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Der Orden gewinnt Estland

Im Dokument Wolter Plettenberg. (Seite 143-168)

Nachdem Eberhard von Munheim zwölf Jahre die nicht leichte Bürde eines livländischen Landmeisters getragen, war er, der am Schluß derselben auf glänzende Erfolge zurückblicken konnte, der ewigen An-spannnng müde. „Als er nun seine Tage viel Arbeit und Ungemach gelitten", schreibt der Chronist, „auch Alters halben schwach geworden, so sandte nicht lange hernach der Hochmeister in Preußen, Dietrich von Alteilburg, Visitierer, damit der Meister sollte nach Preußen zum Kapitel kommen. Da nahm dieser etliche Brüder zu sich, zog nach Preußen und bat sich des Amtes los. Wiewohl ihn nun der Hoch-meister des Amtes nicht gerne entließ, so wandte jener doch seine Un-vermögenheit ein und wurde des Amtes frei. Dann zog er nach Köln am Rheine und wurde Komtur zu St. Katharinen (des deutschen Ordens). Er war zwölf Jahre lang Meister zu Livland gewesen mit großem Ruhm und Lob."

Zu seinem Nachfolger hatte er selbst den Ordensbruder Burchard von Dreyeuleweu vorgeschlagen. „Dieser war," erzählt dieselbe Quelle,

„ein feiner Mann und stieg in kurzer Zeit also zu Ehren, daß jeder-mann das wunder uahm. Als Kind war er schon nach Livland ge-kommen, doch schon von Jugend auf richtete er all sein Leben von Lastern ab und trachtete dermaßen nach Tugend, daß er schon als junger Mann sehr gerühmt und gelobet ward. Deshalb sandte ihn der Meister nach Fellin, da war er vierzehn Tage lang, danach wurde er zu einem Kumpan des Komturs erhoben; kurz darauf ward das Schloß Windau ledig, zu dessen Komtur er gesetzt wurde. Hier richtete er sich allenthalben also, daß er von dort fort genommen und über das Hans Mitau gefetzt wurde." Hier hatte er oft Gelegenheit, den nach Semgallen einfallenden Litauern entgegenzutreten und sich

den Ruf eines wackeren Kämpen zu erwerben. Auf dem Kapitel zu Marienburg wurde der verdienstvolle Mann zum Meister von Livland erhoben, als welcher er dem Lande mit Ehren gedient hat: gehören doch die sechs Jahre seines Regiments zu den wichtigsten des livlän-bischen Mittelalters.

Noch bevor er ins Land gekommen war, erschien der Feind an der Grenze, mit dem er die Zeit seines Meisteramtes hindurch zu kämpfen haben sollte, die Pleskaner. Der Meister zögerte nicht, unter-stützt von einer Reihe tüchtiger Komture, namentlich Goswin vou Herike, der zu Fellin saß, dem Gegner die Stirn zu bieten und in zwei Feldzügen ihm den Respekt vor dem deutschen Namen einzuflößen.

Um gegen neue Einfälle aber bester geschützt zu sein, errichtete man aus vorgeschobenem Posten zwei mächtige Schlösser, die Marienburg, der vom Orden ein Komtur gesetzt wurde, und die Frauenburg, später Neuhansen genannt, die dem Bischof von Dorpat unterstand.

Kaum war hier an des Landes Marken Ordnung und Ruhe wieder eingekehrt, als eine furchtbare Gefahr zum Ausbruch kam, die den ganzen nördlichen Teil unserer Heimat aufs schlimmste bedrohte und den Beweis lieferte, daß die Grundlagen der deutschen Herrschaft doch nicht auf so sicherem Boden ruhten, wie man nach Verlauf von über anderthalb Jahrhunderten wohl hätte annehmen dürfen. Es ist schwer zu entscheiden, was mehr wunder nimmt: die List und Ver­

schlagenheit der Esten, denen es gelang über alle Gaue von Saccala und Ugaunien bis zum Gestade der finnischen See eine wohl organi-sierte Verschwörung auszubreiten, — oder die völlige Sorglosigkeit der Deutschen und der dänischen Vasallen, welche von dem verzweifelten

Vorhaben der Landbevölkerung keine Ahnung hatten.

Der große Estenausstand von 1343 bildet das äußerste Glied jener Kämpfe und Volksbewegungen, die seit dem Beginn des 14. Jahr­

hunderts den ganzen Westen Europas erschütterten1). So lange sie sich aus germanische Erde beschränkten, entbehrten sie berechtigter Ziele nicht, zu zügelloser Anarchie aber arteten sie aus, wo sie romanisches Volkstum ergriffen.

Von jenen Schlachten in den Schweizer Gebirgen, von Morgarten an, wo unter dm Morgensternen der Schweizer Bauern die Edlen

x) K . v . S c h l ö z e r . H a n s a . 1 . c . p a g . 1 0 6 f f .

Österreichs ihr Leben aushauchen, zieht sich die Erhebung an den Strand der Nordsee, zu den Ditmarschen, welche in grimmem Kampf den Grafen und Herren Holsteins gegenüber ihre alte Freiheit zu be-haupteil wissen. „Schon gährt es auch iu den blühendsten Handels-und Gewerbsgegenden des westlichen Handels-und südlichen Deutschlands. Der Handwerksmann will mit zu Rate sitzen, will, daß das Regiment in seiner Stadt nicht allein vom Großhändler und ritterbürtigen Bürger gehandhabt werde. Und wohl weiß er sich die gewünschte Anerkennung zu verschaffen, bald durch offenen Kampf, bald auf dem Weg gütlichen Vergleichs. Fast iu allen Städten des Rheingebiets, Oberschwabens und der Schweiz wird den Zünften Sitz und Stimme im Rate zu­

erkannt. Dann schreitet die Bewegung nach Flandern und Frankreich hinüber. In Gent und Brügge scharen sich die GeWerke der Wollen­

weber um ihren kühnen Führer Jakob von Artevelde und liefern in beiden Städten ihren Gegnern wiederholte Straßenkämpfe. In Bean-voisis, Valois, Brie, Soissons, Vermandois und andern Teilen des nördlichen Frankreichs ziehen die Bauern mit Messern und Knütteln versehen auf die adligen Schlösser, um die Ritter und Herren zu er-morden; an der Seine pflanzt Stephan Marcel, der Vorstand der Pariser Kaufmannschaft, die rotblaue Fahne der Revolution auf und in den Orgien der Jacquerie finden seine wilden Freiheitsträume ihren bln-tigen Ausdruck."

Wir irren nicht, wenn wir in dem furchtbaren Ausbruch der gegen den deutschen Herrn erbitterten Esten die letzten, wenn auch die schwächsten, Wellenschläge der demokratischen Unruhen erblicken. Noch einmal schien die ganze Herrschaft der Deutschen in Frage gestellt, noch ein-mal brachen, durch Bedrückung und rohe Übergriffe der Deutschen provoziert, alle lang zurückgedämmten Leidenschaften nationalen Fana-tismus über die Schranken und bedrohten die abendländische Fort-entwickelung unserer Heimat. Die Bedeutsamkeit der Erhebung, wie die wichtigen Folgen, die sie mit sich brachte, rechtfertigen es, wenn wir die einzelnen Ereignisse an der Hand der Chronik1) uns iu einer gewissen Ausführlichkeit vergegenwärtigen. Der Augenzeuge erzählt also: „Anno 1343 in der St. Jürgensnacht geschah ein großer Mord in Hamen, denn die Esten wollten eigene Könige haben und fingen

*) Bartholomaus Hoeuekes Livl. jüngere Reimchronik, erhalten in prosaischer Wiedergabe in Renners „Livländische Historien."

die Sache also an: Ans einer Höhe stand ein Haus, das wollten sie in der St. Jürgeusuacht in Brand stecken, alsdann wollten sie sogleich auf alle Deutschen fallen und sie umbringen mit Weib und Kindern.

Also deuu auch geschah; sie singen an tot zu schlagen Jungfrauen und Frauen, Knechte und Mägde, Edel und Unedel, Jung und Alt, alles, was von Deutschen da war, das mußte sterben. Zu Padis im Kloster schlugen sie 28 Mönche tobt und verbrannten das Kloster.

Dann brannten sie die Höfe aller Edellente ab, zogen das Land auf und nieder und ermordeten alle Deutschen, die sie in ihre Gewalt be-kamen. Danach koren sie vier estnische Bauern zu Königen, schmückten sie mit vergoldeten Sporen und bunten Mänteln und setzten ihnen Jungfernkronen, (so zu der Zeit im Gebrauch und vergoldet waren), welche sie geraubt hatten, aufs Haupt und banden ihnen vergüldete Gürtel um den Leib: das war ihre königliche Pracht. Was den Händen der Männer an Weibern und Kindern entkam, das schlugen die undeutschen Weiber tobt, brannten auch Kirchen unb Klausen nieber. Da bies geschehen war, zogen bie Könige mit ben Esten fort unb belagerten Reval mit 10000 Mann; bei schlugen sie Ritter. Sie besorgten aber, wenn sie nicht srembe Hilfe hätten, fo möchte ihr Re­

giment auf bie Dauer nicht bestehen. Derhalben sanbten sie an ben Vogt von Abo in Schweben (Schweben unb Dänemark lagen bamals im Kriege miteinanber) unb baten um Hilfe, inbem sie zugleich nielbeten, baß sie alle Deutschen in Hamen umgebracht hätten, barinit, baß sie von ihnen waren gepeinigt, gegeißelt, geplaget unb von ihrer großen schweren Arbeit bas trockene Brot nicht hätten. Das hätten bie Deutschen wiebernm entgelten müssen; so er ihnen nun guten Rat unb Beistanb mitteilen wollte, so wollten sie ihm auch nnterthänig sein.

Darum hätten sie sich auch an bie Belagerung von Reval gemacht, sie wollten es ihm überantworten ohne Schwertschlag. Der Vogt gelobete ihnen, er wolle in kurzem mit großem Volke bei ihnen seilt.

Also kanten bie Boten wiebernm mit Freuben vor Reval an unb brachten bie Zeitung, baß ber Vogt in Bälbe kommen werbe.

Kurz baraus schlugen auch bie in ber Wiek alle Deutschen tobt, bie sie ba fanben, gleich in Harriett geschehen war, zogen aus unb be­

lagerten Hapsal unb brachten in ber Wiek 1800 Menschen, jung unb alt, um. In bieser Not entfloh, wer fliehen konnte. Alf о kauten Männer, Weiber unb Kitiber bloß unb barfuß nach Wetßenstein gelaufen

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und vermeldeten dem Vogt diesen jämmerlichen Mord, der in Harrien geschehen war. So kamen auch weiter Briefe aus der Wiek des gleichen Inhalts. Das schrieb der Vogt eilends an den Herrmeister."

Bnrchard von Dreyenlewen, der eben erst einen Feldzug gegen Pleskan mit kraftvoller Haud geleitet und hierbei das widerstrebende Stift Dorpat gezwungen hatte Heeresfolge zu leisten, wurde durch die Kunde von dem Harrisch-Wiekschen Aufruhr, der bereits das Ordens-gebiet und jedenfalls die livländischen Staatswesen in Mitleidenschaft zog, zu energischem Handeln bewogen1). Zögerte er, so mochte die Bauernbewegung auch Livlaud selbst höchst gefährlich werden, griff er rafch zu, so beschwor er nicht nur diese Gefahr, sondern bahnte sich auch als Retter den Weg nach dem dänischen Herzogtum Estland, wo die dänische Regiernngsgewalt, seit langem bereits arg geschwächt und den Vasallen gegenüber ohnmächtig, bei der Katastrophe dieses Jahres ihr Unvermögen mit eigenen Kräften Ordnung zu schaffen, eklatant erwiesen hatte.

In Dänemark selbst war man sich über die Schwäche der Posi-tion längst nicht mehr im Unklaren und hatte, zumal vom mächtigen Reich Waldemars II. infolge inneren Haders wenig übrig geblieben, bereits mehrmals den Versuch gemacht, durch Abtretung des entfernt liegenden, schwerer zu behauptenden Besitzes eine Konsolidierung der Verhältnisse daheim zu erreichen. Doch waren alle diese Bemühungen bisher an der Opposition der estländischen Vasallen, deren Stärke und Freiheit ja gerade auf der lokalen Entfernung von Dänemark beruhte und deueu eine starke, nähere Obergewalt ein Schrecken war, gescheitert.

Erst als Waldemar IV. Atterdag, ein kraftvoller und thatenfroher Herrscher, Dänemarks Thron bestieg, nahmen die Pläne auf Eut-äußeruug Estlands wieder festere Gestalt an. Bereits 1333 hatte dessen ältester Bruder Otto mit Waldemars Einwilligung feinem Schwager Ludwig vou Brandenburg als Mitgift feiner Schwester Margarethe das Herzogtum Estland als eigen übertragen. Darüber war es in Estland zu heller Empörung der Vasallen gekommen, der dänische Statthalter hatte sich nicht behaupten können und seine Schlösser dem Orden zur Verwahrung eingeräumt, während die Va-sallen ihre Augen nach Schweden gewandt hatten.

l) cf. Axel von Gernet. Forschungen zur Geschichte des baltischen Adels I.

Reval 1893. Verlag von Fr. Kluge, pag. 14—51.

Der deutsche Orden, dem der Besitz Estlands zur Abrundnng seines Besitzes von hohem Wert sein mußte, glaubte die Gelegenheit günstig, um mit Kaufpropositionen hervorzutreten, die in Kopenhagen williges Gehör fanden. Bereits 1341 im Mai war man soweit handelseinig, daß ein Entwurf ausgearbeitet wurde, laut dem für 13000 Mark reinen Silbers Harrien, Wierland, Allentaken, Reval, Wefenberg und Narwa in die Hand des Ordens übergehen sollten.

Der „Harrische Mord" hatte diesen Plänen vorläufig ein Ende ge-macht. Sollte die Not der dänischen Regierung dem entfesselten Esten-Volk gegenüber ihnen nicht einen glücklichen Abschluß verheißen? Der Meister hat daraus gerechnet und danach gehandelt. Am 4. Mai stand er mit seinen Mannen schon in Weißenstein.

„Der Meister," so erzählt unser Gewährsmann weiter, „sandte also-bald einen Ordensbruder, der die Sprache verstand, zu den Esten und ließ ihnen entbieten, daß ihm der große Mord, den sie begangen hätten, zu Wissen gethan wäre. Nun wollte er des Sonntags nach dem hl. Kreuztage nach Weißenstein kommen, dahin sollten sie ihre Botschaft schicken. Er wolle vernehmen, was sie für Ursache zu diesem Abfall hätten uud, wo die Schuld bei den Deutschen gewesen wäre so wollte er Fleiß anwenden, daß alle Sachen wiederum gut werden, follten. Das gefiel den Esten wohl, denn sie konnten wohl gedenken, daß sie dem Krieg in die Länge gegen den Meister nicht Stand halten könnten. Der Meister kam nach Weißenstein nnd gebot den Seinen, daß sie alle Heeresfolge leisten sollten, auch die aus dem Stifte Riga.

— — Dahin kamen auch Bruder Goswiu von Henke, Komtur von Fellin, die Komture von Riga, Jerwen und andere Gebietiger und große Herren im Orden. Dahin kam auch der Bischof von Reval und der Esten vier Könige mit dreien Knechten.

Also fragte der Meister die vier Könige, warum sie doch die Deutschen, jung und alt, so jämmerlich gemordet und totgeschlagen hätten. Daraus antwortete ihrer einer, man hätte sie so lange ge-martert und geschlagen, daß sie das nicht länger dulden konnten.

Fragte darauf der Meister wiederum, warum sie die armen Mönche in Padis totgeschlagen hätten? Die Könige antworteten, sie hätten Schuld genug gehabt, und wäre noch ein Deutscher vorhanden, auch nur eine Elle lang, er sollte auch sterben. Aber so er, der Meister, sie als Unterthanen annehmen wolle, so wollten sie ihm gehorsam

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sein, sonst wollten sie aber keine Junker über sich zu Herren haben.

Der Meister erwiderte, dies wolle ihm nicht gebühren, daß er solche Mörder ungestraft lasse, die eine solche That begangen, dergleichen von Anbeginn der Welt an nicht erhöret wäre. Sie sollten aber so lange frei und willig hier bleiben, bis er mit Liebe wieder käme und sich an den Esten gerächt habe.

Als die Könige diese Worte hörten, wurden sie zoruig und be­

gehrten, man solle sie zu ihrem Heer ziehen und ihr Heil versuchen lassen. Auch sprachen sie heimlich, sie wollten auch alle diese Herren totschlagen, das würde ihnen großen Ruhm einbringe». Als der Meister sie gehört hatte, ging er fort uud befahl dem Vogt vou Jerwen, er solle diese Gäste wohl Pflegen. Dies geschah in der Laube zu Weißen­

stein. Einer der Esten aber wollte den Vogt ermorden. Das wurde jedoch des Vogtes Junge gewahr und fpraug vor seinen Herrn, wurde aber tief in der Brust und zweimal im Arm verwundet. Da setzten sich die Herren znr Wehre und hieben alle die Esten, Könige und Knechte, in Stücke." Keine Frage — nicht eben ritterlich war dem Feinde mitgespielt worden! Ein arger Treubruch verdunkelt hier das

Andenken des sonst wackern Mannes.

Der Meister zog, nachdem dem Aufstande durch die Nieder-metzeluug der Führer ein schwerer Schlag zugefügt worden war, aus Reval zu, sammelte seine Streitkräfte in einem Dorfe Kimmole nnd vernichtete eine in einen Snmpf geflüchtete Estenschaar von 1600 Mann, um hierauf den Entsatz Revals selbst zu wagen.

„Als er ans einen Mittwoch der Stadt bis ans eine Meile nahe gekommen war, berief er die Seinen zu einem Rat uud fprach, das große Moor, das sich eine Meile laug erstrecke, wäre nicht ohne Ge­

fahr. Wenn der Feind dies große Heer fähe, so würde er gewiß verbuchen, sich in dasselbe zurückzuziehen. Sein Rat wäre daher, daß zwei Banner voraus gesandt würden, um sie aufzuhalten, damit sie nicht in das Moor entkämen. Dies gefiel allen wohl und sie er-wählten dazu den Vogt von Wenden und den von Treiben, die denn auch dahin zogen. Allda sprach der Vogt von Wenden die Esten an, der Meister hätte sie abgesandt zu fragen, ob sie sich bedacht hätten, ihre Wehre von sich zn legen und sich zu ergeben. Wenn solches ge-schehe, so sollten sie zn Gnaden angenommen werden, jedoch also, daß die Anstifter des Mordes ausgeliefert werden müßten. Darauf gingen

die Esten ein. Als nun mittlerweile das große Heer nachfolgte, ritt der Vogt zum Meister und sagte ihm an, was er ausgerichtet hätte und daß sich die Esten ohne Schwertschlag ergeben wollten. Darauf ließ der Meister das ganze Heer zusammen kommen, theilte ihnen alles mit und fragte nach ihrem Willen. Da waren alle dagegen und sagten, die Esten hätten ihre Freunde und Verwandten tot geschlagen, das wollten sie rächen und diese Mörder nicht zn Gnaden auf-genommen haben. Alfo ward der Vogt wieder zu beu Esten gesandt und ihnen die Gnade abgesagt und sie mußten sich wehren. Sofort nahmen die Esten die Flucht mich dem vorgedachten Moor, aber es half ihnen nicht viel, denn ihrer wurden 3000 in kurzer Zeit erschlagen dagegen blieb nur ein junger Ordensherr tot. Da der Kampf zu Ende war, kam viel Volk aus der Stadt Reval, die Todten zu besehen;

unter demselben war ein Bürger, der kam auch unter die Toteu, da fuhr ein Este auf, der nackend und bloß dalag, und hätte den Bürger schier umgebracht, das wurde ein Ritter gewahr, kam gerannt und erschlug den Esten vollends. Danach schlag der Meister sein Zelt auf dem Feld bei dem Schloß." So endete am 14. Mai die Schlacht vor Reval.

In seinem Zelt empfing Bnrchard von Dreyenlewen den dänischen Vizekapitanens (stellvertretenden Hauptmann) Bertram Parembek und die Vasallen, die ihm warmen Dank für die Beihilfe aussprachen.

Doch die Gesahr war keineswegs vorüber, vielmehr erfuhr man, daß der Vogt von Abo in fünf Tagen auf der Rhede eintreffen werde, um die schwedischen Ansprüche durchzusetzen. Diese Nachricht be-schlenuigte das notwendig Gewordene. Bereits am 16. Mai erklärten die Vasallen, daß, da sie zn schwach seien, das Land mit eignen Kräften zu retten und zu schützen, sie deu Ordensmeister zu ihrem und ihres Landes Schntzherrn und Hauptmann erkoren hätten und ihm die Schlösser Reval und Wesenberg nebst Gebiet und Zubehör zur Be-wachung für die Krone Dänemark unter der Bedingung übergeben wollten, daß dieselben ihnen, sobald sie einmütiglich zurückverlangt würden, gegen Erstattung der aufgewandten Kosten wieder ausgeliefert werden sollten. Die durch den Aufstand weggefegte schwache dänische Regierung wird in der Urkunde als selbsthandelnde Macht ebenso wenig erwähnt, wie die Stadt Reval, die vielleicht einen besonderen Vergleich abgeschlossen hat, vielleicht überhaupt nicht mit der Ritterschaft eines Sinnes gewesen ist.

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Der Meister willigte in das Verlangen der Estländer. Nach-dem er das Schloß Reval in Besitz genommen und den von ihnen ausdrücklich erbetenen Komtur von Fellin, Goswin von Herike, zum Statthalter oder Kapitanens eingesetzt hatte, brach er zum Entsatz von Hapsal auf.

Zwei Tage später, am 19. Mai, segelten die Schweden heran.

Goswin von Herikes Stellung verlangte äußersten Takt, doch er war der rechte Mann auf seinem Posten. Scheinbar ohne sein Zuthun, in Wirklichkeit sicherlich gerade durch seiue Vermitteluug kam sehr bald eiu Waffenstillstand zustande, aus dem später ein definitiver Friede wurde. Die Vögte von Abo und Wiborg fuhren heimwärts, das

Goswin von Herikes Stellung verlangte äußersten Takt, doch er war der rechte Mann auf seinem Posten. Scheinbar ohne sein Zuthun, in Wirklichkeit sicherlich gerade durch seiue Vermitteluug kam sehr bald eiu Waffenstillstand zustande, aus dem später ein definitiver Friede wurde. Die Vögte von Abo und Wiborg fuhren heimwärts, das

Im Dokument Wolter Plettenberg. (Seite 143-168)