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Vergleich systemvermittelnder und situierter Lernumgebungen

2. Modelle und Ansätze zur Konzeptualisierung arbeitsintegrierten

2.3 K ONZEPTUALISIERUNG SITUIERTEN L ERNENS

2.3.2 Vergleich systemvermittelnder und situierter Lernumgebungen

Nachdem kurz in den Konstruktivismus und einige grundlegende Konzepte der situated cognition eingeführt wurde, soll das situierte Lernen aus einer mehr instruktionspsychologischen Perspektive diskutiert werden. Durch eine Gegenüberstellung klassischer, systemvermittelnder und situierter Lernumgebungen lassen sich Merkmale situierten Lernens gut herausarbeiten.

Gegenstand des Lernens bei konstruktivistischen Ansätzen ist der situierte Erwerb deklarativen und prozeduralen Bereichswissens sowie heuristischer Strategien zur effektiven Bewältigung komplexer Aufgaben. Der Wissens- und Strategieerwerb soll sich dabei eng an den Kompetenzen von Experten für einen bestimmten Aufgaben-und Wissensbereich orientieren (Sonntag, 1996; Schaper, 1997; Schaper, 2000).

Beim situierten Lernen steht die aktive Konstruktion des Wissens der Lernenden durch die Auseinandersetzung mit authentischen Aufgaben- und Situationsanforderungen im Vordergrund. Lernen wird ferner nicht lediglich als reiner Wissenserwerb begriffen, sondern als ein Prozeß der Enkulturation in eine

„community of practice“, bei dem neben Wissenselementen Denkstile, Expertenkniffe, Überzeugungssysteme sowie ethische Standards erworben werden (vgl. Collins, Brown & Newmann, 1989; Lave & Wenge, 1991; Mandl & Reinmann-Rothmeier, 1995; Schaper, 1997).

Die Merkmale situierten Lernens können im Kontrast zum Lernen in systemvermittelnden Lernumgebungen verdeutlicht werden. Im Zentrum der systemvermittelnden Lernumgebung steht die Instruktion. Wissenssysteme, verstanden als objektive Inhalte, sollen möglichst organisiert vermittelt werden, d.h.

das Wissen wird vom Lehrenden zum Lernenden „transportiert“, wobei das vom Lernenden aufgenommene Wissen als identisch mit dem gesendeten Wissen des Lehrenden begriffen wird (Mandl, Gruber & Renkl, 1995). Die Planung und Steuerung des Unterrichts sowie die Instruktion stehen hier im Mittelpunkt. Dem Lehrenden kommt die aktive Rolle zu (Inhalte darstellen und erläutern, Lernerfolg überprüfen), wohingegen der Lernende und das Lernen als eher passiv konzeptualisiert werden. Folgende Basisannahmen zur Gestaltung von

systemvermittelnden Lernumgebungen werden von Mandl und Reinmann-Rothmeier (1995, S. 29) formuliert:

"1. Lerninhalte sind Wissenssysteme, die in ihrer Entwicklung abgeschlossen und klar strukturierbar sind.

2. Lernen erfolgt linear und systematisch.

3. Lernen ist vor allem ein rezeptiver Prozeß.

4. Bei der Unterrichtsgestaltung stehen Fragen der Instruktion im Vordergrund.

5. Die Lernenden müssen von außen stark angeleitet und kontrolliert werden.

6. Die Lehrenden fungieren als Vermittler neuer Inhalte.

7. Bewährte Unterrichtsformen können unabhängig von Inhalt, Zeitpunkt und Personenmerkmalen wiederholt angewendet werden.

8. Die Unterrichtsergebnisse sind vorhersagbar.

9. Ziel von Unterrichten: Die Lernenden erfüllen die gesetzten Leistungskriterien."

Stand bei den systemvermittelnden Lernumgebungen die Instruktion im Vordergrund, so rückt bei den situierten Lernumgebungen die Konstruktion in den Mittelpunkt. Der Fragehorizont verschiebt sich vom Problem der Vermittlung von Wissen zur Frage nach der Konstruktion von Wissen und dem Verhältnis von Wissen und Handeln (Gerstenmaier & Mandl, 1995; Mandl & Reinmann-Rothmeier, 1995; Weinert, 1996; Gerstenmaier & Mandl, 2000). Der Schwerpunkt der Aktivität verlagert sich vom Lehrenden zum Lernenden.

Mandl & Reinmann-Rothmeier (1995) benennen zentrale Merkmale konstruktivistisch orientierter Lernprozesse:

• Lernende sollen Verständnis für den Gegenstand, mit dem sie sich beschäftigen, entwickeln.

• Lernende sollen neues Wissen in ihre vorhandenen Wissensstrukturen integrieren.

• Lernende sollen Zusammenhänge zwischen Wissensinhalten herstellen.

• Lernende sollen Wissen in Realsituationen anwenden

• Lernende sollen selbständig und in Kooperation mit anderen neue Probleme bearbeiten

Zusammenfassend formulieren die Autoren, daß Lernen „aktiv, selbstgesteuert, konstruktiv, situativ und sozial sein muß“ (Mandl & Reinmann-Rothmeier, 1995, S.

50). Entsprechend formulieren die Autoren fünf Prozeßmerkmale erfolgreicher Lernprozesse in situierten Lernumgebungen (Mandl & Reinmann-Rothmeier, 1995, S. 51):

"(1) Lernen ist nur über die aktive Beteiligung des Lernenden möglich.

Dazu gehört, daß der Lernende zum Lernen motiviert ist und daß er an dem, was er tut und wie er es tut, Interesse hat oder entwickelt.

(2) Bei jedem Lernen übernimmt der Lernende Steuerungs- und Kontrollprozesse. Wenn auch das Ausmaß eigener Steuerung und Kontrolle je nach Lernsituation variiert, so ist doch kein Lernen ohne jegliche Selbststeuerung denkbar.

(3) Lernen ist in jedem Fall konstruktiv: Keine kognitiven Prozesse finden ohne den individuellen Erfahrungs- und Wissenshintergrund und eigene Interpretationen statt.

(4) Lernen erfolgt stets in spezifischen Kontexten, so daß jeder Lernprozeß auch als situativ gelten kann.

(5) Lernen ist schließlich immer auch ein sozialer Prozeß: Zum einen ist der Lernende mit all seinen Aktivitäten stets soziokulturellen Einflüssen ausgesetzt, zum anderen ist jedes Lernen ein interaktives Geschehen."

Außerdem sollten die folgenden Prinzipien bei der Gestaltung situierter Lernumgebungen berücksichtigt werden (vgl. Reinmann-Rothmeier & Mandl, 1993;

Sonntag, 1996; Sonntag & Schaper, 1999; Schaper, 2000):

• Authentizität; d.h. die Gestaltung von Lernumgebungen, die reale Situationen in ihrer ganzen Komplexität widerspiegeln, so daß die Lernenden einerseits

vielfältige und realitätsnahe Lernerfahrungen sammeln und andererseits mit dem Wissen auch die Anwendungsbedingungen dieses Wissens erwerben;

• Situiertheit; d.h. wenn das Lernen anhand authentischer Probleme nicht möglich ist, werden Probleme und Aufgaben in einen größeren Kontext eingebettet oder simuliert, so daß der Lernende in Situationen versetzt wird, die ihm einen Anwendungskontext für das zu erwerbende Wissen anschaulich vor Augen führen (meist medial gestützt);

• Multiple Kontexte; um zu verhindern, daß das erworbene Wissen auf eine Situation fixiert bleibt, sollten dieselben Inhalte in mehreren verschiedenen Kontexten angewandt werden; hiermit soll erlernt werden, daß das Wissen auf andere Problemstellungen übertragen werden kann;

• Multiple Perspektiven; d.h. beim Lernen sollten Inhalte oder Probleme aus unterschiedlichen Sichtweisen reflektiert werden.

• Sozialer Kontext; d.h. Lernen ist nicht als ein ausschließlich individueller Prozeß zu verstehen. Daher sind gemeinsame kooperative Phasen des Lernens und Arbeitens Lernender untereinander sowie mit Experten, in die situierte Lernumgebung zu integrieren.

2.3.3 Metatheoretische Reflexion des Stellenwerts konstruktivistischer Ansätze im