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Vergleich mit früheren Q-Standards

Diese stark uberarbeiteten neuen Q-Standards der DGE weisen gegenuber fruheren einige A6n-derungen auf. Das trifft insbesondere auf die Nachhaltigkeit zu. Von den vier Saulen der Nach-haltigkeit im letzten Q-Standard wurden drei ausgetauscht, wobei fur zwei Saulen (O6kologie und Gesellschaft) nur der Namen geandert wurde. Allerdings wird das nicht naher erlautert, so dass sich hinter diesen beiden neuen Begriffen (Ümwelt und Soziales) auch eine inhaltliche A6nderung verbergen konnte.

Ganz neu ist der Begriff "Tierwohl", der die alte Saule der "Wirtschaftlichkeit" ersetzt. Diese A6nderung ist zu kritisieren, weil sie unbegrundet ist. Sie mag aus einer agrarpolitischen Sicht eine gewisse Berechtigung haben, nicht aber aus Sicht der BG, wo die Wirtschaftlichkeit eine wesentliche Rolle spielt. Es sollte klar sein, dass eine gute Fuhrung eines Betriebes fur den Er-folg unerlasslich ist und somit das Kriterium der Nachhaltigkeit erfullt. Bedauerlicherweise hat sich die DGE zu diesen A6nderungen nur insoweit geaußert, als auf den Beirat WBAE des BMEL und dessen Gutachten verwiesen wurde, der diese Definition festgeschrieben hat81. Dies ist keine inhaltliche Argumentation. Auf das Gutachten des WBAE und den Zusammenhang zur BG wurde in St-Kap. 3.1 eingegangen.

Das Thema der Nachhaltigkeit hat zwar einen großeren Stellenwert erhalten, was bei der Vorstellung der Q-Standards durch das Ministerium hervorgehoben wurde82. Die konkrete Ümsetzung durch entsprechende Kriterien ist jedoch nicht erkennbar. Neben den vier

modifi-81 BMEL: Politik für eine nachhaltigere Ernährung: Eine integrierte Ernährungspolitik entwickeln und faire Ernährungsumgebungen gestalten - WBAE-Gutachten vom 8/2020. https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ministerium/Beiraete/agrarpolitik/wbae-gutachten-nachhal-tige-ernaehrung.html

82 BMEL/DGE: Ein Meilenstein für mehr Nachhaltigkeit. Die neuen DGE-Qualitätsstandards. gv-praxis 12/20, S. 41 ff

zierten Saulen der Nachhaltigkeit findet man einige theoretische Ausfuhrungen sowie als ein-zige Orientierung zwei Tabellen, die CO2-A6q/kg fur verschiedene LM-Gruppen angeben, diffe-renziert nach pflanzlichen und tierischen LM. Die Zahlenangaben sind aber luckenhaft, da wichtige Einflussfaktoren fur die Bewertung der Nachhaltigkeit fehlen. Daher lassen sich die Tabellen kaum verwenden. Auch die Beschreibungen von LM-Gruppen enthalten nur wenig Verwertbares fur die Nachhaltigkeit.

Dort, wo konkrete Forderungen ausgesprochen wurden, z.B. beim Fisch, sind sie nur rudimen-tar und hatten durch neuere Probleme gerade beim Fischfang und der Verschmutzung der Meere und somit auch der toxischen Belastung der Fische aktualisiert werden mussen. So aber bleibt es bei der MSC- und ASC-Aufforderung. Die Säule "Gesundheit" der Nachhaltig-keit wird nur unter Ernahrungsgesichtspunkten gesehen. Dabei gehort doch in der BG noch ei-niges mehr dazu, insbesondere der Arbeitsschutz oder die Betriebliche Gesundheitsforderung.

Ansonsten muss die alte Kritik der fehlenden Aussagen auch im neuen Q-Standard aufrecht er-halten werden. Dies betrifft den bereits erwahnten "Arbeits- und Gesundheitsschutz" oder die "Verpflegungssysteme". Teilweise ist das Manko auf diesen Gebieten sogar noch großer geworden als fruher, v.a. bei den Verpflegungssystemen, die von der DGE nur im Internet er-wahnt werden. Angesichts der immensen Bedeutung eines angepassten Verpflegungssystems und der korrekten Einstellung der Betriebsparameter hierfur, hatte viel mehr gesagt werden mussen, allerdings ohne auf technische Details einzugehen. Bezuglich der Technik hatte auf entsprechende Vorgaben, wie insbesondere DIN-Normen, verwiesen werden konnen. Ausfuhr-liche technische Beschreibungen sind im Q-Standard unangebracht, weil ein Q-Standard kein Technikhandbuch ersetzen soll.

Was aber sehr wohl im Rahmen eines Q-Standards ausgefuhrt werden konnte, sind Hinweise auf die Anwendbarkeit dieser Systeme und Probleme im Betrieb, die bei Entscheidungen zu berucksichtigen sind. Ein Hinweis, dass die Bedingungen gerade bei den temperaturgekop-pelten System meist nicht korrekt eingehalten werden, ware dringend erforderlich gewesen.

Der Q-Standard soll doch eine Orientierung geben, indem z.B. mitgeteilt wird, mit welchen Wahrscheinlichkeiten, mit welchem Aufwand und unter welchen Rahmenbedingungen be-stimmte Systeme einwandfrei betrieben werden konnen. Die reine Auflistung von Kriterien, unabhangig davon, wie diese umgesetzt werden konnen, ist wenig hilfreich. So scheint die DGE doch auch den Sinn und Zweck der Q-Standards zu verstehen, da auch an anderen Stellen immer wieder Erlauterungen und Beispiele gegeben werden. Insofern sind Ausfuhrungen zur Ümsetzbarkeit einiger Kriterien notwendig.

Es sollten also auch reale Verhaltnisse einfließen. Wenn die Voraussetzungen nicht ausreichen, um ein System einwandfrei betreiben zu konnen, mussen entweder die technischen Voraus-setzungen geschaffen werden, oder es ist ein Systemwechsel vorzunehmen. Durch entspre-chende Aussagen im Q-Standard konnten die Entscheidungstrager dazu bewogen werden, sich fur solche Systeme zu entscheiden, mit denen eher eine gute Qualitat erzielbar ist. Auch bei der BG waren entsprechende Hinweise zu den Verpflegungssystemen wichtig, weil in der BG meist mit verschiedenen Systemen gearbeitet wird, je nach Aufgabenstellung. Eine Aufgabe konnte z.B. die Schulverpflegung sein, wo die ungunstige Warmverpflegung dominiert. Hier ware der Einsatz eines temperaturentkoppelten Systems, wie z.B. "Cook and Chill", fur die Qualitat der Schulverpflegung sehr wichtig.

Nach wie vor ist die Kritik der DGE an High-Convenience-Produkten im Q-Standard zu fin-den, die in dieser Form unangemessen ist. Mit ihrer pauschalen Kritik an "stark verarbeiteten"

Produkten bleibt sie leider die Antwort auf die naheliegende Frage schuldig, was denn so schlecht an dem jeweiligen Verarbeitungsgrad ist. Wie an zwei Beispielen gezeigt wurde, ist weder der Verarbeitungsgrad eindeutig definiert, noch kann aus irgendwelchen Kriterien ab-geleitet werden, dass diese Produkte zu limitieren sind.

Die klassische Einteilung der Convenience-Grade, die in fruheren Q-Standards noch genannt wurde, hilft hier auch nicht weiter. Es ist oft gar nicht zu unterscheiden, ob ein bezogenes High-Convenience-Produkt gefinisht wurde oder ob aus gemischten Zutaten im Betrieb die Speise hergestellt wurde. In diesem Zusammenhang fehlt der wichtige Hinweis, dass viele Ku-chen gar nicht anders konnen, als derartige Produkte in ihr Sortiment aufzunehmen. Der Le-ser bekommt den Eindruck vermittelt, als sei es eine vollig freie Entscheidung des jeweiligen Betriebes, ob er sich fur oder gegen starker verarbeitete Convenience-Produkte entscheidet.

Die Grunde hierfur sind in erster Linie hohe Investitionskosten fur die Renovierung bzw. In-standhaltung der Kuche, Neubeschaffungen von Geraten sowie fehlendes qualifiziertes Personal. Wenn die bezogenen Produkte nur noch gefinisht zu werden brauchen, sind Auf-wand und Kosten naturlich deutlich geringer. Hier greift auch die Nachhaltigkeitssaule der Wirtschaftlichkeit. Ohne diese Produkte ware der Betrieb oft nicht mehr konkurrenzfahig.

Neu im Q-Standard ist auch das Fehlen von Detail-Informationen zum Zertifizierungspro-zess. Wahrend dies noch in der letzten Auflage ausfuhrlich in einem eigenen Kapitel behandelt wurde, findet man heute nur noch oberflachliche Hinweise hierzu. Das ist ein Bruch mit den bisherigen Q-Standards. Mit der abschließenden Checkliste werden laut DGE alle Kriterien fur eine erfolgreiche Prufung angegeben. Dies wird aus Autorensicht stark bezweifelt. Fruher war die Checkliste nur ein Auszug aus dem kompletten Prufungsvorgang. Ünd auch im aktuellen Q-Standard ist die Anzahl dieser Kriterien relativ gering und wird durch wiederholte Fragen unnotig aufgeblaht. Dies trifft fur die doppelt gestellten Fragen zur Mischkost und vegetari-schen Linie zu.

Weiterhin bleibt der Kritikpunkt bestehen, dass die DGE ihre Bewertung nur auf eine Menüli-nie beschrankt, wobei eine Differenzierung nach Mischkost und ovo-lakto-vegetarischer Kost erfolgt. Üm konsequent den optimierten Nahrwert einer Menulinie nutzen zu konnen, sind Sprunge zwischen den Linien -oder gar hin zu anderen Speisen- nicht zulassig. Der Grund ist das geringe, aber notwendige Angebot von ungunstigen Speisen (z.B. Pommes frites), die sich ein Gast bei Wechselerlaubnis herauspicken konnte. Er wurde sich dann in einer falschen Si-cherheit wiegen. Üm auf der sicheren Seite zu bleiben, musste sich der gesundheitsbewusste Gast schon an das Angebot einer Linie halten.

Wegen der heutigen flexiblen Ausgabesysteme in der BG reicht dieser Ansatz nicht mehr.

Wenn nur eine durchgerechnete Menulinie als gesundes Angebot deklariert wird, bleibt die Frage offen, wie der Rest des Angebots einzustufen ist. Daher ist der Fall vorstellbar, dass zwar die Menulinie den Vorgaben entspricht, der Rest des Angebots aber aus uberwiegend unguns-tigen Speisen (z.B. Hackfleisch- und Wurstgerichte, Frittiertes etc.) besteht. Ein solches Ange-bot sollte dann nicht durch ein Gesundheitssiegel ausgezeichnet werden, was den Eindruck vermitteln konnte, das gesamte Angebot sei als gut zu bezeichnen. Der DGE scheint diese Pro-blematik nicht bewusst zu sein, weil sie mit keinem Wort darauf eingeht, geschweige denn,

dass irgendwelche Losungsmoglichkeiten angeboten wurden. Dabei durfte durch diesen An-satz meist noch nicht einmal 10% des Angebots bewertet werden. Ferner ist in der Regel nur ein kleiner Teil der Belegschaft bereit, dieses Angebot konsequent täglich zu wahlen. Nur dann konnte sich die gute Zusammensetzung auch gesundheitlich auswirken, einmal abgese-hen von der Fragwurdigkeit des Durchschnittsansatzes.

Aufgrund der Bewertungsunfahigkeit fur das normale und weit uberwiegende Angebot in der BG und der fehlenden Bereitschaft, andere Bewertungsansatze in Erwagung zu ziehen, wird das wenig geeignete Instrument der NWB fur eine Menulinie weiterhin angewendet. Auch wenn die Vorgaben im Q-Standard selbst sich nur auf die LM fur eine Woche beziehen, so sind die Speisenplane auf der Basis eines durchgerechneten 4-Wochenspeisenplans einzureichen, um eine sichere Bewertung des Speisenplans zu ermoglichen. Erstaunlich ist, dass die Refe-renzwerte fur die Speisenplane nicht mehr angegeben werden. Somit kann ein Interessent nicht im Vorwege prufen, ob sein Speisenplan den Anforderungen genugt. Diese werden dann vermutlich nach der Kontaktaufnahme mit der DGE zur Verfugung gestellt. Das Fehlen der Soll-Werte fur die Nahrstoffe und uberhaupt des gesamten Bewertungskomplexes stellt auch eine erhebliche A6nderung des Q-Standards gegenuber fruher dar. Auch dies hatte einmal be-grundet werden sollen. Auf alternative Systeme ohne NWB wird in St-Kap. 8 eingegangen.

Andererseits sind einige Kritikpunkte an fruheren Q-Standards durch die Ausfuhrungen in den neuen Q-Standards obsolet geworden. So wurde z.B. etwas mehr zum Beschwerdemanage-mentsystem gesagt, was fruher weitgehend fehlte.