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Das Insulin-like growth factor System (IGF-System) ist ein komplexes System. Es besteht aus zwei Wachstumsfaktoren 1 und IGF-2), zwei IGF-Rezeptoren (IGF-1-R und IGF-2-R), sechs IGF-Bindungsproteinen (IGF-BP-1 bis 6) und IGF-BP spaltenden Proteasen.

IGF sind Mediatoren des Wachstumshormons (Growth Hormone, GH) und stimulieren ähnlich wie Insulin die Glukoseaufnahme in Fett- und Muskelzellen (GANTEN u. RUCKPAUL, 2006). Darüber hinaus spielen sie eine wichtige Rolle in der Zellproliferation, -differenzierung, -apoptose und -transformation (MOSCHOS u.

MANTZOROS, 2002).

2.3.1 IGF-1

IGF-1 ist ein Peptidhormon bestehend aus 70 Aminosäuren. Er kann in nahezu allen Körperzellen gebildet werden, seine Hauptbildungsstelle ist jedoch die Leber. Dort wird die Produktion vor allem von GH beeinflusst (SCHWANDER et al.,1983). Die Serumkonzentration von IGF-1 ist jedoch von vielen Faktoren abhängig und kann u.

a. auch von Sexualhormonen (MURPHY u. FRIESEN, 1988) und durch mangelnde Kalorienzufuhr (EMLER u. SCHALCH, 1987) beeinflusst werden. Wie wichtig IGF-I für das Wachstum und die Organentwicklung ist, wurde anhand von IGF-1 knock-out Mäusen gezeigt. Diese Mäuse wogen zum Zeitpunkt ihrer Geburt nur 60% des Gewichts von gleichalten Wildtyp Mäusen. Außerdem zeigten sie eine hohe perinatale Sterblichkeit, unterentwickelte Muskeln und Lungen, sowie Unfruchtbarkeit (BAKER et al., 1993; LIU et al., 1993, POWELL-BRAXTON et al., 1993). Obwohl die Leber der Hauptbildungsort von IGF-1 ist, scheint für Wachstum und Entwicklung auch die Bildung in allen anderen Körperzellen eine große Rolle zu spielen. Mäuse bei denen nur die leberspezifische Produktion von IGF-1 ausgeschaltet wurde, zeigten keine signifikanten Unterschiede im Wachstum (SJOGREN et al., 1999).

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2.3.2 IGF-2

IGF-2 besteht aus 67 Aminosäuren und kann genauso wie IGF-1 in fast allen Körperzellen gebildet werden. Die Serumkonzentration von IGF-2 ist höher, als die von 1 und wird nicht von GH reguliert (MOSCHOS u. MANTZOROS, 2002). IGF-1 und IGF-2 werden beide über den IGF-IGF-1-R vermittelt und haben beide eine proliferative und antiapoptotische Wirkung. IGF-2 kann darüber hinaus noch an den IGF-2-Rezeptor binden (O'DELL u. DAY, 1998). IGF-2 spielt eine wichtige Rolle in der embryonalen und fetalen Entwicklung. In der postnatalen Phase ist er jedoch weniger wichtig, da er dort von IGF-1 ersetzt werden kann (BAKER et al., 1993).

2.3.4 IGF-Rezeptoren

Der IGF-1-R ist ein Glykoprotein welches sich auf der Oberfläche fast jeder Zelle befindet. Er gehört zu der Superfamilie der Tyrosinkinase-Rezeptoren und bindet IGF-1, IGF-2 und Insulin mit abnehmender Affinität (MOSCHOS u. MANTZOROS, 2002; STEELE-PERKINS et al., 1988).

IGF-1-R ist verbunden mit verschiedenen intrazellulären "second messenger"

Systemen und ist über diese an der Proliferation und Differenzierung von normalen Zellen, aber auch an der Entwicklung von Krebszellen beteiligt (SELL et al., 1993; hypophysäre Hormone (GH, FSH,) seine Expression erhöhen (HERNANDEZ, 1995).

Der IGF-2/Mannose-6-Phosphat-Rezeptor (M6P) ist ein Bindungsprotein, das ebenfalls auf der Zelloberfläche vieler Zellen vorkommt. Er bindet M6P tragende lysosomale Enzyme und IGF-2. Der IGF-2-R beeinflusst den Transport von

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lysosomalen Enzymen von ihrem Ort der Synthese, dem Golgi-Apparat, zu den Lysosomen (CHEN et al., 1997) sowie die extrazelluläre Konzentration von IGF-2 indem er die Endozytose und Proteolyse von IGF-2 in den Lysosomen vermittelt (OKA et al., 1985; KIESS et al., 1987).

Außerdem wird vermutet, dass es sich bei dem IGF-2-R um einen Tumorsuppressor handelt, da er in verschiedenen Tumoren vermindert exprimiert wird (HANKINS et al., 1996).

2.3.5 IGF-Bindungsproteine (IGF-BP)

Zu dem IGF-System gehören weiterhin 6 IGF-Bindungsproteine, die die biologische Wirkung der IGF positiv wie negativ beeinflussen können und auch IGF-unabhängige Wirkungen zeigen (DE MELLOW u. BAXTER, 1988; BLAT et al., 1989; MCCUSKER et al., 1990; FRANKLIN et al., 2003; HAN et al., 2011).

IGF-BP spielen eine große Rolle für die IGF-Bioverfügbarkeit. Durch die Bindung von IGF-1 und IGF-2 an IGF-BP erhöht sich die biologische Halbwertszeit der IGF erheblich. Freier IGF im Serum hat eine Halbwertszeit von ca. 10 Minuten, wohingegen an IGF-BP gebundener IGF eine Halbwertszeit von 20-30 Minuten besitzt (GULER et al., 1989). 99% der zirkulierenden IGF ist an IGF-BP gebunden, davon liegen 75 bis 90% gebunden an IGF-BP-3 vor. IGF-BP-3 und -5 assoziieren nach der Bindung von IGF noch mit einer säurelabilen Untereinheit und haben dann eine Halbwertszeit von 12-15 Stunden (BAXTER, 1988; GULER et al., 1989; JOGIE-BRAHIM et al., 2009).

IGF-BP besitzen neben IGF- abhängigen auch IGF-unabhängige Wirkungen. So kann IGF-BP-3 über einen IGF-unabhängigen Weg Apoptose induzieren (HAN et al., 2011; FRANKLIN et al., 2003). Außerdem wurde gezeigt, dass durch den Tumorsuppressor p53 die Expression von IGF-BP-3 erhöht wird (GRIMBERG et al., 2005).

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2.3.6 IGF-BP Proteasen

Die IGF-BP Proteasen sind eine heterogene Gruppe von Molekülen, die alle die Fähigkeit haben, IGF-BP zu spalten. Zu ihnen gehören z.B. Kallikreine und Matrixmetalloproteine (FOWLKES et al., 1994), Cathepsine und das PSA (COHEN et al., 1992; KOISTINEN et al., 2002). Durch die Proteolyse der IGF-BP entstehen Fragmente mit einer geringeren Affinität für IGF (RAJAH et al., 1995). Die IGF dissoziieren von den IGF-BP und stehen dem IGF-1-R als Reaktionspartner zur Verfügung. Die Rolle des PSA als IGF-BP Protease könnte für die zukünftige Behandlung von Prostatakarzinomen wichtig sein. Das PSA spaltet die IGF-BP-3 und -5 und erhöht damit die Verfügbarkeit von IGF für den IGF-1-R, welcher seine proliferative und antiapoptotische Wirkung vermehrt entfalten kann (MOSCHOS u.

MANTZOROS, 2002).

2.3.7 Das IGF-System und Tumorentstehung

Welche Rolle das IGF-System bei der Entstehung von verschiedenen Tumoren spielt, ist Gegenstand intensiver Forschung. Es existieren Hinweise, dass ein enger Zusammenhang zwischen dem IGF-System und dem Wachstum von Prostatakrebs besteht. IGF-1 und IGF-1-R werden von gesunden Prostatazellen ebenso exprimiert wie von Zellen der benignen Prostatahyperplasie und von den meisten Prostatakarzinom-Zelllinien (COHEN et al., 1991; IWAMURA et al., 1993; KIMURA et al., 1996). IGF hat einen proliferativen Effekt auf normale und transformierte Prostataepithelzellen (COHEN et al., 1991; IWAMURA et al., 1993). Eine Inhibition von IGF-1 und des IGF-1-R reduzieren die Proliferation, sowie die Migration und das invasive Verhalten von Prostatakrebszellen (BURFEIND et al., 1996; MARELLI et al., 1999; MARELLI et al., 2007). Es wurde gezeigt, dass IGF-BP-3 das Wachstum von LNCaP-Zellen inhibiert (BOYLE et al., 2001).

In in vivo Versuchen zeigte sich eine Zunahme der Expression von IGF-1 und IGF-1-R bei der Entwicklung von androgenabhängigen Prostatatumoren hin zu androgenunabhängigeren und damit maligneren Tumoren (NICKERSON et al., 2001). Mäuse, die durch eine Mutation eine verringerte IGF-1 Produktion aufwiesen,

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zeigten ein verringertes Wachstum von LNCaP-Tumoren (TAKAHARA et al., 2011).

In mehreren epidemiologischen Studien wurde versucht, zu ermitteln, in wie weit ein Zusammenhang zwischen IGF-1 Konzentration und Tumorrisiko besteht. Dabei wurde gezeigt, dass hohe 1 Konzentrationen im Serum und/oder niedrige IGF-BP-3 Konzentrationen mit einem erhöhten Risiko für verschiedene Tumoren assoziiert sind, darunter auch Prostatakrebs. Diese Ergebnisse weisen auf eine schützende Funktion des IGF-BP-3 hin, einerseits über die Verringerung der Verfügbarkeit von freiem IGF und andererseits über IGF-unabhängige Mechanismen (CHAN et al., 1998; STATTIN et al., 2000; ALLEN et al., 2005). Jedoch gibt es auch Studien mit gegenteiligen Ergebnissen, die einen entgegengesetzten oder keinen Zusammenhang zwischen IGF-1 und IGF-BP-3 Konzentration und Tumorrisiko zeigen (SEVERI et al., 2006).

Kürzlich wurden verschiedene Interaktionen zwischen dem Androgenrezeptor und IGF-1 nachgewiesen. So erhöht eine androgene Stimulierung die Expression von IGF-1-R in Prostataepithelzellen. Außerdem konnte gezeigt werden, dass IGF-1 den Androgenrezeptor dabei unterstützt, in Abwesenheit von Androgenen in den Zellkern zu gelangen. Dieser Effekt konnte durch einen IGF-1-R inhibierenden Antikörper wieder aufgehoben werden (WU et al., 2006).

Abbildung 2 fasst die Wechselwirkungen des IGF-Systems mit dem Androgenrezeptor sowie PSA zusammen:

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Abbildung 2: Schematische Darstellung der Zusammenhänge des IGF-Systems mit dem Androgenrezeptor und PSA. IGF-1 aktiviert den IGF-1-R und führt damit zu Proliferation von Zellen.

Zusätzlich unterstützt IGF-1 den Androgenrezeptor dabei in Abwesenheit von Androgenen in den Zellkern zu gelangen, wo dieser die Expression von PSA stimuliert. PSA spaltet IGF-BP, welche dadurch mehr IGF-1 zur Verfügung stellen.

AR: Androgenrezeptor, : spaltet, : führt zu, : vermehrte Expression.

Zusammengefasst zeigen diese Ergebnisse, dass das IGF-System eine wichtige Rolle im Prostatakarzinom spielt und dass ein Zusammenhang zwischen dem IGF-System und dem Androgenrezeptor besteht. Damit stellt das IGF-IGF-System ein mögliches Therapieziel des Prostatakarzinoms und des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms dar.