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Vergleichende Auswertung der ausgewählten Ansätze

Im Dokument Public Space - Public Relations (Seite 48-51)

Exkurs 2: Wechselnde Bedeutungen des Begriffes »öffentlich«

4.2 Ausgewählte Ansätze zur Beschreibung bzw. Typisierung öffentlicher Räume

4.2.2 Vergleichende Auswertung der ausgewählten Ansätze

Ein Überblick über die beschriebenen vier Ansätze zeigt, dass sich die jeweiligen Strukturierungsmerkmale für öffent-liche Räume auf den ersten Blick deutlich unterscheiden.

Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Ausgangspunkte sind die jeweils genannten Merkmale in Inhalt und Struktur völlig unterschiedlich. Von daher ist ein einfacher Vergleich der vier Ansätze nicht möglich.

Alle vier untersuchten Ansätze können jedoch in Bezug gesetzt werden zu dem dieser Arbeit zugrunde liegenden normativen Verständnis des Begriffes »öffentlich«

(vgl. Tab. 4.1). Den drei normativen Aspekten des

Öffent-30 Zur Erläuterung des theoretischen Hintergrundes zitiert Para-vicini Gabriele Sturm: »vom Öffentlichen als Raum von Glei-chen in ihrer Vielfalt, in dem aus koordiniertem gemein-samem Handeln Macht erwächst und aus dem heraus ein reflektierter Prozess der Veränderung der Gesellschaft erfol-gen kann« (Sturm 1997, zitiert nach Paravicini 2002, S. 10).

31 Identität als Unverwechselbarkeit oder Einmaligkeit, die es ermöglicht, den Ort von anderen zu unterscheiden. Identität als das, was der Ort ist, nicht als das, was er jemandem zu sein scheint. Image als das Bild, das jemand von einem Ort hat.

32 Christine Boyer verwendet in ihrem Buch »The City of Collec-tive Memory« den Begriff »culinary and ornamental landsca-pe« für historische Bereiche der Stadt, die für Konsum und Tourismus »wiederhergestellt« wurden (Boyer 1994, S. 426).

lichen werden dabei nach Möglichkeit einzelne Strukturie-rungsmerkmale der untersuchten Ansätze zugeordnet, um zu überprüfen, ob und inwieweit sie sich in den untersuch-ten Ansätzen wiederfinden.

Erwartungsgemäß gibt es bei den Ansätzen mit nor-mativen Elementen (Paravicini, auch Schneider und Häu-ßermann) eher Übereinstimmungen zwischen den Struktu-rierungsmerkmalen und den normativen Aspekten des Öffentlichen. Bei dem im Wesentlichen deskriptiven Ansatz von Selle gibt es weniger Übereinstimmungen, da hier nor-mative Aspekte und Bewertungsmaßstäbe nicht offengelegt werden.

Der Aspekt derGemeinsamkeit wird von allen vier untersuchten Ansätzen in der einen oder anderen Form aufgegriffen. Beim Aspekt derWahrnehmbarkeitvon vielen in einer Vielzahl der Perspektiven (der mit dem Aspekt der Gemeinsamkeit eng zusammenhängt) lassen sich mit drei der untersuchten Ansätze Verbindungen herstellen, auch wenn es keine Deckungsgleichheit gibt. Der Aspekt der Dauerhaftigkeitwird nur von einem Ansatz direkt ange-sprochen.

Alle vier untersuchten Ansätze bieten nur punktuell Möglichkeiten, die Wirkung von großformatiger Werbung in und auf öffentliche Räume zu erfassen. Ggf. kann groß-formatige Werbung Wirkungen auf folgende Strukturie-rungsmerkmale der einzelnen Ansätze haben:

– Sozialcharakter/Nutzbarkeit (Ansatz 1: »Dimensionen«, nach Selle)

– Orientierung, Ausstattung, Maßstäblichkeit (Ansatz 2:

»Kriterien der Öffentlichkeitstauglichkeit«, nach Schneider)

– Orte der Identifikation (Ansatz 3: »Leitbilder«, nach Paravicini)

– Kulinarische öffentliche Räume (Ansatz 4: »Typen«, nach Häußermann)

Insgesamt bleiben die Ansätze im Bezug auf die Aus-wirkungen großformatiger Werbung vage.

Die vier untersuchten Ansätze zur Beschreibung und Typisierung öffentlicher Räume haben teilweise einen Kon-kretisierungsgradder Strukturierungsmerkmale, den die normativen Aspekte des »Öffentlichen« zwangsläufig nicht haben können. Da eine stadtplanerische Strategie im Bereich großformatiger Werbung in konkretes Handeln münden muss, wird im Folgenden näher auf die konkreti-sierten Strukturierungsmerkmale der vier Ansätze eingegan-gen. Näher betrachtet werden dabei Merkmale, die in mehreren (wenn auch nicht immer allen) der vier unter-suchten Ansätze benannt werden. Dabei handelt es sich um folgende Merkmale:

– Zugänglichkeit – Nutzbarkeit/Nutzung – Sicherheit

– Orientierung/Übersichtlichkeit – Kommunikation

– Selbstdarstellung/Bühne

Zugänglichkeit, Nutzbarkeit und Sicherheitwerden von allen vier Ansätzen als Merkmale genannt. Die Bedeutung dieser Merkmale wird auch in anderen Ansätzen deutlich.

4.2 Ausgewählte Ansätze zur Beschreibung und Typisierung öffentlicher Räume Tab. 4.1: Gegenüberstellung der untersuchten Ansätze zum »öffentlichen Raum« mit der normativen Begriffsbestimmung

von »öffentlich«

Ansatz Aspekte

Normative Begriffsbestimmung (nach Arendt)

Gemeinsamkeit Wahrnehrnbarkeit von vielen in einer Vielzahl der Perspektiven

Dauerhaftigkeit Strukturierungsmerkmale

Ansatz 1 »Dimensionen« (nach Selle) Regulierung, Nutzbarkeit Ansatz 2 »Kriterien der

Öffentlichkeits-tauglichkeit« (nach Schneider)

Zugänglichkeit Zugänglichkeit Ausstattung Ansatz 3 »Leitbilder« (nach Paravicini) Ort der Demokratie

Ort des sozialen Lebens

Ort der Demokratie Ort des sozialen Lebens

Ort der Identifikation mit dem Quartier

Ansatz 4 »Typen« (nach Häußermann) Zivilgesellschaftlich Zivilgesellschaftlich

Hierbei sind sich die meisten AutorInnen bei der Bedeu-tung von Zugänglichkeit und vielfältiger Nutzbarkeit einig, wobei immer wieder darauf hingewiesen wird, dass insbe-sondere die freie Zugänglichkeit für alle ein nie erreichtes Idealbild ist.33Im Rahmen der Diskussion um Sicherheit im öffentlichen Raum grenzen sich viele AutorInnen deutlich von den Debatten um Sicherheit durch Überwachung ab.

Der öffentliche Raum darf demnach nicht so »sicher«

werden, dass er homogen und berechenbar wird, da der Begegnung mit dem Unerwarteten als einer wichtigen Funktion des öffentlichen Raumes viel Bedeutung beige-messen wird. Steigende Kontrolle (Überwachung) und Aus-grenzung sozialer Gruppen führt demnach eher zu einer Gefährdung öffentlicher Räume. Doch wird demgegenüber ein bestimmtes Sicherheitsgefühl als Voraussetzung für die Nutzung öffentlicher Räume gesehen.34

Die drei Merkmale Orientierung/Übersichtlichkeit, Kommunikation und Selbstdarstellung/Bühne werden in jeweils zwei der Ansätze genannt. Sie sind auch Gegen-stand in anderen Auseinandersetzungen mit dem Thema der öffentlichen Räume. Für Fragen der Lesbarkeit der Stadt und derOrientierung ist die Untersuchung von Kevin Lynch »Das Bild der Stadt« immer noch maßgeblich (vgl.

Lynch 1965/2001, ausführlicher in Kapitel 4.3.2). Darüber hinaus beschäftigen sich einige Untersuchungen mit semio-tischem Ansatz auch mit der Orientierung in der Stadt.35 Auf die Fragen von Orientierung und Lesbarkeit von Stadt wird im Zusammenhang mit dem Begriff »Zeichen« näher eingegangen (vgl. Kapitel 4.3.2).

Öffentlichen Räumen als Ort derKommunikation wird teilweise große Bedeutung beigemessen.36Der Sozialwis-senschaftler und Raumforscher Herbert Schubert weist kritisch darauf hin, dass Stadtplanung und Architektur – ausgehend von einem physikalischen Raumbegriff – nicht darüber in den Irrglauben verfallen sollten, die Bereitstel-lung geeigneter Räume reiche aus, um die gesellschaftliche Kommunikation sicherzustellen. Hierbei bliebe die »Konsti-tuierung von Raum durch die soziale Raumnutzung« abge-spalten (Schubert 1999, S. 18).37Vor dem Hintergrund der Entwicklung der Kommunikationsmedien herrscht einerseits Skepsis über die Folgen für den öffentlichen Raum38, ande-rerseits wird eine gestiegene Bedeutung von Realerfahrun-gen gesehen, die eher zu einer Belebung öffentlicher Räume beitragen kann.39Unstrittig ist, dass die Änderun-gen der Kommunikationsstrukturen zu ÄnderunÄnderun-gen von Raumstrukturen und Raumnutzungen führen.40Manuel

Castells spricht den neuen Kommunikationsmedien eine entscheidende Rolle zu; er führt in seiner These vom

»space flow – Raum der Ströme« dessen Entstehen auf die

»Interaktion zwischen der neuen Informationstechnologie und den gegenwärtigen Prozessen sozialen Wandels«

zurück (Castells 1999, S. 52).

Der öffentliche Raum alsBühneist vielschichtig. Es lassen sich in diesem Zusammenhang unterscheiden: die Bühne für jeden Einzelnen (insbesondere für Kinder und Jugendliche), die Bühne kollektiver Selbsterfahrung, die Bühne für gesellschaftliche Auseinandersetzungen, die Bühne für repräsentative Öffentlichkeit, die Bühne, auf der die Stadt/der Staat sich selber darstellt, und die Bühne für künstlerische Aktionen.41

Auch diese konkretisierten Merkmale werden auf Ver-bindungen zu großformatiger Werbung hin geprüft: Wie schon oben genannt, gibt es diese Verbindungen im Bereich der Orientierung und eventuell im Bereich der Nutzbarkeit. Die anderen Konkretisierungen sind im Bezug auf die Frage der Wirkung großformatiger Werbung im

33 Vgl. u. a. Espuche 2000, Feldtkeller 1994, Herczog/Hubeli 1995, Marcuse 2003, Rodenstein 2000, Siebel 2003, Wentz 2002. Hubeli führt aus, dass öffentliche Räume nicht nur Räume sind, die allen zugänglich sind, »sondern sie verwei-sen auf sich als Orte der Öffentlichkeit, einer vergangenen und einer erwartbaren.« (Hubeli 2003, S. 54, ähnlich auch Kaltenbrunner 2003)

34 Vgl. u. a.: Glasze 2001, Held 2001, Kazig/Müller/Wiegandt 2003, Rauterberg 2001, Ronneberger 2001.

35 Vgl. u. a. Eco 1977, Mersch 2000.

36 Vgl. u. a.: Christ 2003, Feldtkeller 1994, Hassenpflug 2000a, Hubeli 2003, Lynch/Carr 1979/1990, Marcuse 2003, Sieverts 1990, Wentz 2002.

37 Zu den unterschiedlichen Raumbegriffen vgl. u. a. Bourdieu 1991, Läpple 1991.

38 Vgl. u. a. Anders 1998, eine allgemein abnehmende Bedeu-tung des öffentlichen Raumes als Ort der Kommunikation u. a. bei Siebel (2003).

39 Vgl. u. a. Bott 2000, Paravicini 2000, Selle 2002a.

40 Über die Auswirkungen neuer Technologien und der Globali-sierung auf die Städte vgl. Sassen 2000.

41 Vgl. mit verschiedenen Schwerpunktsetzungen u. a.: Adrian 2002, Arendt 1958/2001, Bott 2000, Flierl, Bruno 2002, Glasze 2001, Herczog/Hubeli 1995, Lootsma 1998, Lynch/

Carr 1979/1990, Prigge 2002, Sieverts 1990.

öffentlichen Raum nicht weiterführend, da sich direkte Bezüge nicht herstellen lassen. Die insgesamt wenigen Ver-knüpfungsmöglichkeiten der untersuchten Ansätze zur Beschreibung und Typisierung öffentlicher Räume mit groß-formatiger Werbung bestätigen die bereits geäußerte These, dass die Frage »Was ist ein öffentlicher Raum?« für die gegebene Fragestellung zu großformatiger Werbung im

öffentlichen Raum nicht weiterführend ist. Von daher wird im Folgenden die Blickrichtung gewechselt:

Ausgehend von den beiden normativen Aspekten des Öffentlichen, die auch für Werbung relevant sind (Wahr-nehmbarkeit und Dauerhaftigkeit, vgl. Kapitel 4.1.1), sollen im Folgenden Zusammenhänge zwischen Werbung im öffentlichen Raum und Stadtplanung verdeutlicht werden.

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