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3 EIGENE UNTERSUCHUNGEN

3.1 Tiere, Material und Methoden .1 Tiere der Studie

4.1.4 Vergleichende Beschreibung der sozialen Interaktionen

Insgesamt konnte in dieser Arbeit festgestellt werden, daß bei männlichen Flachlandgorillas aus Familiengruppen soziale Verhaltensweisen häufiger auftraten als bei Männchen aus Junggesellengruppen. Zusätzlich wiesen innerhalb der Familien- und Junggesellengruppen jeweils die adulten Männchen niedrigere Anteile dieser Verhaltensweisen auf. Ältere Gorillas aus Junggesellengruppen zeigten hier, im Gegensatz zu den anderen beobachteten Männchen aus Familien- und Junggesellengruppen, kaum Anteile an affiliativen Verhaltensweisen.

Agonistische Verhaltensweisen wurden häufiger von Männchen aus Familiengruppen ausgeführt, in den Junggesellengruppen wies nur ein Teil der älteren Männchen vergleichbar hohe Agonistikraten auf. Eine Auswertung und Analyse des Sexualverhaltens konnte hier nicht erfolgen.

In den beiden Familiengruppen zeigten alle männlichen Mitglieder affiliatives Verhalten, die höchsten Anteile hieran hatte dabei das jung-adoleszente Männchen, die niedrigsten der alt-adoleszente Gorilla. Die affiliativen Interaktionen in den Familiengruppen fanden in der Gruppe des alt-adoleszenten Männchens ausschließlich zwischen weiblichen Tieren und den Männchen statt. In der Gruppe des jung-adoleszenten Männchens gab es neben den Interaktionen mit weiblichen Tieren auch, bidirektional, positive Kontakte zwischen den beiden männlichen Gorillas. Entsprechende Ergebnisse zum affiliativen Verhalten männlicher Tiere aus Familiengruppen sind von Berggorillas aus dem Freiland bekannt. Zwischen adulten männlichen Berggorillas aus Familiengruppen findet kein affiliatives Verhalten statt, statt dessen wird es vor allem auf weibliche und nicht ausgewachsene Mitglieder gerichtet (ROBBINS 1996). Dieses selektive Verhalten der männlichen Tiere entsteht allerdings erst mit der sexuellen Reifung, denn vorher zeigen männliche Berggorillas durchaus affiliative Verhaltensweisen mit adulten männlichen Rezipienten und zeigen diese sogar häufiger als adulte Tiere (HARCOURT 1988; ROBBINS 1996). Der jung-adoleszente Gorilla dieser Arbeit steht im Gegensatz zum alt-adoleszenten Gorilla noch am Anfang der Entwicklung zur sexuellen Reife, wodurch, im Gegensatz zum alt-adoleszenten Männchen, affiliativer Kontakt

zum adulten Vater möglich ist. Auch ein höherer Anteil an affiliativem Verhalten ist, wie bei männlichen Berggorillas dieser Altersklasse im Freiland, beim jung-adoleszenten Männchen vorhanden. Das affiliative Verhalten des alt-adoleszenten Gorillas ähnelt, vor allem im Kontext mit seinem dominanten Vater, genauso wie die häufigeren weiten Distanzen (Kapitel 4.2), dem Verhalten eines heranwachsenden männlichen Berggorillas vor der Emigration.

In den Junggesellengruppen dieser Arbeit wurden affiliative Verhaltensweisen fast ausschließlich von und zwischen den jüngeren Gruppenmitgliedern beobachtet. Auch neuere Untersuchungen an verschiedenen Junggesellengruppen in Gefangenschaft zeigen einen hohen Anteil an affiliativen Handlungen zwischen den jungen Tieren einer Gruppe und einen daraus resultierenden Gruppenzusammenhalt (STOINSKI et al. 2004a). Dies stimmt mit Beobachtungen aus dem Freiland überein, wo jüngere Berggorillamännchen in Junggesellengruppen (YAMAGIWA 1987; HARCOURT 1988) häufiger affiliative Interaktionen zeigten. Im Gegensatz dazu wurden von den älteren Gorillas aus den hier studierten Junggesellengruppen kaum affiliative Interaktionen ausgeführt. Dieses Fehlen von affiliativen Handlungen konnte bisher weder bei adulten Flachlandgorillas in Junggesellengruppen in Gefangenschaft (STOINSKI et al. 2001, 2004a) noch im Freiland (HARCOURT 1988; ROBBINS 1996) ermittelt werden. Die Gründe für diesen Unterschied sind unklar, sie können unter anderem durch die individuelle Variabilität (STOINSKI et al.

2004b), aber auch in einer abweichenden Sozialisierung (durch Handaufzucht) begründet sein.

In den Familiengruppen wurde von allen Männchen ein hoher Anteil an Agonistik gezeigt, wobei die beiden adoleszenten, subdominanten Gorillas sowohl einen höheren Anteil an agonistischem als auch einen höheren Anteil an direktem aggressivem Verhalten ausführten.

Die adulten Männchen richteten Agonistik vor allem auf ihre adoleszenten Söhne, wobei zwischen dem alt-adoleszenten und adulten Männchen eine bidirektionale Beziehung mit einem geringen Anteil des heranwachsenden Männchens bestand. Beide adoleszenten Männchen aus Familiengruppen richteten aggressives Verhalten vor allem auf die weiblichen Tiere der Gruppe. Diese Ergebnisse stimmen mit Beobachtungen von Berggorillas aus der freien Wildbahn überein, in der adoleszente Berggorillamännchen auch häufig aggressive

Handlungen auf weibliche Tiere richten (WATTS u. PUSEY 1993). Die adulten, dominanten Männchen richten aggressive Interaktionen sowohl auf heranwachsende Männchen als auch auf weibliche Tiere ihrer Gruppe. Die Häufigkeit scheint hier allerdings abhängig von verschiedenen Faktoren, wie Anzahl und Zyklusstand der weiblichen Tiere sowie Alter und Akzeptanz der männlichen heranwachsenden Gorillas, (ROBBINS 2001) zu sein.

Im Gegensatz dazu zeigten die Männchen aus Junggesellengruppen dieser Studie allgemein eine niedrigere Rate an agonistischem Verhalten als Männchen aus Familiengruppen. Auch das direkte aggressive Verhalten wurde in den Junggesellengruppen weniger häufig ausgeführt. Zudem zeigten hier, im Gegensatz zu den Familiengruppen, in denen die subdominanten, adoleszenten Tiere häufiger agonistisches Verhalten aufwiesen, vor allem hochrangige ältere Männchen höhere Raten an aggressivem Verhalten, wobei die höchsten Raten zwischen zwei alt-adoleszenten Tieren mit ungeklärter Dominanzhierarchie stattfanden.

Im Gegensatz zu den Ergebnissen dieser Arbeit ist für Berggorillas im Freiland bekannt, daß sich Aggressionen von Männchendyaden im allgemeinen zwischen Junggesellen- und Familiengruppen weder in Frequenz noch Intensität wesentlich unterscheiden (HARCOURT 1988). Allerdings weisen männliche Berggorillas in Familiengruppen, was auch in dieser Arbeit gezeigt werden konnte, eine höhere Rate an Kontaktaggressionen auf als männliche Tiere in Junggesellengruppen (ROBBINS 1996), während letztere dagegen häufiger moderate Aggressionen ausübten (HARCOURT 1988). Warum in dieser Studie die Häufigkeit der aggressiven Verhaltensweisen in Familiengruppen durchschnittlich höher war als in Junggesellengruppen, ist ungeklärt. Da die Gehege- und Gruppengrößen der Familien- und Junggesellengruppen in dieser Studie sehr ähnliche Vorraussetzungen boten, kann vermutet werden, daß Unterschiede zwischen Familien- und Junggesellengruppen zumindest nicht auf der Dichte der Tiere beruhten.

Erhöhte Aggressivität dominanter und älterer Gorillas aus Junggesellengruppen konnten in anderen Studien beobachtet werden. Nach kürzlich veröffentlichten Daten von STOINSKI et al. (2004a) initiierten ältere Männchen (ab 11 Jahren) aus Junggesellengruppen westlicher Flachlandgorillas in der Obhut des Menschen häufiger aggressive Handlungen als jüngere.

Aggressives Verhalten, das einen direkten Kontakt beinhaltet (direktes aggressives Verhalten), wurde jedoch häufiger, meist in Richtung gleich oder ähnlich alter Tiere, von jungen Männchen ausgeführt (STOINSKI et al. 2004a). Der Anteil an den beobachteten

agonistischen Verhaltenweisen war jedoch im Durchschnitt niedriger als bei den in dieser Studie beobachteten Gorillas aus Junggesellengruppen. Innerhalb von Junggesellengruppen im Freiland findet man die höchsten Aggressionsraten zwischen Silberrücken (YAMAGIWA 1987) beziehungsweise zwischen alt-adoleszenten und jung-adulten Tieren, die potentielle Rivalen darstellen (HARCOURT 1988). Auch hier initiieren jüngere Tiere relativ wenig aggressives Verhalten (YAMAGIWA 1987). Allgemein ist die geschätzte Häufigkeit von aggressiven Interaktionen in Junggesellengruppen im Freiland (YAMAGIWA 1987;

HARCOURT 1988; ROBBINS u. CZEKALA 1997 in STOINSKI et al. 2004a) jedoch wesentlich geringer als bei Junggesellengruppen in der Obhut des Menschen (STOINSKI et al. 2004a, sowie diese Arbeit). Ein Grund für die höhere Aggressivität kann in der üblicherweise häufigeren Ausübung dieses Verhaltens bei handaufgezogen Gorillas im Gegensatz zu mutteraufgezogenen Tieren (MEDER 1993) liegen. Der Großteil der Gorillas aus den hier beobachteten Junggesellengruppen war handaufgezogen (72 %), während die weniger aggressiven Männchen aus den Untersuchungen von STOINSKI et al. (2004a) nur zu 48 % handaufgezogen waren. Auch die individuelle Variabilität eines Gorillas (STOINSKI et al. 2004b) sowie die Gruppen-, Gehegegröße und Gehegegestaltung (STOINSKI et al. 2004b) können sich auf das agonistische Verhalten auswirken.

In beiden beobachteten Gruppentypen war Sexualverhalten während der Beobachtungsintervalle sehr selten zu dokumentieren. Vor allem in der besucherfreien Zeit oder aber in kaum einsehbaren Rückzugsgelegenheiten kam es zur Ausübung von Verhaltensweisen aus dieser Kategorie, die somit in der Regel nicht aufgenommen werden konnten. Da die Aufnahmen unvollständig sind, kann hier keine quantitativ auswertbare Aussage gemacht werden. Sexualverhalten konnte von allen Männchen aus Familiengruppen beobachtet werden. Bei den beiden adoleszenten Tieren fand dies vor allem in Abwesenheit des dominanten Vaters, versteckt in Rückzugsgelegenheiten, statt. In den beiden Junggesellengruppen konnte kein homosexuelles Verhalten (Pseudokopulationen) beobachtet werden. Statt dessen wurde zum Teil frequentes Masturbieren ausgeübt. Dieses geschah bei handaufgezogenen Gorillas häufig bei dem Anblick bestimmter weiblicher Besucher. Diese Befunde stimmen mit neueren Ergebnissen über westliche Flachlandgorillas aus Junggesellengruppen in der Obhut des Menschen überein, bei denen auch kaum bzw. kein

homosexuelles Verhalten dokumentiert werden konnte (STOINSKI et al. 2004a). In Berggorilla-Junggesellengruppen konnte dagegen eine hohe Rate an homosexuellem Verhalten beobachtet werden (YAMAGIWA 1987; HARCOURT 1988; ROBBINS 1996), dem für den Zusammenhalt innerhalb der Gruppe eine große Bedeutung zugeschrieben wurde. Hierbei wurde der aktive und initiierende Part in der Regel vom älteren und adulten Gorilla übernommen. Warum männliche Gorillas in Junggesellengruppen in der Obhut des Menschen weniger bzw. kein homosexuelles Verhalten zeigen, ist bislang nicht geklärt.

Neben der niedrigeren Anzahl an subadulten und adulten Gorillas in den hier untersuchten Junggesellengruppen könnte auch der Anteil an handaufgezogenen Tieren zu dieser Diskrepanz beitragen. Denn mutterlos aufgezogene Männchen sind teilweise auf Menschen geprägt und paaren sich auch häufig trotz Erregung nicht mit weiblichen Gorillas (MEDER 1993). Daraus kann geschlossen werden, daß ein Teil der handaufgezogenen Tiere nicht zur Ausübung von artspezifischem Sexualverhalten befähigt ist und somit unter Umständen auch kein homosexuelles Verhalten zeigen kann.