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3 Synthese und Charakterisierung

3.3 Polymersynthese

3.3.2 Modellpolymere 58 und 59

In Modellversuchen wurden die Polymere 58 und 59 gemäß Schema 3.11 aus den Monomeren 54 und 57 bzw. 37 dargestellt. Hierbei stand die Fragestellung im Vordergrund, ob die Vielzahl der Oligoethylenoxid-Seitengruppen insbesondere bei Verwendung des neuartigen Monomers 37 die Suzuki-Polykondensation stört und somit zu geringen Polymerisationsgraden führt. Als Grund hierfür wären koordinative Wechselwirkungen zwischen den Oligoethylenoxid-Substituenten und einer aktiven Palladium-Spezies denkbar.

37

[Pd]

+

Br H3CO(CH2CH2O)3

H3CO(CH2CH2O)3

Br 58

59 H3CO(CH2CH2O)3

H3CO(CH2CH2O)3

n n H3CO(CH2CH2O)3

(OCH2CH2)3OCH3 82 %

74 % B(OH)2

H3CO(CH2CH2O)3

H3CO(CH2CH2O)3 (HO)2B

B B

O O

O O

[Pd]

+

57

54

Schema 3.11

Dazu wurden die exakt äquimolar eingesetzten Monomere im heterogenen System THF / wässrige Natriumhydrogencarbonat-Lösung unter intensiver Phasendurch-mischung in Gegenwart von 0,2 bis 1 mol% Palladium(0)-Katalysator für eine Woche unter Rückfluss erhitzt. Als Katalysatoren wurden Pd(PPh3)4 oder Pd(P(p-Tol)3)3

verwendet, die durch Umsetzung von Palladiumchlorid mit Triphenylphosphin107 bzw.

Tri-p-tolylphosphin108 mit Hydrazin in DMSO auf literaturbekannten Wegen synthetisiert wurden. Es erwies sich als günstig, im Verlauf der Polykondensation (am besten nach vier Tagen) 5 mol% der Diboronsäure 57 bzw. 37 und ca. 0,05 mol%

Palladiumkatalysator nachzudosieren, um einen vermutlich durch Nebenreaktionen entstehenden Unterschuss an Diboronsäure zu kompensieren. Nach fünf Tagen begann aufgrund der geringeren Anzahl an Oligoethylenoxidgruppen 58 gelartig aus der organischen Phase auszufallen, während in einem parallelen Versuch das hochsubstituierte Polymer 59 komplett löslich blieb. Nach dem Ausfällen aus n-Hexan wurden die Modellpolymere 58 und 59 in Ausbeuten von 82 % bzw. 74 % erhalten. Die ausgefallenen flockigen Niederschläge und die erhaltenen guten Ausbeuten deuteten schon auf ein Gelingen der Suzuki-Polykondensation unter den beschriebenen Bedingungen hin, unabhängig davon, ob Pd(PPh3)4 oder Pd(P(p-Tol)3)3 verwendet wurde. Weiterhin konnte in zusätzlichen, hier nicht beschriebenen Versuchen kein Einfluss von der Art des eingesetzten Diboronsäurederivates (als freie Boronsäure oder als zyklischer Ester) beobachtet werden. Bei einer Umsetzung von 54 mit 57 im heterogenen System Toluol / Wasser unter sonst unveränderten Reaktionsbedingungen

konnten hingegen nur ölige, nicht ausfällbare Produkte erhalten werden. NMR-spektroskopische Untersuchungen ließen entsprechend auf einen erreichten Polymerisationsgrad von Pn < 5 schließen. Eine Ursache für diese Beobachtung könnte darin liegen, dass Toluol für die vorliegenden polaren Monomere und für das entstehende polare Polymer ein zu schlechtes Lösungsmittel darstellt. Folglich wären die Monomere im heterogenen System Toluol / Wasser zu einem signifikanten Anteil in der wässrigen Phase gelöst, während der aktive Palladium-Katalysator in der organischen Phase gelöst ist. Dies hätte einen negativen Einfluss auf die Reaktionsgeschwindigkeit und würde somit zu vermehrten Nebenreaktionen und schließlich geringen Polymerisationsgraden führen. Um dieses Problem zu umgehen, wurden in den folgenden Polymerisationen statt Toluol und Wasser stets das polare organische Lösungsmittel THF und Wasser verwendet.

Da die Modellpolymere 58 und 59 gut in Chloroform löslich sind, konnte deren einheitliche Konstitution mittels NMR-Spektroskopie belegt werden. In Abbildung 3.4 ist stellvertretend das 1H-NMR- und 13C-NMR-Spektrum von Polymer 59 inklusive der zur Signalzuordnung gewählten Nummerierung der Kohlenstoff- bzw.

Wasserstoffatome dargestellt. Die charakteristischen Absorptionen im 1 H-NMR-Spektrum zeigen die für Polymere typische Verbreiterung, treten im erwarteten Intensitätsverhältnis auf und können eindeutig den Protonen der Wiederholungseinheiten zugeordnet werden. Bei δ = 3,34 ppm absorbieren die Methoxy-Protonen und zwischen δ = 3,4 ppm und δ = 4,2 ppm erscheinen die Oxymethylen-Protonen der Triethylenoxidseitenketten. Im aromatischen Bereich beobachtet man ein Signal des aromatischen Protons H3 bei δ = 7,06 ppm. Zusätzlich können neben dem Lösungsmittelsignal (CDCl3) einige wenige Signale sehr geringer Intensität beobachtet werden, die brom- und wasserstofftragenden Endgruppen oder Katalysatorresten zugeordnet werden können (*). Da diese eine zu geringe Intensität für eine NMR-Endgruppenanalyse aufweisen, können mittlere Polymerisationsgrade zwischen Pn = 10 und Pn = 20 abgeschätzt werden. Darüber hinaus treten keine Signale auf, die auf ortho- oder meta-verknüpfte Phenyleneinheiten hindeuten. Auch das 13 C-NMR-Spektrum erlaubt mit Hilfe von DEPT-Experimenten eine eindeutige Zuordnung der Signale. Bei δ = 58,91 ppm tritt die charakteristische Absorption des C-Atoms der Methoxy-Gruppe auf. Zwischen δ = 69,03 ppm und δ = 71,84 ppm erscheinen die Oxymethylen-Protonen. Die Signale der aromatischen Kohlenstoffatome treten bei δ = 117,15 (C3) ppm, δ = 127,55 (C1) ppm und δ = 150,13 (C2) ppm auf.

7 6 5 4 3 Chemical Shift (ppm)

140 120 100 80 60

Chemical Shift (ppm)

2 1 3

OCH2

OCH3 CDCl3

3 CDCl3

4 5

OCH3

9 6 - 8

**

4 5 6 7 8 9

H3CO(CH2CH2O)3

OCH3

O O O

1

2 3 n

Abbildung 3.4: 1H-NMR-Spektrum (unten) und 13C-NMR-Spektrum (oben) von Modellpolymer 59 (CDCl3, 25 °C)

Zur genaueren Untersuchung der Modellpolymere 58 und 59 im Hinblick auf die Art der Endgruppen sowie die erhaltenen Molmassen und Molmassenverteilungen wurden die Polymere mittels MALDI-TOF-Massenspektrometrie, Gelpermeationschromato-graphie und Dampfdruckosmometrie untersucht.

Für die MALDI-Massenspektrometrie wurde eine Lösung des Polymers 59 und der Matrix 1,8,9-Trihydroxyanthracen in Chloroform gelöst und auf einem Probenträger eingedampft. In Abbildung 3.5 ist ein repräsentatives Massenspektrum von Modellpolymer 59 dargestellt.

2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000 9000 0,0

0,2 0,4 0,6 0,8 1,0

H+Br2H

H+Br2H

H+Br H+Br

2H 2H

H+Br2H

H+Br2H

H+Br2H H+Br 2H

H+Br2H

2BrH+Br2H

H+Br2H H+Br2H

H+Br2H 2Br

H+Br2H

2BrH+Br2H

H+Br2H

2H

H+Br2H H+Br 2Br

4 5

7

8 9 10

11 12

13 14

15 16

17

18 19

20 21 6

Intens ität

Masse / Ladung [g/mol]

Abbildung 3.5: MALDI-TOF-Massenspektrum des Modellpolymers 59 (aus CHCl3, 1,8,9-Trihydroxyanthracen-Matrix, Polyethylenglykolkalibrierung)

Es sind Signalgruppen erkennbar, die im Masse-Ladungs-Verhältnis einen Abstand von m/z = 400 g/mol voneinander aufweisen, was der Molmasse einer Wiederholungseinheit entspricht. Die Signale, deren Masse-Ladungs-Verhältnisse den Natriumaddukten der Molekülionen mit zwei Wasserstoffendgruppen (2H) zugeordnet werden können, sind in Abbildung 3.5 mit dem entsprechenden Polymerisationsgrad n beschriftet. Hierbei sind Peaks von Polymerisationsgraden zwischen n = 4 und n = 21 zu beobachten.

Zusätzlich sind in jeder Signalgruppe Peaks meist mit etwas geringerer Intensität erkennbar, die von Molekülionen mit einer (H+Br) oder sogar zwei (2Br) Bromidendgruppen hervorgerufen werden. Boronsäureendgruppen konnten bei keiner der durchgeführten Synthesen von 58 und 59 nachgewiesen werden.

Die Vielzahl der detektierten Bromidendgruppen und das Fehlen von Boronsäure-endgruppen trotz eines während der Polykondensation erfolgten Nachdosierens der Diboronsäure 37 zeigt, dass die Protodeborierung die am häufigsten ablaufende Nebenreaktion ist. Aus sterischen und elektronischen Gründen kann erwartet werden, dass mit den vorliegenden Monomeren unter den beschriebenen Reaktionsbedingungen die oxidative Addition im Katalysezyklus geschwindigkeitsbestimmend ist. So ist bekannt, dass Ortho-Substituenten und insbesondere Elektronendonoren am

Arylhalogenid die oxidative Addition erschweren. Der Schritt der reduktiven Eliminierung hingegen sollte aufgrund des hohen sterischen Anspruchs der Substituenten begünstigt ablaufen. Somit wäre eine Beschleunigung der Palladium-Insertion, z. B. durch Aktivierung des Arylhalogenids, der Schlüssel zu höheren Umsätzen und folglich noch höheren Polymerisationsgraden. Dies bestätigte sich bei Untersuchungen von Schlüter106, der bei Suzuki-Polykondensationen unter Verwendung von aktiveren Iod-Aryl-Monomeren höhere Molekulargewichte erzielte als unter Verwendung von Brom-Arylverbindungen.

Aus dem Massenspektrum allein lässt sich keine präzise Aussage bezüglich der Molekulargewichtsverteilung und des erhaltenen mittleren Polymerisationsgrads treffen.

Es wurde zwar berichtet, dass mittels MALDI-TOF-Massenspektrometrie prinzipiell eine quantitative Bestimmung der Oligomerverteilung von PPP-Derivaten möglich ist.

Allerdings können viele Fehlerquellen die Ergebnisse stark verfälschen. So weisen die Oligomere auch im vorliegenden Fall nur maximale Molmassen von 4500 g/mol auf109. Bei höheren Molmassen treten offenbar aufgrund einer schlechteren Desorption von hochmolekularen Polymeren in die Gasphase starke Abweichungen auf.

Um genauere Aussagen zur mittleren Molmasse sowie zur Molekulargewichtsverteilung treffen zu können, wurden gelpermeationschromatographische Experimente mit THF als Elutionsmittel durchgeführt. In Abbildung 3.6 sind zwei GPC-Kurven (UV-Detektion) von Modellpolymer 59 dargestellt, wobei die aufgetragenen Molmassen durch Kalibration gegen Polystyrol bekannter Polymerisationsgrade ermittelt wurden.

Bei der Suzuki-Polykondensation von 59 wurde einerseits ein Katalysator verwendet, der ein halbes Jahr unter Stickstoff bei -20 °C gelagert wurde (schwarze Kurve) und andererseits wurde der Katalysator einen Tag vor der Polykondensation synthetisiert (rote Kurve). Analog zu Untersuchungen aus der Literatur105 konnte auch hier beobachtet werden, dass sogar in der Kälte unter Schutzgas eine Alterung des Pd-Katalysators eintritt und dies in Suzuki-Polykondensationen zu geringeren Molmassen der Polymere führt (Abbildung 3.6). Ein signifikanter Unterschied zwischen den verschiedenen Katalysatoren Pd(PPh3)4 und Pd(P(p-Tol)3)3 wurde in zahlreichen, hier nicht beschriebenen Modellversuchen nicht beobachtet.

1000 10000 100000 0,0

0,2 0,4 0,6 0,8 1,0

Inte nsität

Molmasse (g/mol)

Abbildung 3.6: Gelpermeationschromatogramme von Modellpolymer 59 aus zwei Ansätzen (UV-Detektion, Molmasse mit Polystyrol kalibriert, Temperatur: 30 °C, Lösungsmittel: THF) In Tabelle 3.1 sind die aus der Gelpermeationschromatographie mittels Polystyrolkalibration erhaltenen gewichtsmittleren Molekulargewichte Mw, zahlen-mittleren Molekulargewichte Mn, Polydispersitäten PD sowie die aus Mn berechneten Polymerisationsgrade Pn von 59 dargestellt. Hinzugefügt sind die Ergebnisse aus dampfdruckosmometrischen Messungen von 58 und 59 in Chloroform. GPC-Experimente von Modellpolymer 58 wurden aufgrund der Unlöslichkeit im Elutionsmittel THF nicht durchgeführt.

Tabelle 3.1: Ergebnisse aus gelpermeationschromatographischen und dampfdruck-osmometrischen Messungen der Modellpolymere 58 und 59

Gelpermeationschromatographie Osmometrie Polymer Katalysator Lagerzeit Mw

[g/mol] Mn

[g/mol] Pn PD Mn

[g/mol] Pn

58 6 Monate - - - - 7100 15

59 6 Monate 16400 9000 22 1,8 9000 22 59 1 Tag 29200 13100 33 2,2 11500 29

Für Modellpolymer 59 werden mittels GPC und Dampfdruckosmometrie zahlenmittlere Molekulargewichte Mn zwischen 9000 g/mol und 13100 g/mol ermittelt, während das

MALDI-TOF-Massenspektrum (Abbildung 3.5) ein Maximum der Peakintensität bei 4500 g/mol aufweist und Moleküle über 8000 g/mol überhaupt nicht detektiert werden.

Dies bestätigt die Vermutung, dass während des MALDI-Experiments aus der breiten Molekulargewichtsverteilung bevorzugt niedermolekulare Fraktionen in die Gasphase desorbieren und somit die Detektion von hochmolekularen Fraktionen verhindert wird, obwohl die Methode prinzipiell bis in Bereiche von 5·105 g/mol eingesetzt werden kann110.

Sowohl aus der GPC als auch aus der Osmometrie ließ sich ein mittlerer Polymerisationsgrad des Polymers 59 zu Pn = 22 bestimmen, wenn der verwendete Katalysator 6 Monate unter Schutzgas gelagert wurde. Wurde ein Katalysator verwendet, der einen Tag vor der Suzuki-Reaktion synthetisiert wurde, konnten höhere Molmassen erreicht werden. Hierbei führte die Methode der GPC mit Pn = 33 im Vergleich zur Osmometrie mit Pn = 29 zu einer 14 %igen Überschätzung des Polymerisationsgrads. Grund hierfür ist das größere hydrodynamische Volumen des in THF gelösten, kettensteifen Polymers 59 gegenüber dem zur Kalibration verwendeten, in Lösung knäuelförmig vorliegenden, flexiblen Polystyrol. Der daraus resultierende Fehler scheint sich jedoch erst bei Polymerisationsgraden über Pn = 22 auszuwirken.

Darunter können die GPC-Ergebnisse weiterhin als gute Abschätzung betrachtet werden. Dieser Befund steht im Einklang mit Untersuchungen von Wegner et al.111. Hier wird beispielsweise bei einem tatsächlichen zahlenmittleren Molekulargewicht von Mn = 21000 g/mol ein Fehler von 27 %, bei Mn = 36000 g/mol ein Fehler von 44 % und bei Mn = 90000 g/mol sogar ein Fehler von 100 % beobachtet.

Da eine Wiederholungseinheit von Polymer 58 aus zwei Phenyleneinheiten besteht (vgl.

Schema 3.11), ist ein mittlerer Polymerisationsgrad von Pn = 15 gleichbedeutend mit der Verknüpfung von durchschnittlich 30 Phenyleneinheiten. Dies entspricht exakt dem in der Literatur beschriebenen Wert für identisch aufgebaute statistische Copolymere mit verschieden langen Oligoethylenoxid-Seitengruppen66. Bei Polymer 59, dessen Wiederholungseinheit nur eine Phenylen-Gruppe enthält, wurde ein nahezu identisches Ergebnis erzielt: Es wurden durchschnittlich bis zu 29 Phenyleneinheiten verknüpft (Pn = 29). Das bedeutet, dass der mittlere Polymerisationsgrad in der gleichen Größenordnung liegt, der auch bei der Synthese des Precursorpolymers 16 erzielt wurde. Hier wurde von mittleren Polymerisationsgraden unfraktionierter Proben zwischen Pn = 32 (Blaul56) und Pn = 40 (Brodowski50) berichtet. Durch fraktionierende

Fällung konnte sogar ein mittlerer Polymerisationsgrad von Pn = 48 (Wittemann54) erreicht werden.

Die Molmassenverteilung ist gemäß einer Polykondensationsreaktionen sehr breit. Es wurden entsprechend hohe Polydispersitäten von PD = 1,8 und PD = 2,2 ermittelt. Dies liegt im Bereich von literaturbekannten PPP-Systemen, bei denen von Polydispersitäten zwischen PD = 1,6 (Brodowski50) für ausgefällte Polymere und PD = 3,3106 für nicht ausgefällte Produkte berichtet wird.

Zusammenfassend lassen sich die durchgeführten Suzuki-Polykondensationen als sehr erfolgreich bewerten. Unter Verwendung der für einfache Polykondensationen geltenden Carothers-Gleichung (Pn = (1-p)-1) ergibt sich rechnerisch ein Umsatz p (0 ≤ p ≤ 1) der Suzuki-Reaktion von p = 0,97, wenn ein Polymerisationsgrad von Pn = 29 erreicht wird. Vermutlich limitieren zwar die als Elektrondendonoren wirkenden Alkoxysubstituenten am Arylhalogenid den Polymerisationsgrad, jedoch kann der hohen Dichte der Oligoethylenoxidseitenketten von 59 kein negativer Einfluss zugeschrieben werden.