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Veränderte Herangehensweisen an die politische Kommunikationpolitische Kommunikation

Im Dokument WAHLEN OHNE KAMPF ? (Seite 195-200)

Durch den zunehmenden Einsatz von WerbeberaterInnen bewegten sich die Parteien weg vom ursprünglichen Zweck der aufk lärerischen Propaganda hin zur Pfl ege des Parteiimages.

Die «aufklärerische Propaganda»

Im Wahlkampf von 1947 war bei allen Parteien die Rede von der «Aufk lä-rung» als Ziel der «Propaganda» charakteristisch. Ähnlich wie in anderen westeuropäischen Ländern war der Begriff Propaganda zu dieser Zeit neutral konnotiert und wurde von linken wie bürgerlichen Parteien gleichermassen

3 Zu Abstimmungsplakaten, Dézé; Girod: Le Sonderfall en péril, 2006; Demarmels: Ja.

Nein. Schweiz, 2009.

4 Gruner: Die Parteitheorie von Maurice Duverger, 1962, S. 346; Gruner; Daetwyler;

Zosso: Aufstellung und Auswahl der Kandidaten, S. 85.

5 Dazu Mergel: Propaganda nach Hitler, 2010, S. 263–270; Mayaff re: Dire son identité politique, 2003.

verwendet, um ihre politische Kommunikation zu bezeichnen, oft ohne sie besonders zu theoretisieren.6 Umso bemerkenswerter ist es, dass sowohl die FDP als auch die SP bei ihren Kampagnen von 1947 konkrete Kommunikati-onsregeln refl ektierten. Bei der FDP diente das Buch des französischen Publi-zisten Pol Quentin, Politische Propaganda: Erfahrungen und Erfolge aller gros-sen Propagandisten von Mohammed bis Goebbels, als Referenz, welches Propaganda als Technik betrachtet und Kommunikationsregeln vorschlägt.7 Daraus zitierte der Zürcher FDP-Sekretär Albert Hauser bei einer Kantonal-sekretärenkonferenz vier Gesetze für die Wahlpropaganda: Einfachheit, Sym-pathie, Wiederholung und Koordination der Mittel.8 Diese entsprachen den Grundsätzen des SP-Kampagnenkonzepts, wonach die Propaganda zentrali-siert, «positiv» und «volkstümlich, verständlich für den einfachen Mann» sein solle.9 Im Prinzip stimmten also Freisinnige und Sozialdemokraten darin überein, ihre Propaganda nicht vorwiegend auf negative Angriff e gegenüber ihren Gegnern aufzubauen, sondern positiv über die Partei zu erzählen.

Mit der Betonung des Aufk lärerischen war zudem eine Kommunikation gemeint, die, indem sie auf eine Pfl icht hinwies, den Bürger und spezifi scher den eigenen Stammwähler zur Wahl aufrief und langfristig zu seinem Bürgerbe-wusstsein und seiner parteipolitischen Sozialisierung beitrug. Dies liess Ansät-zen aus der kommerziellen Werbung wenig Platz: Der SP-Werbeberater Victor Cohen sprach zwar gelegentlich von «Werbung» und befürwortete es, bei den Wählern ein «Bedürfnis» nach dem sozialdemokratischen Programm die Neue Schweiz zu schaff en.10 In seiner Arbeit für die SP unterschied er aber die Begriff e

«Propaganda» und «Reklame», da sich diese auf die unterschiedlichen Felder der Politik resp. Wirtschaft bezogen. Demnach sei Propaganda «ein planmäs-siges, einheitliches und geordnetes Verfahren zur Beeinfl ussung von Einzel-menschen und Menschengruppen mit dem Zweck der Verbreitung von Gedan-ken und Meinungen», während Reklame zwar das Gleiche zu erzielen versuche, aber «mit dem Zweck der Verbreitung von Sachen und Dienstleistungen».11

6 Olivesi: De la propagande à la communication, 2002; Mergel: Propaganda nach Hitler, S. 11.

7 Quentin: La propagande politique, 1943.

8 BAR J2.322-01 2009/263_39_105, Sitzungen der Kantonalsekretäre, 15.02.1947.

9 SSA Ar 1.111.11, Parteivorstand, 15.01.1947.

10 SSA Ar 141.10.9, Cohen, Victor: SPS-Propaganda-Plan 1946–47 (Entwurf), [1946]. 

11 SSA Ar 141.10.9, Cohen, Victor: Refl exionen zu Propaganda (Entwurf), März 1943.

Dieser begriffl iche Unterschied zwischen Propaganda und Reklame oder Werbung verminderte sich in den kommenden Jahrzehnten, als die Parteien zunehmend das Fachwissen und den Wortschatz aus der Werbung übernah-men. Bereits 1955 stellte der FDP-Werbeberater Pierre-André Gygi den Na-men und die Programmatik der Parteien als «Markenbild» dar: Während der Begriff Freisinn «nicht einmal schweizerisch gleich bleibt» und «Vorstellungs-kraft » verlangt, seien «‹sozial› und ‹demokratisch› […] gute, leicht einpräg-same Marken für den ‹einfachen Mann›.»12 Solche dezidiert werberischen Orien-tierungen der politischen Kommunikation fanden zunehmend Eingang in die parteipolitischen Diskussionen und führten zuweilen auch zu Meinungs-verschiedenheiten. In der Propagandakommission der Zürcher FDP plädierte der Werbespezialist und Trumpf Buur-Aktivist Robert Eibel für eine grössere Kohärenz und Planung der Propagandatätigkeit, denn «wir müssen beim Konsumenten unserer Propagandaprodukte eine Lesegewohnheit schaff en.»13 Für den Inlandredaktor der NZZ Ernst Bieri hingegen «dürfen [wir] die poli-tische nicht mit der kommerziellen Reklame verwechseln. Konsument und Produkt, mit denen wir uns zu befassen haben, sind anders. Der Wähler weiss, dass es Parteien gibt. Er erwartet von ihnen die Anstrengungen der letzten Stunde.»14 Über die Art der politischen Kommunikation wurde also noch ver-handelt. Weitere Kader der Zürcher FDP überlegten sogar, auf jegliche Kam-pagne zugunsten eines gemeinnützigen Zwecks zu verzichten. Bieris Idee eines

«staatsbürgerlichen Vademecum» lehnte die Kommission dennoch ab, denn

«wer behält und konsultiert eine solche Schrift ?»15 Das Ziel, eine «möglichst attraktive Form» von Kampagne im Sinne der «Reklame» anzubieten, setzte sich bis in die Rote Revue durch, während die «Aufk lärung» der Wähler mittler-weile als unrealistisch galt.16 So müsse laut der NOWLAND-Studie «das Bild der SP [beim] Wähler […] positiv verändert und umgestaltet werden, nicht die Struktur der Wähler».17

12 Gygi: Reaktionen stimmfähiger Schweizerbürger auf politische Fragen, 1955.

13 StAZH WII 13.21, Propagandakommission, 17.06.1958.

14 Ebd.

15 Ebd.

16 Hardmeier: Nach dem eidgenössischen Wahlgang, 1959, S. 322.

17 Nowland: Das politische Verhalten, 1959, S. 8.

Das Erscheinungsbild als neues Ziel der politischen Kommunikation

Mit der Werbung als Sprache und Denkweise setzten sich ökonomistische Vorstellungen der Wähler als zufriedenzustellende Konsumenten, des poli-tischen Feldes als Markt, der Partei als Produkt und ihres Bildes als Marke durch. WerbeberaterInnen erachteten es als notwendig, bei der Bevölkerung ein positives «Erscheinungsbild» und ein «einheitlich erkennbares Image» der Partei einzuprägen – als Ersatz für die inzwischen abgeschwächten Parteibin-dungen.18 WerbeberaterInnen wie Edgar Küng legitimierten längere, kohären-te und einheitliche Kampagnen, um in einem zunehmend «reisefreudigen»

Land die Partei überall als Marke erkennbar zu machen.19 Parteien würden dabei nicht nur untereinander, sondern auch mit Marktprodukten um die Aufmerksamkeit der von einem «Konsumdenken» geprägten BürgerInnen kämpfen.20 Das wisse der Landesring schon lange, der «geschickt Politik mit Konsum vermischt.»21 Die intensivierte Konkurrenz um die Aufmerksamkeit der BürgerInnen bedinge gemäss der Motivationspsychologie einen Fokus auf die emotionale Befriedigung der Wählenden, die  – wie bei der Überfrem-dungsinitiative ersichtlich war  – wichtiger als sachliche Information sei.22 Aufgrund dieser Überlegungen entwarf Küng für die Kampagne von 1971 rotblaue Plakate mit Fotos von ernsthaft dreinblickenden Politikern23 und lä-chelnden, unbekannten jungen Frauen (Abb. 2). Rückblickend nahm er dabei Bezug auf die Arbeit des Farbpsychologen Max Lüscher, mit dem er

befreun-18 Gerteis: Für ein neues «Image» der Sozialdemokratischen Partei, 1964; BAR J2.181 1987/52_72_627, Zeugin, Mark; Kaufmann, Willi: Gedanken zur Werbekonzeption CVP Nationalratswahlen 1971 – 2. Teil Werbeplanung, [1971].

19 BAR J2.322-01 2009/263_47_120, Küng, Edgar: Hinweise auf das Propaganda-Konzept, 1971.

20 Ebd.

21 Ebd.

22 Dazu Almeida: L’américanisation de la propagande, 2003; Eugster : Manipuliert, 2017, S. 74–78.

23 MfGZ 63-0941, Küng: Die Freisinnigen haben kluge Köpfe, Freisinnig-demokratische Partei der Schweiz, 1971.

Abb. 2. Küng, Edgar: Ja – Die Freisinnigen haben die Frauen gern, Freisinnig-Demokratische Partei der Schweiz, 1971. 127 × 90 cm, Museum für Gestaltung Zürich, 11-0712.

det war.24 Der Slogan «Die Freisinnigen haben kluge Köpfe» halte schliesslich den Freisinnigen einen positiven Spiegel vor, indem er «das Bedürfnis nach Prestige der Wählermassen» befriedige und gleichzeitig «unsern Politikern und treuen Parteifreunden [bestätige], in der richtigen Partei zu sein.»25So sollen Kampagnen nicht nur den Parteien ein positives Bild verleihen, sondern auch den Wählenden.

Als die Parteien Ende der 1970er Jahre in ein verschärft es Wettbewerbs-verhältnis zueinander traten, diente der Fokus auf das Parteiimage als Narra-tionsstrategie zunehmend der Gewinnung neuer Wählerschichten. Um das Bild der FDP als «Partei der Finanz [sic] und Wirtschaft mit elitären Merkma-len» zu verändern, sollte die Kampagne der Partei 1983 die Erzählung entwi-ckeln, dass «in der FDP zu sein, modern geworden [ist].»26 Die Entwicklung eines attraktiven «corporate image» hatte sich bis ins Handbuch des Werbebe-raters Hans Stöhlker von 1982 als «Muss» durchgesetzt.27 Anstelle der nun verpönten Begriff e «Propaganda» und «Aufk lärung» sprachen die Parteien neu von «Werbung» und «Öff entlichkeitsarbeit».28 Zumindest in ihren Grund-sätzen setzten die Parteien und ihre WerbeberaterInnen dabei weder 1947 noch 1983 auf ein negative campaigning, also auf Angriff e gegen ihre Gegner: Die FDP und SP sprachen 1947 von einer «positiven» Propaganda für die eigene Partei, während das spätere Mantra des Parteiimages auf die Selbstdarstellung der Partei fokussierte.

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