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Der Untergang der Schwertbrüder

Im Dokument Wolter Plettenberg. (Seite 96-111)

Daß Alberts Tod für die junge Pflanzung von der größten Be-dentnng sein mußte, lag auf der Hand. Die Frage, wer sein Nach-folger werden, wem die Wahlbefugnis obliegen würde, trat fofort in den Vordergrund und regte vor allem in Bremen alte Herrschasts-gelüste von neuem an. Rasch entschlossen erklärte man hier den Dom-Herrn Albert Snerbeer zum Bischof von Riga. Schon aber war in dieser Stadt das Gefühl eigener Kraft so stark, daß man dem bremi-schen Kandidaten einen eigenen entgegenzusetzen unternahm: einstimmig wählte das rigische Domkapitel den Prämonstratenser Domherrn zu St. Marien in Magdeburg Nikolaus, einen humanen, ernsthaften Mann, der das Land, in das er berufen wurde, rafch in sein Herz schloß.

Den Vorteil aus der schwierigen Situation zog abermals der Papst, auf ihn richteten beide Kandidaten ihre Augen, ihm also war wiederum Gelegenheit gegeben seinen mächtigen Schiedsspruch iu die Wagschale zu werfen. Gregor IX. zögerte nicht seine Autorität geltend zu machen und sandte den Kardinal Otto nach Livland. Dieser aber übergab, nachdem er vorläufig beiden Bischöfen verboten irgend welche Amtsbefugnisse auszuüben, die weitere Regelung der verwickelten Frage seinem Beichtvater Balduin, einem Mönch des flandrischen Klosters Alna, mit dem ein Mann in die Entwicklung unserer Heimat tritt, der als fanatischer Vertreter jener von uns bereits charakterisierten päpstlichen Politik zu den gefährlichsten Feinden Livlands gerechnet werden muß.

Wie groß das Mißtrauen war, das man Balduin vou Alna ent-gegenbrachte, zeigte sich schon darin, daß ihm, als er 1230 in Wisby

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anlangte, Boten aus Livland entgegentraten und ihm einen Eid ab-verlangten, er werde ihre Rechte in keiner Weise vergewaltigen. Kaum war Balduin in Riga ans Land gestiegen, so begann er seine Thätig-keit mit eigenmächtigen Verfügungen, die um so unerträglicher wurden, als sie arge materielle Schädigungen der Rigischen im Gefolge hatten.

Hatten doch die Bürger Rigas, während unter des Ordens sieg-reicher Fahue die Heldeukämpse gegen die Esten ihren Fortgang nahmen, ihren Fuß bereits in das süddünische Land, nach Kurland, gesetzt.

Eben damals war denn auch ein Vertrag zwischen Bischof Nikolaus und den Kuren zu Staude gekommen, laut welchem sie die Taufe versprachen und einen Bischof aus Nikolaus Händen zu empfangen sich bereit er-klärten. Hier glaubte der Mönch von Alna den auf eignen Ausbau der Verhältnisse gerichteten Bestrebungen der Livläuder erfolgreich ent-gegentreten zu können. Durch geschickte, kein Mittel scheuende Ver-Handlungen gelaug es ihm in der That die Kuren so weit zu bringen, daß sie sich direkt der päpstlichen Hoheit unterwarfen und Geiseln stellten, die Balduin schleunigst hinter den Mauern Dünamündes barg.

Hierher zog er sich dann selbst zurück und trotzte allen Protesten der Rigenser und Nikolaus. Auch auf Estland warf der Unruhige fem Auge: hatte doch schon Wilhelm von Modena dieses Gebiet dem hl.

Stuhl unterstellen wollen; damals waren aber die dänische Katastrophe und der Ungestüm des Ordens hindernd in den Weg getreten — vielleicht, daß die Zeit jetzt günstiger war?

Während Balduin sich noch mit all diesen Ideen trug, fällte der Kardinal Otto seinen Schiedsspruch. Wie vorauszusehen gewesen, fiel derselbe gegen die unbequemen Bremer Prätensionen, also gegen Albert Snerbeer und für Nikolaus aus: jenem wurde ewiges Schweigen auf-erlegt. Wohl im April 1231 erfolgte die päpstliche Ernennungsbulle, durch die, da die „junge und zarte Kirche, um nicht langwierige Nach-teile ihrer Verwaisung zu verspüren, eines Beschützers und Lenkers"

bedürfe, der wegen seiner „ehrbaren Sitten und löblichen Lebenswandels und feiner vortrefflichen Kenntniffe" besonders bewährte Nikolaus ein-gesetzt wurde1).

Kaum fühlte sich Nikolaus ans dem Stuhl von Riga sicher, so

*) Päpstliche Bulle, abgedruckt in „Beitrüge zur Kunde Liv-, Est-u.Kurl." I, 1.

pag. 66. Reval 1868,

zeigte er den deutlichen Willen den Umtrieben Balduins entgegenzu­

wirken. Im Gegensatz zu dessen kurischen Plänen belehnte er rigische Bürger mit großen Landstrecken in Kurland und Semgallen, während der Orden im selben Sinne handelnd in Jerwen an 200 gothländische Kaufleute Güter vergabte. Natürlich erbitterte diese systematische

Oppo-fitton den Mönch aufs höchste, voller Wut verließ er Livland, um dem hl. Vater sein Leid zu klagen. Der Papst nahm seine Partei und überschüttete ihn förmlich mit Zeichen seiner Gunst. Nicht nur, daß er ihn zum Bischof vou Kurland erhob, obgleich ein von Albert ernannter Bischof Lambert noch lebte, er machte ihn auch zum Legaten für Gothland, Finnland, Estland, Kurland und Semgallen und gab ihm so weit reichende Vollmachten, daß er wie ein Selbstherrscher im Lande schalten und walten konnte.

Man braucht nur einen Blick ans die päpstlichen Bullen zn werfen, die Balduin sich anschickte nach Livland zu bringen, um sofort zu er-kennen, welche Befuguiffe der neue Legat erhalten hatte: kaiserliche Gnadenbriese, Entscheidungen Wilhelms von Modena, ja selbst päpst-liche frühere Entscheidungen zu ändern, umzuwerfen und zu vernichten war seinem Ermessen anheimgestellt. Wehe dem, der ihm Widerstand leisten würde, Bann und Exkommunikation sollte er gegen ihn ge-brauchen dürfen. „Was blieb da, ist zutreffend bemerkt worden1), von der Selbständigkeit Livlands übrig? Der Norden uud der Süden sollten dem Papst ganz in die Hand fallen, das Land in der Mitte unter Vormundschaft gestellt werden und über dem Ganzen der Mönch von Alna gebieten wie ein König. Es war, darüber kann kein Zweisel walten, ein nochmaliger Versuch des Papsttums, sich auf livländischem Boden einen Vasallenstaat zu gründen."

Doch allzu scharf macht schartig! Das sollte auch der sieges-trunkene Legat erfahren. Wie oft hatte man sich aus Livland nach Rom gewandt an das geistliche Oberhaupt, wie nun, wenn man auf den Gedanken kam gegen die immer unerträglicheren Übergriffe der Kurie sich an den deutschen Kaiser zu wenden, der noch 1231 dem

l) cf. Th. Schiemann. Rußland, Polen und Livland. II. Th, 47 ff. Dieses auf deu neuesten Forschungen basierende Werk, das schlechtweg als „Gesch. Livlands"

zitiert werden wird, bietet die Grundlage der folgenden Kapitel bis auf Pletten-berg. Daneben sind die Chroniken selbst, ferner Schirr ens Vorträge und manche Spezialschrift herangezogen worden.

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Orden seinen Besitzstand feierlich garantiert hatte? Balduin scheint das nicht gefürchtet zu haben, als er Anfang 1232 aus der ewigen Stadt in den Norden zurückkehrte. Die Lioländer gaben Kurland und Jerwen auch wirklich in seine Gewalt, als er aber auch die Aus-lieferung Revals begehrte, brach der lang zurückgehaltene Unwille in elementarer Weise hervor. Als vollends der Meister des Ritterordens, Volquiu, Mieue machte, sich den Wünschen Balduins zu sügeu, der offenbar versprochen hatte, ihm die Burg aus dem Domberge als Lehen zurückzugeben, wandte sich die Erbitterung der Brüder auch gegen ihr Oberhaupt, das, wie der Mönch selbst es bezeugt hat, „der römischen Kirche günstiger gesinnt war". Sie bemächtigten sich seiner Person und kerkerten ihn ein, um während der dreimonatlichen Ge-fangenfchaft, wilde Akte der Selbstverteidigung zu vollziehen. „Die Brüder brachten den ganzen Dom in ihre Hände; die Vasallen, welche ihnen Widerstand zu leisten suchten, wurden erschlagen und die Um-gegend Revals verwüstet. Gegen hundert Vasallen sollen bei dieser Gelegenheit umgekommen sein, selbst im geweihten Innern des Gottes-Hauses floß das Blut; die Brüder türmten die Leichen zu einer Pyramide auf, deren Spitze die aufrecht stehende Leiche des Führers der Vasallen bildete. Zweihundert andere Vasallen wurden gefangen genommen und erst später gegen hohes Lösegeld freigegeben, zweihundert Streit-rosse, zweihundertfünfzig Pferde, vierhundert Rüstungen, dazu Kauf-mannsgut und die Habe der Revaler Bürger fielen den Siegern zur Beute, — Man schätzte den Gesamtschaden auf die ungeheuere Summe von 15 000 Mark1)."

So wurden die Gegner des Ordens in Harrten zu Boden ge­

schlagen, in den andern Landschaften Estlands ging es seinen Wider-sachern nicht besser, überall blieb er Sieger, trotzdem sich die Esten erhoben, trotzdem die Russen auf dem Kampfplatz erschienen, trotzdem Balduin seine geistlichen Waffen gegen ihn gebrauchte. Als der Legat alle Gebietiger des Ordens in den Bann that und den Priesterbrüdern die Ausübung der Seelforge verbot, antworteten die Ritter mit neuen Gewalttaten. Einen Bruder des großen Albert, Johann von Bux-höwden, dessen Söhne sich dem Legaten angeschlossen, straften sie mit 200 Mark, einem andern Vasallen stießen sie die Augen aus, Ein­

*) Nach den Forschungen H. Hildebrands über Livonika im Vatikan,

geborene, die Balduin nach Rom senden wollte, holten sie, obgleich sie schon nach Holland gekommen waren, rücksichtslos zurück.

Das waren die Früchte der Politik des Legaten: eine unglaub­

liche Zerrüttung drohte alle jungen Keime, die Alberts sorgende Hand dem Boden anvertraut, zu vernichten, zumal auch die Russen die günstige Gelegenheit wahrnahmen und ins Stift Dorpat einbrachen. Das Kloster Falkenau wurde zerstört, die Stadt Dorpat in arge Bedrängnis gebracht. Selbst in Rom kam man schließlich zur Einsicht, daß es so nicht weiter gehen könne und dürfe. Gregor IX. rief Balduin ab und übertrug die Lösung der Wirrnisse dem warmherzigen Wilhelm von Modena.

Freilich wurde die Gefahr damit noch keineswegs völlig beseitigt.

Setzte der gekränkte Mönch doch vor seinem Scheiden die Zitation des Bischofs, des Ordens und der Stadt Riga nach Rom durch und er­

hoben sich doch zu gleicher Zeit die dänischen Ansprüche wieder. König Waldemar, weder durch langen Kerker, noch durch die Niederlage auf dem Felde von Bornhöved aus seinen Bahnen gebracht, trug sein un­

ruhiges Haupt höher denn je und ließ durch seine rührigen Gesandten, da er die Abneigung des Papstes gegen die Livländer kannte, seine alten Ansprüche aus Estland von neuem mit Nachdruck vorbringen.

Diese Bestrebungen konnten in Livland nicht verborgen bleiben und hier nichts anders als schwere Sorge hervorrufen. Die Furcht vor neuen dänischen Anforderungen ist es offenbar gewesen, die dem Schwertbrüderorden den längst gehegten Gedanken wieder nahe gelegt hat, fremde Hilfe zu gewinnen. Diese schien sich aber ihm naturgemäß am ehesten darzubieten, wenn die Brüder eine Vereinigung mit dem mächtigern Deutschen Orden zu Stande brachten, der seit Ende 1229 oder Ansang 1230 ins Preußenland gekommen war.

Der Deutsche Ritterorden ist die jüngste jener drei großen Ver­

einigungen, die das heilige Feuer der Kreuzzüge hatte entstehen lassen und in denen Mönchtum und Rittertum, Askese und kriegerischer Geist ihre vollkommenste Durchdringung und Ausprägung fanden. Tapfer und feurig fochten die Ritter des 1190 vor Accon im hl. Lande von norddeutschen Wallfahrern gegründeten Ordens, die Manenritter oder wohl auch die Brüder vom Deutschen Hause genannt, zu Ehren des Kreuzes wider den Muselmann. Doch die welthistorische Ausgabe dieses Ordens war nicht in Palästina, sondern an der Ostseeküste, im Lande

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der heidnischen Preußen und Letten, Liveu und Esten zu lösen. Es war der Herzog Konrad von Masovieu, der, unfähig mit eignen Kräften das Werk zu thuu, zur Unterwerfung der Preußeu mit dem großen Hochmeister Hermann von Salza in Verhandlungen trat und ihm das Kulmer Land zur Schenkung anbot. Kaiser Friedrich II., der Staufer, gab den Eutscheid und Ausschlag. In einer Urkunde von 1229 sagte er: „Dazu hat der Herr unsere Kaisergewalt hoch über die Könige des Erdkreises emporgehoben und die Grenzen unserer Herrschaft durch die verschiedenen Zonen der Welt erweitert, auf daß fie Sorge tragen sollen, daß sein Name in Ewigkeit verherrlicht und der Glaube an das Evangelium auch unter die Heiden weit verbreitet werde." Deshalb, fuhr er fort, „möge der Orden des Landes Erwerbung kräftig betreiben;

dem Hochmeister und allen seinen Nachfolgern solle alle Gewalt über dasselbe zustehen, so weit es irgend ein Fürst des Reiches in seinem eignen Lande haben könne." Auch Papst Honorins III. erteilte dem kühnen Unternehmen seinen Konsens und 1229 30 brach der umsichtige Hermann Balke als „Verweser in Preußeu" nach Masovien auf. Die Burgen Vogelfang und Neffau auf dem westlichen Weichselufer bildeten die ersten Niederlassungen der wehrhaften Brüder, die, als der Papst das Kreuz gegen die heidnischen Preußen zu predigen erlaubte, mit Zuzug zahlreicher Kreuzfahrer den Kampf gegeu die tapfern und stolzen Eingeborenen aufnahmen. 1231 wurde die Burg Thorn auf dem rechten Weichfelnfer zur Beherrschung des Kulmer Laudes errichtet, schon 1232 wuchsen die Städte Thorn und Kulm empor: dem Ritter waren der deutsche Bürger und Bauer hochgemuten Sinnes gefolgt. Die Kulmer

„Standfeste" vou 1233 bildete die Grundlage der neuen deutschen Städteeinrichtungen auf fremdem Boden. Doch das zu Beginn freund­

liche Verhältnis zu Konrad von Mafovien trübte sich bald: das herrische Austreten der Ritter mochte den polnischen Herzog für seine eigne Macht fürchten lasten. Um gegen ihn eine feste Stütze zu haben, wandte sich der Orden an Papst Gregor IX., bei dem er dann auch den Rückhalt fand, den er fliehte.

Auf die Brüder vom Deutschen Hause fielen nun die Blicke der Liv-länder. Wenn man angenommen hat, daß in erster Reihe dem livländischen Orden die Verschmelzung mit dem Deutschen- oder Marienorden des-halb so verlockend erschienen sei, weil der letztere nicht in Abhängigkeit vom Bischof gestanden, eine Vereinigung für die Livläuder also eine

Abschüttelung der lästigen Fessel nach sich gezogen hätte, so ist diese Meinung deswegen unhaltbar, weil der Deutsche Orden anfangs in ganz ähnlicher Abhängigkeit vom Bischof Christian von Preußen, dem verdienstvollen Missionar aus dem Cistercieuserkloster Oliva, sich befand, wie die Ritter in Livland von Albert und dessen Nachfolger. Erst im Lauf mehrere Jahre trat, gewiß durch die Gefangennahme Christians, der in die Hand der Samländer fiel, unterstützt, eine für den Deutsch-orden günstigere, von demselben schon längst erstrebte Neugestaltung ein. Der kriegerische Ruhm, mit dem der Kampf gegen die Heiden die Ritter umgab, die Abwesenheit Christians, die Unkenntnis der ein-schlägigen preußischen Verhältnisse seitens der Kurie wirkten zusammen

— kurz in einer Bulle vom 3. August 1234 ergriff Papst Gregor IX., an den, wie oben erwähnt, der Orden sich gewandt hatte, feierlich Besitz vom Lande Preußen, das er für das Eigentum des Apostels Petrus erklärte, und gab es dem Orden als feinem Vafallen zu Lehen, mit dem Vorbehalt freilich, die kirchliche Einteilung und die Landesteile der Bischöfe später neu zu ordnen.

Erst von diesem Augenblicke an konnte diese Seite den Livländern als verheißungsvolle Znkuust vorschweben, ihre Versuche, mit den Brüdern in Preußen eine Vereinigung herbeizuführen, fallen znm mindesten aber schon drei Jahre früher, ins Jahr 1231, wenn nicht gar schon 1229, in Alberts Todesjahr, gleichzeitig mit dem Erscheinen der Brüder vom Deutschen Hause in Preußen. Wir wissen leider über diese ersten Versuche nur, daß sie keinen Erfolg hatten: dem Hochmeister, der bereits damals auf eine Abfchüttelnng der schwachen bischöflichen Obergewalt hinarbeitete, mußte das Eingehen eines Ver-hältnisses, wie das, welches die Livländer an Albert band, höchst un-gelegen sein. Und war der preußische Orden denn wirklich schon kräftig genug, um zur Behauptung Estlands es auf einen Krieg mit Dänemark ankommen zu lassen? Man wird es vollauf verstehen, wenn Hermann von Salza den livländifchen Abgesandten keinen festen Bescheid gab, sondern sie mit dem Trost entließ, er wolle sich mit dem Kapitel beraten.

Anders gestaltete sich die Lage nach jener Bulle vom August 1234. Je größer die Schwierigkeiten der livländischen Ritter wurden, um so mehr mußten sie von dem mächtig aufblühenden Orden in Preußen erwarten. Schon Ostern 1235 traf eine Abordnung des Deutfcheu Ordens, von Hermann geschickt, in Livland ein, um sich ein

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Bild der hiesigen Zustände zu machen: es waren Ehrenfried von Neuen-bürg, Komthur der Altenburg, und Arnold von Neuendorf, Komthnr von Nagelstädt; sie blieben ein ganzes Jahr im Lande, das sie gewiß gründlich besichtigt haben werden, und traten erst im Frühjahr 1236, geleitet von den drei einflußreichsten Schwertbrüdern, Raimund, Komthur von Wenden, Johann von Magdeburg und Johann Salinger, der fpäter im heiligen Lande als Ordensmarschall gestorben ist, die Heimreise an.

Für Eingeweihte konnte es nicht Wunder nehmen, daß der Be-richt über die Lage des livländischen Ordens wenig günstig lautete und ihm zügelloses Leben, Auflehnung gegen den Meister, harte Be-Handlung der Eingeborenen, Beschäftigung mit Kaufgeschäften, Auf-nähme von Elementen schlimmster Art, „die schon in Sachsen wegen Verbrechen gebannt worden waren", mit Recht zum Vorwurf machte.

Auch an Spaltungen fehlte es nicht: schon 1228 hatte ein Bruder Bruuo mit 15 Ordensbrüdern sich abgesondert und von Herzog Konrad von Masovien das Dobryner Land zu Lehen erhalten. Von Dauer war diese Neugründung freilich nicht: obgleich die Ritter sich 1235 mit dem Deutschorden förmlich vereinigten, fanden sie bald darauf wahrscheinlich beim Mongoleneinfall, ein frühes Ende.

Wen von den preußischen Rittern konnte es locken, mit solchen Männern Genossenschaft zu pflegen, zumal die Ritter tu Preußen da­

mals noch milde und schonend gegen die Preußeu verfuhren, fo daß der Chronist von ihnen direkt bezeugen kann: „Wie Väter und Brüder ritten die Ordensbrüder im Lande hin und her zu Vornehmen und Armen, pflegten willfährig und mitleidig arme und kranke Preußen in ihren Hofpitälern, versorgten Witwen und Waisen und schickten talent-volle Knaben und Jünglinge in die Schulen nach Deutschland, beson-ders uach Magdeburg — also daß um solcher Güte willen die Ordens-brüder auch von solchen Preußen, die noch abgöttisch waren, großes Lob empfingen". Da sah es in Livland leider weit schlimmer aus. Aus zwei Gründen vornehmlich forderte denn auch der Bericht Ehrenfried von Neuenbürgs die Ablehnung des livländifchen Gesuchs: zum ersten, weil die Livlünder ein Leben führten, das gegen die Ordensregel ver-stieß; zum andern weil sie die Bedingung stellten, daß man sie nicht aus ihrer Heimat in andere Ordenslande fortschicke, vielmehr ihnen Briefe hierüber und noch anderes ausstelle, worunter offenbar die Ga-rantie für den Besitz von Estland gegen Dänemark gemeint ist.

So gewichtig schienen dem Kapitel diese Mitteilungen, daß es — Hermann von Salza war zu Kaiser Friedrich nach Italien gereist und Ludwig vou Dettingen waltete seines Amtes — sich dahin einigte, den Livländern abermals eine abschlägige Antwort zu teil werden zu lassen. Da in letzter Stunde erhob sich ein jüngerer Bruder, Hermann von Heldrungen, derselbe, dessen Bericht wir hier folgen, und schlug, unterstützt von dem zweiten Berichterstatter, Arnold von Neuendorf, vor, man solle nichts thun, ohne den fernen Hochmeister zu befragen.

Alle stimmten zu und so rasch wie möglich reisten Ludwig von Oet-tingen, Ulrich von Dürne, Wichmann Komthur von Würzburg und Hermann von Heldrungen, von den Livländern aber Johann von Magdeburg zu Hermann von Salza, der in Wien weilte.

Der Hochmeister war williger als das Kapitel. Die Stellung im Preußenlande schien ihm eine Befestigung durch die Ausbreitung der Ordensherrschaft nach Südosten, Samogitien und Kurland besou-ders, zu verlangen, nur die Behauptung der estländischen, von den

Der Hochmeister war williger als das Kapitel. Die Stellung im Preußenlande schien ihm eine Befestigung durch die Ausbreitung der Ordensherrschaft nach Südosten, Samogitien und Kurland besou-ders, zu verlangen, nur die Behauptung der estländischen, von den

Im Dokument Wolter Plettenberg. (Seite 96-111)