• Keine Ergebnisse gefunden

3. Nachhaltige und gesundheitsfördernde Ernährung

4.3 Kommentare zu einzelnen Empfehlungen

4.3.4 Fleischersatz

Erstaunlich ist die Deckelung des Angebots von sog. Fleischersatzprodukten auf 4x in vier Wochen. Als Argument wird der hohe Verarbeitungsgrad genannt. Diese Argumentation ist aber so nicht haltbar. Wenn man z.B. einen Burger auf der Basis von Soja oder Lupinen her -stellt, so konnen die Zutaten und Zubereitungsschritte mit der direkten Herstellung in einer Großkuche identisch sein. Lediglich aufgrund der Konservierung durch Tiefgefrieren/Kuhlen und durch das spatere Regenerieren sind zwei weitere Schritte erforderlich. Sie haben nur ei-nen geringen Einfluss auf die Qualitat. Derartige "High-Convenience-Produkte" sind jedenfalls nur etwas mehr verarbeitet als solche, die in der Kuche direkt zubereitet werden.

Die Schritte fur das Tiefgefrieren/Kuhlen sind viel schonender fur ein Gericht als das Warm-halten, was in Großkuchen der GG erforderlich ist. Daher sind die Vitamin- und Geschmacks-verluste der konventionell hergestellten Produkte tendenziell hoher. Selbst die Kritik an einem hoheren Energieverbrauch bei der Temperaturentkopplung ist kaum haltbar, weil ja auch das Warmhalten Energie verbraucht, so dass die Ünterschiede beider Verfahren nur gering sind.

Beim Tofu macht die DGE eine Ausnahme bei ihrer Kritik. Wenn Tofu nicht weiterverarbeitet wird, heißt es dort, "zahlt er nicht als industriell hergestelltes Fleischersatzprodukt". Es geht also um die industrielle Herstellung und nicht um die letztlich erzeugte Qualitat. Wie im nachsten St-Kap. 4.3.5 naher ausgefuhrt, konnen industrielle Prozesse sogar fettarmer sein als konventionelle. Die Betonung des Industriellen im DGE-Standard ist daher nur pauschal und in dieser Pauschalitat ebenso haltlos wie eine gegenteilige Aussage. Schauen wir uns einmal die Herstellung von Tofu an, die weitgehend gleich ist, egal ob in handwerklichen Manufaktu-ren oder im industriellen Maßstab produziert.

Die Sojabohne wird nach dem Einweichen gekocht und dann mit einem Mixer stark zerkleinert. Die so entstandene Masse wird mit einem Tuch gefiltert, so dass die groben Schalenteile abgetrennt werden. Ü6brig bleiben somit die gelosten und suspendierten Teile, die nicht herausgefiltert wurden. Diese werden nun ei-nem Koagulationsprozess unterworfen, traditionellerweise mit Nigari, eiei-nem Mg-Salz. Dadurch flockt das Protein aus und wird nun gepresst, so dass das uber-schussige Wasser entfernt wird (Auslaugung). Je nach Druck erhalt man unter-schiedlich feste Tofumassen, die in Blocke geschnitten werden. Diese Blocke wer-den dann pasteurisiert und normalerweise in Plastikfolie verschweißt, damit sie eine ausreichende Haltbarkeit haben. Sie werden dann gekühlt gelagert.

Wie zu sehen ist, muss das Produkt "Tofu" als hochverarbeitet bezeichnet werden. Wieso wird dieses Produkt anders bewertet als Soja-, Weizeneiweiß- oder Lupinenprodukte z.B. zur Her-stellung von Frikadellen? Tofu wird also akzeptiert, obwohl es ein stark verarbeitetes LM ist, wahrend Soja-TVP abgelehnt wird. In Abb. 1 wird ein Nahrstoffvergleich von Tofu und textu-riertem Sojaeiweiß aus dem BLS 3.02 dargestellt. Es zeigt sich, dass das "hoch verarbeitete"

Sojatexturat (TVP) eine wesentlich bessere NSD aufweist.

Abb. 1: Nährstoffvergleich von Tofu vs Sojaeiweiß pro 100g (© Peinelt)

Was ist TVP? Es bedeutet "Textured Vegetable Product", also ein texturiertes Produkt. Dies konnte z.B. ein Produkt sein, das aus Sojamehl hergestellt wird und zu Wurfeln, ahnlich wie Gulasch-Wurfeln oder Geschnetzeltem, verarbeitet wird. Hierzu ein paar Hintergrundinfos zur Produktion:

Ausgangsware ist die getrocknete Sojabohne, aus der Sojamehl durch Vermahlen hergestellt wird. Zusatzlich wird noch das Öl entfernt, so dass es sich um ein ent-fettetes, also sehr mageres Produkt handelt. Dieses Mehl wird mit einer bestimm-ten Menge an Wasser versetzt, so dass sich ein Teig bildet, ahnlich wie die Masse zur Herstellung von Teigwaren. Dieser Sojateig wird erhitzt und dann durch eine Lochscheibe gedruckt, wobei ein Strang entsteht, dessen Dicke durch die Loch-scheibe festgelegt wird. Der Strang wird durch ein rotierendes Messer in der ge-wunschten Lange abgeschnitten. Diese Strange werden dann noch getrocknet und sind in diesem Zustand lange haltbar. Fur die Zubereitung mussen sie lediglich in heißem Wasser eingeweicht werden und konnen dann gekocht oder angebra-ten und gewurzt werden.

Abgesehen vom Entfettungsvorgang unterscheidet sich die Herstellung von Soja-TVP prinzipi-ell nicht von der Herstprinzipi-ellung von Nudeln. Gegen Nudeln werden keinerlei Einwande geaußert.

Warum dann gegen Soja-TVP? Dabei hat Soja-TVP eine hohere NSD als selbst Vollkornnudeln.

Diese Einschrankungen der Angebotshaufigkeit erscheinen widerspruchlich, willkurlich und somit uberflussig. Es wird auch gar nicht gefragt, wie wertvoll das angeblich so stark verarbei-tete Produkt noch ist, was ein gutes Kriterium fur die Beurteilung ware. Daher werden zur Ün-terstutzung dieser These zwei weitere Vergleiche gemacht, diesmal von Vk-Mehl und Vk-Nu-deln mit Sojaeiweiß (Abb. 2). Es zeigt sich erneut, dass Soja-TVP bei fast allen Mikronahrstof-fen sowohl pro 100 g, als auch pro 1000 kJ deutlich hohere Gehalte aufweist.

Abb. 2a: Nährstoffvergleich von Vk-Mehl und Vk-Nudeln vs Sojaeiweiß pro 100 g (© Peinelt)

Abb. 2b: Nährstoffvergleich von Vk-Nudeln vs Sojaeiweiß pro 1000 kJ (© Peinelt)

Selbst wenn die Hohe des Verarbeitungsgrades einmal eindeutig definieren worden ware und dann die Verarbeitung tatsachlich als hoch bezeichnet werden musste, stellt sich doch immer noch die Frage, wie hoch der Nahrstoffverlust in einem solchen Produkt ist. Wenn die NSD uberdurchschnittlich hoch ist, was grundsatzlich bei texturierten Sojaprodukten aufgrund des sehr geringen Fettgehalts und des hohen Nahrstoffgehalts von Sojabohnen gesagt werden kann, gabe es keinen Grund, die Haufigkeit der Verwendung dieser Produkte zu limitieren.

Somit stellt sich heraus, dass der Grad der Verarbeitung nicht klar definiert ist und dass kein Kriterium besteht, ob ein Produkt auch nach einer Verarbeitung noch akzeptiert werden kann oder nicht. Die Bewertung der DGE ist somit unbegründet und nicht nachvollziehbar.