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6 Untersuchung der Polyelektrolyt-Eigenschaften

6.5 Diskussion der gemessenen Gegenionenaktivitäten

6.5.2 Vergleich mit Theorie und Literatur

Die stäbchenförmigen, schwachen PPP-Polyelektrolyte 47 c und 39 c sowie der stäbchenförmige, starke PPP-Polyelektrolyt 42 c waren Gegenstand der beschriebenen potentiometrischen Untersuchungen. Um die hier erhaltenen Ergebnisse quantitativ interpretieren zu können und dabei strukturelle Parameter der Polyelektrolyte zu berücksichtigen, wurde mit einem Computerprogramm versucht, eine wahrscheinliche Kettenkonformation von 47 c, 39 c und 42 c zu ermitteln. Hierbei wurde das Programm TINKER 4.1 verwendet, das auf einer empirischen Kraftfeldberechnung (molecular mechanics) beruht. Die dreidimensionalen Strukturen wurden durch Energiemini-mierung intramolekularer Wechselwirkungen ohne die Betrachtung von Gegenionen, Lösungsmitteleffekten oder intermolekularer Wechselwirkungen erhalten und können aus diesem Grund nur als Anhaltspunkt für die tatsächliche Struktur in wässriger Lösung betrachtet werden. Die dafür benötigten atomaren Parameter wurde aus dem MM3-Basissatz212 entnommen. Die graphische Darstellung der Ergebnisse erfolgte mit dem Programm RasMol 2.7.2.1. In Abbildung 6.20 ist exemplarisch ein zum vollständig protonierten oder quaternisierten Polymer 47 c analoger PPP-Polyelektrolyt mit 40 verknüpften Phenyleneinheiten und zwei Bromidendgruppen aus zwei verschiedenen Blickrichtungen gezeigt. Zur Vereinfachung sind die Stickstoffatome jeweils mit drei Methylgruppen substituiert. Der obere Teil der Abbildung repräsentiert den Blick entlang der gesamten Poly(p-phenylen)-Hauptkette, während im unteren Teil der Blick senkrecht dazu, auf einen Ausschnitt der Polymerkette inklusive einer Endgruppe (links), zu sehen ist. Die geladenen Ammonium-Funktionalitäten sind durch blaue Kugeln visualisiert, während die Kohlenstoff- und Wasserstoffatome grau, die Sauerstoffatome rot sowie das Bromatom grün dargestellt sind.

4,4 Å

26 Å

Abbildung 6.20: Mögliche Kettenkonformation des vollständig protonierten oder quaternisierten Polymers 47 c bestehend aus 40 Phenyleneinheiten (oben: Blick entlang der gesamten PPP-Hauptkette, unten: Blick senkrecht auf einen Teil der PPP-Hauptkette mit Bromidendgruppe (links), Stickstoff: blau, Kohlenstoff und Wasserstoff: grau, Sauerstoff: rot, Brom: grün)

In Abbildung 6.20 ist deutlich die für Poly(p-phenylen)-Derivate erwartete zylinder-förmige Struktur erkennbar, wobei das Polymerrückgrat ein geringes Maß an Flexibilität zeigt. Dies steht in qualitativer Übereinstimmung mit Kristallstruktur-untersuchungen von unsubstituierten Oligo(p-phenylen)en213 sowie mit viskosi-metrischen111,214 und molekulardynamischen215 Untersuchungen von PPP-Derivaten mit flexiblen Seitenketten. Zusätzlich entspricht Abbildung 6.20 der Vorstellung, dass die Konformation weitgehend durch eine Abstandsmaximierung der geladenen Ammonium-Gruppen bestimmt ist. Die hochflexiblen Triethylenoxid-Spacer ermöglichen hierbei eine relativ gleichmäßige Verteilung der Ladungen auf einem Zylindermantel, was insbesondere bei Betrachtung des oberen Teilbildes deutlich wird.

Im unteren Teilbild kann durch den relativ klein gewählten Ausschnitt der PPP-Hauptkette von nur 14 Phenyleneinheiten besonders der Einfluss des Kettenendes

beobachtet werden: Im Sinne der Maximierung des Abstands weisen die Ammonium-Funktionalitäten nach links in Richtung Kettenende.

Aus den Kettenkonformationen konnten schließlich die folgenden strukturellen Parameter der untersuchten PPP-Polyelektrolyte 47 c, 39 c und 42 c bestimmt werden:

Der mittlere Abstand der Ladungen von der Zylinderachse beträgt aP≈ 13 Å (vgl.

Kapitel 5.1.1) und die Länge der Wiederholungseinheit beträgt 4,4 Å bei 47 c (vgl.

Abbildung 6.20) bzw. 8,5 Å bei 39 c und 42 c. Durch Division der Länge einer Wiederholungseinheit durch die mittlere Anzahl der Ladungen pro Wiederholungs-einheit (2 · α) bzw. (2 · α’) konnte der mittlere Abstand zwischen den auf die Zylinderachse projizierten Ladungen bP (vgl. Kapitel 5.1.2) in Abhängigkeit ihres Protonierungs- bzw. Quaternisierungsgrads ermittelt werden. Aus der Bjerrum-Länge lB

(lB = 7,15 Å bei 25 °C in Wasser216) und bP ließ sich letztlich gemäß Gleichung (5.4) der Ladungsparameter ξ bestimmen. Die Ergebnisse sind in Tabelle 6.2 zusätzlich mit den in der Literatur55 veröffentlichten Parametern von PPP-Polyelektrolyt 21 aufgeführt.

Tabelle 6.2: Strukturelle Parameter aP, bP und ξ der hier untersuchten PPP-Polyelektrolyte 47 c, 39 c und 42 c als Funktion des Protonierungs- bzw. Quaternisierungsgrads bei einer Messtemperatur von 25 °C, sowie des literaturbekannten55 PPP-Polyelektrolyts 21 bei einer Messtemperatur von 40 °C

Polyelektrolyt aP [Å] bP [Å] ξ 47 c (0 < α≤ 1) 13 2,2 · α –1 3,25 · α 39 c (0 < α≤ 1) 13 4,25 · α -1 1,68 · α

42 c (α’ = 0,8) 13 5,31 1,35

21 7 2,15 3,40

Aus Tabelle 6.2 ist ersichtlich, dass im Rahmen der durchgeführten Aktivitätsuntersuchungen der Ladungsparameter der schwachen Polyelektrolyte im Laufe der Protonierung von ξ = 0 (bei vollständig deprotoniertem 47 c und 39 c) bis ξ = 3,25 (bei vollständig protoniertem 47 c) variiert wurde. Der Ladungsparameter des starken Polyelektrolyts 42 c mit dem Quaterisierungsgrad α’ = 0,8 betrug ξ = 1,35. In Abbildung 6.21 sind die in Kapitel 6.4.1 bzw. Kapitel 6.4.2 ermittelten Aktivitätskoeffizienten γP der Gegenionen der schwachen PPP-Polyelektrolyte 47 c und 39 c sowie des starken PPP-Polyelektrolyts 42 c gegen den jeweiligen

Ladungsparameter ξ aufgetragen. Zum Vergleich ist der durch membranosmometrische Untersuchungen fremdsalzfreier Lösungen bestimmte55 osmotische Koeffizient φ des PPP-Polyelektrolyten 21 (ξ = 3,40) hinzugefügt. Weiterhin sind das Manning-Limit des Aktivitätskoeffizienten γP sowie das Manning-Limit des osmotischen Koeffizienten φ eingezeichnet, die gemäß Gleichung (5.7) bis (5.10) berechnet wurden.

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0

γ

P

, φ

ξ

Abbildung 6.21: Aktivitätskoeffizient γP von 47 c (), 39 c () und 42 c () sowie osmotischer Koeffizient φ von 21 ()55, aufgetragen gegen den Manning-Parameter ξ. Die durchgezogene Linie stellt das Manning-Limit von γP dar, während die gepunktete Linie das Manning-Limit von φ repräsentiert.

In Abbildung 6.21 ist zu sehen, dass bei einem Ladungsparameter ξ > 0,5 sowohl die gemessenen Aktivitätskoeffizienten γP der Gegenionen von 47 c, 39 c und 42 c als auch der osmotische Koeffizient φ von 21 über dem jeweils zu betrachtenden Manning-Limit liegen. Dies entspricht bei erster Betrachtung einem realistischen Ergebnis, da das Manning-Limit für unendlich verdünnte Lösungen abgeleitet wurde und somit prinzipiell nicht experimentell zugänglich ist: Eine reale Konzentration weist stets eine höhere Ionenstärke auf als unendlich verdünnte Lösungen, die Ladungen der Polyionen werden stärker abgeschirmt und ein höheres γP bzw. φ ist die Folge. Für ξ < 0,5 können keine präzisen Aussagen bezüglich des Aktivitätskoeffizienten γP getroffen werden, denn bei den entsprechend geringen Protonierungsgraden wurde ein sehr großer Messfehler festgestellt (vgl. Abbildung 6.14).

Die Messpunkte der starken PPP-Polyelektrolyte 42 c und 21 liegen sehr nahe am jeweiligen Manning-Limit, d. h. die untersuchten realen Lösungen dürfen zumindest näherungsweise als stark verdünnt betrachtet werden. Hierbei scheint die geringe Konzentration an Fremdsalz (cNaBr < 0,7 mmol/L) während der Messung von 42 c keinen signifikanten Einfluss zu haben. Da weiterhin bei der Bestimmung des Aktivitätskoeffizienten γP von 42 c das erhaltene Ergebnis in einem sehr großen Konzentrationsbereich von 1 mmol/L < cBr- < 16 mmol/L verifiziert wurde, sollten auch die untersuchten Lösungen der schwachen Polyelektrolyte 47 c und 39 c (HBr-Titration:

2 mmol/L < cBr- < 20 mmol/L) eine ausreichend hohe Verdünnung aufweisen.

Dementsprechend sollte auch hier die Manning-Theorie zu näherungsweise korrekten Voraussagen von γP führen. In Abbildung 6.21 sind im Falle von 47 c und 39 c jedoch sehr große Abweichungen der experimentell ermittelten Aktivitätskoeffizienten γP vom Manning-Limit zu beobachten, wobei für 47 c und 39 c nahezu identische Ergebnisse erzielt wurden.

Qualitativ das gleiche Bild zeigt sich bei Betrachtung von Abbildung 6.22, in der die normierte effektive Ladung i/b gegen den normierten Protonierungsgrad bzw. Disso-ziationsgrad α/b aufgetragen ist. Hierbei ist b als Abstand der ionisierbaren Gruppen definiert und somit ist α/b proportional zum Ladungsparameter ξ. Zum Vergleich sind die Literaturdaten flexibler Polysäuren und die Ergebnisse aus dem Poisson-Boltzmann-Zellmodell aus Abbildung 5.3 hinzugefügt. Die effektive Ladung i ist im Falle der hier durchgeführten Aktivitätsuntersuchungen gegeben durch i = α · γP und im Falle der in der Literatur beschriebenen osmometrischen Untersuchungen durch i = α · φ.

Abbildung 6.22: Normierte effektive Ladung i/b, aufgetragen gegen den normierten Protonierungs- bzw. Dissoziationsgrad α/b. Aktivitätsuntersuchungen: 47 c (), 39 c () und 42 c (); osmometrische Untersuchungen von Blaul55: 21 (); keine Gegenionenkondensation, d. h. γP = 1 bzw. φ = 1 (---); berechnet aus dem Poisson-Boltzmann-Zellmodell (——) mit (a) ξ = ξstrukturell, (b) ξ = 1,5 · ξstrukturell und (c) ξ = 2 · ξstrukturell; Polyacrylat (), Polymethacrylat (), Polyphosphat (), Carboxymethylcellulose () und Alignat ()143.

Die in der Literatur143 beschriebenen osmometrischen Untersuchungen von Polysäuren zeigen gemäß Abbildung 6.22 stets, dass die effektive Ladung von Polyelektrolyten über einem bestimmten Ladungsparameter ξ unabhängig vom Dissoziationsgrad α ist (vgl. Kapitel 5.1.3). Die mit steigendem Dissoziationsgrad α größere Ladungsanzahl wird durch Kondensation einer entsprechenden Anzahl an Gegenionen gerade kompensiert. Dies steht im qualitativen Einklang mit der Manning-Theorie und dem Boltzmann-Zellmodell. Eine quantitative Beschreibung mit dem Poisson-Boltzmann-Zellmodell gelang hingegen nur, wenn ein höherer Ladungsparameter ξ angenommen wurde als er sich aus den strukturellen Daten berechnen lässt. Auffällig ist hierbei, dass für die flexiblen Systeme (Polyacrylat, Polymethacrylat, Polyphosphat) der Ladungsparameter um den Faktor 2 (Linie c) erhöht werden muss, während für die kettensteiferen Systeme (Carboxymethylcellulose, Alignat) ein Faktor von 1,5 (Linie b) ausreichend ist. Bei den starren PPP-Systemen 42 c und 21 kann näherungsweise sogar der unveränderte strukturelle Ladungsparameter ξ (Linie a) eingesetzt werden. Dies kann damit begründet werden, dass im Falle flexibler Polyelektrolyte eine Krümmung

der Polymerkette zu einem kürzeren effektiven Ladungsabstand führt und somit eine höhere effektive Ladung angenommen werden muss.

Die Graphen der Polybasen 47 c und 39 c zeigen nicht den erwarteten Verlauf: Die effektive Ladung wächst mit steigendem Protonierungsgrad immer weiter und erreicht keinen konstanten Wert. Dies bedeutet in Analogie zu Abbildung 6.21, dass scheinbar weniger Gegenionen am Polyelektrolyten kondensieren als erwartet wird.

Im Folgenden sollen drei Ursachen beschrieben werden, die neben der schon diskutierten Ionenstärke zu höheren Aktivitätskoeffizienten γP und osmotischen Koeffizienten φ führen können als theoretisch vorhersagt: In der Manning-Theorie wird ausschließlich der axiale Abstand der Ladungen auf der Kette bP betrachtet, der Abstand der Ladungen von der Zylinderachse aP wird hingegen vernachlässigt. Ein großer Abstand aP führt jedoch zu einer großen Zylinderoberfläche und somit zu einer geringen Dichte der Elektrolytfunktionalitäten auf diesem Zylinder. Entsprechend verringert sich die Gegenionenkondensation bei großem aP. Die Ergebnisse des Poisson-Boltzmann-Zellmodells143 aus Abbildung 6.22 beziehen sich auf einen Abstand der Ladungen von der Zylinderachse von aP = 6 Å. Der tatsächliche Abstand aP der PPP-Polyelektrolyte 47 c, 39 c und 42 c wurde mit aP≈ 13 Å hingegen deutlich höher abgeschätzt.

Als zweites stellt der Polymerisationsgrad der untersuchten Polyelektrolyte eine denkbare Einflussgröße dar. Theoretische Studien8,217 haben gezeigt, dass Kettenend-effekte, wie sie auch in Abbildung 6.20 (unten) beobachtet werden können, einen Einfluss auf die Ladungsverteilung der Gegenionen besitzen: An den Kettenenden herrscht ein geringeres elektrostatisches Potential als in der Mitte der Polylelektrolyt-ketten. Dies führt zu einer Akkumulation der Gegenionen in der Mitte der Ketten und im Extremfall sehr kurzer Oligomere zu einer Reduktion der Gegenionenkondensation.

Als dritter Punkt wäre eine Abschirmung der positiven Ladungen der hier untersuchten PPP-Polyelektrolyte durch die polaren Oligoethylenoxid-Substituenten denkbar. Dies würde eine Verringerung der effektiven Ladung jeder Ammoniumgruppe bedeuten und hätte ebenfalls eine geringere Gegenionenkondensation zur Folge.

Diese drei beschriebenen Überlegungen können zwar prinzipiell Ursachen für eine geringere Gegenionenkondensation sein. Sie müssten allerdings für alle hier untersuchten PPP-Polyelektrolyte im gleichen Maße gelten. Dementsprechend erklären sie nicht den großen Unterschied der gemessenen Aktivitätskoeffizienten γP zwischen den schwachen Polyelektrolyten 47 c und 39 c einerseits und dem starken Polyelektrolyten 42 c andererseits. Vielmehr kann aus dem Ergebnis des starken

Polyelektrolyts 42 c darauf geschlossen werden, dass sowohl die Manning-Theorie als auch das Poisson-Boltzmann-Zellmodell im hier vorliegenden System eine gute Näherung darstellen und die oben beschriebenen Überlegungen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die gefundene Abweichung der Messwerte der schwachen Polyelektrolyte 47 c und 39 c muss folglich eine andere Ursache haben.

Günde hierfür könnten eine unterschiedlich effektive Hydratation der Ammonium-Funktionalitäten sowie eine unterschiedlich starke Ausbildung von Wasserstoff-brückenbindungen sein. So wäre es denkbar, dass im Falle der protonierten Ammoniumfunktionalitäten die Hydratation deutlich effektiver ist und somit die Gesamtladung des Polyions im Vergleich zum quaternisierten System von vornherein stärker erniedrigt ist. Der Einfluss der Solvatation auf Polyelektrolyteigenschaften wird auch in der Literatur vielfach diskutiert218,219. So wurden beispielsweise bei thermodynamischen Untersuchungen an Polyvinylammoniumsalzen Hinweise auf anomale Wasserstrukturen in der Nähe der Polyionen gefunden193.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Untersuchung des starken Polyelektrolyts 42 c eindeutig gezeigt hat, dass die Methoden der Osmometrie und der Aktivitäts-bestimmung zu vergleichbaren Ergebnissen führen, obwohl in der Literatur diesbezüglich oftmals von großen Unterschieden je nach angewendeter Methode berichtet wird218,220 221, . Darüber hinaus wird auch in dieser Arbeit deutlich, dass die vielschichtigen Eigenschaften von Polyelektrolyten bis heute noch nicht vollständig verstanden sind. Um so wichtiger erscheinen die hier erzielten Ergebnisse der kettensteifen Modellsysteme im Hinblick auf eine angestrebte, umfassende theoretische Beschreibung aller Polyelektrolyte.

7 Zusammenfassung

Im Rahmen dieser Arbeit wurden neuartige Syntheserouten zu wasserlöslichen, stäbchenförmigen, kationischen Polyelektrolyten auf der Basis des Poly(p-phenylen)s (PPP) entwickelt. Diese Syntheserouten zeichnen sich dadurch aus, dass eine breite Variation der molekularen Parameter der Polyelektrolyte bei einer im Vergleich zu literaturbekannten Routen verkürzten Reaktionssequenz möglich ist. Die für den Aufbau der Polymere notwendige Verknüpfung der Phenyleneinheiten in 1,4-Position wurde durch Palladium-katalysierte Suzuki-Polykondensation oder Nickel(0)-promovierte dehalogenierende Polykondensation erreicht. Auf diesem Weg wurden zunächst ungeladene Precursorpolymere dargestellt, die neben löslichkeitsvermittelnden Oligoethylenoxid-Seitenketten zusätzlich tertiäre Aminofunktionen als Vorläufer der ionischen Gruppen tragen. Diese ungeladenen Polymere sind sehr gut in organischen Lösungsmitteln wie beispielsweise THF, Dichlormethan oder Dimethylsulfoxid löslich.

Sie stellen darüber hinaus bis heute die einzigen Vertreter von PPP-Derivaten dar, die bereits ohne ionische Gruppen wasserlöslich sind. Die Precursorpolymere wurden mit den Methoden der NMR-Spektroskopie, der MALDI-TOF-Massenspektrometrie, der Dampfdruckosmometrie und der Gelpermeations-Chromatographie (GPC) charakteri-siert. Hierbei wurde festgestellt, dass im Mittel eine selektive Verknüpfung von 15 bis 30 Phenyleneinheiten in 1,4-Position erreicht wurde. Mit Hilfe der analytischen GPC konnte gezeigt werden, dass eine Auftrennung der Polymerproben in Fraktionen mit einer engen Molekulargewichtsverteilung (Polydispersität PD ≤ 1,3) möglich ist. Das Lagern der Amino-funktionalisierten PPP-Derivate als Feststoff an Luft führte im Falle unfraktionierter Proben zur Bildung von unlöslichen Anteilen bzw. im Falle fraktionierter Proben zu vollständiger Unlöslichkeit. Die Ursache hierfür konnte im Rahmen dieser Arbeit noch nicht eindeutig geklärt werden. Die IR-spektroskopischen Untersuchungen legen allerdings nahe, dass Oxidationsprozesse des Stickstoffs hierbei eine entscheidende Rolle spielen.

Die dargestellten Precursorpolymere wurden anschließend durch zwei unterschiedliche polymeranaloge Reaktionen in geladene Systeme überführt: Zum einen wurden die enthaltenen tertiären Aminofunktionen durch Umsetzung mit HCl oder HBr protoniert, zum anderen wurden sie mit Propyliodid oder Propylbromid quaternisiert. Während der Protonierung der Precursorpolymere wurde die Lage des Protonierungsgleichgewichts in Abhängigkeit vom pH-Wert der Lösung mittels NMR-Spektroskopie und

Potentiometrie verfolgt. Hierbei wurde festgestellt, dass sich die Basenstärke der Aminogruppen im Laufe der Protonierung erniedrigt, ein für schwache Polyelektrolyte typisches Verhalten.

Die auf diese Weise erhaltenen, schwachen und starken Polyelektrolyte wurden hin-sichtlich der Gegenionenkondensation untersucht. Diese stellt ihrerseits eine heraus-ragende Eigenschaft von Polyelektrolyten in wässriger Lösung dar. Dazu wurde eine Messmethode entwickelt, die mit Hilfe einer ionenselektiven Elektrode die Aktivitätsbestimmung der Bromid-Gegenionen bei gleichzeitiger interner Kalibration erlaubt. So war es möglich, die Gegenionenkondensation der schwachen Polyelektrolyte 47 c und 39 c als Funktion ihres Protonierungsgrads sowie die des starken Polyelektrolyts 42 c bei konstantem Quaternisierungsgrad zu studieren. Damit wurden erstmals kettensteife Polyelektrolyte mit einer in weiten Grenzen variierbaren Ladungsdichte untersucht. Hierbei wurde festgestellt, dass sowohl die hier untersuchten schwachen als auch starken Polyelektrolyte ein deutlich geringeres Maß an Gegenionenkondensation zeigen als flexible Polyelektrolyte. Dies entspricht in erster Näherung dem theoretisch erwarteten Verhalten: Während bei flexiblen Systemen die effektive Ladungsdichte des Polyions durch Krümmung der Polymerkette in unbekanntem Maß erhöht ist, so ist sie bei kettensteifen Polyelektrolyten strukturell vorgegeben.

In Lösungen der schwachen Polyelektrolyte 47 c und 39 c wurde darüber hinaus unabhängig vom eingestellten Protonierungsgrad ein signifikant geringerer Anteil kondensierter Gegenionen gefunden als theoretisch vorhergesagt wird. Diese Abweichung kann auf der Grundlage bisheriger Modellvorstellungen nicht erklärt werden. So muss an dieser Stelle erneut hervorgehoben werden, wie notwendig eine Erweiterung der theoretischen Grundlagen zur Beschreibung von Polyelektrolyten ist.

Die hier erzielten Ergebnisse können in Zukunft einen wichtigen Beitrag dazu leisten.

8 Experimenteller Teil