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4. Liebe und Hass

4.2. Liebe

4.2.2. Sexualität

4.2.2.4 Hindernisse

4.2.2.4.4. Verweigerung Codes

Es müssen nicht immer die Frauen sein, die sich abweisend verhalten (beziehungsweise auf eine gewisse Art von Aktion eher abweisend reagieren), sondern es kann ja durchaus auch zum umgekehrten Fall kommen und passieren, dass Männer Probleme mit weiblichen Verhaltensweisen haben (R5: „Das zum einen, weil ich halt auch so eine gewisse Grundverachtung an das Ganze herangetragen habe, kein Bock auf dieses Anbiedern, ich tu meine Ideale verraten, nur um irgendsoeine Muschi ins Bett zu kriegen, nein, das mache ich nicht, da bin ich mir zu fein dafür. Erstmal muss es für mich o.k. sein, diese ganze Ego-Kacke im Prinzip, die nichts bringt, aber wo du denkst, du bist einer von den Guten.“). Die Anmache auf Studentenparties verlaufen nach einem gewissen Schema, das eben in etwa so aussieht, dass man mit der Frage nach dem Studium des jeweiligen Gegenüber anfängt, man über dieses Thema noch ein bisschen fachsimpelt und dann, sofern der notwendige Mut vorhanden ist, mit der richtigen Anmache weitermacht. Dies dann in der Form von Komplimenten,

115 Siehe Goffman; 1967; S. 66.

Einladungen, eindeutigen Angeboten,... Es gibt also eine klare Struktur, wie dieses Anmachgespräch verlaufen soll, einen normativen Hintergrund, der einem ein gewisses Verhalten vorschreibt. Der Mann sagt etwas, erwartet von der Frau eine gewisse Antwort und diese signalisiert ihm mit dieser, dass er nun den nächsten Schritt machen kann (oder auch nicht!). „Verhaltensregeln wirken auf das Individuum im allgemeinen auf zwei Arten ein, und zwar einerseits direkt, als Verpflichtungen, die das Verhalten des Individuums selbst erzwingen, und andererseits indirekt, als Erwartungen, die die Handlungsweise anderer ihm gegenüber moralisch verpflichtend festlegen.“117

Der Respondent erklärt (oder rechtfertigt?) seine Erfolglosigkeit nun mit seiner mangelnden Bereitschaft, sich an diese ungeschriebenen Gesetze zu halten (R5: „Ich hatte schon öfter das Gefühl, dass ich in einer gewissen Situation das und das hätte sagen sollen als Mann und das aber nicht wollte... (Pause), weil ich mir zu fein dazu war. Ein Grund dafür, dass ich nicht so wahnsinnig viele Sexualpartner hatte in meinem Leben. Im Nachhinein könnte ich sagen, mit der wollte ich nicht, und die war mir nicht gut genug, aber eigentlich lag es an diesen Zuschreibungen, ich musste mich jetzt in der und der Situation, weil das eine Party ist, und weil sie eine Frau ist, muss ich mich so und so verhalten, also ihr einen Drink ausgeben, sie fragen, was sie studiert, Interesse zeigen oder eher vorheucheln, all die alten Tricks, die wunderbar funktionieren, die auch damals wunderbar hätten funktionieren hätten können, wenn ich nicht diese Arroganz besessen hätte, ich habe probiert, das zu umgehen und es auf meine Art zu machen und meine Art hat nicht funktioniert, warum auch immer, vielleicht weil eben der Rahmen gezwungen ist auf der Uni-Party. Es ist der falsche Ort, es auf seine Art zu machen, weil man es auf Studentenparty-Art machen muss.“). Wobei man sagen muss, dass es sich nicht um wirkliche Erfolglosigkeit handelt, ein Ziel, das man nicht erreichen möchte, muss eben diesem Nichterreichen nicht als Misserfolg taxiert werden.

Die Normierung durch diese Codes, wie ein solches Anmachgespräch zu verlaufen hat, geht soweit, dass zwei Personen, die sich beide diesen Verhaltensregeln nicht unterordnen wollen (dabei handelt es such um eine kleine Minderheit: R5: „…es gibt halt auch genügend Tussen, die diese Reflektionsebene gar nicht wollen.“), sich trotzdem erst einmal an diese Codes halten müssen, um überhaupt ins Gespräch zu kommen und dabei festzustellen, dass man im Prinzip diese Regeln verabscheut (R5: „Bestes Beispiel: XXX und XXX (Interviewer und Respondent) sind auf der FH-Party, da kommt der XXX an, XXX kommt vorbei und hebt sein Glas hoch und ruft: Uschi!, ne Frau kuckt sich um und sagt dann: Glas! Nächste Frau: Uschi!

Glas! Hähäha. Er läuft weiter, die Frau bleibt stehen, ich bleib auch stehen, wir kommen ins

116 Vgl. Goffman; 1967; S. 54-62.

Gespräch und ich habe mich eine halbe Stunde mit ihr unterhalten. Ich hätte mich nicht mit ihr unterhalten, wenn der XXX diese blöde Anmache nicht gemacht hätte. Ich selber hätte diese Anmache nicht gebracht, also hätte ich mich niemals mit ihr unterhalten.“) Also ein Teil der „sexuellen Flaute“ auf Studentenparties lässt sich durch die mangelnde Bereitschaft der Studenten, sich dem typischen „Studentenparty-Verhalten“ anzupassen, erklären.

An dieser Stelle möchte ich eine persönliche Anmerkung machen, die ich durch meine Beobachtungen (leider!) nicht bestätigen kann. Der Respondent hat mit seinen Äusserungen gegenüber Studentenparties natürlich recht, meine Beobachtungen bestätigen seine Aussagen bezüglich dieser Codes (R5: „also ihr einen Drink ausgeben, sie fragen, was sie studiert, Interesse zeigen oder eher vorheucheln, all die alten Tricks, die wunderbar funktionieren, die auch damals wunderbar hätten funktionieren hätten können, wenn ich nicht diese Arroganz besessen hätte, ich habe probiert, das zu umgehen und es auf meine Art zu machen und meine Art hat nicht funktioniert, warum auch immer,..“) In diesem Teil des oben schon verwendeten Zitates zeigt sich weshalb an der Stelle ein „Aber“ angebracht ist. Ich glaube nicht, dass seine individuelle Art oder Arroganz, wie er es nennt, von vornherein zum Scheitern verurteilt war, sondern ich denke eher, dass er es gar nicht probiert hat. Natürlich würde seine individuelle Art die Verhaltensstruktur zerstören, und die Interaktion würde erst einmal in ungeordneten Bahnen verlaufen, aber in diesem Fall würde die Zerstörung etwas Positives bewirken. Es kann gar nicht schlecht kommen, wenn man sich, was die Anmache betrifft, etwas einfallen lässt und nicht bloss die üblichen Klischees benützt. Fast ausnahmslos haben meine Respondentinnnen auf die Frage, ob es sie freut oder nervt, wenn sich angemacht werden, geantwortet, dass es eben auf die Annmache darauf ankomme (R12: (unterbricht) „Ja das ist schon vorgekommen, dann kommt es darauf an, wie die Anmache ist, wie der Typ auf mich zugeht.“) Also etwas Phantasie und eine Anmache abseits der üblichen Sprüche und Klischees kann gar nicht schlecht sein, und wenn es trotzdem schief geht, kann der Respondent seinen Standpunkt mit gutem Grund behalten (R5: „...und der andere Grund ist aber auch der, dass die Frauen, die auf so eine Anmache stehen, bei denen es funktioniert, dass ich die dann auch nicht haben wollte oder so.“). Fazit: Die Struktur von Studentenparties schreibt einem ein gewisses Verhalten vor (oder gibt zumindest eine Empfehlung ab), aber die Verweigerung dieses Verhalten anzunehmen, wird im besten Fall sogar „belohnt“. Sie ist aber auch mit dem Risiko verbunden, dass es schiefgeht, wenn der Ansprechpartner zu sehr den studentpartyüblichen Anmachregeln unterliegt.

117 Vgl. Goffman; 1967; S. 56