• Keine Ergebnisse gefunden

4.2 Ergebnisse des Tierversuchs

5.1.2 Veränderung der Genexpression von KLK3, IGF-1, IGF-1-R und IGF-BP-3

Bezüglich der Fragestellung dieser Arbeit, ob ein synergistischer Effekt bei der Behandlung von LNCaP-Zellen mit Valproat und Temsirolimus besteht, ist der von uns beobachtete stärkere Rückgang der Proliferation der LNCaP-Zellen, die mit einer Kombination aus Valproat und Temsirolimus behandelt wurden ein wichtiges und neues Ergebnis. Eine mögliche Erklärung für diesen Effekt könnte die Hemmung des Zellzyklus sein. Wedel et al. konnten in einer Studie mit einem anderen mTOR-Inhibitor (RAD001) einen additiven Effekt von Valproat und RAD001 auf die Hemmung des Zellzyklus nachweisen (WEDEL et al., 2011). Einen weiteren Grund könnte die von uns nachgewiesene Beeinflussung des IGF-Systems durch Valproat und Temsirolimus darstellen.

5.1.2 Veränderung der Genexpression von KLK3, IGF-1, IGF-1-R und IGF-BP-3

Das IGFSystem spielt eine wichtige Rolle für die Zellproliferation, -Zelldifferenzierung, Zelltransformation und Apoptose (MOSCHOS u. MANTZOROS, 2002).

IGF-1 bindet an den IGF-1-R und wird in seiner Aktivität vom IGF-BP-3 und PSA

102

beeinflusst. IGF-BP-3 bindet IGF-1 und senkt damit die Verfügbarkeit für den IGF-1-R, wohingegen PSA IGF-BP-3 spaltet und damit die Bioverfügbarkeit des IGF-1 erhöht (COHEN et al., 1992; RAJAH et al., 1995; KOISTINEN et al., 2002) (Abbildung 2).

Eine Behandlung der LNCaP-Zellen mit Valproat führte in unserer Studie zu einem Rückgang der Expression des KLK3-Gens (= PSA mRNA) um 40%.

Durch die Aktivierung des Androgenrezeptors und seiner Wirkung als Transkriptionsfaktor wird von der LNCaP-Zelle PSA gebildet. Thelen et al. konnten zeigen, dass die Behandlung von LNCaP-Zellen mit Valproat zu einer geringeren Expression von PDEF (Prostate-Derived Ets Factor) und PSA führt (THELEN et al., 2004). PDEF ist ein Co-Aktivator des Androgenrezeptors und unterstützt diesen bei der Expression von PSA (OETTGEN et al., 2000).

Die Behandlung der LNCaP-Zellen mit Temsirolimus und der Kombination aus beiden Wirkstoffen führte in der vorliegenden Arbeit zu keinem signifikanten Rückgang des PSA. Daraus lässt sich folgern, dass wahrscheinlich kein Zusammenhang zwischen den mTOR nachgeschalteten Signalkaskaden und einer Aktivierung des Androgenrezeptors besteht. Die Beantwortung der Frage, warum Temsirolimus die Wirkung von VPA auf die PSA Expression aufhebt, bedarf weiterer Forschung.

Die IGF-1-Expression wurde in der vorliegenden Arbeit durch die Behandlung der LNCaP-Zellen mit Valproat in seiner Expression um 49% reduziert, die Expression des IGF-1-R um 36%. Diese Ergebnisse können wie folgt interpretiert werden:

IGF-1 und sein Rezeptor fördern die Entwicklung von metastatischen Fähigkeiten von Prostatakrebszellen. Es wurde gezeigt, dass IGF-1 über den IGF-1-R u.a. die Migration von Prostatakarzinomzellen vorantreibt (MARELLI et al., 2006). Außerdem konnte durch die Hemmung von IGF-1 (durch einen spezifischen Antikörper) das Wachstum von menschlichen Prostatakrebszellen in Knochen sowie die Entstehung von neuen Metastasen im Tierversuch unterdrückt werden (GOYA et al., 2004).

IGF-1 unterstützt den Androgenrezeptor in Abwesenheit von Androgenen dabei, in

103

den Zellkern zu gelangen und spielt damit eine wichtige Rolle in der Pathogenese des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms. Dies geschieht, indem IGF-1 über den IGF-1-R PI3K und AKT aktiviert (MYERS et al., 1994; DUDEK et al., 1997; KULIK et al., 1997). PI3K und AKT spielen eine wichtige Rolle bei der Prostatakrebsentwicklung und dem Voranschreiten der Erkrankung zum kastrationsresistenten Karzinom (MURILLO et al., 2001 und GRAFF, 2002).

Weiterhin ist bekannt, dass PI3K und AKT über ihren Signalweg den Eintritt des Androgenrezeptors in den Zellkern in Abwesenheit von Androgenen fördern und dort seine Transkriptionsaktivität erhöhen können (WEN et al., 2000 und MANIN et al., 2002).

Neben seiner unterstützenden Wirkung auf den Androgenrezeptor führt eine Aktivierung von AKT zu einer vermehrten mTOR-Aktivität (SEKULIĆ et al., 2000;

AOKI et al., 2001) (Abbildung 24).

Abbildung 24: Schematische Darstellung der möglichen Effekte von IGF-1 und IGF-1-R auf den Androgenrezeptor und mTOR. AR: Androgen Rezeptor,

: aktiviert, : führt zu, : vermehrte Expression.

Die in der vorliegenden Arbeit erreichte Reduktion von IGF-1 und IGF-1-R durch die Valproat-Behandlung lässt aufgrund der Ergebnisse aus der Literatur erstens eine Reduktion der Malignität der LNCaP-Zellen sowie zweitens in Kombination mit Temsirolimus einen synergistischen Effekt auf die Hemmung von mTOR erwarten.

Die Behandlung mit Temsirolimus und die Kombination der beiden Medikamente zeigte jedoch in der vorliegenden Studie keine Auswirkung auf die Expression von

104 IGF-1 und IGF-1-R.

Über die Gründe der Kompensation des Effektes von Valproat auf IGF-1 und IGF-1-R durch Temsirolimus kann bei dem derzeitigen Erkenntnissstand nur spekuliert werden:

So ist aber bekannt, dass mTOR über verschiedene Signalkaskaden das Überleben, das Wachstum und den Metabolismus von Zellen beeinflusst. Einer der negativen Regulatoren von mTOR ist PTEN. PTEN wiederum reguliert AKT negativ (WU et al., 1998; RAMASWAMY et al., 1999). Im Prostatakarzinom wird PTEN herunter reguliert, weshalb AKT vermehrt wirken kann. Gleichzeitig ist die Aktivität von mTOR in Prostatakrebszellen höher als im gesunden Prostatagewebe (KREMER et al., 2006). Dai et al. unterstützten diese Ergebnisse und zeigten, dass die Expression von AKT und mTOR mit dem Gleacon Score korreliert und in Prostatakrebszellen höher ist als in gesunden Prostatazellen (DAI et al., 2009)

Folgerichtig ist eine Inhibition von mTOR in Prostatakrebszellen mit verringerter Invasion, Migration, Proliferation und vermehrter Apoptose verbunden (WANG et al., 2010).

Jedoch ist eine erfolgreiche Krebsbehandlung mit einem mTOR-Inhibitor durch die Entstehung von Resistenzen und Kompensationsmechanismen nur eingeschränkt möglich. Viele verschiedene Krebsarten entwickeln, auch wenn sie anfänglich sensibel für mTOR-Inhibitoren waren, Resistenzmechanismen gegen die entsprechenden Medikamente. Es sind verschiedene Strategien beschrieben, wie die Zelle den mTOR-Inhibitoren entgegen wirken kann. Unter anderem existiert ein Feedback Mechanismus, der die Wirkung von mTOR-Inhibitoren aufhebt. So konnten O`Reilly et al. zeigen, dass mTOR-Inhibitoren über diesen Mechanismus zu einer vermehrten Expression z.B. von Insulin Rezeptor Substrat 1 (IRS1) führen. IRS1 vermittelt die Aktivierung des IGF-1-R und führt damit zu einer vermehrten Aktivierung von AKT (Abbildung 26). Dies wurde u. a. für Prostatakrebszellen (DU-145) gezeigt (O`REILLY et al., 2006).

Eine anderer möglicher Feedback Mechanismus von mTOR-Inhibitoren suggeriert der IGF/IGF-1-R-Signalweg: Eine Blockade des IGF-1-R verhinderte den Feedback

105

Mechanismus. Es konnte jedoch an den verwendeten Rhabdomyosarkom-zellen keine Beteiligung von IRS1 nachgewiesen werden (WAN et al., 2007).

Abbildung 25: Schematische Darstellung der möglichen Effekte von IGF-1 und IGF-1-R auf den Androgenrezeptor sowie mTOR und eines möglichen Feedback Mechanismus von mTOR-Inhibitoren.

AR: Androgen Rezeptor, : aktiviert, : führt zu, : hemmt.

Warum letztendlich Temsirolimus den Effekt von Valproat auf die Expression von IGF-1 und IGF-1-R aufzuheben scheint, kann somit nicht abschließend beantwortet werden. In weiterführenden Studien sollte z.B. die Rolle von PTEN bei der Behandlung von Prostatakarzinomzellen mit Valproat und Temsirolimus untersucht werden.

Die Expression von IGF-BP-3 wurde in unserer Studie durch die Behandlung mit Valproat um den Faktor 7,5 erhöht. Die Kombination mit Temsirolimus erhöhte die Expression sogar um den Faktor 53. Die alleinige Behandlung mit Temsirolimus zeigte dagegen keinen Effekt.

Dies ist ein neues und wichtiges Ergebnis und eine mögliche Erklärung für den synergistischen Effekt der beiden Medikamente auf den Rückgang der Proliferation der LNCaP-Zellen (Abbildung 7).IGF-BP-3 besitzt IGF-abhängige und –unabhängige antiproliferative und proapoptotische Eigenschaften (DE MELLOW u. BAXTER, 1988; BLAT et al., 1989; MCCUSKER et al., 1990; FRANKLIN et al., 2003; HAN et al., 2011).

106

75-90% des im Serum zirkulierenden IGF-1 ist an IGF-BP-3 gebunden. IGF-BP-3 ist somit die größte Fraktion unter den zirkulierenden IGF-BP (JOGIE-BRAHIM et al., 2009). IGF-1, welches an IGF-BP-3 gebunden ist, steht dem IGF-1-R nicht als Reaktionspartner zu Verfügung. Durch die Menge des IGF-BP-3 wird demnach die Bioverfügbarkeit von IGF-1 reguliert (JOGIE-BRAHIM et al., 2009). Aufgrund dieses Zusammenhangs beeinflusst IGF-BP-3 über IGF-abhängige Mechanismen das Zellwachstum.

Zusätzlich besitzt IGF-BP-3 auch IGF-unabhängige Wirkungen. So konnte gezeigt werden, dass IGF-BP-3 in Prostatakrebszellen über einen IGF-unabhängigen Weg Apoptose induziert (HAN et al., 2011). IGF-BP-3 konnte außerdem die durch VEGF (vascular endothelial-derived growth factor) vermittelte Proliferation von HUVEC-Zellen (human macrovascular umbilical vein endothelial cells) hemmen (FRANKLIN et al., 2003).

In wie weit eine erhöhte Serumkonzentration von IGF-BP-3 mit einem erhöhten Prostatakrebsrisiko in Zusammenhang steht wurde in verschiedenen epidemiologischen Studien untersucht: Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind kontrovers. Manche Studien zeigten ein erhöhtes Risiko einer Erkrankung (STATTIN et al., 2000; SEVERI et al., 2006), manche keinen (CHAN et al., 1998) und manche eine nicht signifikante Erhöhung des Risikos (CHEN et al., 2005).

Die Stimulation der LNCaP-Zellen mit Valproat und der Kombination von Valproat und Temsirolimus führt in der vorliegenden Arbeit zu einer signifikant erhöhten Expression von IGF-BP-3. Die Kombination beider Medikamente zeigte dabei eine deutlich stärkere Wirkung als die einzelne Gabe von Valproat. Dieses neue Ergebnis weist darauf hin, dass die Kombination von Valproat und Temsirolimus über die antiproliferativen und proapoptotischen Eigenschaften von IGF-BP-3 die Malignität der Tumorzellen senken kann und stellt einen möglichen Weg, für die additive Wirkung von Valproat und Temsirolimus auf den Rückgang der Proliferation der LNCaP-Zellen dar (Abbildung 7). Es bleiben die Fragen zu klären, warum erstens die alleinige Stimulation mit Temsirolimus keinen Effekt zeigt und zweitens durch welche Signalwege Valproat und die Kombination von Valproat und Temsirolimus wirken.

Durch den Zusammenhang zwischen dem IGF-System und dem

107

kastrationsresistenten Prostatakarzinom stellt die gewählte Behandlung möglicherweise einen neuen Therapieansatz für das kastrationsresistente Prostatakarzinom dar.

In künftigen Studien sollte daher IGF-BP-3 auf Proteinebene untersucht werden, um die Ergebnisse auf RNA-Ebene zu ergänzen. Weiterhin wäre interessant, Apoptose zu untersuchen und nachzuweisen, ob und wo der Androgenrezeptor vergleichend exprimiert wird (Zytoplasma oder Zellkern).

5.2 Ergebnisse des Tierversuchs

Ziel des Tierversuchs war es, zu untersuchen, ob die Behandlung mit Valproat, Temsirolimus oder einer Kombination der beiden Medikamente eine Auswirkung auf das Tumorwachstum von humanen Prostatakrebszellen in vivo hat.

Zu diesem Zweck wurden LNCaP-Zellen subkutan in immunsupprimierte Nacktmäuse injiziert. Daraufhin entwickelte sich an dieser Stelle ein Tumor aus den LNCaP-Zellen. Sobald ein festgelegtes Tumorvolumen erreicht war, wurden die Mäuse in Gruppen unterteilt und mit Valproat (per os), Temsirolimus (intravenös) oder der Kombination aus beiden Stoffen behandelt.