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3. Kaufs- und Verkaufsaktionen

3.3 Aktionen von allgemeinen Wohlfahrtsverbänden und einzelnen Schulen

3.4.2 Ursachen des Erfolgs

Auf den großen propagandistischen und organisatorischen Aufwand als eine Ursache für den zunächst nicht erwarteten Erfolg der ersten Kriegsanleihen ist oben bereits hingewiesen wor-den. Als die Einnahmen in der 4. Anleihe insgesamt einbrachen628, verstärkten Regierung und Reichsschatzamt die Werbemaßnahmen und man beauftragte den bekannten Grafiker Lucian Bernard, wirkungsvolle Werbeplakate zu entwerfen. Er und dann auch andere Künstler schu-fen in der Folgezeit sehr viele Plakate mit einprägsamen kurzen Aussagen, bei denen weniger der finanztechnische Hintergrund als vielmehr die Zeichnung der Kriegsanleihen als Pflicht der „Heimatfront“ betont wurde. Die Werbeoffensive war sicher auch ein Grund für die ho-hen Ergebnisse der Kriegsanleiho-hen 5 bis 9.629 Hinzu kam, dass es ab der 4. Kriegsanleihe möglich war, Sammelanleihen auch für weniger als 100 Mark zu zeichnen, und den Zeichnern versprochen wurde, dass ihnen der eingezahlte Betrag spätestens zwei Jahre nach Beendigung des Kriegs mit den Zinsen ausgezahlt werde.

625 Die Zahl bezieht sich ausschließlich auf die Sammelzeichnungen, nicht auf die Werbetätigkeit der Schüler.

Berücksichtigt man die Zahlen von Saul für die beiden letzten Sammlungen (365 Millionen), so errechnet sich eine Gesamtsumme von 573 Millionen.

626 Auch die Zeichnungen der Lehrer der höheren Schulen, die sich im Rahmen des „Heimatdanks“ an den An-leihen beteiligt haben, sind nicht berücksichtigt worden. Die Organe der Stiftung „Heimatdank“, der

„Heimatdank in Sachsen“ und der „Badische Heimatdank“, die die Aufgaben der „Nationalstiftung für die Hin-terbliebenen der Kriege Gefallenen“ nach deren Regeln übernahmen, gewährten den Kriegsinvaliden und den hilfsbedürftigen Hinterbliebenen der gefallenen Soldaten Rat und Hilfe.

627Ohmann, Zur Statistik der Werbetätigkeit der Schulen für die vierte Kriegsanleihe 1916, S. 384.

628 Das trifft allerdings nicht auf die Schulanleihen zu.

629 Siehe: Martens, Heimatbild und Feindbild, Geschichte Lernen, 2006, S. 22; dort sind Bilder der 6. und der 8.

Anleihe abgegedruckt.

Auch der Schule kam bei der Werbung eine besondere Bedeutung zu. Da die Lehrer überwie-gend monarchisch gesonnen waren, konnten sie leicht als Werber gewonnen werden. Ihre Aufgabe war es vor allem, das Misstrauen der ländlichen Bevölkerung gegenüber den

Anlagen zu überwinden und sie zum Zeichnen der Anleihen zu bewegen. Immer wieder wur-den sie von wur-den Schulbehörwur-den und wur-den eigenen Standesorganisationen dazu aufgefordert, wie z. B. im September 1917 durch den ‚Deutschen Lehrerverein’ und den ‚Katholischen Lehrerverband’:

„Und diesmal kommt viel darauf an, daß der unvergleichliche, weitreichende Einfluß der Schulen […] zur vollen Wirkung kommt. […] Um den Milliardensieg so glänzend wie möglich zu gestal-ten, darf sich die Schule nicht auf die bisherige Aufklärungs- und Sammelarbeit beschränken, son-dern muß darüber hinaus bemüht sein, in der Jugend und durch die Jugend in die breitesten Schich-ten unseres Volkes für die neue Kriegsanleihe Stimmung zu machen.“630

Am Beispiel eines Dorfschullehrers aus Getmold im Landkreis Lübbecke (Provinz Westfalen) soll aufgezeigt werden, mit welch großem Engagement die Lehrer die Aufgabe wahrnahmen.

Seine Aktivitäten hat er in der Schulchronik festgehalten.631 So gab er z. B. im Zusammen-hang mit der 6. Kriegsanleihe 1917 jedem Kind einer 2. Klasse den folgenden Text mit:

„Lieber Vater (Mutter) …

Gehe heute noch zu Lehrer Wieldt und bringe ihm Kriegsgelder. Er nimmt 1 M bis 15 Milliarden.

Wenn du nichts bringst, tust du Sünde. Du hast Geld genug für Eier, Butter, Vieh und Korn ge-kriegt.

Es grüßt Dein (Deine) …“632

Einen ähnlichen, ihrem sprachlichen Niveau angepassten Brief erhielten die älteren Schüler.

Zusätzlichen diktierte er ihnen einen geschickt formulierten Brief für die in der Landwirt-schaft tätigen Knechte und Mägde in Getmold, die unverheiratet und kinderlos waren. Die Getmolder Soldaten ließ er durch Schülerpostkarten über das Ergebnis der Auszeichnungen informieren, damit sie sich angesichts der guten Einnahmen, die zum Kauf von Waffen ver-wendet werden konnten, an der Front sicher fühlten.

Für die 7. Anleihe ließ sich der Lehrer wieder etwas Originelles einfallen. Er diktierte den Kindern die Parabel „Und der Teufel lacht dazu …“ in die Hefte, die mit der Ansprache an die Bevölkerung endete: „Liebe Getmolder, der Teufel lacht dazu, wenn wir nicht zeich-nen!“633

630 Führen, Lehrer im Krieg (1936).

631 Siehe: Kammeier, Der Landkreis Lübbecke und der 1. Weltkrieg (1998), S. 348.

632 Schulchronik Getmold, S. 163; zitiert nach: Kammeier, Der Landkreis Lübbecke und der 1. Weltkrieg (1998), S. 194.

633 Siehe: Kammeier, Der Landkreis Lübbecke und der 1. Weltkrieg (1998), S. 196.

Wenige Tage später schickte er erneut einen ‚Schülerbrief’ an die Getmolder, in dem er mit Beispielen aus der Landwirtschaft argumentierte. Auch der Brief an „alle guten Getmolder“

zur 8. Kriegsanleihe ist überliefert, den er nicht als ‚Schülerbrief’, sondern als Lehrer und Vertrauensmann schrieb. Er endete mit dem Appell: „Wenn nun Lehrer Wieldt zu Euch kommt, so beweist Euer Gottvertrauen auf unseren Sieg und Eure Vaterlandsliebe, also Eure heiligsten Güter, mit der Tat, indem Ihr Kriegsanleihe bei ihm zeichnet.“634 Wegen der erfolgreichen Werbemethoden, die er auch seinen Kollegen mitgeteilt hatte, bekam er ein Dankesschreiben des Lübbecker Rektors, der für die Kriegsanleihen im Landkreis zuständig war.

Das Engagement eines Lehrers der Schule in Mittel-Podiebrad (Provinz Schlesien) sei als weiteres Beispiel genannt. Die Schulchronik gibt detailliert über seine Aktivitäten und die Zeichnungserfolge für die Anleihen 3–8 Auskunft:

„…Für die 5. und 6. Kriegsanleihe wurde eine ungemein rege Werbearbeit entfaltet. Hauptlehrer Zwiekirsch bereitete den Boden vor durch Vorträge über Deutschlands Wirtschaftskräfte, Deutsch-lands Finanzkraft, das Unterseeboot und seine Erfolge, die gegenwärtige Lage, die Kriegsanleihe.

Darauf ging er von Haus zu Haus in allen vier Ortschaften, um auf jedes Gemeindemitglied persön-lich einzuwirken und etwaige Einwände zu entkräften. Der Erfolg blieb nicht aus. Für die 5.

Kriegsanleihe wurden durch die Schule 7.500 Mark und für die 6. Kriegsanleihe 10.800 M ge-zeichnet. […] Infolge der regen Werbearbeit des Hauptlehrers Zwiekirsch sind durch ihn zusam-men 61.400 Mark an Kriegsanleihe gezeichnet worden.“635

Selbst Schulleiter agierten als Werber, wie ein Beispiel aus Kyllburg (Rheinprovinz) zeigt:

„Im März veranstaltete die Schule im Hotel Stern […] eine Versammlung, in welcher der Schullei-ter die Bedeutung und die drei verschiedenen Zeichnungsarten der vierten Kriegsanleihe erläuSchullei-terte.

Der folgende Tag war Zeichnungstag. Es war schulfrei und von morgens 9 drängten sich die Klei-nen und Kleinsten um den Zeichnungstisch. Manche brachten ihre Sparbüchsen mit, Mütter brach-ten auf den Armen die Allerkleinsbrach-ten, um auch für die kleinen Beträge zu zeichnen […] so ging es bis abends 21.30 Uhr. Auch am folgenden Tag kamen noch Einzeichner, und als die Liste ge-schlossen wurde, hatten 185 Einzeichner 6.477,75 Mark gezeichnet.“636

Auf weitere Beispiele für Lehrer als Multiplikatoren kann verzichtet werden, da die in ande-ren Quelle erwähnten Werbemaßnahmen den oben dargestellten ähnelten. Dass in vielen Schulchroniken gerade auch über diese Sonderaufgaben der Lehrer berichtet wird, zeigt, in welch großer Zahl vor allem die Volksschullehrer als Werber für die Anleihen tätig waren.

Aber nicht nur die Lehrer fungierten als Multiplikatoren, sondern auch die Schulkinder waren Träger und Vermittler der Propaganda bei ihren Eltern und Verwandten. „Wir forderten unse-re Kinder auf, über das Gehörte und Gelernte zu spunse-rechen“, schrieben Lehunse-rer in Baden an das

634 Kammeier, Der Landkreis Lübbecke und der 1. Weltkrieg (1998), S. 199.

635Johann/Tchech/Schicha/Zwikirsch/Matzel/Rosemann, Schulchronik der Schule zu Mittel-Podiebrad (19.09.2007).

636 Chronik der Stadt Kyllburg 800–2000, http://www.mueller-kyllburg.de/weltkrieg_eins/kriegsanleihen.html (10.09.2008).

Kreisschulamt und ein Kriegsbuchautor betonte die „wichtige Möglichkeit der Einwirkung auf die Einsicht der Stimmung des Hauses durch die Kinder“637.

Wie die in 3.5.1 aufgeführten Ergebnisse zeigen, waren Tausende von Schulkindern als Wer-ber aktiv und sehr erfolgreich. Bei ihren Bemühungen wurden sie von den Lehrern in vielfäl-tiger Weise unterstützt, und zwar durch Schulung, Beratung und Informations- und Werbema-terial, wie z. B. Zinsberechnungslisten sowie Formulare. Für die 4. Anleihe (und für die fol-genden) wurde von Berliner Lehrern eine große Propagandaaktion gestartet, um Schüler als Werber zu gewinnen und zu schulen. An 4.300 höhere Schulen wurden die Informationsblät-ter „Der UnInformationsblät-terricht an die Schüler über Wesen und Bedeutung der Kriegsanleihe“ und „Auf Werbung zur Kriegsanleihe“ geschickt.638 Viele Schulen hatten zudem ein Werbebüro einge-richtet, das täglich geöffnet war. Ab der 6. Anleihe bekamen die Schüler die Kosten für die Werbefahrten mit der Bahn sogar erstattet. Neben Hausbesuchen und Informationsständen gab es auch spektakuläre Aktionen der Schüler. Ein damals recht bekanntes Bild, das in der Berliner Ausstellung „Schule und Krieg“ zu sehen und auch in vielen Publikationen abgebil-det war, zeigt Berliner Schüler und Schülerinnen, die in langer Reihe auf einer Straße gehen und ein Schild mit der Aufschrift „Wer Kriegsanleihe zeichnet verkürzt den Krieg“ vor sich her tragen.639 Über eine ähnliche Situation in München existiert ebenfalls ein Foto. Es zeigt Schüler, die in einer belebten Straße Fahnen und Postkarten verkaufen.640

Auch das Realgymnasium zu Ahlen (Provinz Westfalen) veranstaltete zur Förderung der (7.) Kriegsanleihe einen „öffentlichen Werbeumzug“, an dem alle Schüler und Lehrer teilnahmen.

Der verantwortliche Lehrer berichtete darüber, um andere Schulen zu ähnlichen Aktionen zu bewegen:

„Von Trommlern geführt, begab sich der Zug mit fliegenden Fahnen und unter Vorantragung von Werbeplakaten zum Markt und Rathausplatz und weiter durch die wichtigsten Straßen der Stadt.

An sieben Plätzen wurde unter Leitung des Gesanglehrers der Anstalt von einem Chor von etwa 250 Stimmen das ‚Lied vom grauen Geld’ vorgetragen. Kräftig schallte es in den klaren Herbst-morgen und drang in die Häuser und Herzen der Bürger. Der gute Wille, aus dem das Unternehmen hervorging, und der würdige Ernst, mit dem es durchgeführt wurde, traf nirgends auf Spott oder Ablehnung. Das zeigte das Ergebnis der Hauswerbung, die im Anschluß an den Umzug sofort von den Schülern durchgeführt wurde. Brachte sie doch, nachdem der Nationaltag vorbei war und die Zeichnungsfrist nur mehr 2 Tage betrug, noch Zeichnungen in Höhe von 64.800 Mark, großenteils Nachzeichnungen, aber auch erste Zeichnungen von teilweise beträchtlicher Höhe, die nur durch die Werbung veranlasst wurden.

So lohnte der Erfolg den Optimismus, der das Unternehmen gewagt hatte; und den Teilnehmern bleibt der Tag eine Lebenserinnerung aus großer Zeit.“641

637 Zitiert nach: Demm, Ostpolitik und Propaganda im Ersten Weltkrieg (2002), S. 88.

638 Ohmann, Schüler als Werber für die vierte Kriegsanleihe, Deutsches Philologen-Blatt 1916, S. 153.

639 Siehe: Anhang, Seite 59, Bild 1.

640 Brudmann, Grosser Bilderatlas des Weltkrieges (1915ff.)

641 Wagler, Ein neues Werbemittel für die Kriegsanleihe, Deutsches Philologen-Blatt 1918, S. 116.

Über die schulischen Werbeaktivitäten wurde gerne und fast immer positiv von den Zeitun-gen berichtet642, was dann auch ein Grund für verstärkte Aktivitäten bei der nächsten Anleihe war. Außerdem strahlte das bekannt gemachte Vorbild der Schulen auf die allgemeine Öffent-lichkeit aus.

Besonders wichtig für das Engagement der Schüler waren neben der Aussicht auf schulfreie Tage und andere Belohnungen das Vorbild und die Überzeugungskraft der Lehrer. Viele zeit-genössische Berichte geben darüber Aufschluss, wie intensiv die Lehrer ihre Schüler im Un-terricht beeinflusst haben. Auf den Lehrer Wieldt aus Getmold ist bereits oben hingewiesen worden. Er ließ z. B. das im Unterricht Gelernte in Aufsätzen, die dann auch die Eltern lasen, verarbeiten. Ein Thema lautete: „Warum wir alle die 6. Kriegsanleihe zeichnen wollen“. Die Ergebnisse zeigen, dass der Unterricht ganz im Zeichen des Krieges gestanden hatte und die Meinung des Lehrers unreflektiert übernommen worden war.643

Einem zeitgenössischen Bericht aus einem Dorf bei Salzdetfurth (Provinz Hannover) ist über die Beeinflussung durch die Schule zu entnehmen: „Eindringlich belehrte (in Wehrstedt) der Lehrer die Kinder über die aufgelegte Kriegsanleihe.“644 Das dritte. Beispiel stammt von ei-nem Zeitzeugen, der sich an seine Schulzeit in Solingen und die Werbung für die Kriegsanlei-hen erinnerte: „Das Wort ‚Kriegsanleihe’ glich einer Beschwörungsformel. Mindestens zweimal jährlich wurde zur Zeichnung von Reichsschatzanweisungen aufgerufen. Sogar in der Schule appellierte der Lehrer an die Erfüllung dieser vaterländischen Pflicht.“645

Wie groß oft auch der moralische Druck gewesen sein muss, den die Lehrer ausgeübt haben, um ihre Schüler zur Zeichnung oder zur Werbetätigkeit zu bewegen, lässt sich der Meinung eines Lehrers entnehmen, die offensichtlich damals von vielen Kollegen und Kolleginnen geteilt worden ist646: „Unsere Anleihen sind eigentlich nichts als öffentlicher Dank. In den Kriegen hielt man früher nicht nur Bußtage, sondern auch Dankgebetstunden. Ein solch Dankgebet ist – richtig verstanden – die Kriegsanleihe.“647

642 Zum Beispiel von den Flensburger Nachrichten: „(Es gibt) kein trefflicheres Mittel zur Charakterbildung als die Erziehung zum Gemeinsinn, zur freiwilligen Arbeit im Dienste anderer, im Dienste des Volksganzen.“ (Zi-tiert nach: Pust, „Vaterländische Erziehung" für „Höhere Mädchen" [2004], S. 378).

643 Kammeier, Der Landkreis Lübbecke und der 1. Weltkrieg (1998), S. 194/195.

644 Heimatverein Wehrstedt e.V., Die Dorfchronik, http://www.heimatverein-wehrstedt.de/drei.html#titelanker15 (03.04.2008).

645 Sinne/Motz, Solingen im 1. Weltkrieg (1984), S. 64, S. 92.

646 Das trifft z. B. auch auf den Lehrer Wieldt aus Getmold zu, der „Gottvertrauen auf unseren Sieg und Eure Vaterlandsliebe“ als die „heiligsten Güter“ bezeichnete, die es auch durch die Zeichnung von Anleihen

zu verteidigen gelte“. (Schulchronik Getmold, S. 163; zitiert nach: Kammeier, Der Landkreis Lübbecke und der 1. Weltkrieg [1998], S. 194.)

647 „Diesmal wird es nichts!", Hannoversche Schulzeitung. Organ der Provinzial-Lehrervereins, der Bezirks- und Pestalozzivereine der Provinz Hannover, des Lehrer-Brandversicherungsvereins für Hannover, Bremen und das Fürstentum Lippe., 1917, S. 318f.

Eine weitere Ursache für die Zeichnungserfolge lag sicher auch darin, dass einzelne Schüler innerhalb einer Klasse, einzelne Klassen innerhalb einer Schule und einzelne Schulen inner-halb einer Stadt oder einer Region miteinander konkurrierten und jeder möglichst gut ab-schneiden wollte. Schließlich wurden die Ergebnisse der Erfolgreichsten durch die örtliche Presse bekannt gemacht oder sogar in den Lehrerzeitschriften reichsweit veröffentlicht.648 Auf ein Beispiel aus Mittel-Podiebrad (Provinz Schlesien) sei stellvertretend für viele andere hin-gewiesen, wo in der Chronik der Volksschule voller Stolz das eigene gute Ergebnis hervorge-hoben und zu dem anderer Schulen in Beziehung gesetzt wurde: Bei der 3. Anleihe im Sep-tember 1915 wurde für 5.800 Mark gezeichnet, „so daß unsere Schule in hervorragendem Maße unter allen Schulen des Kreises an erster Stelle stand“.

Ähnlich war es im März 1916 bei der 4. Anleihe: „Die Beteiligung an der Zeichnung der 4.

Kriegsanleihe war sehr erfreulich. Es wurden 6.700 M gezeichnet. Diesmal stand unsere Schule an der Spitze aller Landschulen des Kreises; nur das Gymnasium und die Stadtschule haben einen höheren Betrag gezeichnet.“649

Innerhalb der einzelnen Klassen und einer Schule spornten sicher auch das damals weitver-breitete ‚Kriegsanleihe-Thermometer’650 und der ‚Kriegsanleihe-Kalender’651 die Schüler an.

Im Philologenblatt wurde 1917 für jene Methode in einer ganzseitigen Anzeige geworben, die Aufschluss über die außergewöhnliche Werbemethode gibt.652 Am Beispiel des Kaiser-Wilhelms-Realgymnasiums in Berlin, wo die Maßnahme ausprobiert worden war, wurde das

‚Kriegsthermometer’ erklärt. Auf dem Schulhof war regengeschützt ein großes Plakat, auf das ein Thermometer gezeichnet war, aufgehängt worden, auf dem täglich die Summe der Anlei-hezeichnungen zu sehen war. Anfangs war nur die Kugel geschwärzt, dann zunehmend auch die ‚Quecksilber’-Röhre. Jeweils in den Pausen stieg dann die ‚Anleihe-Temperatur’. In klei-nen Schulen bestand die Einteilung der Messskala aus Einheiten von jeweils tausend Mark, in großen von zehntausend. Das Berliner ‚Anleihe-Thermometer’ ist von vielen Schulen mit Erfolg nachgeahmt worden. Der ‚Kriegsanleihe-Kalender’ hing in Klassenräumen und ent-hielt die im Zusammenhang mit der Kriegsanleihe wichtigen Termine und Informationen, z. B. die Zeichnungsfristen, geplante Werbeaktionen u. a.

648 Siehe dazu: Kapitel 3.4.1 Ablauf und Ergebnisse.

649Johann/Tchech/Schicha/Zwikirsch/Matzel/Rosemann, Schulchronik der Schule zu Mittel-Podiebrad (19.09.2009).

650 Siehe: Anhang, Seite 59, Bild 2.

651 Siehe: Anhang, Seite 60, Bild 1; der Kalender stammt vom September/Oktober 1917 und wurde zur 7.

Kriegsanleihe in einer Hildesheimer Schule aufgehängt.

652 Kennen Sie schon das Kriegsanleihe-Thermometer?, Deutsches Philologen-Blatt: Korrespondenz-Blatt für den akademisch gebildeten Lehrerstand (Beilage), 1917, S. 556.

Zuletzt sei noch auf eine gemeinsame Werbeaktion der vier höheren Schulen in Flensburg hingewiesen.653 Für die 3. Kriegsanleihe riefen die Schulen mit einer Zeitungsanzeige ge-meinsam zur Zeichnung auf. Am Donnerstag, 9. September 1915, sollten sich alle Schüler und Schülerinnen in der Aula ihrer eigenen Schulen versammeln, wo sie über Einzelheiten informiert werden sollten. Man wollte durch diese konzertierte Aktion auch die Aufmerksam-keit der gesamten städtischen Bevölkerung auf die neue Anleihe lenken, um den „hohen Zweck (d. h. ein gutes Zeichnungsergebnis) auch in unserer Stadt zu erreichen“654.

Abgesehen von den freien Tagen, die ab der 3. Anleihe alle deutschen Schüler jeweils als Be-lohnung für ihren entsprechenden Einsatz bei den Kriegsanleihen bekamen, wurde den Schü-lern einer Stadt oder einer Schule mehrfach freigegeben, wenn eine bestimmte Summe er-reicht worden war. Dazu ist beispielsweise in der Chronik der Auguste-Viktoria-Schule in Flensburg im April 1918 vermerkt: „Am II. April war schulfrei, weil die Kriegsanleihe über 100.000 betrug.“655 Auch einzelne Schüler bekamen freie Tage, wenn sie aufs Land fuhren, um dort für die Anleihen zu werben, und für besondere Zeichnungserfolge.

Einen großen Anreiz für Schüler und Lehrer, sich bei jeder neuen Anleihe immer wieder neu anzustrengen und den Erfolg der letzten Anleihe noch zu übertreffen, stellten auch die offizi-ellen Anerkennungen und Prämien in Form von Ehrenurkunden, Gedenkmünzen, Bildern, die den Kaiser oder Hindenburg zeigten, Postkartenheftchen u. a. dar. Auf einige Beispiele, die teilweise auch im Bilderanhang zu sehen sind, soll hingewiesen werden:

– Hindenburg-Plakette mit einer Ehrenurkunde für „Schulkriegshilfe im Weltkriege"656 (Port-rät Hindenburgs, Feinzink 50 mm).

– Großes Bild Hindenburgs: „Im Juli 1918 stellte das Reichsbankdirektorium dann den Schu-len, die sich an den Kriegsanleihen beteiligt hatten, ‚ein großes Bild Hindenburgs’ zur Verfü-gung.“657

– Dekorative Schülerurkunden „zur Erinnerung an freudige Mithilfe“, die den Spruch „Große Zeit fand dich bereit! Halfst schmieden das Schwert zu hartem Streich!“ enthielten.658 Sie

653 Der Aufruf ist teilweise abgedruckt in: Hohnsbehn, Die Flensburger Schuljugend in der Zeit des ersten Welt-kriegs (1996), S. 250f.

654 Siehe: Anhang, Seite 60, Bild 2.

655 Zitiert nach: Pust, „Vaterländische Erziehung" für „Höhere Mädchen" (2004), S. 390. Über den freien Tag berichteten auch die ‚Flensburger Nachrichten’. Nachdem 75.000 Mark zu Beginn der Herbstferien zusammen-gekommen waren, hatte man den Schülerinnen einen freien Tag in Aussicht gestellt, wenn 100.000 Mark er-reicht würden.

656 Ohmann, Eine Gedenkmünze zur Kriegshilfe der Schulen für besonders verdiente Helfer, in: Deutsches Philo-logen-Blatt 1918, S. 127. Die Schulen konnten die von Prof. L. Manzel gestaltete Plakette zum Preis von 4,30 Mark erwerben und den in der Kriegshilfe besonders erfolgreichen Schülern in feierlichem Rahmen überreichen.

Auf der Rückseite stehen die Worte Hindenburgs „Vergeßt den Geist von 1914 nie“ und „Für Schulkriegshilfe im Weltkriege“; siehe: Anhang, Seite 63, Bild 1a/1b.

657 Siehe: Pust, „Vaterländische Erziehung" für „Höhere Mädchen" (2004), S. 390.

658 Siehe: Anhang, Seite 63, Bild 2; die gezeigte Urkunde (15 x 21 cm) wurde bei der 4. Kriegsanleihe im Früh-jahr 1916 der Schülerin Helene Knorr, die die Höhere Bürgerschule besuchte, überreicht. Dem Verfasser liegt außerdem eine Urkunde vor, die der Schüler Rudolf Lehmann derselben Schule zum gleichen Zeitpunkt bekom-men hat.

wurden in der Regel den Schülern, die bei der Zeichnung oder der Werbung besonders erfolg-reich gewesen waren, in größerem schulischen Rahmen vom Schulleiter feierlich übererfolg-reicht.

– Dekorative Ehrenurkunde, „Als Anerkennung für erfolgreiche Werbearbeit zur […] Kriegs-anleihe“

– Dekorative Gedenkblätter. Das in den Anhang aufgenommene Exemplar wurde anlässlich der 8. Kriegsanleihe im April 1918 dem Gymnasium in Bautzen (Kgr. Sachsen) für das Sam-melergebnis in Höhe von 18.367 Mark verliehen und an den erfolgreichsten Schüler stellver-tretend ausgehändigt.659

– Blätter zur Erinnerung an die „Kinder-Kriegsanleihe“, die dem Kaiser gewidmet waren und jeweils ein Gedicht enthielten.660

– Reiterbildnis des Kaisers mit eigenhändiger Unterschrift (für die Schule)661

– Reiterbildnis des Kaisers mit eigenhändiger Unterschrift (für die Schule)661