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2.3 Sammlung von Naturerzeugnissen

2.3.5 Weitere Sammelaktionen

Neben den genannten Produkten gab es viele weitere, die von den Schulkindern gesammelt werden sollten und auch wurden. Da sie allerdings hinsichtlich der Beteiligung der Schulen und in Bezug auf die Sammelerträge insgesamt deutlich weniger bedeutsam waren, sollen einige der Sammlungen nur kurz erwähnt werden.

469 In der Schulchronik von Klingelbach ist z. B. vermerkt: „Mai 1916. Um einer Mahnung der Kgl. Regierung zwecks Beschaffung von Tee-Ersatzkräutern nachzukommen, übernahm der inzwischen als zeitig garnisons-dienstfähige College Schneider an mehreren Nachmittagen Sammlungen von Waldmeister, Brombeeren an vie-len Schuvie-len usw. Schulchronik, http://www.vg-katzenelnbogen.de/buch2/15.htm (10.10.2007).

470 Siehe: Ohmann, Eine Statistik der Sammeltätigkeit der Schulen im Jahre 1917 (1918).

471 Saul, Jugend im Schatten des Krieges (1983), S. 157, Anhang Nr. 32.

472 Siehe: Führen, Lehrer im Krieg (1936), S. 93.

473 Hohnsbehn, Die Flensburger Schuljugend in der Zeit des ersten Weltkriegs (1996), S. 226.

Angesichts der schlechten Versorgung mit Lebensmitteln wurden vor allem von den ländli-chen Schulen ‚Naturalien’ gesammelt, und zwar teilweise mit erstaunlich guten Ergebnissen, die allerdings gravierend differieren. Zum Beispiel kamen im Jahre 1917 im Regierungsbezirk Schleswig 13.335 Eier, 25 Zentner Speck, 777 Flaschen Saft und 90 Zentner Obst zusammen.

In Allenstein (Provinz Ostpreußen) waren es 118.149 Eier, 862 Zentner Speck, 163,5 kg But-ter und Schmalz und in Stettin (Provinz Pommern) kamen 523.762 Eier sowie 260 Zentner Fett und Wurst zusammen.474 Ferner wurde von den Behörden angestrebt, „die wertvollen Erzeugnisse des Waldes, namentlich die Pilze, für die Volksernährung in möglichst weitem Umfang nutzbar zu machen“, wie es z. B. in dem Erlass des preußischen Unterrichtsministers vom 15. Mai 1915 heißt.475 Um den Lehrern zu helfen, den Schülern im naturkundlichen Un-terricht die erforderlichen Kenntnisse zu vermitteln, hatte das Kaiserliche Gesundheitsamt ein Pilzmerkblatt zusammen mit einer Pilztafel erarbeitet und den Schulen zur Verfügung gestellt.

Außerdem bot der gemeinnützige Verein „Jugendspende für Kriegerwaisen e. V.“476, den Es-sener Lehrer gegründet hatten, den Schulen vier große farbige Pilztafeln als Wandbilder für je 5 Mark und zwei Merkblätter für die Hand der Schüler zu jeweils 0,20 Mark an. Der Reiner-lös sollte den Kriegerwaisen zugutekommen.477

Auch die amtlichen Schulblätter wiesen mehrfach auf die Bedeutung der Pilze für die Volks-ernährung hin und riefen zur Sammlung auf; die Regierungen in Düsseldorf („Pilze für die Volksernährung“) und Hildesheim z. B. richteten „Pilzbestimmungsstellen“ ein. Aufschluss darüber, in welchem Umfange die Bemühungen Erfolg hatten, geben nur wenige Quellen. Im Jahr 1917 wurden nach Angaben des Philologenvereins im Deutschen Reich von dem 3.339 Schulen 99.280 kg Pilze gesammelt. Das beste Ergebnis hatte die städtische Bürgerschule in Schleiz (Fürstentum Reuß), die es auf 5.000 kg brachte.478 Wie wichtig die Sammlungen der Schule waren, zeigt z. B. ein Sammelergebnis aus Münster. Dort waren innerhalb von 3 Mo-naten für einen besonderen Verkaufsstand insgesamt 1.365 kg Pilze gesammelt worden, da-von 986 kg da-von Schülern ( = ca. 72 %).479 Auch wenn die Orts- und Schulchroniken kaum Aufschluss über die Sammelerträge geben, so kann festgestellt werden, dass zwischen dem nicht unerheblichen Werbeaufwand und dem Sammelerfolg eine deutliche Diskrepanz be-stand. Vielen Lehrern fehlte es einfach an Zeit, um mit den Schulkindern im Wald Pilze zu

474 Siehe: Führen, Lehrer im Krieg (1936), S. 83.

475 Ministerium der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten, Nutzbarmachung der Erzeugnisse des Waldes, Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen, 1915, S. 521.

476 Siehe: Kapitel 7.2.1.

477 Siehe: Königliche Regierung in Hildesheim, Pilztafeln und Merkblätter, Amtliches Schulblatt für den Regie-rungsbezirk Hildesheim, 1917, 168f.

478 Siehe: Ohmann, Eine Statistik der Sammeltätigkeit der Schulen im Jahre 1917 (1918).

479 Siehe: Schulte, Kriegschronik der Stadt Münster 1914–18 (1930), S. 360.

sammeln, und viele scheuten sich sicher auch, die Verantwortung bei der Auswahl genießba-rer Pilze zu übernehmen. Hinzu kam, dass Pilze schon immer von Privatpersonen für den per-sönlichen Bedarf gesammelt worden sind und es keiner Weiterverarbeitung der Pilze bedurfte.

Ein Beispiel aus Hildesheim zeigt, wie begehrt damals Pilze waren und wie schwer es deshalb Schulkinder bei den entsprechenden Sammlungen hatten: „In den Wäldern nahm die Pilzjagd einen immer größeren Umfang an, ed fanden gemeinschaftliche Pilzwanderungen statt, an denen sich die Leute aller Stände beteiligten; die Eisenbahn gewährte Fahrpreisermäßigungen, deren Andrang war bisweilen so groß, dass die Bahn die Teilnehmer kaum befördern konn-te.“480

Besonders in den größeren Städten gab es ab 1916 Bestrebungen, Küchenabfälle zu sammeln und an bestimmte Sammelstellen abzuführen, von wo sie dann Tierhalter als Kraftfutter abho-len sollten. Man hatte errechnet, dass von den 17 Millionen Menschen, die in Städten mit mehr als 40.000 Einwohnern wohnten, im Jahr 3.060.000 Doppelzentner frische Küchenabfäl-le ‚produziert’ würden (60 g pro Kopf), die 750.000 Doppelzentner Kraftfutter ergäben. Al-lerdings gab es bei der Realisierung der Pläne einige Schwierigkeiten, insbesondere wegen der geringen Haltbarkeit der Abfälle und des Transportes, denn es waren im Krieg nicht ge-nügend Transportmittel vorhanden, sodass die Sammlung insgesamt keinen Erfolg hatte. 481 Dass in einigen größeren Kommunen Schulen aber trotzdem ziemlich erfolgreich Küchenab-fälle sammelten, zeigt das Beispiel Hannovers. Aus einem Bericht des Polizeipräsidenten vom 5. Dezember 1916 geht hervor, dass sich bei den Sammlungen der der „Freiwilligen Kriegs-hilfe“ zu diesem Zeitpunkt etwas 6-8000 Schüler, und zwar fast ausschließlich der Volksschu-le, organische Abfälle sammelten. „Vordem soll etwa die doppelte Zahl tätig gewesen sein“482. Da die Schüleraktivitäten als patriotische Tat galten, erhoffte man sich bei ihnen

„günstige Auswirkungen auf die Gesinnung der Volksschüler (…). Denn gerade diese ent-stammten jenem sozialen und politischen Milieu, von dem man nicht unbedingt erwarten durfte, daß es die Kriegsziele der Reichsregierung auf Dauer mittragen würde“.483 Im Jahre 1918 sammelten Schüler und Schülerinnen der städtischen hannoverschen Mittel- und Volks-schulen im Jahre 1918 562.296 kg Küchenabfälle.484 Sie zogen in Scharen durch die Stadt und

480 Vogeler, Kriegschronik der Stadt Hildesheim (1929), S. 338.

481 Siehe: Ertheiler/Plohn, Das Sammeln in der Kriegswirtschaft (1919), S. 36f.; siehe auch: Anhang, Seiten 44/45, Bild 1.

482 Zitiert nach: Schneider, Ein Photofund über die Arbeit der „Freiwilligen Kriegshilfe Hannover und Linden"

im ersten Weltkrieg, Hannoversche Geschichtsblätter, 1999, S. 207.

483 Schneider, Ein Photofund über die Arbeit der „Freiwilligen Kriegshilfe Hannover und Linden" im ersten Weltkrieg, Hannoversche Geschichtsblätter, 1999, S. 207.

484 StAH, HR 16 Schulamt Nr. 553; Karl-Heinz Grotjahn (Grotjahn, Stahl und Steckrüben Bd. 2 (1993), S. 171) nennt für den Zeitraum vom 1. April 1916 bis 31. Dezember 1918 als Menge 563.000 kg Küchenabfälle und beruft sich auf die gleiche Quelle. Berücksichtigt man, dass die Reichsverwertungsgesellschaft durchschnittlich

holten in den Haushaltungen die angefallenen Abfälle ab. „Wer etwa vier Pfund ablieferte, bekam einen Gutschein, und eine Anzahl dieser Gutscheine berechtigte den fleißigen Samm-ler zum Anspruch auf eine Prämie. Für 75 Gutscheine gab es eine Mütze oder ein gutes Buch, für 200 Gutscheine ein Kaninchen, sofern die Eltern gegen diesen neuen Hausbewohner nicht einzuwenden hatten.“485 Mit diesen Küchenabfällen wurde die von der „Kriegshilfe“ wegen des Fleischmangels aufgebaute Kaninchenzucht unterhalten und zeitweise auch einige Schweine außerhalb Hannovers gefüttert. Die Aussicht auf die Prämien, einen schulfreien Tag, Ausflüge und einen Besuch des Kleintierzoos oder eines Kasperletheaters führten dazu, dass sich so viele Kinder bei den Sammlungen engagierten.486 Anlässlich von Hindenburgs 68. Geburtstag durften sogar „4000 Schulkinder aus Hannover und Linden, fleißige Sammler von Küchenabfällen, (…) dem Generalfeldmarschall von Hindenburg ihre Glückwünsche zum 68. Geburtstag“ darbringen und sein Haus „mit selbstgebunden Kränzen aus Feldblu-men“487 schmücken. Auch in anderen Großstädten verliefen die Sammlungen von Küchenab-fällen ähnlich. Die Kommune legte Sammeltage fest, die Schüler holten an diesen die Essens-reste in den Haushalten ab und brachten sie mit Handwagen oder von der Stadt zur Verfügung gestellten Transportfahrzeugen488 zu der entsprechenden Sammelstelle.

Auf die Sammlung von Knochen, Eicheln und Kastanien489, Pflanzen und Kräutern für Arz-neien sowie Kaninchenfellen, an den viele Schulen ebenfalls mit guten Ergebnissen beteiligt waren490, soll nicht weiter eingegangen werden. In der Regel war die volkswirtschaftliche Bedeutung jeweils recht gering.

Dieses trifft zwar auch auf die Sammlung von Frauenhaar zu, sie soll aber trotzdem besonders erwähnt werden, um die Bandbreite der gesammelten Produkte und Materialien zu zeigen.491

1,50 Mark für den Zentner bezahlte, so wurden durch die von den Schülern gesammelten Küchenabfälle.

843.444 Mark eingenommen bzw. hätten aus den Abfällen mehr als 4.000 Doppelzentner Kraftfutter für Tiere hergestellt werden können. Den Erlös der Sammelaktion erhielt die „Freiwillige Kriegshilfe Hannover-Linden“.

Siehe: Anhang, Seite 44, Bild 2.

485 Tätigkeitsbericht der Freiwilligen Kriegshilfe Hannover und Linden, in: Akte NHStAH Hann 180 Hannover Nr. 552, zitiert nach: Schneider, Ein Photofund über die Arbeit der „Freiwilligen Kriegshilfe Hannover und Lin-den" im ersten Weltkrieg, Hannoversche Geschichtsblätter, 1999, S. 206.

486 Siehe: Schneider, Ein Photofund über die Arbeit der „Freiwilligen Kriegshilfe Hannover und Linden" im ersten Weltkrieg, Hannoversche Geschichtsblätter, 1999, S. 206f.

487 Siehe: Anhang, Seite 4 (Bild 2).

488 Siehe: Anhang, Seiten 45 (Bild 1).

489 Siehe: Anhang, Seiten 49 (Bild 1), 50 und 51.

490 Z. B. sammelten 2.350 Schulkinder der Volksschulen in Wuppertal-Vohwinkel im Sommer des Jahres 1918 5.2187 kg Eicheln, 104 kg Kastanien und 448 kg Knochen (Wuppertal Vohwinkel, http://www.agvv.org/160.htm (27.12.2008) ). In Hannover brachten die Jungen und Mädchen der Mittel und Volksschulen in der Zeit vom 1.4.1916 bis 31.12.1918 23.000 kg Knochen, 5.960 kg Pflanzen und Kräuter für Arzneien und 16.375 kg Obstkerne und Eicheln zusammen.

491Insgesamt sind nach Ertheiler/Plohn (Das Sammeln in der Kriegswirtschaft [1919]), S. 39f.) erhebliche Men-gen von Frauenhaar zusammengebracht worden, was sicher vor allem auf den „Höchstpreis“ (2 Mark für 1 kg), der von den Verwertungsstellen bezahlt wurde, zurückzuführen ist. Welchen Anteil die Schulen daran hatten, kann anhand der überlieferten Quellen nicht mehr genau festgestellt werden. Allerdings haben einige Schulen

Man benötigte schon bald nach Kriegsbeginn in sehr großen Mengen Frauenhaar als Ersatz für Kamelhaar, das nicht mehr eingeführt werden konnte, um daraus Treibriemen und Filz-dichtungen (insbesondere für U-Boote) herzustellen. Das gesammelte Haar musste in be-stimmten Säckchen an die ‚Deutsche Frauenhaarsammlung’ des Deutschen Roten Kreuzes Magdeburg oder Augsburg geschickt werden, von wo aus es dann an die entsprechenden Fir-men weitergeleitet wurde. Von zwei FirFir-men ist bekannt, dass sie 340.000 kg bzw. 165.000 kg Frauenhaar zu Treibriemen mit einem Wert von 6.8000.000 Mark bzw. 3.500.000 Mark ver-arbeitet haben.492 Angesichts der kriegswirtschaftlichen Bedeutung der Sammlung hatte man eigens hergestellte Werbeplakate herausgegeben, auf denen die Schulkinder teilweise direkt angesprochen wurden.493

Welchen Anteil die Schulen daran hatten, ist nicht zu klären, er dürfte allerdings nicht gering gewesen sein, obwohl die Schulen sich nur unter bestimmten Bedingungen daran beteiligen konnten. So durfte das Einsammeln der mit Frauenhaar gefüllten Beutel nicht durch Schul-kinder erfolgen und außerdem bedurfte die Teilnahme der besonderen Genehmigung durch den Schulleiter. Um Mädchen in ihrem Patriotismus vor sich selbst zu schützen und zu ver-hindern, dass sie ihre Haare wegen des Sammelerfolgs abschnitten, sollten lediglich ausge-kämmte Haare gesammelt werden. Außerdem war festgelegt, dass „weder mittelbar noch un-mittelbar […] ein Zwang auf die Schülerinnen bei der Sammlung ausgeübt werden (dür-fe)“494.

Allerdings zeigen Quellen, dass trotzdem Hunderte von Schulen an der Sammlung von Frau-enhaar beteiligt waren. Von den 17 höheren Mädchenschulen in Schleswig-Holstein beteilig-ten sich sowohl 1917 als auch 1918 fünf Schulen am den Sammlungen. Die Sammelergebnis-se sind nicht bekannt, wohl aber die der Flensburger Mädchenschulen, die 151,60 kg zusam-mengetragen haben, welche mit 3.336,30 Mark vergütet wurden.495

durchaus beachtliche Mengen gesammelt, wobei die Sammlungsergebnisse der einzelnen Schulen doch stark differierten. So benötigten 226 Schüler des Frankfurter Goethe-Gymnasiums sechs Wochen, um 26 kg Frauen-haar zu sammeln, während das Lyzeum in Wuppertal-Vohwinkel mit 278 Schülerinnen im Sommer des Jahres 1918 11 ½ kg sammelten (http://www.agvv.org/160.htm ). Besonders gut war das Ergebnis der Flensburger Schülerinnen ( ca. 4.000), die 1917 151,65 kg zusammenbrachten und einen Erlös 3.360,30 Mark erzielten Sie-he: Hohnsbehn, Die Flensburger Schuljugend in der Zeit des ersten Weltkriegs [1996], S. 220). Jede Schülerin hat also durchschnittlich fast 400 g zusammengebracht (im Jahr), während es die Jungen des Goethe-Gymnasiums ‚lediglich’ auf 115 g (in sechs Wochen; Zenetti, Der Sammelhilfsdienst der Frankfurter Schulju-gend und seine Ergebnisse am Goethe-Gymnasium, S. 7) und die Mädchen des Lyzeums in Vohwinkel sogar nur auf 41 g. (im Jahr) im Schnitt brachten. Die großen Unterschiede sind sicher in erster Linie auf das jeweilige Engagement der Lehrer zurückzuführen und nicht darauf, ob es sich um eine Schule mit Jungen oder mit Mäd-chen handelte. Aus den Unterlagen geht allerdings hervor, dass MädMäd-chen sich bei diesen Sammlungen insgesamt stärker beteiligt haben, da es sich bei dem Sammelgut um weibliche Haare handelte.

492 Siehe: Ertheiler/Plohn, Das Sammeln in der Kriegswirtschaft (1919), S. 36f.

493 Siehe: Anhang, Seite 50.

494 Siehe: Pust, „Vaterländische Erziehung" für „Höhere Mädchen" (2004), S. 366f.

495 Siehe: Hohnsbehn, Die Flensburger Schuljugend in der Zeit des ersten Weltkriegs (1996), S. 220.

Die ca. 2.350 Kinder der Volksschulen Vohwinkels (heute Stadtteil von Wuppertal, Rhein-provinz) hingegen brachten es im Sommer 1918 lediglich auf 11,5 kg496, während die 380 Schüler des Frankfurter Goethe-Gymnasiums innerhalb von 6 Wochen 26 kg sammelten.497 Sogar die kleine Dorfschule in Tonnenheide (Provinz Westfalen) beteiligte sich an der Samm-lung und lieferte 1,5 kg Haare ab.498 Meistens wird in den Chroniken lediglich erwähnt, dass die Schulen sich an der Sammlung von Frauenhaar beteiligt haben, die gesammelten Mengen werden aber nicht genannt.499

Angesichts der militärischen Bedeutung und der guten Bezahlung (20 Mark für 1 kg) waren die Kommunen insgesamt sehr an guten Ergebnissen interessiert und bemühten sich in beson-derem Maße um die Schulen. Die Stadt Mainz beispielsweise richtete für den „Schüler-Sammeldienst“ zur Annahme des Sammelgutes und zur Ausgabe der Sammelbeutel eine Sammelstelle ein und wies in mehreren Spendenaufrufplakaten darauf hin.500 Offensichtlich wurde in jeder Schule eine Sammelstelle eingerichtet, wie aus einem Plakat hervorgeht, das die Hauptsammelstelle in Magdeburg veröffentlichte („Abnahmestelle jede Schule“) und das sich an „alle Frauen und Mädchen“ wandte.501 Auch die Sammelstelle der Bayerischen Frau-enhaarsammlung in Augsburg wies in einem Aufruf, der sich auch an „alle Schulen, Klöster und Anstalten“ wandte, darauf hin, dass das Ministerium für Kirchen- und Schulangelegen-heiten zugesagt habe, die Einrichtung von Sammelstellen „in jeder Schule, ja in jeder Schul-klasse“ zu unterstützen.502 Angesichts der massiven Förderung der Sammlung durch die Be-hörden und Kommunen sowie der aufwendigen Plakataktionen fühlten sich viele Schulen verpflichtet, durch eigene Sammelaktionen dem „Vaterland (zu) zu dienen“503, zumal sie als Sammelstellen nahezu täglich damit konfrontiert wurden. Über die Einstellung der Schulkin-der zum Sammeln von Frauenhaar sollen die Erinnerung einer ehemaligen Schülerin des Flensburger Lyzeums und Tagebucheinträge einer Schülerin beispielhaft Aufschluss geben.

Helene J. erinnerte sich: „Nicht so großen Anklang fand bei uns die Sammlung in Häusern von ausgekämmten Haaren; wir gingen ohne Protest los, es war ja für die Marine, also für die

496 Wuppertal Vohwinkel, http://www.agvv.org/160.htm (27.12.2008).

497 Zenetti, Der Sammelhilfsdienst der Frankfurter Schuljugend und seine Ergebnisse am Goethe-Gymnasium, S. 7.

498 Kammeier, Der Landkreis Lübbecke und der 1. Weltkrieg (1998), S. 187.

499 Zum Beispiel in der Burgschule Nordhorn, der Oberrealschule in Heide, der Sophienschule in Hannover und der Volksschule zu Röhrenfurth.

500 Siehe: http://www.dhm.de/datenbank, Inventarnr.1988/19177 und 1988/2083; siehe auch: Anhang, Seite 50, Bilder 1 und 5.

501 Siehe: http://www.dhm.de/datenbank, Inventarnr. PL DHM/1; siehe auch: Anhang, Seite 50, Bild 2.

502 Stadtarchiv Augsburg – Archiv und Schule, http://www.stadtarchiv.augsburg.de/index.php?id=17256 (01.01.2009).

503 Stadtarchiv Augsburg – Archiv und Schule, http://www.stadtarchiv.augsburg.de/index.php?id=17256 (01.01.2009).

Front, dass wir losgeschickt worden.“504 Die Schülerinnen der Klasse waren also offensicht-lich über die Verwendung der Haare für Kriegszwecke informiert worden und empfanden ihren Einsatz als Unterstützung der militärischen Front. Am 14. Januar 1918 notierte die Flensburger Schülerin Anneliese C. in ihrem Tagebuch: „Um 12 heute frei, sollten ja Haare sammeln. H. und ich hatten den Südergraben, der Bezirk geht ja, wurden doch ziemlich viele Tüten los. Bei einer alten Frau kriegten wir auch schon graue Haare.“ Zwölf Tage später heißt es: „H. und ich trafen uns um ½ 10 am Burgplatz, wir sollten ja Haare sammeln. […] Zogen dann los. Kriegten ne ganze Masse Haare, H. hatte d. Tüte schon fast voll. Ist doch ein ekliges Geschäft, dieses ewige Treppauf, Treppab.“

Am 15. und 17. Mai zogen die beiden Mädchen noch einmal los: „In der letzten Stunde H.

und ich z. Haarsammeln, war schönes Wetter, wir brauchen ja nur dahin, wo Tüten genom-men worden waren. […] In der letzten Stunde H. und ich wieder Haare gesammelt, ist wirk-lich kein schönes Geschäft.“505

Die Tagebuchaufzeichnungen verdeutlichen den Ablauf der von dem Lehrer gut organisierten Sammlung. Jeweils zwei Schülerinnen bekamen zunächst einen Sammelbezirk zugeteilt. Sie warben dann in den Häusern ihres Bezirks für die Haarspenden und händigten spendewilligen Bewohnern „Sammeltüten“ (meistens Beutel) aus, die sie dann später gefüllt wieder abholten.

Insgesamt fanden die Sammlungen am Vormittag statt und ersetzten den regulären Unterricht.

Bemerkenswert ist, dass die Schülerinnen die Beutel wieder einsammelten, obwohl das vom preußischen Unterrichtsminister untersagt worden war.

Insgesamt entspricht die zeitgenössische Einschätzung weitgehend den später aufgeschriebe-nen Erinnerungen. Beide Quellen zeigen, dass die Frauenhaarsammlungen von den Schüle-rinnen nur ungern durchgeführt und als Opfer empfunden wurden, das sie allerdings wider-spruchslos für das Vaterland erbrachten.

2.4 Fazit

Kurz nach Beendigung des Krieges zog August Ertheiler, ehemaliger Referent im Kriegsmi-nisterium, Bilanz über die Sammeltätigkeit der Schuljugend:

„Unberührt von politischen und wirtschaftlichen Klassengegensätzen, trugen Millionen von Schul-kindern aus allen Kreisen in die Elternhäuser den ihnen von den Lehrern gelehrten Ruf: ‚Heraus mit entbehrlichen Dingen und Abfallstoffen!’, ‚Hinaus in Wald und Flur!’, um den immer stärker drückenden Mangel an Rohstoffen und Nahrungsmitteln entgegen zu arbeiten. Wenn irgendwelche heimatlichen Vorgänge während des Kriegs Berechtigung zu Befriedigung geben konnten, so wa-ren sie in der Entfaltung der freiwilligen Sammel- und Hilfstätigkeit der Jugend gelegen. Es war

504 Erinnerungen der Schülerin Helene J, zwei Seiten handschriftlich; zitiert nach: Pust, „Vaterländische Erzie-hung" für „Höhere Mädchen" (2004), S. 366.

505 Zitiert nach: Pust, „Vaterländische Erziehung" für „Höhere Mädchen" (2004), S. 367.

ne Freude zu sehen, wie die Begeisterung der opferwillig tätigen Lehrerschaft sich auf die Kinder und mittelbar auf das Elternhaus übertrug, wie auch aus den Häusern der minderbemittelten Volks-schichten nicht des Gelderlöses wegen, sondern aus Gemeinsinn die auf andere Weise vorteilhafter zu verwertenden Sachen von den Kindern in die Ablieferungsstellen gebracht wurden.“506

Ähnlich positiv hatte sich der preußische Unterrichtsminister im Februar 1918 ausgedrückt:

„Diese begeisterungsfähige Mitarbeit unserer Schuljugend auf den verschiedenen kriegswirt-schaftlichen Gebieten ist ein Ruhmesblatt in der Geschichte des gegenwärtigen Welt-kriegs.“507 Auch die preußischen Provinzialregierungen äußerten sich nahezu euphorisch, wie z. B. die Regierung Schleswig-Holsteins 1918: „Wenn darum die folgenden Zahlen über eini-ge Haupteini-geeini-genstände der Sammlung vielleicht nur die Hälfte der Erträeini-ge aneini-geben, so dürften sie doch um so mehr allgemein gewürdigt werden als ein Ehrenzeugnis für die Kriegshilfe für die Lehrer und Lehrerinnen wie der Kinder.“508 Ferner geht die Wertschätzung der schuli-schen Sammelleistung aus vielen anderen offiziellen Äußerungen hervor, z. B. dem Gedenk-blatt „Heil der Jugend!“509.

Dass beide Aussagen hinsichtlich der schulischen Sammelerfolge richtig waren, haben die Untersuchungen gezeigt. Auch die Ergebnisse der vielen Sammlungen, auf die nicht näher eingegangen worden ist, wie z. B. die von Kastanien, Knochen, Eicheln und Altpapier, bestä-tigen den Erfolg der Schulen. Da das gesamte Sammelwesen in erster Linie auf den Schulen aufbaute, war deren Engagement für den Erfolg der verschiedenen Aktionen von besonderer Bedeutung. Entsprechend groß war der Druck auf die Schulen und die Anzahl der Appelle an die Jugend, ihren patriotischen Pflichten nachzukommen. Dieses zeigen die vielen Erlasse, Aufrufe und Plakate, die – wie nachgewiesen – insgesamt durchaus den erwünschten Erfolg

Dass beide Aussagen hinsichtlich der schulischen Sammelerfolge richtig waren, haben die Untersuchungen gezeigt. Auch die Ergebnisse der vielen Sammlungen, auf die nicht näher eingegangen worden ist, wie z. B. die von Kastanien, Knochen, Eicheln und Altpapier, bestä-tigen den Erfolg der Schulen. Da das gesamte Sammelwesen in erster Linie auf den Schulen aufbaute, war deren Engagement für den Erfolg der verschiedenen Aktionen von besonderer Bedeutung. Entsprechend groß war der Druck auf die Schulen und die Anzahl der Appelle an die Jugend, ihren patriotischen Pflichten nachzukommen. Dieses zeigen die vielen Erlasse, Aufrufe und Plakate, die – wie nachgewiesen – insgesamt durchaus den erwünschten Erfolg