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K ONZEPTE UND D EFINITIONEN ZUM ARBEITSINTEGRIERTEN L ERNEN

2. Modelle und Ansätze zur Konzeptualisierung arbeitsintegrierten

2.4 K ONZEPTE UND D EFINITIONEN ZUM ARBEITSINTEGRIERTEN L ERNEN

In der Arbeitspsychologie und der Wirtschafts- und Berufspädagogik wird das Lernen in der Arbeit bereits seit langem theoretisch modelliert und teilweise empirisch untersucht. Zahlreiche definitorische und klassifikatorische Ansätze

wurden entwickelt, in denen das Typische des Lernens in der Arbeit, also das, was es von anderen Lernformen unterscheidet, herausgearbeitet werden sollte.

Außerdem war ein weiteres Ziel der Modellierungen, unterschiedliche Formen des Lernens in der Arbeit voneinander abzugrenzen. Die bestehenden Ansätze variieren im Grad ihrer theoretischen Elaboration und dem Ausmaß an empirischer Forschung bzw. Praxisgestaltung, die durch sie angestoßen wurden. Zunächst sollen einzelne Ansätze in chronologischer Abfolge dargestellt werden. Für jeden Ansatz werden hierbei die typischen Bestimmungs- und Konstruktmerkmale herausgearbeitet.

In der Zusammenfassung im Abschnitt 2.5 sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Ansätze diskutiert werden mit dem Ziel, zu einer integrativen Konzeptualisierung arbeitsintegrierten Lernens zu gelangen, die als konzeptuelle Basis für die vorliegende Untersuchung dienen kann.

Als Klassiker des Themas Lernen in der Arbeit kann das Konzept der arbeitsimmanenten Qualifizierung von Baitsch und Frei (1980) gelten. Als Bezugspunkt für die Modellierung dient diesem Ansatz der erwachsene Erwerbstätige.

Baitsch und Frei (1980, S. 29) definieren arbeitsimmanente Qualifizierung wie folgt:

„Andererseits gibt es [Abgrenzung zu intentionalen Lernprozessen, Anm. d.

A.] arbeitsimmanente Qualifizierungsprozesse, die gar nicht unbedingt als solche intendiert waren, sondern die quasi nebenbei und häufig unbemerkt während der Bewältigung von Arbeitsaufgaben aufgrund der das Handeln charakterisierenden Rückkoppelungsprozesse die Qualifikationen des Handelnden verändern und langfristig auch Zielhierarchien modifizieren können.“

Im Zentrum des Lern- bzw. Qualifizierungsprozesses steht die handelnde Auseinandersetzung mit der Arbeitsaufgabe. Besonders hervorgehoben wird, daß diese Prozesse auch ohne bewußte Lernabsicht stattfinden und durch Rückkoppelungsprozesse ausführungs- und antriebsregulatorische Voraussetzungen des Mitarbeiters verändern können.

Die Autoren haben sich in ihren empirischen Untersuchungen zur arbeitsimmanenten Qualifizierung besonders auf die Frage konzentriert, unter welchen arbeitsstrukturalen Merkmalen arbeitsimmanente Qualifizierung am wahrscheinlichsten stattfindet (vgl. Abschnitt 3.2.2)

Ein Ansatz, dessen Ursprung eher im Bereich der Berufspädagogik und der praxisorientierten Gestaltung von Bildungsarbeit angesiedelt ist, stammt von Dehnbostel (1992). Die Ausführungen beziehen sich in erster Linie auf das Lernen bei der Arbeit von Auszubildenden im Kontext ihrer betrieblichen Berufsausbildung.

Dehnbostel (1992) unterscheidet drei Formen arbeitsplatzbezogenen Lernens:

arbeitsplatzgebundenes Lernen (Lernort und Arbeitsort sind identisch), arbeitsplatzverbundenes Lernen (Lernort und Arbeitsort sind räumlich und organisatorisch verbunden) und arbeitsplatzorientiertes Lernen (Arbeitsort ist didaktischer Bezugspunkt). Bei Dehnbostel wird außerdem betont, daß neben funktionalen auch informelle und erfahrungsbezogene Lernprozesse beim arbeitsplatzbezogenen Lernen eine Rolle spielen.

Im Rahmen der Modellversuchsreihe Dezentrales Lernen (vgl. Abschnitt 1.2.2) wurden entsprechende Lernorte in Betrieben unterschiedlicher Branchen etabliert.

Empirische Überprüfungen orientiert an einer quantitativen Methodik der Qualität der Lernorte und der Auswirkungen auf die dort eingesetzten Auszubildenden liegen meist nicht vor.

Ein weiterer Ansatz, der ebenfalls dem Bereich der Berufspädagogik zugeordnet werden kann, wurde von Severing (1994; 1999) vorgelegt. Die hier vorgeschlagene Konzeptualisierung und Dimensionalisierung bezieht sich auf Aus- und Weiterbildung und hat somit sowohl Auszubildende als auch erwachsene Berufstätige als Zielgruppe. Der von Severing gewählte dimensionale Ansatz erlaubt eine präzise Charakterisierung und Differenzierung unterschiedlicher Formen des Lernens in der Arbeit. Gleichzeitig werden durch die Dimensionen und ihre möglichen Ausprägungen Ansatzpunkte für die Gestaltung von arbeitsintegriertem Lernen aufgezeigt.

Arbeitsplatznahes Lernen bezieht sich Severing (1994; 1999) folgend auf Formen der betrieblichen Aus- und Weiterbildung, die durch unmittelbaren organisatorischen, räumlichen oder zeitlichen Bezug zur Arbeitstätigkeit gekennzeichnet sind. Severing (1994, S. 25f.) charakterisiert verschiedene Formen

• Lernorte: (1) Lernen am Arbeitsplatz, (2) Lernen in der Umgebung des Arbeitsplatzes, (3) Lernen in betrieblichen Bildungsstätten, (4) Lernen in überbetrieblichen Bildungsstätten oder externen Seminaren

• Lerninhalte: (1) Entsprechen genau Arbeitsanforderungen, (2) sind auf Arbeitsanforderungen bezogen, (3) sind berufs- nicht arbeitsplatzbezogen, (4) sind getrennt von Arbeits- und Berufsanforderungen

• Lernorganisation: (1) individualisiertes Lernen am Arbeitsplatz, (2) Lernen in der Arbeitsorganisation, (3) Lernen in betrieblichen Lerngruppen, (4) Lernen außerhalb der Organisation des Betriebs

• Lernzeiten: (1) während der Arbeit, (2) in Arbeitsunterbrechungen, (3) in der Arbeitszeit ohne Bezug zum Arbeitsprozeß, (4) außerhalb der Arbeitszeit

Lernformen mit ausschließlich thematischem Bezug zur Arbeitstätigkeit, wie das arbeitsplatzorientierte Lernen (Dehnbostel, 1992), fallen aufgrund des fehlenden unmittelbaren organisatorischen, räumlichen oder zeitlichen Bezug zur Arbeitstätigkeit nicht in die Kategorie des arbeitsplatznahen Lernens. Bei der Beschreibung der einzelnen Abstufungen der vier Dimensionen beschreibt Severing (1994) jedoch auch Lernformen, die nach seiner Definition gar nicht Bestandteil des arbeitsplatznahen Lernens sein sollten. Entsprechend sind Inkonsistenzen zwischen der Begriffsbestimmung und dem Dimensionenmodell von Severing (1994) festzuhalten.

Der nächste Ansatz von Bergmann (1996) ist der Arbeitspsychologie bzw. der arbeitspsychologischen Trainingsforschung zuzuordnen. Zielgruppe ist in diesem Ansatz wie auch beim Konzept der arbeitsimmanenten Qualifizierung in erster Linie der erwachsene Erwerbstätige.

Bergmann (1996) unterscheidet in den Arbeitsprozess direkt integrierte Lernprozesse von Lernprozessen, die sich durch Organisation, Planung und gezielte Unterstützung auszeichnen. Bei den direkt integrierten Lernprozessen findet das Lernen durch die direkte Auseinandersetzung mit den Anforderungen der Arbeitsrealität, die wiederholte Ausführung von Tätigkeiten sowie exploratives Handeln angesichts vorhandener Handlungsspielräume statt. Qualitätszirkel oder Lernstattgruppen sind Beispiele für Formen organisierten und geplanten Lernens in der Arbeit.

Bergmann hat sich in ihrer empirischen Forschung intensiv mit Zusammenhängen von arbeitsstrukturalen Merkmalen und der Kompetenzentwicklung befaßt.

Insbesondere untersucht Bergmann auch die Rolle der Arbeitsbiographie für die Entwicklung personaler Merkmale von Berufstätigen, wobei die Veränderung von Arbeitsmerkmalen aus einer längsschnittlichen Perspektive über den Lebensverlauf hinweg betrachtet wird (vgl. Abschnitt 3.1.2.2).

In neueren Arbeiten von Baitsch (1998) findet sich nicht mehr so häufig der Begriff der arbeitsimmanenten Qualifizierung, sondern es wird eher vom Lernen in der Arbeit bzw. arbeitsimmanentem Lernen gesprochen. Die grundsätzliche Orientierung am Lernen erwachsener Berufstätiger durch die direkte Auseinandersetzung mit den Anforderungen von Arbeitsauftrag und Ausführungsbedingungen hat Baitsch beibehalten.

Baitsch (1998, S. 276) definiert Lernen in der Arbeit als:

„dauerhafte Veränderung des (arbeitsrelevanten) sichtbaren Handelns und der (nicht unmittelbar beobachtbaren) psychischen Regulationsgrundlagen sowie ihrer motivationalen Voraussetzungen. Arbeitsimmanentes Lernen bzw. Lernen im Prozeß der Arbeit bezieht sich auf Lernprozesse, die durch die Auseinandersetzung mit Arbeitsaufgaben und Organisationsbedingungen sowie mit internen und externen Kooperationspartnern angestoßen werden.“

Als Gegenstände der Veränderung werden in dieser Definition das beobachtbare Handeln, die zugrundeliegenden psychischen Regulationsgrundlagen sowie antriebsregulatorische Merkmale benannt. Die Veränderungen werden angestoßen durch die aktive Beschäftigung mit Aufgaben in ihrem sozio-technischen Kontext.

Baitsch (1998) subsumiert unter dem Begriff des Lernens in der Arbeit sowohl den Erwerb einfacher und komplexer beruflicher Fertigkeiten sowie Verfahrens- und Methodenkenntnisse als auch den Aufbau extrafunktionaler Qualifikationen oder die Entwicklung beruflicher Werthaltungen.

Im Ansatz von Sonntag, Stegmaier und Jungmann (1999), der dem Bereich der arbeitspsychologischen Trainingsforschung zugeordnet werden kann, werden zwei

vom Ausmaß der gezielten pädagogischen Unterstützung. Hierdurch bestehen sowohl konzeptuelle Nähen zu den Ansätzen der arbeitsimmanenten Qualifizierung bzw. des arbeitsimmanenten Lernens wie auch zu den mehr aus dem Kontext der Berufspädagogik stammenden Ansätzen, in denen der pädagogischen Unterstützung eine wichtige Bedeutung zukommt.

Sonntag, Stegmaier & Jungmann (1999) gehen vom Begriff des arbeitsbezogenen