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Das Gastronomische Ampelsystem (GAS)

8. Alternative Speisenbewertung und Zertifizierung

8.1 Das Gastronomische Ampelsystem (GAS)

Das "Gastronomische Ampelsystem" (GAS) dient dem Zweck der gesundheitlichen Bewertung angebotener Speisen und Gerichte mit Hilfe der allgemein bekannten Ampelfarben. Eine aus-fuhrliche Beschreibung findet sich im Internet83. Nachfolgend werden die wichtigsten Aspekte dargestellt.

Bei der Ampelkennzeichnung bedeutet "grun" gut/empfehlenswert, "rot" ungunstig/nicht empfehlenswert und "gelb" liegt dazwischen. Die Bewertung ist an die wesentlichen Aussagen der 3D-Ernahrungspyramide der DGE angelehnt, mit der verschiedene LM-Gruppen in einem ganzheitlichen Sinne bzgl. ihres Nahrstoffgehalts und ihrer praventivmedizinischen Eigen-schaften bewertet werden. Die okologischen EigenEigen-schaften der Speisen werden hingegen nicht bewertet, um eine Verwasserung der Aussagen zu vermeiden. Grune Speisen erfullen al-lerdings meist auch Nachhaltigkeitskriterien, d.h. die CO2-A6q sind bei grunen Speisen gering.

Wegen der niedrigen Energiedichte sind grune Gerichte prinzipiell auch geeignet, das Gewicht zu kontrollieren oder zu reduzieren.

Die Ampel-Kennzeichnung hilft zum einen den Küchenfachkräften, die Qualitat ihrer Speisen und Gerichte schnell zu erkennen und zu optimieren. Weil sie leicht verstandlich ist, hilft sie

83 Peinelt V: Gastronomisches Ampelsystem - Langfassung. https://ewd-gastro.jimdo.com/gas/beschreibung/langfassung/

zum anderen auch den Gästen, eine gute Auswahl zu treffen. Die Bewertung kann fur einzelne Speisen, Teller-Gerichte, mehrgangige Menus bis hin zu ganzen Speisenplanen erfolgen. Insbe-sondere ist GAS auch zur Bewertung von Free-Flow-Angeboten oder bei der Komponenten-wahl geeignet, da jede einzelne Speise eine Ampelfarbe erhalt. Wahlt man Speisen mit unter-schiedlichen Ampelfarben aus, lasst sich leicht ein ungefahrer Mittelwert bilden, wozu man noch nicht einmal einen Taschenrechner braucht.

Fur Gerichte werden die Ampelfarben ermittelt, indem die jeweiligen Speisenmengen beruck-sichtigt werden. Es findet also noch eine Gewichtung statt. Letztlich erhalt man eine Punktzahl fur das Gericht, von der dann die Ampelfarbe abgeleitet wird. Auch ein kompletter Speisen-plan beliebiger Dauer ist mit GAS zu bewerten. Werden die Rezepturen einzelner Gerichte die-ses Plans geandert, erfolgt die neue Bewertung des Plans automatisch.

Tab. 1: Bewertungsbeispiel mit GAS für ein schlechtes Gericht (ohne Heißhalteabzug)

Tab. 2: Bewertungsbeispiel mit GAS für ein optimiertes Gericht (ohne Heißhalteabzug)

Mit GAS ließe sich das komplette Speisenangebot bewerten und kennzeichnen, also nicht nur Menus. Damit hatte der Gast eine echte Entscheidungshilfe beim "Free-Flow"-System. Die Por-tionsmenge ist dabei unerheblich, da ein mit einer bestimmten Farbe bewertetes Gericht in seinem Wert unabhangig von der Menge ist. Ein grunes Gericht bleibt grun, bei 100 g genauso wie bei 500 g. Der Gast nimmt sich nur das, worauf er Appetit hat und wie viel er essen moch-te. Das ist meistens nicht exakt die Menge, die als idealer Durchschnitt vorgegeben ist. Wenn er uberwiegend "grune" Speisen wahlt, spricht nichts dagegen, wenn er mehr davon isst. Diese großere Menge fuhrt zu einer langeren Sattigung bei gleichzeitig geringer Energiezufuhr und verhindert somit, dass der Mitarbeiter nachmittags ein ernahrungsphysiologisch eher minder-wertiges Stuck Kuchen isst. Ü6ber den Tag gleicht sich die Gesamtmenge meist wieder aus. Ünd wenn von den grunen Speisen mehr gegessen wurde, ware das nicht schlimm, da diese Spei-sen eine hohe NSD haben.

Mit GAS wird jedoch niemand zur gesunden Ernahrung genotigt. Vielmehr wird dem Gast zu-gestanden, auch einmal ein rotes Gericht zu essen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Es

Spaghetti mit Hackfleisch (1)

Spaghetti, Weißmehl 2 1 0,0 0,2 1,89 2,30 4,35

Hackfleisch, halb/halb 2 3 26,0 0,0 -1,50 1,50 -2,25

Tomaten 5 1 0,0 2,8 4,76 1,00 4,76

Zwiebeln 5 1 0,0 4,2 4,69 0,50 2,35

Pflanzl. Öle 3 1 100,0 0,0 -7,10 0,20

Käse 2,5 1 31,0 0,0 -0,70 0,50 -0,35

Bayerisch Creme 3 1 16,0 21,1 0,25 1,50 0,37

1.508 kcal Summe: 1,23 7,50 9,22

Qualität

Spaghetti, Vollkorn 4 1 1,0 0,4 3,78 2,30 8,69

Gemüse, gegart 5 1 0,0 3,0 4,75 2,50 11,88

Rapsöl 4 1 100,0 0,0 -6,10 0,20 -1,22

Linsen, gekocht 4 1 0,0 0,5 3,88 0,50 1,94

Käse, Parmesan 2,5 0 31,0 0,0 -0,60 0,50 -0,30

Obstsalat 5 0 0,0 14,6 4,27 1,50 6,41

885 kcal Summe: 3,65 7,50 27,39

Qualität

sollte nur darauf geachtet werden, dass die Farben der Gerichte eines bestimmten Zeitraums, z.B. von 4 Wochen, in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Das heißt, es soll-ten überwiegend grüne und gelbe Speisen/Gerichte gewahlt werden. Bei der Vielfalt des Angebots in der BG sollte dies aber kein Problem sein. GAS ist also ein Instrument, das allen Zielgruppen dient: Gasten, Kuchenfachkraften und der Geschaftsfuhrung eines Betriebes, die daran interessiert ist, dass alle Mitarbeiter gesund und leistungfahig bleiben. GAS wird daher inzwischen auch im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements eingesetzt und ist von einigen Krankenkassen als wirkungsvolles Instrument im Rahmen des Praventionsge-setzes anerkannt worden und wird somit von ihnen finanziell unterstutzt.

8.1.2 Valide Bewertungen

Naturlich stellt sich die Frage, wie gut GAS Speisen bewertet. Die Bewertungen gemaß der drei Farben grun, gelb und rot stimmen weitgehend mit den "interpretierten" Ergebnissen von NWB uberein, wie in mehreren Studien gezeigt werden konnte84,85. GAS bewertet die Speisen also zutreffend. In einer weiteren Studie wurde GAS mit Nutri-Score verglichen. Auch hier konnte festgestellt werden, dass die Ergebnisse mit GAS in der weit uberwiegenden Zahl der getesteten Speisen und Gerichte valide und plausibel waren und meist bessere Bewertungen erzielen konnte als mit Nutri-Score, nie schlechtere, also weniger plausible. Diese Einschat-zung wurde von NWB gestutzt86. Auch gegenuber der NWB selbst, also der Referenz fur die Bewertung, waren die Ergebnisse von GAS besser, namlich differenzierter und klarer, insge-samt auch plausibler. Daruber hinaus stehen die Bewertungen von GAS auf einer breiten Basis, bei der u.a. die Nahrwerte einfließen. Hier gibt es A6hnlichkeiten mit der 3D-Lebensmittelpyra-mide der DGE, die verschiedene Bewertungskriterien heranzieht, z.B. aus der Praventivmedi-zin. Anders ausgedruckt: mit GAS konnen die Bewertungen fur Speisen und Gerichte fur den Gast verstandlicher und aussagefahiger ausgedruckt werden als mit einer NW-Kennzeichnung.

Hier soll noch einmal betont werden, dass NWB oft keine klaren Bewertungen erlauben, da fast immer einige Nahrstoffgehalte die Anforderungen schlecht erfullen. Die Ergebnisse mus-sen daher erst noch interpretiert werden, indem die Defizite mit den Ü6berschusmus-sen "verrech-net" werden. Daher sind die Ergebnisse von NWB abhangig von diesen Interpretationen, die wiederum vom Fachwissen der bewertenden Fachkraft abhangen. Von der DGE wird in QS-Kap. 3.3 definiert, was unter einer Erfullung der Anforderungen zu verstehen ist. Dort heißt es, dass bei 90% des Energieangebots 100% der Nahrstoffanforderungen erreicht sein sollen.

Hierzu muss man jedoch wissen, dass diese Anforderung auf dem Viertelansatz beim Mittag-essen basiert. Der Viertelansatz wurde in St-Kap. 3.3.2 als wenig geeignet kritisiert. Bei einem Aufschlag von 10% wird im Q-Standard demnach nur 27,5% (statt 25%) der Tagesreferenz-werte verlangt, also weit entfernt vom Drittelansatz. Mit einer so geringen Anforderung beim Mittagessen ist es nicht schwer, diese zu erfullen. Daher sind die Ergebnisse von NWB wenig aussagefahig.

Von kritischer Seite wird eingeworfen, dass GAS im Extremfall eine positive Bewertung aus-spricht, obwohl die Speisen sehr einseitig zusammengesetzt sind und somit eine

Vollwertig-84 Peinelt V: Bewertung eines realen 4-Wochen-Speiseplans. https://ewd-gastro.jimdo.com/gas/validierungen/4-wo-plan-real/

85 Peinelt V: Bewertung von 4-Wochen-Modellspeiseplänen. https://ewd-gastro.jimdo.com/gas/validierungen/4-wo-plan-modell/

86 Peinelt V: Nutri-Score - Ergebnisse einer Untersuchung. https://ewd-gastro.jimdo.com/gas/nutri-score-vs-gas/

keit nicht sichergestellt ware. GAS wurde also falsch bewerten. Das ware z.B. bei einem Gericht der Fall, das nur aus Obst und Gemuse besteht. Diese beiden LM-Gruppen werden - nicht nur von GAS - sehr gunstig bewertet. Aber nur dann, wenn uber Wochen ausschließlich diese Spei-sen gegesSpei-sen wurden, und zwar in allen Mahlzeiten, ware mit einer ungunstigen Auswirkung zu rechnen. Hieran erkennt man die theoretische Konstruktion eines solchen Essverhaltens, das in der Praxis kaum vorkommen wird.

Dieser Vorwurf der Einseitigkeit kann allerdings auch anderen Ampelsystemen gemacht wer-den. Aber trotz der vollig unrealistischen Annahme eines solchen Essverhaltens kann GAS die einseitige Zusammensetzung erkennen, so dass gegengesteuert werden kann. Hierzu dient ein spezielles Vielfalts-Analysetool von GAS. Damit kann ermittelt werden, ob die wichtigsten LM-Gruppen bzgl. der Vielfalt und der empfohlenen Mengen im Speisenplan vorhanden sind.

Ein Beispiel fur eine solche Auswahl zeigt Tab. 3, wo die Analyse der Grundstufe des 4-Wo-chenspeisenplans noch ein schlechtes Ergebnis liefert. Es werden funf Vorgaben gravierend verfehlt. Nach zwei Optimierungen wurde diese Analyse erneut angewendet. Das Ergebnis zeigt Tab. 4. Nun sind nicht nur die Ampelwerte viel besser, sondern auch die Analyse-Ergeb-nisse fur die Vielfalt. Somit kann GAS zwei Aussagen liefern, die sich gegenseitig stutzen: eine Wertigkeitsaussage mit den Ampelfarben und eine Bewertung der Vielfalt und der Mengen-empfehlungen. Damit ist GAS dem Aussagewert von NWB, aber auch allen anderen Ampelsys-temen uberlegen.

Bei der 3D-Lebensmittelpyramide der DGE wird zwar uber die Grundflache der Ernahrungs-kreis abgebildet, der zur Orientierung dienen soll, so dass eine geringe Vielfalt und eine un-gunstige Zusammensetzung der einzelnen LM-Gruppen vermieden werden sollen. Es ist aber mit diesem Instrument nicht moglich, einem Menu oder einem Speisenplan einen Gesamtwert zu geben. Die DGE weist ausdrucklich darauf hin, dass LM verschiedener Pyramidenseiten nicht miteinander "verrechnet" werden durfen. Auch kann damit nicht erkannt werden, wie gut das Menu schon ist, da nur relative Qualitatsaussagen moglich sind ("Vollkorn ist besser als Weißmehl" oder "Fettreich ist schlechter als fettarm"). Das ist zu wenig, da Menus sich fast immer aus Speisen verschiedener Pyramidenseiten zusammensetzen, und fur diese Zusam-mensetzung ist eine Gesamtbewertung nicht zulassig. Ein solches Instrument ist daher fur die Praxis nur sehr beschrankt einsetzbar.

Tab. 3: Bewertungsbeispiel mit GAS für die Vielfalt eines schlechten Speisenplans

Nr-Grp

KH-reiche Komponenten (vf*) 9 25 3.460 32% 25 200 5000 34% 0 0,69 -1

Fette, Öle 10 5 521 5% 25 5 125 1% -20 4,17 3

*vf=verzehrsfertig Summe: 94 10.831 100% 123 1.145 14.805 100% in 20 d 18

Häufigkeit der Ampelfarben 3 1 1 bezogen auf die Speisen

Grundstufe

Tab. 4: Bewertungsbeispiel mit GAS für die Vielfalt eines guten Speisenplans

In der Praxis ist es aber nicht notig, dass die angebotenen Speisen und Gerichte einer Analyse der Vielfalt unterzogen werden mussen. Es reicht die einfache Ampelbewertung.

Die Aussage, GAS würde einseitige Zusammenstellungen guter LM zu günstig bewerten, ist erstens rein theoretischer Natur und wird zweitens mit den Ergebnissen dieses Ana-lyse-Tools widerlegt. Damit wird das Angebot über einen bestimmten Zeitraum wesent-lich besser analysiert als dies z.B. mit der 3D-Lebensmittelpyramide der DGE der Fall ist. Außerdem werden konkrete Hinweise für Verbesserungen deutlich angezeigt.

8.1.3 Umsetzung in der Praxis

Neben der Eignung von GAS, allen beteiligten Gruppen eine Hilfestellung und Orientierung zu geben und die angebotenen Speisen valide zu bewerten, kommt hinzu, dass GAS eine Optimie-rung des Angebots nahezu "erzwingt". Bei den ublichen Nudging-Ansatzen, die in St-Kap. 5.2 behandelt wurden, geht es letztlich immer um Appelle an den Gast, der durch geschickte An-ordnungen oder Beleuchtung der Speisen zur richtigen Wahl verfuhrt werden soll. Ein Erfolg kann damit nicht garantiert werden, da er sehr stark vom Goodwill des Dienstleisters abhangt.

Dies ist bei GAS ganz anders, was am Gesamtkonzept des Einsatzes von GAS liegt, das nur ein Baustein neben anderen Maßnahmen ist. Nur wenn der Dienstleister eine gute Auswahl an hochwertigen Speisen anbietet, kann eine erfolgreiche Verhaltnispravention erreicht werden.

Da die Dienstleister dies aber normalerweise eher selten tun, da sie ihre alten, aber ungunsti-gen Rezepte aus Bequemlichkeit und guter Akzeptanz beibehalten, ist ein Wechsel der Ernah-rungsqualitat kaum moglich. Der Anbieter muss also zu einer aktiven Mitarbeit gebracht wer-den. Ünd genau das ist mit GAS moglich.

Mit dem gastronomischen Konzept, bei dem GAS eine wichtige Bewertungsfunktion hat, kann der Dienstleister auf finanziellem Wege (Bonus-Malus-System) dazu gebracht werden, wert-volle Speisen zu entwickeln und sie optimal und preisgunstig zu prasentieren. Er bekommt fur

"grune" Speisen einen erheblich Bonus gezahlt, so dass er mit diesen Speisen die hochsten Ge-winnmargen erzielen kann. Dann wird er naturlich alles daran setzen, moglichst viele von die-sen Gerichten zu verkaufen. Entscheidend ist also, dass der Dienstleister selbst ein Interesse an gesunden Angeboten hat und nicht standig darum gebeten werden muss. Das ist also ein vollig anderer Ansatz als bei anderen Nudging-Systemen, die immer auf dem "Prinzip Hoff-nung" basieren. Hoffnung, dass der Dienstleister engagiert genug ist, die Appelle umzusetzen

Nr-Grp

KH-reiche Komponenten (vf*) 9 22 4.160 36% 25 200 5000 34% -3 0,83 0

Fette, Öle 10 0 122 1% 25 5 125 1% -25 0,97 0

*vf=verzehrsfertig Summe: 99 11.637 100% 123 1.145 14805 100% in 20 d 2

Häufigkeit der Ampelfarben 0 2 3 bezogen auf die Speisen

2. Optimierung

und Hoffnung, dass der Gast sich darauf einlasst. Dass das System mit GAS funktioniert, wurde inzwischen in vielen Betrieben nachgewiesen87. Hierzu gibt es auch eine Studie, die das unter-sucht hat88. Eine gelungene Zusammenfassung der Aktivitaten und Auswirkungen sowie Kon-trollmaßnahmen findet man in einem Artikel einer Fachzeitschrift89.

Fazit: GAS bewertet valide, hat sich in der Praxis bewährt und kann mit entsprechender Kontrolle eine gute Qualität des gesamten Speisenangebots garantieren.