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Fragestellung und Untersuchungsdesign

6. Evaluation arbeitsintegrierter Lernumgebungen

6.1 M ETHODE

6.1.1 Fragestellung und Untersuchungsdesign

Untersuchungsfeld

Die Untersuchung fand im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitforschung des Modellversuchs im Bildungswesen und Produktionsbereich eines deutschen Automobilunternehmens statt. Im Rahmen dieses Modellversuchs gab es eine enge Kooperation zwischen wissenschaftlicher Begleitforschung, Ausbildungspersonal und Produktionsmitarbeitern.

Stichprobe

Auszubildende der Berufsgruppen Industriemechaniker bzw. –elektroniker / Fachrichtung Produktionstechnik nahmen an der Untersuchung teil (N=139). Die Zuteilung der Auszubildenden zu den Untersuchungsbedingungen erfolgte weder durch Selbstselektion noch durch bedarfsgesteuerte Zuteilung. Allerdings konnten aus versetzungstechnischen Gründen nicht einzelne Auszubildende zufällig auf die Untersuchungsbedingungen aufgeteilt werden, sondern nur Gruppen gemäß der im Unternehmen bereits bestehenden natürlichen Ausbildungsteams. Die Zuordnung einzelner Ausbildungsteams auf die Untersuchungsbedingungen erfolgte zufällig und nicht unter Berücksichtigung von Leistungs- oder anderen Personenmerkmalen der Auszubildenden der jeweiligen Gruppen.

Die Auszubildenden befanden sich in ihrem dritten Berufsausbildungsjahr. Die meisten Auszubildenden hatten einen Realschulabschluß (58%), gefolgt von Hauptschulabschluß (29%), Abitur (6%) und sonstigen Abschlüssen. Die Industriemechaniker (68,3 %) stellen gegenüber den Industrieelektronikern (31,7

%) den größeren Teil der Untersuchungsgruppe dar. Männliche Untersuchungspartner (82 %) überwiegen in der Stichprobe gegenüber weiblichen (18%), was jedoch der üblichen Geschlechtsverteilung in diesen Berufsgruppen weitgehend entspricht.

Fragestellungen

Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitforschung des Modellversuchs wurden folgende Fragestellungen im Zusammenhang mit der Erprobung des neuen arbeitsintegrierten Lernumgebungstyps untersucht.

1. Unterscheidet sich die Lernortqualität von Qualifizierungsstützpunkten und betrieblichen Versetzungsstellen?: Bei diesem Vergleich geht es darum, Unterschiede in der instruktionalen sowie arbeitsstrukturalen Qualität der beiden Lernumgebungstypen zu identifizieren. Aufgrund der systematischen Implementation der Qualifizierungsstützpunkte ist hier mit einer höheren Lernortqualität in den beiden genannten Bereichen zu rechnen. Wichtig ist zu erwähnen, daß es hierbei nicht in erster Linie um die Frage geht, ob die Auszubildenden angenommene Unterschiede der Lernortqualität tatsächlich wahrnehmen, sondern im Sinne einer Implementationsevaluation um die Frage, ob die angestrebten Ausprägungen der Treatments tatsächlich wie geplant realisiert wurden. Diese Fragestellung ist insofern relevant als bei komplexen Interventionen in ökologisch validen Settings nicht automatisch davon ausgegangen werden kann, daß geplantes und realisiertes Treatment identisch sind (vgl. Cook & Shadish, 1994). Für weitere statistische Analysen im Hinblick auf die Auswirkungen des Treatments muß dieses daher zunächst durch die Treatmentevaluation quantifiziert werden.

2. Unterscheiden sich reparaturbezogene und produktionsintegrierte Qualifizierungsstützpunkte hinsichtlich arbeitsstrukturaler oder instruktionaler Merkmale?: Reparaturbezogene Qualifizierungsstützpunkte unterscheiden sich hinsichtlich der organisationalen Einbindung und der Aufgabenstruktur von produktionsintegrierten Qualifizierungsstützpunkten. Es soll untersucht werden, ob sich diese Unterschiede in der Lernortqualität widerspiegeln.

3. Welche Zusammenhänge bestehen zwischen arbeitsstrukturalen und instruktionalen Merkmalen der Lernumgebung?: Da im Zentrum des arbeitsintegrierten Lernens Arbeitsaufgaben stehen, liegt die Annahme nahe, daß Merkmale der Arbeit und instruktionale Merkmale in einem engen Zusammenhang

stehen, so daß bestimmte Lern- und Betreuungsformen mit bestimmten arbeitsstrukturalen Merkmalen kovariieren.

4. Welchen Veränderungen unterliegt das Selbstkonzept beruflicher Kompetenzen im Zusammenhang mit dem Arbeiten und Lernen an den arbeitsintegrierten Lernumgebungstypen?: Das Selbstkonzept beruflicher Kompetenzen stellt sowohl eine wichtige Voraussetzung wie auch ein Ergebnis erfolgreicher Qualifizierungsprozesse dar. Durch die Arbeits- und Lernerfahrungen bei der Auseinandersetzung mit den Anforderungen der Arbeits- und Produktionsprozesse ist mit Veränderungen des Selbstkonzepts beruflicher Kompetenzen zu rechnen.

Ausgehend von der Annahme einer höheren Lernortqualität der Qualifizierungsstützpunkte ist hier mit positiveren Entwicklungen des Selbstkonzepts zu rechnen. Von besonderem Interesse ist auch die Frage, in welchen Bereichen des Selbstkonzepts beruflicher Kompetenzen Veränderungen stattfinden.

5. Welche Zusammenhänge bestehen zwischen instruktionalen Merkmalen der Lernumgebung und Veränderungen im Selbstkonzept beruflicher Kompetenzen?:

Ein Merkmalsbereich zur Charakterisierung der Lernumgebungstypen ist der Grad der Realisierung der Gestaltungsprinzipien des Cognitive Apprenticeship Ansatzes.

Es ist anzunehmen, daß bestimmte Gestaltungsprinzipien mit Veränderungen spezifischer Selbstkonzeptbereiche zusammenhängen. Im Rahmen einer Komponentenanalyse sollen erste Hinweise auf mögliche differentielle Zusammenhänge gewonnen werden.

6. Welche Zusammenhänge bestehen zwischen arbeitsstrukturalen Merkmalen der Lernumgebung und Veränderungen im Selbstkonzept beruflicher Kompetenzen?:

Neben den instruktionalen Merkmalen lassen sich die Lernumgebungen anhand ihrer arbeitsstrukturalen Merkmale beschreiben. Ebenso wie für die instruktionalen Gestaltungsprinzipien kann auch für die arbeitsstrukturalen Merkmale von differentiellen Zusammenhängen mit Veränderungen des Selbstkonzepts beruflicher Kompetenzen ausgegangen werden.

Untersuchungsdesign

Zur Untersuchung der oben genannten Fragestellungen wurde ein

Prä-Posttest-Kontrollgruppe bezeichnet üblicherweise im Kontext der Trainingsevaluation eine Untersuchungsgruppe, die kein Treatment oder lediglich ein Placebo Treatment erhält (vgl. Cook & Shadish, 1994). In dieser Untersuchung erhalten jedoch auch die Untersuchungseinheiten der Kontrollgruppe ein Treatment. Bei diesem Treatment handelt es sich um eine traditionelle Ausbildungsform (Ausbildung an betrieblichen Versetzungsstellen), wohingegen das Treatment der Experimentalgruppe eine innovative Ausbildungsform (Ausbildung an Qualifizierungsstützpunkten) repräsentiert. Der Begriff Kontrollgruppe wird hier im Sinne einer Referenzgruppe verwendet und soll ausdrücken, daß diese Gruppe als Bezugssystem für Vergleiche mit der Experimentalgruppe herangezogen wird, und zwar sowohl im Hinblick auf die Lernortqualität als auch die Kompetenzentwicklung der Auszubildenden. Eine Kontrollgruppe im eigentlichen Sinn, d.h. ohne Treatment, wäre der Untersuchungsfragestellung nicht angemessen gewesen, bei der es um ein komparatives Urteil über den Nutzen zweier unterschiedlicher Ausbildungsformen geht.

Da eine randomisierte Zuteilung der einzelnen Auszubildenden zu den Untersuchungsbedingungen nicht möglich war, handelt es sich um ein quasi-experimentelles Untersuchungsdesign (vgl. Bortz, 1984, S. 431ff., Cook & Shadish, 1994, S. 546). Da die bestehenden Ausbildungsteams im Unternehmen ursprünglich zufällig gebildet wurden und bisher eine vergleichbare Ausbildung durchlaufen haben, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, daß keine bedeutsamen Unterschiede in für die Wirkung des Treatments relevanten Drittvariablen vorliegen. Aufgrund begrenzter zeitlicher Verfügbarkeit der betrieblichen Untersuchungspartner konnten keine weiteren Personenvariablen erhoben und somit kontrolliert werden. Abbildung 2 zeigt das Untersuchungsdesign.

Abb. 2 Untersuchungsdesign

Das Selbstkonzept beruflicher Kompetenzen als abhängige Variable wird vor und nach dem Treatment mit dem Fragebogen zum Selbstkonzept beruflicher Kompetenzen (Sonntag & Schäfer-Rauser, 1993) erfaßt. Nach dem Einsatz an einem Lernort schätzen die Auszubildenden die Lernortqualität mit dem Fragebogen zur subjektiven Arbeitsanalyse -SAA- (Udris & Alioth, 1980) und dem Fragebogen zur Lernumgebung –FLEM- ein. Nachfolgend sollen die einzelnen Instrumente und untersuchten Variablenbereiche kurz beschrieben werden.

6.1.2 Lernen an arbeitsintegrierten Lernumgebungen als Treatment der