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Anamnese und klinische Befunde

5 Diskussion

5.1.2 Anamnese und klinische Befunde

Die Symptomatik der idiopathischen Patientenpopulation stellte sich erwartungsgemäß vielfältig dar (RAKICH u. LORENZ 1984, FELDMAN u. NELSON 1996, PETERSON et al.

1996, MELIÀN u. PETERSON 1996, KINTZER u. PETERSON 1997a). Den Untersuchungsergebnissen verschiedener Autoren entsprechend (MELIÀN u. PETERSON 1996, PETERSON et al. 1996, FELDMAN u. NELSON 1996) dominierten in dieser Studie anamnestisch gastrointestinale Symptome wie Anorexie (87,3%) und Vomitus (72,2%) sowie Verhaltensveränderungen, die in Apathie (46,8%) und Schwäche bzw. Mattigkeit (38,0%) bestanden. Die Befunde der klinischen Allgemeinuntersuchung deckten sich mit den Literaturangaben (FELDMAN u. NELSON 1996, MELIÀN u. PETERSON 1996, PETERSON et al. 1996). Die Häufigkeit, mit der sie in dieser Studie erhoben wurden, lag jedoch unter der von PETERSON et al. (1996) ermittelten. Dieser Unterschied kann durch das Auftreten der verschiedenen, in der Literatur bereits eingehend charakterisierten Verlaufsformen des Hypoadrenokortizismus bedingt sein; möglicherweise lag die chronische oder chronisch intermittierende Form (FELDMAN u. NELSON 1996) in der eigenen Studienpopulation häufiger vor. Die Patientenkarteien, die dieser Auswertung zugrunde lagen, unterschieden sich außerdem in ihrer Detailliertheit und/ oder Vollständigkeit. Die ermittelten Häufigkeiten können somit verfälscht sein und nicht nur von den Ergebnissen anderer Untersucher, sondern auch von den tatsächlichen Begebenheiten abweichen.

5.1.3 Weiterführende Diagnostik

Das in dieser Studie untersuchte Spektrum weiterführender Diagnostik lieferte eine Vielzahl von Befunden. Dabei erwies sich der Anteil untersuchter Parameter, die mit großer Konstanz pathologisch verändert und damit hinsichtlich der differentialdiagnostischen Berücksichtigung des Hypoadrenokortizismus bedeutsam waren, als gering.

Unter den hämatologischen Untersuchungen bestätigte sich auch in dieser Studie die besondere Bedeutung der klinischen Chemie (Elektrolyte, Substrate) (FELDMAN u.

NELSON 1996, PETERSON et al. 1996, MELIÀN u. PETERSON 1996). Bei nahezu allen an einem idiopathischen Hypoadrenokortizismus erkrankten Patienten konnte eine aus dem

Mineralokortikoidmangel resultierende Hyponatriämie (93,4%) und/ oder Hyperkaliämie (92,2%) wiedergefunden werden, wie sie zuvor von PETERSON et al. (1996) sowie FELDMAN und NELSON (1996) beschrieben wurde. Dabei lag der Prozentsatz der Hunde, bei denen beide Elektrolyte gleichzeitig verändert waren (88,5%), noch über dem von RAKICH und LORENZ (1984) ermittelten (73,9%). Das Natrium-Kalium-Verhältnis war erwartungsgemäß ebenfalls verringert (93,4%). Auch wenn Elektrolytveränderungen verschiedenen Ursprungs sein können (DiBARTOLA et al. 1985, WILLARD et al. 1991, PAK 2000, SCHAER et al. 2001, RUCKSTUHL et al. 2002), bestätigte sich der Hypoadrenokortizismus auch in dieser Studie als häufiger Auslöser (ROTH u. TYLER 1999, NEIGER u. GUNDERSON 2003). Der Anteil nebennierenrindeninsuffizienter Hunde, die physiologische oder geringgradig veränderte Elektrolyte aufwiesen, war in Übereinstimmung mit CHURCH (2004) gering (10%). Folglich handelt es sich bei einer Hyponatriämie, Hyperkaliämie und einem verringerten Natrium-Kalium-Verhältnis um wichtige Indizien, die unbedingt zur differentialdiagnostischen Berücksichtigung eines idiopathischen Hypoadrenokortizismus veranlassen sollten.

Als weitere wichtige Parameter der klinischen Chemie bestätigten sich außerdem die Harnstoffkonzentration sowie der Kreatininwert (FELDMAN u. NELSON 1996, MELIÀN u.

PETERSON 1996, PETERSON et al. 1996). Der Anteil der Patienten, bei denen eine erhöhte Harnstoffkonzentration festgestellt wurde (93,6%), übertraf noch den von MELIÀN und PETERSON (1996) (76,2%) und PETERSON et al. (1996) (88,4%) bezifferten Prozentsatz.

Außerdem war die Harnstoffkonzentration der betroffenen Hunde in Übereinstimmung mit den bisherigen Untersuchungen (MELIÀN u. PETERSON 1996, FELDMAN u. NELSON 1996) nicht nur vergleichsweise gravierender, sondern auch häufiger (93,6%) erhöht als die des Kreatinins (56,3%). Folglich konnte die Azotämie bei diesen Patienten als prärenal eingestuft werden, so dass die Differentialdiagnose einer Niereninsuffizienz an Bedeutung verlor. Aufgrund der Konstanz, mit der eine erhöhte Harnstoff- und/ oder Kreatininkonzentration in der Studienpopulation gefunden wurde, können die Substrate ebenfalls als wichtiger Anhaltspunkt für das Vorliegen einer natürlichen Nebennierenrindeninsuffizienz dienen.

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Im Gegensatz zur klinischen Chemie kam den übrigen Parameter der hämatologischen Untersuchung (Differentialblutbild, Blutgase, Glukose), der Harnuntersuchung, der Elektrokardiographie und den bildgebenden diagnostischen Verfahren (Röntgen, Ultrasonographie) eine untergeordnete diagnostische Bedeutung zu. Zwar konnten der Literatur entsprechend (MELIÀN u. PETERSON 1996, PETERSON et al. 1996, MELIÀN et al. 1999, HOERAUF u. REUSCH 1999) weitere pathologische Veränderungen gefunden werden; diese waren jedoch entweder von geringer Häufigkeit und/ oder unspezifisch, da sie im Zusammenhang mit einer Vielzahl anderer Erkrankungen auftreten konnten.

Die Verdachtsdiagnose eines Hypoadrenokortizismus wurde bei allen Patienten dieser Studie mittels endokrinologischer Untersuchungen abgesichert. Diese umfassten die Messung der basalen und stimulierten Kortisolkonzentration im Nebennierenrindenstimulationstest; bei einem Teil der Hunde wurde darüber hinaus die Konzentration des endogenen Adrenokortikotropen Hormons bestimmt. Der Literatur können unterschiedliche Angaben zu den Referenzwerten dieser Hormone entnommen werden (FELDMAN u. NELSON 1996, KRAFT 1999, REUSCH 2000, NELSON 2003a, REUSCH 2005), was bei der Interpretation der Untersuchungsergebnisse berücksichtigt werden muss. Wie in früheren Studien (RAKICH u. LORENZ 1984, FELDMAN u. NELSON 1996, MELIÀN u. PETERSON 1996) war bereits die basale Kortisolkonzentration (Median: 0,1 µg/dl) bei 92,2 Prozent der untersuchten Hunde verringert (<1,5 µg/dl, KRAFT 1999). Lediglich sechs Patienten (7,8%) wiesen einen Messwert im Referenzbereich auf (1,5-6,5 µ g/dl, KRAFT 1999); bei vier von ihnen ging der endokrinologischen Untersuchung eine Applikation von Glukokortikoiden voraus. Aufgrund einer Kreuzreaktivität dieser Wirkstoffe mit dem in der Messung der Kortisolkonzentration verwendeten Radioimmunoassay wurden sie detektiert und führten zu (falsch) hohen Messergebnissen (HERRTAGE 2005). Bei den übrigen Hunden bestand vermutlich eine partielle Nebennierenrindeninsuffizienz; infolge der Syntheseleistung vorerst noch funktionstüchtiger, adrenokortikaler Anteile können Glukokortikoidkonzentrationen innerhalb des unteren Referenzbereiches gemessen werden (REUSCH 2000). Bei 97,4 Prozent der in dieser Studie untersuchten Patienten wurde außerdem eine stimulierte Kortisolkonzentration von weniger als 2,0 µg/dl gemessen (Median: 0,1 µg/dl), die den Vorgaben anderer Untersucher folgend (REUSCH 2000, NELSON 2003b, REUSCH u. HÄHNLE 2004,

HERRTAGE 2005) als einen Hypoadrenokortizismus beweisend galt. Die Kortisolkonzentration der übrigen Hunde (2,6%) lag zwar über dieser Grenze, erreichte jedoch die physiologischen Stimulationswerte ebenfalls nicht (6,5-15,0 µ g/dl, FELDMAN u.

NELSON 1996). Es handelte sich bei diesen Patienten um die bereits diskutierten frühen oder vorbehandelten Erkrankungsfälle.

Die Konzentration des endogenen Adrenokortikotropen Hormons war bei 73 Prozent der untersuchten Hunde erhöht (Median: 462 pg/ml) (>110 pg/ml, FELDMAN u. NELSON 1996) und ließ auf das Vorliegen einer primären Nebennierenrindeninsuffizienz schließen (FELDMAN u. NELSON 1996, PETERSON et al. 1996, KINTZER u. PETERSON 1997a, HERRTAGE 2005). Bei den übrigen Hunden lag die ACTH-Konzentration dagegen innerhalb der Referenz (10-110 pg/ml, FELDMAN u. NELSON 1996). Diese Messwerte konnten mit Ausnahme eines Patienten erneut mit der Applikation exogener Glukokortikoide erklärt werden, die dem physiologischen Regulationsmechanismus folgend zu einem Absinken der Hormonkonzentration führten (PETERSON et al. 1986, REUSCH 2000, CHURCH 2004). Bei dem Hund, bei dem keine Vorbehandlung erfolgt war, wurde vermutlich die aufgrund der Instabilität des Adrenokortikotropen Hormons erforderliche Sorgfalt während der Blutprobenentnahme, Bearbeitung und/ oder Aufbewahrung (FELDMAN u. NELSON 1996) nicht eingehalten.

Alles in allem bestätigte sich auch in dieser Studie die außerordentliche diagnostische Bedeutung der endokrinologischen Untersuchung (HARDY 1995, FELDMAN u. NELSON 1996, CHURCH 2004, HERRTAGE 2005). Die Interpretation der Messergebnisse erfordert jedoch eine detaillierte Anamnese, die die medikamentösen Vorbehandlung des Patienten erfasst. Verhältnismäßig hohe Kortisolkonzentrationen oder physiologische bzw. verringerte ACTH-Konzentrationen, wie sie in dieser Studie bei den unter Glukokortikoideinfluss stehenden Patienten gefunden wurden, könnten andernfalls zu einer Fehlinterpretation führen.

Die Messung physiologischer basaler Kortisolkonzentrationen unterstreicht die diagnostische Notwendigkeit des Nebennierenrindenstimulationstests (FELDMAN u. NELSON 1996, REUSCH 2000).

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Während die Messung der basalen und stimulierten Kortisolkonzentration einen festen Bestandteil in der Diagnostik des Hypoadrenokortizismus darstellt (HARDY 1995, FELDMAN u. NELSON 1996, CHURCH 2004, HERRTAGE 2005), wird die des Aldosterons bislang nicht routinemäßig ermittelt (JAVADI et al. 2006). Über die Gründe dafür kann nur spekuliert werden: FELDMAN und NELSON (1996) verweisen auf die Tatsache, dass die Aldosteronkonzentration beim Menschen von verschiedenen Faktoren abhängt (z.B. Natriumaufnahme, Körperposition). Diese können insbesondere hinsichtlich der Natriumaufnahme über das Futtermittel nicht bzw. nicht kurzfristig beeinflusst werden.

Außerdem gibt HERRTAGE (2005) an, dass für den Hund geeignete Testkits nicht oder nur begrenzt zur Verfügung stünden, wohingegen CHURCH (2004) die Verwendung humanmedizinischer Testkits und deren Adaptation an den Hund für praktikabel hält. In der vorliegenden Studie wurde ein möglicher diagnostischer Nutzen dieses endokrinologischen Parameters überprüft.

Die in der Referenzstudie bei gesunden Hunden gemessene basale Aldosteronkonzentration zeigte in Übereinstimmung mit REUSCH (2000) zum Teil erhebliche intra- und interindividuelle Schwankungen. Im Nebennierenrindenstimulationstest konnte in der eigenen Studie ein signifikanter Konzentrationsanstieg (p=0,005) wiedergefunden werden, der bereits von WILLARD et al. (1987), GOLDEN und LOTHROP (1988) und HERRTAGE (2005) beobachtet worden ist. Mit einer fünf- bis achtzehnfachen Zunahme der Hormonkonzentration fiel diese deutlicher aus als von HERRTAGE (2005) berichtet. Die mittlere basale und stimulierte Aldosteronkonzentration der gesunden Studienhunde war dagegen niedriger als in der Literatur beschrieben (WILLARD et al. 1987, GOLDEN u. LOTHROP 1988, ORTEGA et al. 1995).

Da die in der Referenzstudie gemessene basale Aldosteronkonzentration schwankte, wurde in der klinischen Studie ebenfalls der Nebennierenrindenstimulationstest durchgeführt. Damit entsprach die Vorgehensweise der von WILLARD et al. (1987) sowie GOLDEN und LOTHROP (1988).

Aufgrund niedriger Fallzahlen wurde zugunsten des Vergleichs der Untersuchungsergebnisse gesunder und nebennierenrindeninsuffizienter Hunde der Median herangezogen; dieser ist beständiger gegenüber Ausreißern als der Mittelwert (BÜHL u. ZÖFEL 2002). Die mediane basale bzw. stimulierte Aldosteronkonzentration der erkrankten (1,0 ng/dl bzw. 1,0 ng/dl) war

erwartungsgemäß niedriger als die der gesunden Hunde (3,35 ng/dl bzw. 21,2 ng/dl). Im Nebennierenrindenstimulationstest zeigte einer der erkrankten Hunde einen messbaren Konzentrationsabfall, ein Anderer dagegen einen Konzentrationsanstieg. Dieser war im Gegensatz zu dem der Gesunden nicht signifikant (p=0,655). Mit Ausnahme von zwei der untersuchten Hunde lag die stimulierte Aldosteronkonzentration der übrigen Patienten unterhalb der Nachweisgrenze des Hormonassays (2,0 ng/dl). Möglicherweise erfolgte ein Konzentrationsanstieg, der jedoch aufgrund der genannten Problematik nicht messtechnisch erfasst werden konnte. Damit ermöglichte der Median in dieser Studie eine eindeutige Abgrenzung der nebennierenrindeninsuffizienten von den gesunden Hunden, die anhand des Mittelwertes nicht vorgenommen werden konnte. Dieser war durch die bei einem der Erkrankten gemessenen Extremwerte der basalen (50,5 ng/dl) und stimulierten Hormonkonzentration (49,0 ng/dl) beeinflusst. Dadurch bedingt war die mittlere basale Aldosteronkonzentration der erkrankten Hunde (5,92 ng/dl) signifikant höher (p=0,025) als die in der eigenen Referenzwertstudie erhobene (3,34 ng/dl); lediglich die mittlere stimulierte Hormonkonzentration der erkrankten (6,47 ng/dl) war erwartungsgemäß signifikant kleiner (p=0,003) als die der gesunden Hunde (22,34 ng/dl) (s. Kap. 4.3).

Möglicherweise litt der Hund, bei dem diese Extremwerte gemessen worden sind, an der frühen oder atypischen primären Form der Nebennierenrindeninsuffizienz. Beide Erkrankungsformen gehen mit einem solitären Glukokortikoidmangel (FELDMAN u.

NELSON 1996) und einer erhöhten ACTH-Konzentration (DUNN u. HERRTAGE 1998) einher. Damit ließen sich auch die bei diesem Patienten innerhalb der Referenz befindliche Kaliumkonzentration sowie dessen unverändertes Natrium-Kalium-Verhältnis erklären. Als Auslöser der gleichzeitig oberhalb der Referenz befindlichen Aldosteronkonzentrationen kommen sowohl die Hyponatriämie, als auch die gesteigerte Synthese des endogenen ACTHs in Betracht; beide üben GUYTON (1991) und HERRTAGE (2005) zufolge einen stimulierenden Einfluss auf die Synthese des Aldosterons aus.

Insgesamt bestätigte sich in der eigenen Studie ein Nutzen der Aldosteronkonzentration in der Diagnostik des Hypoadrenokortizismus, wie er bereits von WILLARD et al. (1987) und GOLDEN und LOTHROP (1988) postuliert wurde. Bezüglich einer zuverlässigen Differenzierung der Organmanifestation anhand der Aldosteronkonzentration (FELDMAN u.

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NELSON 1996) war leider keine Aussage möglich, da bei allen Hunden dieser Studie die primäre Erkrankungsform vorlag.

Eine Überprüfung der Untersuchungsergebnisse an einem größeren Patientenkollektiv gesunder und nebennierenrindeninsuffizienter Hunde ist anzustreben. Zugunsten der Erhebung von Referenzwerten der basalen und stimulierten Aldosteronkonzentration sollten außerdem Hunde verschiedener Rassen und unterschiedlichen Geschlechts herangezogen werden.

5.1.4 Therapie und Krankheitsverlauf

Im Anschluss an die Diagnose erfolgte die medikamentöse Erstversorgung bei dem Großteil der betroffenen Hunde (94,9%) während eines stationären Aufenthaltes. Die Patienten konnten im Median innerhalb von 6 Tagen stabilisiert und entlassen werden.

Ähnlich den Empfehlungen von REUSCH und HÄHNLE (2004) wurde in der sich anschließenden Langzeittherapie der Wirkstoff Prednisolon wegen seines glukokortikoiden Effekts (Prednisolon®: 0,05-0,1 mg/kg KGW, zweimal täglich, p.o.) und der Wirkstoff Fludrokortison wegen seines mineralokortikoiden Effekts (Astonin H®: 0,01-0,02 mg/kg KGW, zweimal täglich, p.o.) eingesetzt. Bei den im Rahmen dieser Studie nachverfolgten Patienten wurde während des Beobachtungszeitraumes (Median: 1236 Tage) ein steigender Mineralokortkoid- sowie ein sinkender Glukokortikoidbedarf festgestellt. Obwohl die vorliegende Untersuchung den Anspruch einer Therapieverlaufsstudie nicht erfüllen kann (basierend auf der Befragung der Haustierärzte war die Erhaltungsdosis des Prednisolons bzw. Fludrokortisons lediglich von 12,7 bzw. 19 Prozent der Patienten bekannt), stimmen diese Beobachtungen mit denen von KINTZER und PETERSON (1997b) überein. Der erhöhte mineralokortikoide Bedarf kann aus einer fortschreitenden Zerstörung der Nebennierenrinde oder einem sich unter der Erhaltungstherapie verändernden Metabolismus des Arzneimittels resultieren (FELDMAN u. NELSON 1996, KINTZER u. PETERSON 1997b). Außerdem kann eine Gewichtszunahme des Hundes eine Dosisanpassung erforderlich machen. Neben den bisher erläuterten Bedingungen führen auch Stress- und Belastungssituationen sowie andere Erkrankungen zu einem erhöhten Arzneimittelbedarf (FELDMAN u. NELSON 1996, CHURCH 2004). Insbesondere weitere, nicht diagnostizierte Endokrinopathien können eine erfolgreiche Therapie vereiteln (BOWEN et al. 1986).

Der Prozentsatz nebennierenrindeninsuffizienter Hunde, bei denen eine weitere Endokrinopathie bereits zum Zeitpunkt der Diagnose vorlag oder im weiteren Krankheitsverlauf festgestellt wurde, war in dieser Studie mit zehn Prozent zwar niedriger als von FELDMAN und NELSON (1996) beschrieben, bestätigte jedoch ihre Bedeutung.

Es handelte sich häufig um eine Hypothyreose (7,6%) und/ oder einen Diabetes mellitus (2,5%). Damit stehen die Befunde dieser Studie in Einklang mit denen anderer Untersucher (BOWEN et al. 1986, KOOISTRA et al. 1995, PETERSON et al. 1996, FELDMAN u.

NELSON 1996).

Obwohl die zum Zeitpunkt der Diagnose bestehenden Krankheitserscheinungen nicht bei allen Patienten (59,2%) unter der Therapie vollständig behoben werden konnten, wurde ihre Einstellung auf die Medikation von der überwiegenden Anzahl der Besitzer (73,8%) und Haustierärzte (83,9%) als „gut“ eingestuft. Die Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens unter der Therapie wurde als geringgradig bewertet, so dass 63 Prozent der Besitzer die Lebensqualität ihres Hundes als wieder hergestellt beurteilten. Damit konnten die Ergebnisse früherer Studien bestätigt werden (FELDMAN u. NELSON 1996). Der Anteil der Patientenpopulation, der nach Auskunft der Tierärzte unter der Behandlung Nebenwirkungen entwickelte (33%), stimmte nahezu mit dem von KINTZER und PETERSON (1997b) in einem großen Patientenkollektiv ermittelten überein. Den Beobachtungen von HARDY (1995) und KINTZER und PETERSON (1997b) entsprechend bestanden sie in Polydipsie, Polyurie, Polyphagie, Gewichtszunahme und Veränderungen von Haut- und Haarkleid. Sie sind auf die glukokortikoiden Effekte der verabreichten Arzneimittel zurückzuführen (KINTZER u. PETERSON 1997b).

Damit konnte in dieser Studie ein überwiegend positiver Krankheitsverlauf dokumentiert werden. Dieses Untersuchungsergebnis ist für zukünftig diagnostizierte Erkrankungsfälle von Bedeutung: Die behandelnden Tierärzte können in ihrer beratenden Tätigkeit auf eine erfolgversprechende Therapieoption verweisen, die bei einem hohen Prozentsatz betroffener Hunde zum Rückgewinn der Lebensqualität führt. Vor diesem Hintergrund kann die Einwilligung der Patientenbesitzer in eine notwendige lebenslange Substitutionstherapie, wie sie auch bei anderen Erkrankungen ohne Aussicht auf Heilung erforderlich wird, eher erzielt werden.

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5.1.5 Überlebenszeit

Die für das retrospektive Patientenkollektiv dieser Studie (n=67) ermittelte mediane Überlebenszeit lag mit 667 Tagen unter der von KINTZER und PETERSON (1997b) ermittelten (1716 Tage). Bei der Interpretation dieses Ergebnisses muss berücksichtigt werden, dass das von KINTZER und PETERSON (1997b) untersuchte Patientenkollektiv größer (n=200) und der mediane Beobachtungszeitraum mit umgerechnet 1460 Tagen länger war. Mit einer 3- bzw. 4-Jahres-Überlebensrate von 0,45 konnte jedoch auch für das dieser Studie zugrundeliegende Kollektiv eine langfristige Überlebenszeit festgestellt werden.

Ob die Überlebenszeit nebennierenrindeninsuffizienter Hunde durch klinische Parameter beeinflusst wird, ist bislang lediglich für Alter, Geschlecht und Gewicht überprüft worden (KINTZER u. PETERSON 1997b). In Übereinstimmung mit den Erkenntnissen von KINTZER und PETERSON (1997b) hatten diese Parameter auch in der eigenen Studie keinen Einfluss. Aus diesem Grund sind in der vorliegenden Untersuchung weitere klinische Parameter hinsichtlich ihres Einflusses auf die Überlebenszeit untersucht worden. Dabei erwies sich die Natriumionenkonzentration von Bedeutung (p=0,020). Die Überlebenszeit der Patienten mit einer Natriumionenkonzentration von unter 129 mmol/l zum Zeitpunkt der Diagnose war mit 455 Tagen signifikant kürzer (p=0,0175) als bei solchen Hunden, bei denen die Konzentration mehr als 129 mmol/l betrug (2275 Tage). Möglicherweise korreliert die Natriumionenkonzentration bzw. das Ausmaß der Hyponatriämie mit der Schwere der Störung des Allgemeinbefindens und/ oder mit dem Grad der Erkrankung.

Damit ist es erstmals gelungen, einen prognostischen Faktor der Überlebenszeit nebennierenrindeninsuffizienter Hunde zu bestimmen. Seine Reproduzierbarkeit sollte in einer prospektiven Studie an einem größeren Patientenkollektiv überprüft werden.

5.2 Iatrogener Hypoadrenokortizismus

Die Beschreibung des iatrogenen Hypoadrenokortizismus ist von besonderer Bedeutung, da die Häufigkeit seines Auftretens gegenüber dem des idiopathischen überwiegen soll (FELDMAN u. NELSON 1996, REUSCH 2000). Die Erkennung der iatrogen bedingten Nebennierenrindeninsuffizienz, die auch in dieser Studie am häufigsten unter der Therapie eines Hyperadrenokortizismus (86%) (FELDMAN u. NELSON 1996) und seltener infolge einer Glukokortikoidapplikation (9,5%) (SCHAER u. CHEN 1983) auftrat, stellt für den

Untersucher eine diagnostische Herausforderung dar. Dies gilt insbesondere für Patienten, bei denen bereits diagnostizierte und unter Therapie befindliche Grunderkrankungen nicht bekannt sind und Informationen über einen vorangegangenen Arzneimitteleinsatz nicht vorliegen und/ oder nur unzulänglich erfragt werden können.

5.2.1 Signalement

Unter den iatrogenen Erkrankungsfällen überwog der Anteil älterer (81,0% >6 Jahre), weiblicher (61,9%) Hunde und Pudel (38,1%). Damit entspricht das Signalement hinsichtlich der Alters-, Geschlechts- und Rasseverteilung dem eines Hyperadrenokortizismus (NELSON 2003a, REUSCH 2005), der bei dem Großteil der betroffenen Hunde die ursprüngliche Grunderkrankung darstellte.

5.2.2 Anamnese und klinische Befunde

Die anamnestisch und klinisch erhobenen Befunde, die vorwiegend in gastrointestinalen Symptomen und Verhaltensänderungen bestanden, stimmen mit denen anderer Untersucher überein (WILLARD et al. 1982a, SCHAER u. CHEN 1983, CHAPMAN et al. 2004). Sie waren durch den aus der Therapie eines Hyperadrenokortizismus oder der Zufuhr exogener Kortikoide resultierenden Glukokortikoidmangel bedingt.

5.2.3 Weiterführende Diagnostik

Die Parameter der klinischen Chemie (Elektrolyte, Substrate) waren insgesamt seltener und weniger schwerwiegend verändert als bei den idiopathischen Krankheitsfällen. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen anderer Untersucher (WILLARD et al. 1982a, SCHAER u. CHEN 1983, CHAPMAN et al. 2004) lag der Anteil der Hunde, die eine Hyponatriämie, Hyperkaliämie, Verringerung des Natrium-Kalium-Verhältnisses und eine erhöhte Harnstoff- bzw. Kreatininkonzentration aufwiesen, allerdings bei 40 Prozent. Diese Befunde veranlassen zu der Vermutung, dass die in der Therapie des Hyperadrenokortizismus verwendeten Arzneimittel häufiger als bislang angenommen auch auf die mineralokortikoidsynthetisierenden Rindenschichten wirken. Diese Annahme äußerten WILLARD et al. (1982a) bereits für den Wirkstoff Mitotan sowie CHAPMAN et al. (2004) für Trilostan. Neben einer individuellen Überempfindlichkeit wurde auch eine unter Langzeittherapie eintretende kumulative Wirkung als Grund für derartige Effekte diskutiert

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(WILLARD et al. 1982a). In der eigenen Studie manifestierte sich die iatrogen bedingte Nebennierenrindeninsuffizienz im Median 83 Tage nach Beginn der medikamentösen Therapie des Hyperadrenokortizismus (Mittelwert: 294,32 Tage), so dass beide Erklärungsansätze zutreffen könnten. Diese Befunde sind für die Therapie des iatrogenen Hypoadrenokortizismus von herausragender Bedeutung, da zugunsten der Stabilisierung dieser Patienten außer der Substitution von Glukokortikoiden auch die von Mineralokortikoiden erforderlich wird (FELDMAN u. NELSON 1996).

Die diagnostische Abklärung erfolgte bei den an einem iatrogenen Hypoadrenokortizismus erkrankten Hunden dieser Studie ebenfalls mittels endokrinologischer Untersuchungen.

Während sich die ACTH-Konzentration der idiopathischen und iatrogenen Patientengruppe nicht unterschied, waren die basalen und stimulierten Kortisolkonzentrationen der iatrogenen Gruppe signifikant höher (p=0,049 bzw. p=0,007). Während der Basalwert bei einem Teil der erkrankten Hunde innerhalb der Referenz lag (9,5%), blieb ein physiologischer Konzentrationsanstieg im Nebennierenrindenstimulationstest bei allen Patienten aus. Damit stehen die Ergebnisse dieser Studie in Einklang mit den von SCHAER und CHEN (1983) erhobenen Befunden. Außerdem bestätigte sich auch in diesem Studienabschnitt die essentielle diagnostische Bedeutung des Stimulationstests.

Da auch die iatrogene Nebennierenrindeninsuffizienz in einer lebensbedrohlichen Addison-Krise münden kann (CHAPMAN et al. 2004), ist ihre differentialdiagnostische Berücksichtigung und sichere Diagnosefindung von gleicher Bedeutung wie bei der idiopathischen Form.