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3.4. DIE INTUITION DES ARGUMENTES

3.4.1. UNTERSTÜTZUNG VON WICHTIGEN UNTERNEHMEN

Nicht alle Unternehmen oder Branchen werden von Staaten als gleich wichtig eingestuft, nicht an allen haben Staaten ein «eminentes Interesse». Daher werden nicht alle Gesellschaften durch staatliche Hilfen unterstützt, deren Überleben gefähr-det ist. Staaten sind auch gar nicht in der Lage, allen Unternehmen finanziell zu hel-fen, denn 3584 Firmen, die beispielsweise im Juli 2003 in Deutschland Insolvenz anmelden, sind für eine allgemeine «Pleiteverhinderung» zu viel (ftd.de 17.10.2003).

Staaten beschränken sich somit auf wichtige Fälle.

Der Begriff «wichtig» zielt sowohl auf die Branche ab, in der die Firma agiert, als auch darauf, ob es sich um ein Unternehmen handelt, das aufgrund seiner Größe für die nationale Volkswirtschaft von Bedeutung ist. Da Staaten wichtige Unternehmen auch in Zukunft im eigenen Land halten wollen, werden sie diese

4) Weitere Deregulierungsbestrebungen zwischen den USA und der EU sind zu erkennen, 2 3 die Implementierung wird jedoch noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

durch staatliche Hilfen unterstützen, wenn ihre Zukunft gefährdet ist, um deren Überlebenswahrscheinlichkeit zu erhöhen.

Die Flugindustrie ist ein solcher Bereich, der für die nationale Volkswirtschaft als besonders wichtig angesehen wird (Pompl 2002: 48ff). Dies hat mehrere Gründe:

Staaten sehen die zivile Luftfahrt nicht nur als öffentliches Interesse. Größt-mögliche Mobilität soll für Bürger gewährleistet sein. Dies gilt für Privatleute, wenn sie beispielsweise Urlaubsreisen zu entlegenen Zielen antreten, wie auch für Geschäftsreisende. In der heutigen Zeit ist es unerlässlich, dass Personen innerhalb kurzer Zeit große Strecken überwinden können. Abgesehen von Internet und Tele-fonkommunikation ist es vor allem die Luftfahrt, die die Welt in ein «globales Dorf»

verwandelt. Geschäftsreisen von Europa in die USA sind innerhalb weniger Stunden möglich, mit Schiffen dauern solche Reisen mehr als eine Woche. Zudem ist durch den Luftverkehr gewährleistet, dass Güter schnell transportiert werden können.

Auch die wirtschaftlichen Effekte, die die Luftfahrt für die nationale Ökono-mie hat, sind von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit, in Zahlen allerdings schwer anzugeben. Denn um die Effekte genau bestimmen zu können, muss ein Blick über die Branche hinaus geworfen werden. Das bedeutet, dass nicht nur die Arbeitsplätze und die Leistungen einkalkuliert werden müssen, die Fluglinien oder der Luftverkehr direkt erbringen. Ebenso zu kurz greift eine Rechnung, die zusätzlich die Stellen und Dienste einrechnet, die indirekt durch die zivile Luftfahrt generiert werden. In d i e s e Kategorie fallen Zulieferbetriebe wie Cateringfirmen oder Reiseverkehrsveranstal-ter. Ein weiterer Baustein, der die Wichtigkeit der Branche unterstreicht, sind indu-zierte Effekte. Diese entstehen durch die finanziellen Mittel, die Angestellte der Gesellschaften erhalten und damit die Konjunktur stärken. Die Wichtigkeit der zivi-len Luftfahrt wird zusätzlich durch katalysierte Effekte gesteigert. Das heißt, als Folge vom Flugverkehr entstehen Arbeitsplätze und Dienstleistungen, wenn sich

beispielsweise Firmen in der direkten Umgebung von Flughäfen ansiedeln (Pompl 2002: 50). Die katalysierten Effekte machen eine Einschätzung der Wirtschafts-kraft, die durch die zivile Luftfahrt generiert wird, besonders schwer. Trotzdem erkennen Staaten die große Bedeutung, die der Luftverkehr für die Volkswirtschaft hat (Doganis 2002: 30).

Hinzu kommt, dass Staaten mit einer eigenen Airline auch ein hohes Maß an Prestige verbinden (Pompl 2002: 337). Nicht zuletzt aus diesem Grund ist zu erklären, warum in der Vergangenheit beispielsweise ein kleiner Staat wie Belgien enorm viel Geld in eine nicht rentable Fluggesellschaft, Sabena, investiert hat, obwohl, auch auf lange Sicht hin, keine großen Gewinnchancen zu erwarten sind5. Airlines wer-den oft als Botschafter für das Land gesehen, aus dem sie kommen. Sie sollen im Ausland, wo sie auch um Kunden werben, das jeweilige Land repräsentieren. Zusätz-lich wird die zivile Luftfahrt für die nationale Sicherheit als zentraler Wirtschaftszweig betrachtet (Pompl 2002: 57).

Auch die Bürger verbinden mit einer nationalen Airline ein großes Maß an Pre-stige. So ist der Protest, der auf die Schweizer Regierung zukommt, nachdem die Swissair ihre Flugzeuge Ende 2001 am Boden lassen muss, enorm. Der Druck, den die Bevölkerung auf den Bundesrat ausübt, wird letzten Endes so groß, dass der Schweizer Staat seine anfängliche Zurückhaltung aufgibt und der bankrotten Swissair finanziell unter die Arme greift (ftd.de 05.10.2001). Gerüchte im Som-mer 2003 um eine Übernahme der Swiss durch die deutsche Lufthansa sind ein weiterer Beleg für die enge Verquickung von nationalem Prestige und der inlän-dischen Fluggesellschaft. Die Meldung, dass ein deutsches Unternehmen die schweizerische Fluglinie übernehmen könnte, löst Proteste in allen Gesell-schaftsteilen aus (Keller / Voigt 2003).

5) Sabena fliegt inzwischen nicht mehr, nach der Firmenpleite ist jedoch umgehend eine neue Airline 2 5 entstanden, ähnlich wie dies bei Swissair zu beobachten ist.

Wenn eine Fluggesellschaft eine schlechte Überlebensprognose hat, da sie Ver-luste erzielt, werden Regierungen versuchen, das Unternehmen zu retten. Die Poli-tiker befürchten zum einen ein schlechtes Image im Ausland. Zum anderen haben sie auch Angst vor schlechter Presse und Protesten von Bürgern im Inland, die nicht verstehen, warum der Staat nicht in der Lage ist, die «eigene» Fluggesellschaft am Leben zu erhalten und sie als inkompetent einschätzen. Das wäre für ihre Wieder-wahl nicht förderlich.

Fluglinien sind zusätzlich aus einem anderen Grund in ihrem Überleben bedroht. In den kommenden Jahren ist damit zu rechnen, dass auf dem Flugver-kehrsmarkt eine weitere Konzentration stattfinden wird (Hanlon 1996: 61). Dieser Trend deutet sich in den USA bereits an. Firmen schließen sich unter internationa-lem Druck zu größeren Firmen zusammen, um weiterhin erfolgreich fliegen zu kön-nen (Clougherty 2002: 573). Die großen Airlines sind in der Lage, ihre Stellung am Markt weiter auszubauen und den Größenvorteil auszuspielen, sei es durch Vortei-le im Marketingbereich oder bei der Vergabe von Lande- und Startslots (Borenstein 1989, 1991). Es werden daher immer weniger Unternehmen übrig bleiben, die den Markt unter sich aufteilen, falls die Besitzregelungen weiter gelockert werden.

(Doganis 2001: 99). Regierungen wollen die Firmen aus dem eigenen Land unter den dann verbleibenden Fluggesellschaften erhalten. Daher werden Politiker die Instrumente verwenden, die ein Überleben der «eigenen» Airline in diesem Ver-drängungswettbewerb wahrscheinlicher macht. Sie werden diese Instrumente vor allem dann einsetzen, wenn ohne Hilfe die Zukunft der Firma stark gefährdet ist.

Staaten haben also aus drei Gründen ein Interesse daran, nationale Flugge-sellschaften am Markt zu behalten. Das belegen auch viele Beispiele aus der Ver-gangenheit, in denen bereits große Summen an Fluggesellschaften transferiert wurden (Ingwersen 2001: 113, Doganis 2002: 18). Zum einen zählt die zivile Luft-fahrt zu einer Branche, die als wichtig für die Volkswirtschaft betrachtet wird. Der

zweite Grund ist ein psychologischer Aspekt, weil Staaten und Bürger mit inländi-schen Fluggesellschaften, die international erfolgreich sind, einen Zugewinn an Pre-stige für ihr Land verbinden. Der dritte Grund ist, dass in Zukunft nur einige wenige große Airlines auf dem Markt verbleiben werden und Staaten ein Interesse daran haben, ihre Fluglinie unter diesen wenigen zu sehen.

Daher ist zu erwarten, dass sich Staaten zu Zahlungen bereit zeigen, die höher sind als die Schäden, die direkt durch die Schließung des Luftraumes über den Vereinigten Staaten verursacht werden, wenn ein Fortbestehen fraglich ist.

Weil Staaten ein Überleben der nationalen Firmen ermöglichen wollen, sind Sub-ventionszahlungen dann besonders hoch, wenn das Unternehmen bereits vor den Anschlägen ein Minus vor dem Jahreseinkommen aufweist. Dadurch haben sie die Möglichkeit, die Chancen für das Überleben positiv zu manipulieren und kön-nen diese Zahlungen vor den Wählern rechtfertigen.