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Vergleich Lernortqualität Qualifizierungsstützpunkte und betriebliche Versetzungsstellen

6. Evaluation arbeitsintegrierter Lernumgebungen

6.2 E MPIRISCHE B EFUNDE

6.2.1 Vergleich Lernortqualität Qualifizierungsstützpunkte und betriebliche Versetzungsstellen

Terminologische Vorbemerkungen zu Lernpotential, Lernortqualität und Lernförderlichkeit

Beim Vergleich der Qualifizierungsstützpunkte und der betrieblichen Versetzungsstellen kann nicht das Lernpotential verglichen werden, dies würde die Erfassung des Qualifikationsinventars erfordern sowie die Herstellung einer expliziten Beziehung zwischen Inventar, arbeitsseitigen Anforderungen und pädagogischer Unterstützung.

Für den empirischen Vergleich der Lernortqualität von Qualifizierungsstützpunkten und betrieblichen Versetzungsstellen werden lernförderliche arbeitsstrukturale und instruktionale Merkmale miteinander verglichen. Der Begriff lernförderlich wird zur Bezeichnung eines Lernumgebungsmerkmals verwendet, wenn sich in empirischen Studien die Tendenz abgezeichnet hat, daß dieses Merkmal mit erhöhten Qualifizierungschancen im Zusammenhang steht. Die Begriffe Lernpotential und lernförderliche Merkmale sind demnach nicht identisch. Gegenstand des empirischen Vergleichs sind in dieser Untersuchung lernförderliche Merkmale. Der Begriff der Lernortqualität bezieht sich entsprechend auf hohe Ausprägungen lernförderlicher Arbeitsmerkmale sowie hohe Ausprägungen der Gestaltungsprinzipien des Cognitive Apprenticeship.

Herleitung der Hypothesen

Der Vergleich der Lernortqualität (arbeitsstrukturale und instruktionale Perspektive) von Qualifizierungsstützpunkten und betrieblichen Versetzungsstellen soll Aufschluß darüber geben, ob durch die systematische Implementation der Qualifizierungsstützpunkte tatsächlich eine höhere Lernortqualität erzielt werden kann. Da bei der Implementation der Qualifizierungsstützpunkte sowohl der Auswahl geeigneter Arbeitssysteme wie auch der Qualifizierung der freigestellten

Ausbildungsbeauftragten eine besondere Bedeutung zukommt, ist sowohl auf der Ebene der Anleitungs- und Betreuungsmerkmale als auch der Arbeitsmerkmale mit einer höhereren Qualität an den Qualifizierungsstützpunkten zu rechnen.

Ausgehend von den oben angeführten Überlegungen lassen sich folgende Hypothesen formulieren:

• Die Gestaltungsprinzipien des Cognitive Apprenticeship Ansatzes sind an den Qualifizierungsstützpunkten in höherem Ausmaß realisiert als an den betrieblichen Versetzungsstellen.

• Lernförderliche Arbeitsmerkmale sind an den Qualifizierungsstützpunkten in höherem Ausmaß realisiert als an den betrieblichen Versetzungsstellen.

Ergebnisse instruktionale Merkmale

Die FLEM Daten wurden einer einfaktoriellen, multivariaten Varianzanalyse unterzogen (vgl. Bortz, 1993, S. 548ff.) mit den sechs Gestaltungsprinzipien des Cognitive Apprenticeship als abhängigen Variablen und einem Gruppenfaktor mit den Stufen Experimental- und Kontrollgruppe. Die Analyse ergibt einen signifkanten Haupteffekt für den Faktor Gruppe (Wilks-Lambda=0.44; F(6, 86)=17.67; p<.00), d.h. die beiden Gruppen unterscheiden sich mindestens auf einer abhängigen Variablen signifikant voneinander. Im nächsten Schritt wurden einfaktorielle, univariate Varianzanalysen berechnet.

Qualifizierungsstützpunkt (N=61) Mittelwert (Standardabweichung)

Betriebliche Versetzungsstelle (N=32) Mittelwert (Standardabweichung)

Modeling 5.09 (.70) 3.91 (.93)

Coaching 5.26 (.59) 4.02 (.60)

Scaffolding 4.97 (.45) 4.17 (.60)

Artikulation 4.71 (.79) 3.72 (.75)

Reflexion 4.70 (.70) 3.86 (.83)

Exploration 4.22 (.69) 3.68 (.89)

TABELLE 7. VERGLEICH DER INSTRUKTIONALEN LERNORTQUALITÄT BEI QUALIFIZIERUNGSSTÜTZPUNKTEN UND BETRIEBLICHEN VERSETZUNGSSTELLEN

An den Qualifizierungsstützpunkten sind die Prinzipien Modeling (F(1,91)=47.32;

p<.00), Coaching (F(1,91)=90.31; p<.00), Scaffolding (F(1,91)=50.74; p<.00), Artikulation (F(1,91)=33.56; p<.00), Reflexion (F(1,91)=26.25; p<.00) und Exploration (F(1,91)=10.46; p<.00) signifikant höher ausgeprägt als an den betrieblichen Versetzungsstellen der Kontrollgruppe (vgl. Tabelle 7).

Durch die systematische Implementation ist es demnach gelungen, den Realisierungsgrad von Cognitive Apprenticeship gegenüber dem Niveau an den betrieblichen Versetzungsstellen deutlich zu erhöhen. Besonders deutlich sind die Unterschiede in den Bereichen Modeling, Coaching und Artikulation. Neben den intensiven Qualifizierungsmaßnahmen für die freigestellten Ausbildungsbeauftragten, in denen die Prinzipien des Cognitive Apprenticeship vermittelt und erprobt wurden, dürften auch die Rückmeldungen der Auszubildenden zur wahrgenommenen Lernortqualität sowie die Prozeßbegleitung durch Bildungsexperten für die erfolgreiche Umsetzung von Cognitive Apprenticeship an den Qualifizierungsstützpunkten verantwortlich sein.

Ergebnisse arbeitsstrukturale Merkmale

Die SAA Daten wurden einer einfaktoriellen, multivariaten Varianzanalyse unterzogen mit den sechs Skalen des Fragebogens zur subjektiven Arbeitsanalyse als abhängigen Variablen und einem Gruppenfaktor mit den Stufen Experimental-und Kontrollgruppe. Die Analyse ergibt einen signifkanten Haupteffekt für den Faktor Gruppe (Wilks-Lambda=0.49; F(6, 86)=14.75; p<.00), d.h. die beiden Gruppen unterscheiden sich mindestens auf einer abhängigen Variablen signifikant voneinander.

Qualifizierungsstützpunkt (N=61) Mittelwert (Standardabweichung)

Betriebliche Versetzungsstelle (N=32) Mittelwert (Standardabweichung)

Handlungs-spielraum

3.30 (.62) 3.07 (.55)

Transparenz 4.02 (.51) 3.30 (.49)

Verantwortung 3.75 (.54) 3.25 (.71)

Qualifikation 3.25 (.54) 2.99 (.52)

Soziale Struktur 3.84 (.43) 3.19 (.42)

Arbeitsbelastung 2.06 (.61) 2.84 (.64)

TABELLE 8. VERGLEICH DER ARBEITSSTRUKTURALEN LERNORTQUALITÄT BEI QUALIFIZIERUNGSSTÜTZPUNKTEN UND BETRIEBLICHEN VERSETZUNGSSTELLEN

Im nächsten Schritt wurden einfaktorielle, univariate Varianzanalysen berechnet (vgl. Tabelle 8). An den Qualifizierungsstützpunkten sind die Dimensionen Transparenz (F(1,91)=42.51; p<.00), Verantwortung (F(1,91)=14.64; p<.00), Qualifikation (F(1,91)=4.77; p=.03) und soziale Struktur (F(1,91)=48.74; p<.00) signifikant stärker ausgeprägt, die Dimension Arbeitsbelastung (F(1,91)=33.15;

p<.00) ist hingegen signifikant geringer ausgeprägt. Kein Unterschied ergibt sich bei zweiseitiger Testung für den Handlungsspielraum (F(1,91)=2.97; p=.08).

Auszubildende der Experimentalgruppe erleben an den Qualifizierungsstützpunkten höhere Transparenz bezüglich Aufgabenstruktur und sozialer Struktur, haben mehr Möglichkeiten, Verantwortung für ihre Arbeit zu übernehmen, erleben geringere qualitative und quantitative Überforderung bei der Arbeit und schätzen den Nutzen der erworbenen Qualifikationen für ihre berufliche Zukunft deutlich höher ein als die Auszubildenden, die an den herkömmlichen betrieblichen Versetzungsstellen eingesetzt sind.

Wünschenswert wäre es, durch die Gestaltung der Lernumgebung den Auszubildenden zusätzlich größere Handlungsspielräume zu eröffnen, da der Handlungsspielraum als wichtiges lernrelevantes Merkmal gilt, insbesondere für die Entwicklung eigener Arbeitsverfahren (vgl. Franke & Kleinschmitt, 1987; Ulich &

Baitsch, 1987; Baitsch, 1998; Hacker, 1998; Bergmann, 1999). Hierzu müßten die Auszubildenden noch mehr Autonomie bei der Arbeit erhalten (bspw. mehr in Planungs- und Entscheidungsprozesse einbezogen werden) bzw. die Arbeit müßte noch abwechslungsreicher gestaltet werden (bspw. durch mehr Job Rotation). Auch Franke und Kleinschmitt (1987) haben bei ihren Studien zum Lernort Arbeitsplatz den Handlungsspielraum als zentrale gestalterische Dimension identifiziert, gleichzeitig aber auch darauf hingewiesen, daß Wechselbeziehungen zu personalen oder organisationalen Merkmalen zu beachten sind, so daß hohe Ausprägungen des Handlungsspielraums nicht zwingend lernförderlich sind. Geht man davon aus, daß an den Qualifizierungsstützpunkten Auszubildende mit unterschiedlichem Kompetenzniveau eingesetzt werden, für die unterschiedliche Grade des Handlungsspielraums jeweils optimal sind, und daß der Ausbildungsbeauftragte dem Kompetenzniveau bei der Gestaltung des Handlungsspielraums Rechnung trägt, wäre ein größerer Handlungsspielraum auch nicht unbedingt ein Anzeichen für eine höhere Lernortqualität an den Qualifizierungsstützpunkten.

An den Qualifizierungsstützpunkten ist es demnach gelungen, eine höhere Ausprägung lernförderlicher Arbeitsmerkmale zu erreichen als an den betrieblichen Versetzungsstellen. Dies kann u.a. auf eine sorgfältige Bewertung und Auswahl für arbeitsintegrierte Lernumgebungen in Frage kommender Arbeitssysteme zurückgeführt werden sowie auf die Umsetzung von Prinzipien der persönlichkeitsförderlichen Arbeitsgestaltung.

6.2.2 Vergleich produktionsintegrieter und reparaturbezogener arbeitsintegrierter