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Gegenionenkondensation an den schwachen PPP-Polyelektrolyten 39 c

6 Untersuchung der Polyelektrolyt-Eigenschaften

6.4 Untersuchung der Gegenionenaktivität mittels einer ionenselektiven

6.4.1 Gegenionenkondensation an den schwachen PPP-Polyelektrolyten 39 c

6.4 Untersuchung der Gegenionenaktivität mittels einer ionenselektiven

für den Fall des Modellamins 65 in Abbildung 6.10 dargestellt. Bei der Berechnung der Bromidionenkonzentration cBr- wurde die Volumenzunahme im Verlauf der Titration berücksichtigt.

10-3 3x10-3 10-2 3x10-2

-150 -160 -170 -180 -190 -200 -210 -220 -230

α = 0 α > 0 Linearer Fit

y = -54,7 * log x - 319,8

E [m V]

c

Br _

[mol/L]

Abbildung 6.10: Gemessene Potentialdifferenz E zwischen Bromid- und Referenzelektrode einer wässrigen Lösung des Modellamins 65 (cN = 20 mmol/L) während der Titration mit HBr, aufgetragen gegen die Konzentration an Bromidionen cBr-

Die schwarzen Messpunkte repräsentieren die Neutralisation der zu Beginn zugegebenen Natronlauge, während die roten Messpunkte die zunehmende Protonierung des Modellamins 65 von α = 0 bis α = 1 darstellen. Die gemessene Potentialdifferenz verhält sich gemäß Gleichung (5.39) über den kompletten Messbereich linear zum Logarithmus der Bromidionenkonzentration. Die geringe Abweichung von dieser Geraden kann mit dem Einfluss der pH-Wertänderung während der Titration begründet werden. Die kaum erkennbaren Wendepunkte in Abbildung 6.10 bei α = 0 und α = 1 stimmen mit den Wendepunkten des s-förmigen Verlaufs des pH-Werts überein. Diese geringe Abweichung (maximale Abweichung < 0,5 %) beweist die gute Selektivität der Elektrode bezüglich Bromidionen. Der daraus resultierende Fehler wird in den folgenden Auswertungen deshalb nicht berücksichtigt.

Nach der vollständigen Protonierung wurde das Modellamin 65 durch Zugabe einer äquivalenten Menge an 1 N NaOH deprotoniert. Diese Deprotonierung hatte, wie

erwartet, keinen Einfluss auf die Aktivität der Gegenionen, die gemessene Spannung blieb im gesamten Verlauf der NaOH-Zugabe konstant.

In Abbildung 6.11 ist der Potentialverlauf dargestellt, der sich bei Protonierung des Precursors 39 c unter ansonsten gleichen Bedingungen ergibt.

Abbildung 6.11: Gemessene Potentialdifferenz E zwischen Bromid- und Referenzelektrode einer wässrigen Lösung der Polybase 39 c (cN = 17 mmol/L) während der Titration mit HBr, aufgetragen gegen die Konzentration an Bromidionen cBr-. Das Inset zeigt eine Vergrößerung für den Bereich cBr- > 10-2 mol/L .

Die schwarzen Messpunkte symbolisieren wiederum den Bereich der Neutralisation der anfangs zugesetzten Menge an Natronlauge. Erst im Verlauf der roten Messpunkte setzt die Protonierung des Precursors 39 c ein. Hierbei ist eine deutliche Abweichung vom linearen Verhalten festzustellen. Dies ist eine direkte Konsequenz der Gegenionen-kondensation: Einige Bromidionen kondensieren am Polyelektrolyt und tragen nicht mehr zum gemessenen Potential bei. Die Gegenionenkondensation wird mit steigendem Protonierungsgrad und damit steigender Ladungsdichte immer größer. Folglich weicht die rote Messkurve immer stärker vom linearen Verlauf ab. Ab einer

10-2 2x10-2

-200 -205 -210 -215 -220

10

-3

3x10

-3

10

-2

3x10

-2

-150 -160 -170 -180 -190 -200 -210 -220 -230

α = 0

HBr-Titration (α > 0) NaOH-Titration (α > 0) Linearer Fit

y = -52,9 * log x - 309,6

E [mV]

c

Br _

[mol/L]

Bromidkonzentration von cBr- = 2·10-2 mol/L ist der Protonierungsgrad α = 1 erreicht;

eine weitere HBr-Zugabe erhöht die Ladungsdichte des Polyelektrolyts nicht weiter.

Aus diesem Grund kann für cBr- > 2·10-2 mol/L im vergrößerten Bereich von Abbildung 6.11 erneut lineares Verhalten (rote Gerade) beobachtet werden.

Nach der vollständigen Protonierung wurde der Precursor 39 c durch schrittweise Zugabe von 1 N Natronlauge deprotoniert. Im Gegensatz zur Deprotonierung des Modellamins 65 ist hierbei ein Einfluss auf die Aktivität der Gegenionen deutlich messbar: Die blauen Messpunkte in Abbildung 6.11 zeigen eine ansteigende Potentialdifferenz bei fortlaufender Deprotonierung bis zum Erreichen der schwarzen Regressionsgeraden. Die tatsächliche Bromidionenkonzentration cBr- bleibt während der Deprotonierung nahezu konstant, sie erniedrigt sich lediglich durch die geringe Volumenzunahme.

In Abbildung 6.12 ist der Verlauf der Potentialdifferenz als Funktion der NaOH-Zugabe vergrößert dargestellt.

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4

-212 -214 -216 -218 -220 -222

1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 -0,2 -0,4

E [mV ]

Zugabe von NaOH [eq]

α

Abbildung 6.12: Gemessene Potentialdifferenz E zwischen Bromid- und Referenzelektrode einer wässrigen Lösung der vollständig protonierten Polybase 39 c (cN = 17 mmol/L) während der Titration mit Natronlauge, aufgetragen gegen die hinzugefügten Äquivalente [eq]

Natronlauge.

Die ansteigende Potentialdifferenz bis zur zugegebenen Menge von einem Äquivalent Natronlauge spiegelt die geringere Gegenionenkondensation bei Herabsetzung der

Ladungsdichte des Polyelektrolyts wider. Die im Falle der vollständig protonierten Polybase kondensierten Bromidionen werden zunehmend frei und tragen ab α = 0 wieder vollständig zum messbaren Potential bei. Eine weitere Zugabe über 1,0 eq Natronlauge bewirkt erwartungsgemäß keine Änderung der gemessenen Spannung mehr.

Um quantitative Aussagen zur Gegenionenkondensation treffen zu können, muss eine Kalibration der gemessenen Potentialdifferenz mit der Konzentration der Bromidionen vorgenommen werden. Durch die beschriebene Methode ist eine interne Kalibration der Messwerte sehr gut möglich. Das lineare Verhalten der schwarzen Messpunkte aus Abbildung 6.11 inklusive der nach der vollständigen Deprotonierung ermittelten Spannung E = -221 mV zeigt das „ordnungsgemäße“ Arbeiten im linearen Bereich der Elektrode während der kompletten Messzeit. Die lineare Regression durch diese Punkte diente in den folgenden Auswertungen als interne Kalibration, mit der zu jeder gemessenen Spannung E die sogenannte apparente Bromidkonzentration capp berechnet wurde. Aus dem horizontalen Abstand jedes Messpunkts von der Regressionsgeraden (cBr- – capp) konnte die Konzentration der kondensierten Gegenionen direkt bestimmt werden. Der Quotient capp/cBr- entspricht gemäß Gleichung 5.41 dem Aktivitäts-koeffizienten der Bromidionen γ*Br-, der, wie der osmotische Koeffizient, den Anteil an nicht kondensierten Gegenionen darstellt. Er ist in Abbildung 6.13 sowohl für die HBr- als auch für die NaOH-Titration gegen den Protonierungsgrad α aufgetragen.

Dass eine externe Kalibration gegen eine niedermolekulare Salzlösung bekannter Bromidkonzentration im Gegensatz zur internen Kalibration sehr fehlerbehaftet sein kann, wird durch Vergleich der Geradengleichung aus Abbildung 6.11 mit der Geradengleichung aus Abbildung 6.10 deutlich. Bei vollständiger Protonierung des Precursors 39 c, die bei einer tatsächlichen Bromidkonzentration von cBr- ≈ 2,0·10-2 mol/L erreicht ist, wurde z. B. eine Potentialdifferenz von E = -210 mV gemessen (Abbildung 6.11). Diese entspricht laut interner Kalibration einer apparenten Bromidkonzentration von capp = 1,3·10-2 mol/L. Im Modellamin-Experiment hingegen ergibt sich für die gleiche Potentialdifferenz eine apparente Bromidkonzentration von capp = 1,0·10-2 mol/L. Damit ergeben sich aus der internen Kalibration 65 % und aus der externen Kalibration 50 % freie, messbare Bromidionen. Diese große Differenz bestätigt die in der Literatur veröffentlichten Vorbehalte1,175 gegenüber auf diese Weise durchgeführten externen Kalibrationen.

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 0,5

0,6 0,7 0,8 0,9

1,0 HBr-Titration

NaOH-Titration

γ *

Br

Abbildung 6.13: Aktivitätskoeffizient der Bromidionen γ*Br-, aufgetragen gegen den Protonierungsgrad α

Der Anteil freier, nicht kondensierter Bromidionen sinkt im Verlauf der Säurezugabe zwischen α = 0 und α = 1 von γ*Br- ≈ 1 bis γ*Br- ≈ 0,65 ab und bleibt bei Zugabe von HBr über α = 1 hinaus nahezu konstant. Dies bedeutet, dass bei der mit Precursor 39 c maximal erreichbaren Ladungsdichte etwa 35 % der insgesamt vorhandenen Bromidionen am Polyelektrolyt kondensiert sind. Bei der anschließenden Titration mit NaOH werden die Gegenionen sukzessive wieder frei, wobei γ*Br- während der Rücktitration deutlich größer ist als während der HBr-Titration. Die Differenz ∆γ*Br- zwischen Hin- und Rücktitration von bis zu ∆γ*Br- = 0,1 kann mit dem Vorhandensein unterschiedlicher Konzentrationen an Natriumbromid zum jeweiligen Zeitpunkt erklärt werden. Während der gesamten HBr-Zugabe ist eine konstante Stoffmenge Natriumbromid vorhanden, die durch Neutralisation der anfangs zugesetzten Natronlauge entstand. Im Verlauf der Deprotonierung entsteht für jedes zugesetzte Äquivalent Natronlauge eine entsprechende zusätzliche Menge an Natriumbromid.

Diese nicht konstante Fremdsalzkonzentration von Natriumbromid muss bei der Interpretation der Gegenionenkondensation berücksichtigt werden. Sowohl bei osmometrischen Untersuchungen1,3,55,143,206 207, als auch bei potentiometrischen Aktivitätsuntersuchungen172,208 209 210 211, , , von synthetischen und natürlichen Poly-elektrolyten wurde in der Literatur oftmals die Gültigkeit einer einfachen

„Additivitätsregel“ bestätigt. Danach ist der osmotische Druck einer

Polyelektrolyt-Salz-Lösung gegeben durch die Summe aus dem osmotischen Druck des Polyelektrolyts inklusive seiner Gegenionen und dem osmotischen Druck des niedermolekularen Salzes (Gleichung 5.16). Dies gilt analog auch für die Aktivität der Bromidionen (Gleichung 5.17 und 5.41), d. h. der Aktivitätskoeffizient γ*Br- aller Bromidionen kann aufgeteilt werden in den Aktivitätskoeffizienten γP der Gegenionen des Polyelektrolyts und in den Aktivitätskoeffizienten γNaBr (≈ 1) der Bromidionen des Fremdsalzes. Damit gilt für den Anteil nicht kondensierter Bromidionen γ*Br-:

NaBr N

NaBr NaBr P

N Br

Br Br

app

Br c c

c c

c a c

c

+

⋅ +

= ⋅

=

α

γ γ

γ * α (6.5)

Bei erneuter Betrachtung des vergrößerten Bereichs von Abbildung 6.11 wird auch durch die hier beschriebenen Experimente die Gültigkeit der Additivitätsregel bestätigt.

Bei HBr-Zugabe über α = 1 hinaus bleibt die Aktivität der Gegenionen α·cN·γP konstant und für die Gesamtaktivität der Bromidionen aBr- ergibt sich aBr- = const. + cHBr · γHBr. Da γHBr = γNaBr ergibt sich für das Potential E bei cBr- > 2·10-2 mol/L eine Gerade (rote Linie) mit einer annähernd gleichen Steigung wie die interne Kalibrationsgerade (schwarze Linie).

Der aus Gleichung (6.5) separierbare Aktivitätskoeffizient γP der Gegenionen des Polyelektrolyts wurde für alle Messpunkte berechnet, indem die zu jedem Zeitpunkt der Titration bekannte Fremdsalzkonzentration cNaBr und die experimentell bestimmten Aktivitätskoeffizienten γ*Br- sowie der Aktivitätskoeffizient γNaBr = 1 eingesetzt wurden.

In Abbildung 6.14 ist der berechnete Aktivitätskoeffizient γP gegen den Protonierungsgrad α aufgetragen.

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 0,5

0,6 0,7 0,8 0,9

1,0 HBr-Titration

NaOH-Titration

γ

P

α

Abbildung 6.14: Aktivitätskoeffizient der Gegenionen γP des Polyelektrolyts 39 c, aufgetragen gegen den Protonierungsgrad α

Der Verlauf von γP spiegelt den vom Einfluss des Fremdsalzes „bereinigten“

Aktivitätskoeffizienten wider und lässt sich damit direkt mit osmotischen Koeffizienten, bestimmt aus fremdsalzfreien Systemen, vergleichen. Der Aktivitätskoeffizient γP sinkt mit zunehmender Protonierung zwischen 0,3 < α < 1 von γP = 0,80 bis γP = 0,61. Die Werte für γP der HBr- und NaOH-Titration entsprechen sich in diesem Bereich sehr gut, die Differenz beträgt maximal ∆γP = 0,03. Bei Protonierungsgraden von α < 0,2 wird der Betrag α·cN in Zähler und Nenner der Gleichung (6.5) sehr klein und folglich der relative Messfehler sehr groß. Die Messwerte weichen aus diesem Grund erheblich vom erwarteten idealen Verhalten der Gegenionen (γP = 1) für einen Protonierungsgrad α→ 0 und somit einer Ladungsdichte ξ→ 0 ab.

Mit den Aktivitätskoeffizienten γP aus Abbildung 6.14 kann die effektive Ladung i pro Aminofunktion für jeden Protonierungszustand berechnet werden: i = α · γP. Sie bezieht sich genauso wie γP auf ein fremdsalzfreies System. In Abbildung 6.15 ist die effektive Ladung i gegen den Protonierungsgrad α für die HBr- und die NaOH-Titration aufgetragen.

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 0,0

0,2 0,4 0,6 0,8

1,0 HBr-Titration NaOH-Titration

i

α

Abbildung 6.15: Effektive Ladung i pro Aminofunktion der Polybase 39 c, aufgetragen gegen den Protonierungsgrad α

Die Berechnung der effektiven Ladungen i aus Hin- und Rücktitration führen zu identischen Ergebnissen. Die Abweichung von der Diagonalen verdeutlicht die Herabsetzung der effektiven Ladung durch die Kondensation der zu den Polykationen entgegengesetzt geladenen Bromidionen.

Durch identisch geführte Titrationsexperimente mit der Polybase 47 c wurden auf die oben beschriebene Weise die Aktivitätskoeffizienten γP und die effektiven Ladungen i als Funktion von α bei dichterer Anordnung der Aminofunktionen an der Polymerkette ermittelt. In Abbildung 6.16 und Abbildung 6.17 sind die aus Hin- und Rücktitration berechneten Mittelwerte von γP und i der Polybasen 39 c und 47 c gemeinsam dargestellt. Erwartungsgemäß kondensiert im Fall der strukturell vorgegebenen höheren Ladungsdichte des Polyelektrolyts 47 c eine größere Anzahl an Gegenionen: So sinkt der Aktivitätskoeffizient bei vollständiger Protonierung bis auf γP = 0,49 ab und die effektive Ladung überschreitet den Wert i = 0,49 nicht.

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 0,4

0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0

γ

P

α

Abbildung 6.16: Aktivitätskoeffizient der Gegenionen γP des Polyelektrolyts 39 c () und 47 c (), aufgetragen gegen den Protonierungsgrad α

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0

i

α

Abbildung 6.17: Effektive Ladung i pro Aminofunktion des Polyelektrolyts 39 c () und 47 c (), aufgetragen gegen den Protonierungsgrad α