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4. Liebe und Hass

4.2. Liebe

4.2.2. Sexualität

4.2.2.6. Geschlechterrollen

4.2.2.6.2. Weibliches Verhalten

Zurück zu dem was an solchen Parties tatsächlich im Vordergrund steht, zurück zur weiblichen Sexualität. Als weiteren Grund für das Nicht- oder Kaum-Zustandekommen von sexueller Interaktion nenne ich einen ganz klassischen Grund: Frauen wollen begehrt werden,

122 Vgl. Goffman; 1967; S. 15

sind also zufrieden, wenn sie auf Studentenparties eine gewisse Aufmerksamkeit „entfachen“

können und Männer wollen Sex (dazu mehr beim Abschnitt Geschlechterrollen), die Geschlechter machen also in gewisser Weise aneinander vorbei123.

Aus diesem Grund sind nicht bloss die Männer „schuld“, dass die Rollenverteilung an Studentenparties von klassischer Art ist. Studentinnen putzen sich eher heraus für solche Anlässe und präsentieren sich aber vor allem auf eine ganz andere Art und Weise. Deshalb kann man davon ausgehen, dass viele Studentinnen solche Parties besuchen, um sich eine Art Bestätigung abzuholen und muss damit den Antworten fast sämtlicher Respondentinnen widersprechen. Es gaben fast alle an, das sie solche Anmachen eher als nervig, denn als bestätigend empfinden. Es handelt sich dabei nicht gerade um eine Lüge, aber die Wahrheit wird schon ein bisschen arg zurechtgerückt (ich denke es ist beides in einem gewissen Sinne wahr, eine schlechte Anmache nervt sicher, trotzdem war es jemand, der sich für einem interessiert hat was einem doch eher ein gutes Gefühl gibt), abgesehen davon, dass ich es als durchaus legitim empfinde, das nicht zuzugeben.

Ich habe oben schon die Bedeutung Tanzfläche als Präsentierteller erwähnt. Was für eine andere Funktion soll dieses beschriebene Verhalten haben als sich eine gewisse Bestätigung durch männliche Blicke oder eben Anmache zu holen? Goffman erklärt dies mit der Kontrolle, den die Frauen über den Zugang zu ihren Vorzüge haben: „Auch die Frauen erhalten dabei (Anm: bei der Anmache) eine Bestätigung, dazu reicht jedoch die anfängliche Interessensbekundung durch den Mann häufig aus.“124 Ein Beispiel dazu, das ich beobachtet habe: Eine sehr attraktive Studentin steht in einer Konstanzer Kneipe. Sie wird immer wieder angesprochen und mit Komplimenten bedacht. Sie freut sich, geht auf die Männer ein, flirtet mit ihnen, irgendwann verabschiedet sie mit einem Kuss auf die Backe und verabschiedet sich und wendet sich jemand anderen zu. Schlussendlich geht sie alleine nach Hause (und wirkt durchaus zufrieden mit dieser Situation). Man könnte sagen, sie ist weggegangen, um „ihren Marktwert“ zu überprüfen und als sie festgestellt hatte, dass dieser durchaus hoch war, konnte sie beruhigt nach hause gehen.

Das ganze wird im Normalfall dazu dienen ein (eventuell durch frustrierende Alltagserlebnisse) geschwächtes Selbstbewusstsein wieder aufzubauen. Krappman sieht diese Art von Selbstdarstellung eher negativ. Er sieht in diesem Vorgehen eine Art Ausweg, anstatt versuchen, zur Selbsteinsicht zu gelangen, kompensieren die betreffenden Frauen ihre negativen Gefühle mit dem Versuch der Gewinnung nach sozialer Anerkennung. Das alles

123 Lautmann; 2002; S. 76-76.

124 Vgl Goffman; 1994: S. 121.

weise auf eine schwach entwickelte Ich-Identität hin125, was ich nicht so sehe, wenn man das Bedürfnis nach Anerkennung auf eine solch einfache Art erfüllen kann, ist es legitim, diese Möglichkeit zu nutzen. Solche Verhaltensweisen sind aber natürlich ein weiterer Grund für das seltene Zustandekommen sexueller Kontakte.

Man kann solche Verhaltensweisen allerdings auch als Reaktion auf männliche Verhaltensweisen sehen, schliesslich ist es, wie gesagt, eine „relativ leichte Übung“, wenn man sich nicht gut fühlt, das Ego auf einer Studentenparty wieder aufzubauen, da es genügend Männer gibt, die relativ wahllos „alles“ was vorbeiläuft anmachen. Die „Gefahr“ dieser Art, ein angeknackstes Selbstbewusstsein aufzubauen, ist eben die Bestätigung klassischer Rollenbilder und die damit verbunden Mechanismen: „Zudem sind viele Frauen, vielleicht sogar die Mehrheit der Frauen zutiefst davon überzeugt, dass die offizielle Version der natürlichen Charakterunterschiede zwischen ihnen und den Männern richtig ewig und natürlich ist, wie niedrig ihre eigene Stellung in der Gesellschaft auch sein mag.“126

Zu den positiveren Seiten des weiblichen Verhaltens: Das Unterschiede des Anmachverhaltens von Männern und Frauen beschränken sich aber nicht bloss auf die Häufigkeit, sondern auch die Art und Weise, wie sie vorgenommen werden, unterscheiden sich grundsätzlich. Ein weiteres Beispiel männlicher Anmache: Ein Student steht vor dem Ausgang einer Studentenparty. Er macht jede Frau, die an ihm vorbeiläuft mit relativ blöden Sprüchen an. Jedes Mal erntet er ein Grinsen, wird aber stehen gelassen. Wie dieses typische Beispiel zeigt, sind Männer oft recht wahllos, wen sie anmachen, während Frauen, wenn sie einmal ansprechen, doch eher zielstrebig vorgehen. (R12: „Es würde sich nicht grossartig unterscheiden, was ich mit dem Typ rede, ob ich nüchtern bin, oder ob ich betrunken bin. Die Prinzipien, die ich an einen Typen habe, ändern sich dadurch nicht.“) Frauen haben von Anfang an gewisse Prinzipien und Vorstellungen, wie ein Mann sein muss, damit er bei ihr landen kann. Sie sind auch nicht bereit, ihre Ansprüche im Rahmen einer Studentenparty herunterzuschrauben, was bei Männern im Verlaufe des Abends und steigendem Alkoholkonsum meistens der Fall ist.

In den wenigen Fällen, die ich beobachtet habe, bei denen die Frau den Mann angesprochen hat, hat das meist den Eindruck gemacht , als ob die Frau bestens Bescheid wusste, was sie da tut. (R12: „Nicht unbedingt, nicht zwangsläufig. Wenn ich überzeugt davon bin, dass der gut ist für mich, oder dass ich den unbedingt kennenlernen will, dann würde ich schon den ersten Schritt machen, was aber eher seltener passiert.“) Aus dieser Aussagen derselben Respondentin geht hervor, dass es eben notwendig ist, dass sie von dem Mann überzeugt ist,

125 Vgl. Krappmann; 1969; s. 147.

bis sie bereit ist, etwas „zu tun“. Fazit: Frauen starten viel weniger Anmachen als Männer, dafür zielgerichtetere (und in dem Fall wohl auch erfolgsversprechendere, während bei Männern relativ viel Energie ziemlich sinnlos „verpufft“ (R24: "Ich würde sagen, mal so, mal so, ich schnapp mir schon gerne auch mal einen Typen.").).