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Öffentlicher Raum, Werbung und Simulation

Im Dokument Public Space - Public Relations (Seite 63-66)

Exkurs 2: Wechselnde Bedeutungen des Begriffes »öffentlich«

5.3 Öffentlicher Raum, Werbung und Simulation

5.3 Öffentlicher Raum, Werbung und Simulation

In verschiedenen Bereichen haben die bisherigen Über-legungen alle zu den Begriffen »Simulation« oder »Fiktion«

geführt. Abbildung 5.5 ordnet eine Reihe von Zitaten unterschiedlicher AutorInnen zu den Themen öffentlicher Raum, Zeichen und Werbung chronologisch an (vgl.

Abb. 5.5). In den zitierten Texten setzen sich die Auto-rInnen mit der zunehmenden Bedeutung der Werbung im öffentlichen Raum, mit der Bedeutung und Verdichtung von Zeichen im öffentlichen Raum und mit Simulationen sowohl im Bereich der Werbung als auch im öffentlichen Raum auseinander. 5.3 Öffentlicher Raum, Werbung und Simulation

Die Verbindung von Sichtbarem, Bildhaftem und Wahrem mit dem Begriff des Öffentlichen (und damit auch für denöffentlichen Raum) ist alt und taucht in Deutschland bereits im 15./16. Jahrhundert auf (vgl. Exkurs 2 in Kapitel 4).

Nach verschiedenen Entwicklungen und Veränderungen des Begriffsverständnisses im Lauf der Zeit wird die Verbindung zwischen öffentlicher Sichtbarkeit und Wirklichkeit von Hannah Arendt in ihrer normativen Bestimmung des Begrif-fes Ende der 1950er Jahre als eine der wichtigen Bedeutun-gen des Öffentlichen erneut betont (in übergeordnetem Sinne verstanden, aber auch auf die öffentlichen Räume in der Stadt übertragbar). Ende des 20. Jahrhunderts wird von AutorInnen aus den Bereichen der Stadtplanung und Sozio-logie darauf hingewiesen, dass durch Simulation und Fiktion diese Bedeutung des öffentlichen Raumes zum einen nicht mehr wahrgenommen werden kann, aber dass zum anderen gerade die Simulationen und Fiktionen Ausdruck des Bedürfnisses danach sind.

Für den Bereich derZeichenin der Stadt hat Walter Benjamin schon in den 1920er Jahren auf eine Entwicklung hingewiesen, die von stadtplanerischer und philosophischer Seite erst deutlich später aufgegriffen und weiterverfolgt wurde, bis hin zu den Simulationen und dem Simulacrum

bei Jean Baudrillard. Von Benjamin bis Baudrillard wird dabei der Gedanke verfolgt, dass die Zunahme der Zei-chen im öffentliZei-chen Raum zum einen ihre eigene Lesbar-keit erschwert und zum anderen den Blick auf Wesentli-ches verstellt.

Von stadtplanerischer Seite sind Zeichen im öffentli-chen Raum der Stadt in ihrer Bedeutung seit den Arbeiten von Kevin Lynch unumstritten. Eine übermächtige Fülle der Zeichen im öffentlichen Raum wird seit den 1960er Jahren festgestellt. Ende des 20. Jahrhunderts beschreibt u. a. Bau-drillard dann insgesamt das Verschwinden des Realen zugunsten der Simulation. Soja konstatiert die zunehmende Schwierigkeit, zu erkennen, was Realität ist und was bloße Imagination.

Für dieWerbung als einen Teil dieser Zeichen im öffentlichen Raum werden die buchstäblich raumgreifen-den Wirkungen schon in raumgreifen-den 20er Jahren des vorigen Jahr-hunderts von Walter Benjamin und Walter Mehring thema-tisiert. Der simulative Charakter der Werbung wird im aus-gehenden 20. Jahrhundert mit dem Branding und der zunehmenden Bedeutung der Marken gegenüber den realen Werten eines Unternehmens besonders deutlich.

Naomi Klein beschreibt, dass die Instrumentalisierung von Stadt und öffentlichem Raum dabei Teil von Branding-Stra-tegien ist, denn gerade durch Branding werden Stadt und 54 »Meine einzige strategische Aussicht wäre, uns gegen diese

Bewegung, diese Tendenz nicht zu wehren, weil es oft hoff-nungslos ist, sich zu wehren. Sondern den Prozeß zu beschleunigen und durch das System und seine eigene Logik zugrunde zu bringen, so daß sich all diese Techniken, Tech-nologien usw. gegenseitig annullieren und ein leerer Raum, eine Art Nichts entsteht, wo wiederum etwas möglich wird …« (Baudrillard 1994, S. 39).

Abb. 5.5: Zitate zu Simulation in den Bereichen Werbung, Zeichen, öffentlicher Raum

öffentlicher Raum als Imageträger für Werbezwecke ver-wendbar. Von stadtplanerischer Seite wird die Zunahme von Werbung im öffentlichen Raum der Städte festgestellt und beklagt. Christine Boyer weist am Beispiel des Times Square nach, dass Werbung auch dazu eingesetzt wird, entstandene Mängel des öffentlichen Raumes zu verde-cken. Werbung ist in diesem Fall ein Instrument der Simu-lation, die das Wesentliche verbirgt bzw. – mit Baudrillard – verbirgt, dass das Wesentliche nicht mehr vorhanden ist.

Die herangezogenen AutorInnen55beleuchten die Themen Werbung, Zeichen, öffentlicher Raum aus ver-schiedenen literarischen und wissenschaftlichen Blickwin-keln (Architektur, Stadtplanung, Philosophie und Anthropo-logie). Die in vielen Punkten übereinstimmenden und sich ergänzenden Aussagen vermitteln ein Bild von öffentlichen Räumen in der Stadt, in denen eine hohe Dichte von Wer-bung und anderen Zeichen zu Unübersichtlichkeit und zum Verschwinden des Realen zugunsten der Fiktion oder Simulation beiträgt (vgl. Abb. 5.6). Es wird deutlich, dass dies Teil einer Entwicklung ist, die in Ansätzen erstmals zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorhergesehen und beschrie-ben wurde. Zwar ist die Bewertung dieser Entwicklung

nicht vollkommen einheitlich, doch überwiegen die skepti-schen Stimmen, die sich dann noch darin unterscheiden, inwieweit sie Steuerungsmöglichkeiten sehen.

Großformatige Werbung ist nur ein Teilbereich von Werbung und Branding, die wiederum nur ein Teilbe-reich von Simulationen in der Stadt sind. Aber als sol-cher muss sie gesehen – und behandelt werden. Stadt-planung wird nicht die gesellschaftlichen Verhältnisse, die zu Simulationen in der Stadt geführt haben, um-kehren oder verändern. Aber in Diskussionen um den konkreten Umgang mit öffentlichem Raum der Stadt werden gesellschaftliche Verhältnisse bewusst. Stadtpla-nung agiert dann im Bewusstsein dieser Zusammen-hänge und kann die ihr zur Verfügung stehenden Steuerungsinstrumente entsprechend nutzen.

5.3 Öffentlicher Raum, Werbung und Simulation

55 Adrian 2002, Arendt 1958/2001, Augé 2000, Baudrillard 2000, Benjamin 1928/1972, Boyer 2001, Hassenpflug 2000, Hoffmann-Axthelm 2002, Klein 2002, Lynch 1965/2001, Mehring 1920er Jahre/1983, Soja 2000.

Abb. 5.6:

»To simulate is to feign to have what one hasn’t«

(Baudrillard 1988) – Gebäudesimulation am Potsdamer Platz, Berlin 2007

Nach der Auseinandersetzung mit dem Begriff des öffent-lichen Raumes und mit Werbung, Außenwerbung und Branding im Allgemeinen geht es nun um eine genauere quantitative und qualitative Auseinandersetzung mit der für diese Arbeit ausgewählten Werbeform der großformatigen Werbung sowie um den Umgang der Städte damit. Zur Erfassung des Phänomens großformatiger Werbung im öffentlichen Raum wurden im ersten Schritt drei empiri-sche Untersuchungen durchgeführt:

– Aufbau einer Standortdatenbank mit Informationen zu knapp 600 Standorten in Deutschland zur quantitati-ven Erfassung und Beschreibung der augenblicklichen Situation (Stand: Juni 2003).

– Befragung aller 40 deutschen Städte mit mehr als 200 000 EinwohnerInnen zur Ermittlung von

Einschät-zungen, Genehmigungspraxis und kommunalen Strategien (Mai–September 2003).

– Befragung ausgewählter Unternehmen der Werbewirt-schaft zu ihren Einschätzungen von Standorteignungen und Erfahrungen mit Anträgen und Genehmigungen (Januar 2004).

Im Folgenden werden die Ergebnisse dieser empiri-schen Untersuchungen dargestellt.56Besonderes Gewicht wird darauf gelegt, in welchen öffentlichen Räumen groß-formatige Werbung vor allem zu finden ist (Standorttypen) und von welcher Dauerhaftigkeit die einzelnen Werbe-standorte und die Motive an diesen Standorten sind (Wer-beflächentypen), um daraus Rückschlüsse auf mögliche Wirkungen der Werbung auf das »Öffentliche« der öffent-lichen Räume ziehen zu können (vgl. Kapitel 4 und 5).

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