azotämie ist folglich als prärenal einzustufen.

Die röntgenologische Untersuchung des an einem Hypoadrenokortizismus erkrankten Patienten kann verschiedene Befunde ergeben. Diese resultieren häufig aus der bestehenden Hypovolämie und sind infolgedessen nicht für diesen Krankheitskomplex spezifisch.

MELIÀN et al. (1999) untersuchten die Häufigkeit, mit der unter standardisierten Bedingungen diverse radiologische Befunde bei betroffenen Tieren (n=22) erhoben werden konnten.

Die Untersuchungsergebnisse sind in der Tabelle 9 aufgeführt.

Tabelle 9: Häufigkeit röntgenologischer Befunde in der Literatur

Meliàn et al. 1999 (n=22) Befund(e)

n %

Verkleinerte Herzsilhouette 10 45,5

Verringerte Zeichnung von Lungengefäßen 8 36,4

Verengung der Vena cava caudalis 12 54,4

Größenabnahme abdominaler Organe 8 36,4

Andere Autoren (KINTZER u. PETERSON 1997a) nennen einen absteigenden Verlauf der Aorta abdominalis als weiteren Befund. Eine Ösophagusdilatation, deren Auftreten selten ist (SCHRADER 1986, BURROWS 1987, BARTGES u. NIELSON 1992, WHITLEY 1995), lag bei keinem der von MELIÀN et al. (1999) untersuchten Patienten vor. BURROWS (1987) sieht sie durch die Veränderungen von Membranpotential und neuromuskulärer

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Erregungsleitung verursacht, die sich infolge der Verschiebung der Elektrolyte einstellen. Da eine Ösophagusdilatation von BARTGES und NIELSON (1992) jedoch auch bei einem Hund mit unveränderten Elektrolyten beobachtet worden ist, sehen sie sie durch den bestehenden Kortisolmangel und die generelle Muskelschwäche ausgelöst. REUSCH (2000) zieht außerdem einen gleichzeitig auftretenden Hypothyroidismus oder eine Myasthenia gravis als auslösendes Moment in Betracht.

Viele der im Rahmen der ultrasonographischen Untersuchung erhobenen Befunde sind, ähnlich den röntgenologischen, durch den Volumenmangel bedingt und somit unspezifisch.

Der diagnostische Wert der Vermessung der Nebennierengröße wurde von HOERAUF und REUSCH (1999) überprüft. Die Nebennieren sind infolge der Erkrankung häufig atrophiert, so dass ihre Ausdehnung als Maß für ihren Funktionszustand herangezogen werden kann.

Aufgrund ihrer anatomischen Lage ist die bildliche Darstellung und Vermessung schwierig (HOERAUF u. REUSCH 1995); sie erfordert eine gute technische Ausstattung sowie Erfahrung des Untersuchers (GROOTERS et al. 1994, KASER-HOTZ u. SAUNDERS 1995).

Die sich anschließende Interpretation der Untersuchungsergebnisse wird zusätzlich dadurch erschwert, dass die physiologischen Ausmaße der Nebennieren (Länge) von der Körpergröße (HOERAUF u. REUSCH 1995) bzw. dem Körpergewicht (BARTHEZ et al. 1995, DOUGLASS et al. 1997) des Hundes beeinflusst werden.

Die von HOERAUF und REUSCH bei gesunden Hunden (1995, n=20) und nebennierenrindeninsuffizienten Hunden (1999, n=6) erhobenen Messbereiche (Range) sind in der Tabelle 10 einander gegenüber gestellt.

Tabelle 10: Größe (Range) der Nebennieren gesunder und nebennierenrindeninsuffizienter Hunde in der Literatur

Das Elektrokardiogramm (EKG) wird nicht nur in der Diagnostik der Unterfunktion der Nebennierenrinden, sondern auch zur Überwachung des Krankheitsverlaufes eingesetzt (NELSON 2003b, HERRTAGE 2005). Die infolge des Mineralokortikoidmangels auftretende Hyperkaliämie wirkt sich nachteilig auf die Herzaktivität aus, wobei HARDY (1995) insbesondere Beeinträchtigungen der Erregungsleitung durch das Myokard sowie der Kontraktionskraft erwähnt. Mittels des Elektrokardiogramms können diese Effekte dargestellt werden. Während ein mäßiger Anstieg der Kaliumkonzentration zu einer vorübergehenden, geringfügigen Beschleunigung der Erregungsleitung führt, zieht ein darüber hinausgehender Konzentrationsanstieg eine negative Beeinflussung der Erregbarkeit des Herzens nach sich (FELDMAN u. NELSON 1996). Im EKG werden als Ausdruck dessen unter anderem eine Zuspitzung der T-Welle (s. Abb. 3), eine Verkürzung des QT-Intervalls, eine Verbreiterung und Abflachung des QRS-Komplexes, eine Verlängerung des PR-Intervalls, eine Abnahme oder das vollständige Ausbleiben der P-Wellen-Amplitude (s. Abb. 3), eine Abweichung von ST von der Grundlinie und/ oder ventrikuläre Asystolie bzw. Kammerflimmern sichtbar (WILLARD et al. 1982b, SCHRADER 1986, PETERSON et al. 1996, MELIÀN u.

PETERSON 1996, FELDMAN u. NELSON 1996, HERRTAGE 2005). Von diesen elektrokardiographischen Befunden sind Veränderungen der atrioventrikulären Erregungsleitung häufig beobachtet worden (WILLARD et al. 1982b, MELIÀN u.

PETERSON 1996, PETERSON et al. 1996).

Abb.3: Ruheelektrokardiogramm, Extremitätenableitung nach Einthoven, Ableitung II, rechte Seitenlage, Herzfrequenz 110 Schläge/ Minute (50 mm/s, 10 mm/mV).

Fehlende P-Welle und hohe, spitze T-Welle im Elektrokardiogramm eines nebennierenrindeninsuffizienten Hundes (Magyar Vizsla, 5 Jahre alt, weiblich kastriert, 20 kg Körpergewicht) mit Hyperkaliämie (9,02 mmol/l).

Die Beeinträchtigung der Erregungsleitung kann zu lebensbedrohlichen Arrhythmien führen (REUSCH 2000). Während einige Autoren eine Abhängigkeit zwischen dem Ausmaß der Hyperkaliämie und den im Elektrokardiogramm erkennbaren kardialen Symptomen beschreiben (HARDY 1995, FELDMAN u. NELSON 1996), besteht anderen Untersuchern zufolge keine präzise Korrelation (SCHRADER 1986, HERRTAGE 2005). Die sich im

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Elektrokardiogramm darstellenden Veränderungen können jedoch als ein Anhaltspunkt für das Ausmaß der Hyperkaliämie dienen (REUSCH 2000, HERRTAGE 2005).

Endokrinologische Untersuchungen dienen der diagnostischen Sicherung eines sich unter Auswertung der Befunde aus allgemeiner und spezieller klinischer Untersuchung ergebenden Verdachts auf einen Hypoadrenokortizismus (RAKICH u. LORENZ 1984, HARDY 1995, FELDMAN u. NELSON 1996, CHURCH 2004, HERRTAGE 2005). Zu diesem Zweck können endogenes Adrenokortikotropes Hormon (ACTH), Kortisol und Aldosteron gemessen werden. Um unverfälschte und damit zweifelsfrei interpretierbare Analyseergebnisse zu erhalten, müssen bei Bearbeitung, Lagerung und Versand des zur Konzentrationsbestimmung dienenden Probenmaterials die spezifischen Eigenschaften der Hormone, insbesondere in Bezug auf deren Stabilität, Beachtung finden (OLSEN et al. 1981, KEMPPAINEN et al.

1994).

Die basale Kortisolkonzentration ist von begrenzter Aussagekraft (HARDY 1995, FELDMAN u. NELSON 1996, REUSCH 2000). FELDMAN und NELSON (1996) nennen als Gründe eine partielle Nebennierenrindenunterfunktion und die sich mit der unteren Nachweisgrenze des verwendeten Hormonassays überschneidende untere Referenz des Kortisols. Auch HARDY (1995) äußert sich kritisch, da an einem Hypoadrenokortizismus erkrankte Hunde innerhalb der Norm befindliche Basalwerte aufweisen können. Deshalb wird die Durchführung des Nebennierenrindenstimulationstests empfohlen: Unter Ausnutzung des physiologischen Regulationsmechanismus wird nach Applikation von exogenem Adrenokortikotropen Hormon (ACTH) der Anstieg der Kortisolkonzentration gemessen.

In der Tabelle 11 sind die Referenzwerte der basalen und stimulierten Kortisolkonzentration zusammengefasst (FELDMAN u. NELSON 1996, KRAFT 1999, REUSCH 2005).

Tabelle 11: Referenzwerte der basalen (C 0) und stimulierten (C 1) Kortisolkonzentration (µg/dl) im Nebennierenrindenstimulationstest in der Literatur

Parameter Feldman u. Nelson (1996) Kraft (1999) Reusch (2005)

C 0 (µg/dl) 0,1-6,6 1,5-6,5 0,5-6,0

C 1 (µg/dl) 6,5-15,0 6,5-17,0 6,0-17,0

C 0: basale Kortisolkonzentration, C 1: durch exogenes ACTH stimulierte Kortisolkonzentration

Bei nebennierenrindeninsuffizienten Tieren liegt der Basalwert entweder im unteren Referenzbereich oder ist auf unter 1,0 µg/dl verringert (SCHRADER 1986, KRAFT 1999, REUSCH u. HÄHNLE 2004). Eine Stimulation durch exogenes ACTH ist lediglich gering

oder bleibt vollständig aus (SCHRADER 1986, KRAFT 1999). FELDMAN und NELSON (1996), die den Konzentrationsverlauf des Kortisols im Stimulationstest verfolgten (n=66), stellten bei je 21 Hunden (31,8%) eine stimulierte Hormonkonzentration fest, die größer bzw.

kleiner als der Ausgangswert war. Bei den verbleibenden 24 Tieren (36,4%) unterblieb ein Konzentrationsanstieg nach Stimulation. REUSCH (2000), NELSON (2003b), REUSCH und HÄHNLE (2004) sowie HERRTAGE (2005) sehen die Verdachtsdiagnose einer Nebennierenrindeninsuffizienz bei stimulierten Kortisolkonzentrationen von unter 2,0 µg/dl als bestätigt an. Messergebnisse zwischen 2,0 und 5,0 µg/dl gelten dagegen als fraglich, Stimulationswerte von über 5,0 µg/dl schließen einen Hypoadrenokortizismus aus (NELSON 2003b). In Übereinstimmung mit diesen Erkenntnissen stellt CHURCH (2004) fest, dass 85 Prozent der nach Stimulation durch exogenes ACTH gemessenen Kortisolkonzentrationen kleiner als 1,0 µg/dl bzw. 90 Prozent kleiner als 2,0 µg/dl sind.

In der Tabelle 12 ist die absolute (n) und prozentuale (%) Häufigkeit aufgeführt, mit der die Kortisolkonzentrationen der an einem primären idiopathischen Hypoadrenokortizismus erkrankten Hunde von der Norm abweichen.

Tabelle 12: Häufigkeit der Abweichungen der basalen (C 0) und stimulierten (C 1) Kortisolkonzentrationen von den Referenzwerten bei an einem primären idiopathischen Hypoadrenokortizismus erkrankten Hunden in der Literatur

Rakich u. Lorenz

C 0: basale Kortisolkonzentration, C 1: durch exogenes ACTH stimulierte Kortisolkonzentration

Aufgrund der Konstanz, mit der Abweichungen der Kortisolkonzentrationen im Nebennierenrindenstimulationstest auftreten, gilt ihre Messung bis heute als „Goldstandard“ in der Diagnostik des Hypoadrenokortizismus (HARDY 1995, FELDMAN u. NELSON 1996, CHURCH 2004, HERRTAGE 2005).

Die Messung von endogenem Adrenokortikotropen Hormon (ACTH) ermöglicht eine Aussage bezüglich der funktionellen Integrität der den Nebennieren übergeordneten Zentren und verhilft damit zu einer zuverlässigen Differenzierung der Organmanifestation.

Die Tabelle 13 enthält die in der Literatur von FELDMAN und NELSON (1996) und KRAFT (1999) angegebenen Referenzwerte.

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Tabelle 13: Referenzwert des endogenen Adrenokortikotropen Hormons (ACTH) (pg/ml) in der Literatur

Parameter Feldman u. Nelson (1996) Kraft (1999)

Endogenes ACTH (pg/ml) 10-110 35-60

Eine einmalige Messung ist ausreichend; sie sollte jedoch unbedingt vor einer Applikation exogener Glukokortikoide vorgenommen werden, da diese zu einem Absinken der ACTH-Konzentration führen können (ROMATOWSKI 1990, FELDMAN u. NELSON 1996). Ein infolge Glukokortikoidwirkung verringerter Messwert könnte fälschlicherweise als Hinweis auf das Vorliegen eines sekundären Hypoadrenokortizismus interpretiert werden (PETERSON et al. 1996, BROCKHUS et al. 1999, REUSCH 2000).

Bei der primären Nebennierenrindenunterfunktion kommt es zu einem Anstieg der ACTH-Konzentrationen auf Werte von bis zu 500 pg/ml und mehr (HERRTAGE 2005). FELDMAN und NELSON (1996) fanden bei über 90 Prozent der an einem idiopathischen bzw. iatrogenen primären Hypoadrenokortizismus erkrankten Hunde Konzentrationen von über 400 pg/ml. Im Falle der sekundären Erkrankungsform ist die Konzentration des endogenen ACTHs reduziert oder nicht detektierbar (PLATT et al. 1999). NICHOLS et al. (1994) geben Konzentrationen von kleiner als 20 pg/ml an, HERRTAGE (2005) dagegen solche von unter 5 pg/ml.

Die Konzentration des Aldosterons wird im Rahmen der Diagnostik des Hypoadrenokortizismus bislang nicht routinemäßig gemessen (JAVADI et al. 2006).

Vielmehr wird von der Kortisolkonzentration nicht nur auf die Funktionsfähigkeit der glukokortikoidsynthetisierenden Schichten, sondern auch auf die der Zona glomerulosa als mineralokortikoidproduzierende Zone geschlossen. FELDMAN und NELSON (1996) zufolge ist dieser Rückschluss jedoch nicht zuverlässig zu führen. Der Messung der Aldosteronkonzentration kommt nach Ansicht verschiedener Untersucher eine zusätzliche Bedeutung in der Differenzierung der Organmanifestation zu: Während bei der typischen primären Form des Hypoadrenokortizismus aufgrund der kortikalen Schädigung auch die Synthese des Aldosterons verringert ist bzw. vollständig erlischt, soll sie bei der atypischen primären (DUNN u. HERRTAGE 1998) sowie bei der sekundären Form in den meisten Fällen unbeeinflusst bleiben (FELDMAN u. NELSON 1996, CHURCH 2004, HERRTAGE 2005, JAVADI et al. 2006). Da die Basalwerte stark variieren (WILLARD et al. 1987), wird die Aldosteronmessung im Rahmen des Nebennierenrindenstimulationstests empfohlen.

WILLARD et al. (1987) und GOLDEN und LOTHROP (1988) beobachteten einen signifikanten Anstieg der Aldosteronkonzentration gesunder Hunde nach der Applikation von exogenem Adrenokortikotropen Hormon.

Die im Nebennierenrindenstimulationstest gemessenen Aldosteronkonzentrationen gesunder Hunde (WILLARD et al. 1987, GOLDEN u. LOTHROP 1988, ORTEGA et al. 1995) sind in der Tabelle 14, die Messwerte der an einem primären Hypoadrenokortizismus erkrankten Hunde (WILLARD et al. 1987, GOLDEN u. LOTHROP 1988, FELDMAN u. NELSON 1996) in der Tabelle 15 zusammengefasst.

Tabelle 14: Basale (A 0) und durch exogenes Adrenokortikotropes Hormon stimulierte (A 1) Aldosteronkonzentrationen (ng/dl) im Plasma gesunder Hunde in der Literatur

A 0: basale Aldosteronkonzentration, A 1: durch exogenes ACTH stimulierte Aldosteronkonzentration )1: Mittelwerte ± Standardabweichung, )2: Mittelwerte

Tabelle 15: Basale (A 0) und durch exogenes Adrenokortikotropes Hormon stimulierte (A 1) Aldosteronkonzentrationen (ng/dl) im Plasma von an einem primären Hypoadrenokortizismus erkrankten Hunden in der Literatur

Parameter Willard et al.

A 0: basale Aldosteronkonzentration, A 1: durch exogenes ACTH stimulierte Aldosteronkonzentration, )1: Mittelwerte ± Standardabweichung, )2: Mittelwerte, )3:tatsächlich ermittelte Werte

Darüber hinaus geben FELDMAN und NELSON (1996) die Messergebnisse von zwei an einem sekundärem Hypoadrenokortizismus erkrankten Hunden an. Sie stellten Basalwerte von 1,0 ng/dl bzw. 8,0 ng/dl und Stimulationswerte von 2,8 bzw. 4,1 ng/dl fest.

Aktuell ist die Messung der basalen Aldosteronkonzentration zur Diagnostik des Hypoadrenokortizismus von JAVADI et al. (2006) wieder aufgegriffen worden. Diese Untersucher ziehen u.a. das rechnerisch ermittelte Aldosteron-Renin-Verhältnis zur

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Identifikation nebennierenrindeninsuffizienter Hunde heran, das im Erkrankungsfall aufgrund einer reduzierten Aldosteronkonzentration und einer erhöhten Reninaktivität verringert ist.