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Staatliche und soziale Ausgestaltung")

Im Dokument Wolter Plettenberg. (Seite 168-200)

Ein doppelter Dualismus läßt sich iu Livlands Geschichte von den ersten Anfängen an erkennen: Kaisertum und Papsttum stehen in ihrem unversöhnlichen Widerstreit an der Wiege der Kolonie, der Gegen-fatz zwischen den Prälaten und dem Orden beherrscht die ganze mittel-alterliche Geschichte unserer Heimat. Während aber in Livland selbst der Streit um die Hegemonie zu guusteu des Ritterordens endete, hat das Band, das das Ostseeland mit dem Papst verknüpfte, bis in die Tage der Reformation hinein sich als weit fester erwiesen, denn die lockere Verbindung mit dem Deutschen Reich. Wie hätte es auch anders sein können? Denn wenn es auch deu staatsrechtlichen Grundsätzen des Mittelalters entsprach, daß alle von Angehörigen des Deutschen Reichs ausgehenden Erwerbungen und staatlichen Neuschöpfungen als Glieder des Reichs betrachtet wurden, fo läßt es sich nicht verkennen, daß an der Gründung und Ausgestaltung Livlands weit mehr das aufstrebende Papsttum eines Jnnocenz III. als die unter deu letzten Staufern niedergehende Kaisermacht beteiligt gewesen ist. So war denn, wie wir das früher schon im einzelnen ausgeführt haben, eine

Doppel-*) Nach dem Erscheinen der beiden trefflichen Arbeiten von A. von Gernet:

„Die Anfänge der livländischen Ritterschaften" (auch Forschungen II) und

„Verfassungsgeschichte des Bistums Dorpat bis zur Ausbildung der Land stände" — beide Reval bei F. Kluge — ist dieses Kapitel wesentlich um-gearbeitet und erweitert worden.

Seraphim, Geschichte I. 11

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Herrschaft begründet worden, die den Streitruf „Hie Kaiser, hie Papst!"

auch uach deu Gestaden der Düna trug. Zwar hat man in Livland die Zugehörigkeit zum Reich, dessen Mark das Land war und dessen Reichsfürsten die Prälaten von Riga, Dorpat und Oesel waren, nie vergessen, aber viel bekümmert hat man sich hüben und drüben nie um einander. Auf den Reichstagen haben sich die livländischen Landes-Herren das ganze Mittelalter hindurch nicht blicken lassen und die Kaiserliche Investitur haben die Prälaten, seitdem Papst Gregor IX.

1236 sie verboten, sich bis ins 15. Jahrhundert nicht geholt. Erst als der Orden die bischöfliche Oberhoheit zu gefährden drohte, schien man sich überhaupt dessen zu erinnern, daß es einen Kaiser gab. Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts begannen die Prälaten in der An-lehnung an das Reich ihren Vorteil zu finden — sie suchten und er-hielten hier Bestätigung ihrer mannigfachen Rechte und Privilegien, ja im zweiten Viertel des fünfzehnten Jahrhunderts haben die drei liv-ländischen Bistümer Riga (1426), Dorpat (1415) und Oesel (1429) die seit 200 Jahren versäumte Reichsbelehnuug erbeten. Ausdrücklich haben Kaiser Sigismund und Kaiser Friedrich III. durch Erteilung von Investitur und Belehnung mit den Regalien die Stifter als Glieder des Reichs bezeichnet. Als dann Kaiser Karl V. 1530 den Ordens­

meister Wolter von Plettenberg als Reichsfürst anerkannte und dieser des Reiches Tage besandte, haben auch der Erzbischof und die Bischöfe die Konsequenzen ihrer Reichsstandschaft gezogen und sind auf den Reichsversammlungen erschienen. —

In Livland selbst trugen die Landesherren sämtlich einen geist-lichen Charakter, denn auch der Ritterorden war keine eigentlich Welt-liehe Genossenschaft. Doch das Schwert, das er führte, ließ den nr-fprüuglicheu Zweck bald zurücktreten, die Idee der Herrschaft trat an die erste Stelle und rechtfertigt es, wenn man den Gegensatz zwischen Orden und Prälaten in gleichem Lichte auffaßt, wie den zwischen Kaiser und Papst.

Bei allem Widerstreit der Parteien, die lange Zeit hindurch kein staatsrechtliches Band zusammenfaßte, haben mannigfache ideelle und materielle Momente doch die Landesherren Livlands zu einem Ganzen verknüpft, drohende Gefahr von außen sie zu Schutzbünd-uisseu und Einigungen geführt. Von jenem Schutzbündnis an, das nach der Niederlage auf dem Peipuseife zu Riga am 1. Oktober

war aber auch notwendig, sollte nicht der bunte Mikrokosmos lio-ländischen Lebens aus Mangel zentralisierender Momente elendiglich verkommen!

Wie eigenartig war gleich das Bild, das die Bistümer in jeglicher Hinsicht boten! Bei ihrer Gründung waren sie sämtlich direkt dem Papst unterstellt worden, wenngleich dem Bischof von Riga bei der Entfernung Livlands von Rom gewisse Metropolitanrechte eingeräumt worden tonrat. Sehr früh wurde Albert vor allem das Recht zur Errichtung vou Bistümern in Livland zugestanden, bereit Häupter, so­

lange feilte Domkapitel bestanden, ihm gleicher Weise unterstehen mußten.

Auch das Recht als zweite Instanz in geistlichen Prozessen und Unter-suchungen zn gelten, wurde dem Bischof von Riga abgetreten, fo daß dem Papst anfänglich wenigstens wenig mehr als die Beaufsichtigung durch Legaten übrig blieb. Die Erhebung Rigas zum Erzbistum hat (tu diesen Verhältnissen kaum etwas geändert, das Übergewicht des Erz-bischofs, das er durch die Konfirmation und die Konsekration (Weihe)

der Bischöfe seiner Diözese — der Snfsragane — ausübte, bezeichnete seilt Übergewicht im hierarchischen System.

Man würde sich irren, wollte man annehmen, daß die Bischöfe und der Erzbifchof innerhalb der Stifte völlig frei schalten und walten konnten. Sie waren vielmehr auf das äußerste beschränkt ntib würben im Laufe der geschichtlichen Entwicklung immer mehr einge­

engt. In der Verwaltung seiner Diözese stand dem Bischof fein Dom-kapitel zur Seite, d. h. das Kollegium der an der Hauptkirche amtie­

renden Geistlichen, die als Vertreter des Klerus der ganzen Diözese galten. Vielfach waren es dreizehn Geistliche — der Propst, ber Dekan, ber Scholastikas, ber Schatzmeister, ber Kantor nnb acht Domherren —, die das Kapitel bildeten und die als Beirat in geistlichen, und da der Bischof auch Landesherr wurde, in weltlichen Dingen bedeutenden Ein-fluß ausübten. Mit dem Aufblühen des Adels, der Vafallengefchlechter, wovon weiter unten die Rede fein wird, erlangte die Forderung adliger Geburt refp. der der adligen Geburt gleichgesetzten Erlangung akademi-scher Grade zur Aufnahme in das Kapitel allgemeine Geltung. Wir können das im Stift Dorpat wohl verfolgen. Im 14. Jahrhundert nehmen hauptsächlich Patriziersöhne aus Reval, Dorpat, Riga und

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Lübeck die Kapitelstellen ein, nur vereinzelt tritt uns Engelbert von Dolen 1323 als Glied eines livländischen Vasallengeschlechts entgegen, dann wird die Zahl in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts stärker, bis im 15. Jahrhundert uns die Wrangel, Ropp, Uexküll, Kruse, Loewenwolde n. a. in großen Mengen begegnen. Das Hin-drängen zu den Stellen erklärt sich, abgesehen von dem Bestreben der Vasallengeschlechter Einfluß auf die Leitung des Stifts zu gewinnen, vor allem durch deu reicheu Kapitelbesitz, deren Einkünfte, die Präbende, verlockend genug erscheinen mochten. Ursprünglich wurden die Glieder des Domkapitels meist vom Bischof ernannt, doch fehr bald gewann es selbst Einfluß auf die Aufnahme neuer Genossen. Mit der znneh-menden Verweltlichung des Klerus und dem Überwiegen von Staats-geschäften traten die Pflichten religiöser Art immer mehr zurück, die Pflicht des Ehordieustes beschränkte sich auf die hohen Festtage, die Residenzpflicht wurde zu guusteu des bequemen Lebens auf den ein-träglichen Kapitelgütern vergessen. Was man nicht vergaß, das waren die Rechte dem Bischof gegenüber. Auch bei unwesentlichen Dingen wachte man darüber, daß dieser den Rat der Domherren einholte; bei allen wichtigen Fragen war er an die formelle Einwilligung, den Kon-sensns, gebunden. Bedeutsamen Einfluß übte das Kapitel natürlich bei der Wahl der Bischöfe aus, die ihnen seit Beginn des 13. Jahr­

hunderts allein zustand. Höchst schädlich griff nun in diese Entwick-lnng die Kurie ein, die sich durch alle Arten von Reservatrechten ins-besondere vom 14. Jahrhundert an die entscheidende Stimme bei den Wahlen der Bischöfe und der Besetzung der Domherrnstellen zu ver-schaffen wußte. So oft im 14. Jahrhundert die Kapitel bei Va-kauzeu ihr Wahlrecht geltend zu machen suchten, griffen die Päpste stets ein und kassierten die Wahl und, wenn sie dann auch nachträglich den Kandidaten des Kapitels von sich aus zum Bischos ernennen mochten, so war im Prinzip das Ernennungsrecht der Kurie doch gewahrt. Die Versuche der Konzilien von Konstanz und Basel den Päpsten die Macht ans der Hand zu winden hatten sowohl in Westeuropa wie in Liv-land gar keinen oder höchstens vorübergehenden Erfolg. Erst mit der Ausbildung der Vasallen zu einer landständischen Ritterschaft gelangte deren gewichtige Stimme bei den Wahlen zu entscheidender Geltung.

Sogenannte Wahlkapitulationen, die der Bischof mit den Ständen vor­

der Wahl abschließen mußte, sicherten von der zweiten Hälfte des

15. Jahrhunderts diesen großen Einfluß; die um jene Zeit üblich werdende Erhebung von Coadjntoren, d. h. präsumtiven Nachfolgern bei Lebzeiten des Bischofs, verminderte das Wahlrecht des Kapitels und gab den Vasallen Gelegenheit ihre Zustimmung an neue Privi-legten zu knüpfen, bis schließlich im 16. Jahrhundert in Livland das Wahlrecht der Domherreu durch sämtliche übrige Stände einge-schränkt ist.

Jene Zeit aber, in der es den Päpsten gelang auf die Besetzung der livländischen Bistümer entscheidend einzuwirken, mußte für das gauze Land, wie für das Ansehen und die Stellung der Prälaten im Lande von verhängnisvoller Bedeutung seiu. Ist schon jede Abhängig­

keit von einer Gewalt, die weit entfernt und ohne das nötige Ver-ständnis für die vitalen Bedingungen des Landes ist, für dieses ein Unglück, so mußte die Abhängigkeit vollends unerträglich werden, da es eilte so elende und käufliche Macht, wie sie das Papsttum in Avig-nott Und während der daraus folgenden Kirchenspaltung dargestellt, war, au die man gefeffelt worden. Die Erzbischöfe und Bifchöfe zweier Jahrhunderte waren daher meist Kreaturen der Päpste, ohne Herz für das Land, in das sie gesandt wurden und dem den Rücken so schnell wie möglich zn wenden ihr lebhaftestes Bestreben war. Hat doch das Erzstist von 1300—1509 nur eilten einzigen, das Stift Dorpat von 1342—1440 und das Bistum Oesel von 1322—1469 wahrscheinlich nur je eilten erwählten Bischof gehabt, alle andern erhielten Würde und Weisung vom verruchten und entweihten päpstlichen Stuhl und haben, wie neuerdings ohne Übertreibung gesagt worden ist, „als Ver­

treter kurialer Politik nicht selten die Entwicklung der Kolonie geradezu ins Stocken gebracht." Es wäre schlimm, ja aussichtslos um Livlaud bestellt gewesen, wenn der heimatlosen und selbstsüchtigen Politik der Prälaten nicht eilt starkes Gegengewicht gegenüber gestanden hätte — der Orden und neben ihm die von wahrem Interesse für das Land durchdrungenen Vasallen, deren aufstrebende Entwicklung, wie später gezeigt werden wird, durch das Gebahreu der Bischöfe wirksamst, wenn auch wahrlich wider Willen, unterstützt worden ist. —

Neben deu Bistümern haben die Klöster, politisch betrachtet, nur eine geringe Rolle gespielt. Das livländische Klosterwesen ist noch wenig erforscht, selbst die Zahl der Klöster anzugeben siud wir nicht imstande. Abgesehen von den städtischen Klöstern der Dominikaner,

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-Franziskaner nnd Cistereieuserinuen gab es auf dem flachen Lande in Livland nur zwei Abteien des Cistercienferordens: Düuamünde, das später (1305) nach Padis in Estland verlegt wurde, und Falkeuau am Embach1), deren Gründung wohl in das Jahr 1233 fällt. Eigen­

tümlich ist dem Cistereienserorden die militärische Organisation, welche alle Tochterklöster auf das engste mit dem Stammkloster sowohl wie miteinander verband und in einer jährlichen Visitation durch den Vater-abt wie in dem in Eiteanx abgehaltenen Generalkapitel, zu dem sämt-liche Äbte zu erscheinen hatten, zum Ausdruck kam. Nur Falkeuau (und wohl auch Padis) waren insofern günstiger gestellt, als die Äbte der weiten Reise wegen nur alle 7 Jahre nach Eiteanx zu kommen brauchten.

Der Cistereieuserordeu war überall direkt dem Papst unterstellt, die Abhängigkeit von dem Diöcesanbischof war daher nur sehr lose.

Auch dem Bischof als Landesherrn gegenüber war der Orden exemt, die Klöster als solche zn keinen Leistungen verpflichtet, mithin extern-torial. Diese Vergünstigungen bezogen sich jedoch nicht ans den reichen Grundbesitz, über den Falkenan wie Padis verfügten und der dnrch Schenkung, Kauf und Tausch vergrößert und abgerundet wurde.

Diese Besitzungen waren dem Bischof als Diöeefan wie Landesherren unterworfen, wenngleich der Abt in ihnen durch einen Vogt — einen Geistlichen — die grundherrliche Gerichtsbarkeit ausübte. Auf den livländifchen Landtagen find wenigstens bis gegen Ende des 15. Jahr­

hunderts die Klöster nicht vertreten gewesen, wohl aber läßt sich eine Teilnahme von Falkenan an den Sonderverhandlungen der Dorpater Stände nachweisen.

Die Klöster in den Städten haben politisch nie etwas zn sagen gehabt. Sie waren wohl meist in den Händen der Bettelmönche, die um die Mitte des 13. Jahrh. in Livland erschienen und dnrch ihren Einfluß auf die bürgerliche Gesellschaft als Scholasteu und Beichtiger von sozialer und religiöser Bedeutung wurden. Die Franziskaner-und Dominikanerbrüder entrissen den Eisterciensern das diesen eigentlich

fremde Arbeitsfeld der Mission und Predigt und gaben den Anlaß, daß diese „sich wieder ihren ursprünglichen Aufgaben zuwandten und

K. von Löwis of Menar. Livland im Mittelalter. Eine kartogra­

phische Darstellung. Franz Kluge, Reval 1895. pag. 26.

als rationelle Landwirte den Ruhm hervorragender Kulturträger erraugen." Die lateinischen Namen mancher Kulturpflanzen siud aus deu Klostergärten ins Volk gekommen und noch heute deu Esten erhalten. Daß man die gelehrten Studien darüber nicht vernach-lässigte, daß vielmehr „die mächtigen Wellen, welche die Kämpfe der neuen Ideen aus dem 11. Jahrhundert namentlich in Frankreich schlugen und alle umliegenden Länder überfluteten, direkt bis zu uns gereicht haben," und die Männer, die hier bei uns christlichen Glanben und Gesittung verbreiteten, „auf der Höhe der Bildung ihrer Zeit standen und umsichtig Sorge trugen, um sich selbst vor geistiger Stagnation zu bewahren, ihre Klöster mit all dem geistigen Nüst-zeug auszustatten, welches die alten Kultursitze des christlichen Oeei-dents ihnen zu liefern vermochten," — das hat erst vor wenigen Jahren an der Hand einer Anzahl von Handschriften und Fragmenten, die wohl aus der Bücherei des Klosters Padis stammen, ein Berufener erwiesen.1) Mauritius von Reval, der Rektor des Dominikanerklosters zu Reval war wohl der bedeutendste Gelehrte Livlands im 13. Jahr-hnndert und hatte unter dem berühmten Albertus Magnus in Köln, dann in Paris studiert und stieg zu hohem scholastischem Ansehen aus.

— Der große Widersacher der Prälaten war der Ordens. Die Formen, die der Schwertbrüderorden in der kurzen Zeit seines Be­

stehens ausgebildet hatte, wurden vom Deutschen Orden, als er nach Livland kam, im wesentlichen beibehalten und im Lanfe der Zeit , , ausgestaltet. Als Hermann von Salza die Aufnahme des Restes des Schwertbrüderordens iu den Deutschorden bewirkte, mußte es darauf ankommen das Verhältnis des neugewonnenen Landes zum Hochmeister und dem damals noch im hl. Lande weilenden Orden zu regeln.

Offenbar hat er bereits, wenn er auch zur Ausgleichung der zer­

fahrenen Zustände des halbverlorenen Gebiets dasselbe durch Hermann Balke verwalten ließ, die Absicht gehabt, Livland als besondere Ordens-Provinz zu organisieren, gleich den Kommendureien Armenien, Ro-rnänieu, Sieilien, Apnlien, „von Deutschen landen," von Österreich, Preußen und Hispanien. Von diesem Gesichtspunkte aus ordneten er

!) Dr. Fr. Köhler. Estländische Klosterlektüre. Reval 1892.

2) Ph. Schwartz. Uber die Wahlen der livl. Ordensmeister. M. z. 1. Gr. XIII.

und Dr. Ernst Dragendorfs. Über die Beamten des Deutschen Ordens in Liv-land während des 13. Jahrh. (Berliner Dissertation 1894).

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-und seine Nachfolger die Regierung -und Verwaltung -und setzten Liv-land einen besonderen Ordensmeister vor, der natürlich dem Hoch-meister unterstellt blieb, wie denn diesem überhaupt ein bedeutsamer Eiusluß gewahrt blieb. Nicht nur stand ihm mit Zustimmung des Generalkapitels das Recht zu Livland mit Preußen zeitweilig zusammen zu verwalten, was anch einige Mal geschehen ist, sondern er hatte bei der Wahl des livländischen Meisters eine erhebliche Stimme und konnte vor allem durch sein Visitationsrecht in der Theorie wenigstens zu jeder Zeit die livländischen Angelegenheiten vor sein Forum ziehen.

In Person freilich scheinen die Hochmeister nur selteu die Visitations­

reisen unternommen zu haben, — wir wissen wenigstens im 13. Jahr­

hundert nur von einem einzigen derartigen Fall — wohl aber bediente er sich in all den Fällen, wo außerordentliche Umstände sein Ein-greisen nötig machten, vor allem wohl bei Meistervakanzen, der Vizehochmeister. Diese wurden in der Regel znr Untersuchung be-stimmtet Vorfälle, also in Spezialmission, abgesandt, während die namentlich im 14. Jahrhundert mehrfach erwähnten Visitationsge­

sandtschaften vielleicht einen allgemeineren Charakter trugen. Schließ-lieh sei noch hervorgehoben, daß allein dem Hochmeister das Recht der Aufnahme neuer Brüder zustand.

Immerhin muß als das eigentliche Haupt des Ordens in Liv-land der Provinzialmeister oder Landmeister gelten. Nicht gleich bürgerte sich für denselben eine feste, gleichmäßig gebrauchte Bezeich-itung ein intd wenn er in der Anrede wohl auch meist „Herr Meister"

bezeichnet wurde, so stoßen wir in Urkunden und sonstigen schriftlichen Zeugnissen auf die verschiedenartigsten Titel: das lateinische „prae-ceptor" wechselt mit „magister" oder gar „commmendator", das deutsche „Meister" mit „Landeskommendnr" oder „Gebieter von Liv-land." Gewählt wurden die livländischen Meister bis zum Begiuu des 15. Jahrhunderts fast ausnahmslos auf dem Ordenskapitel der Marienburg, alfo in Preußen, unter Vorsitz des Hochmeisters, bis beim Niedergange des Ordens in Preußen, seit 1413 die Wahl iu Livlaud selbst vorgenommen wurde, wobei (wenigstens seit 1424) zwei Kandidaten er­

koren mit) dem Hochmeister zur Bestätigung vorgestellt wurden (1470).

Iu der Blütezeit des Deutschen Ordens aber wurde der Wahl-oft in Preußen vollzogen. Der Hochmeister versammelte dann das große Kapitel. Im Remter treten die Brüder zusammen, der Hoch­

ine ister eröffnet die Sitzung mit einer Ansprache und schlägt einen Kandidaten vor, ihn zugleich auffordernd den Saal zu verlassen.

Hierauf schreiten die Bruder zur Wahl, durch Zuruf oder Stimm-abgäbe erküren sie den neuen Meister. Abermals öffnet sich die Thür mid der Erwählte erscheint inmitten der Brüder, um aus des Hoch-meisters Haud, trotz des scheinbaren Sträubens, wie es jener Zeit nun einmal eigen war, das Siegel als Symbol seiner neuen Gewalt zu empfangen. Der Erkoreue läßt alsbald Botschaft nach Livlaud ab-gehen und rüstet sein Gefolge zum Aufbruch. Weuige Wochen ab-gehen ins Land, da zieht ein Fähnlein gepanzerter Ritter — gar tüchtige Herren hatte der Hochmeister dazu erlesen, — durch Schamaitens Wälder über Kurland nach Riga, an ihrer Spitze der neue Herr des Laudes:

scharf spähen ihre Augen in das Waldesdickicht, fest liegt die Haud am Schwert. Der Komtur von Goldingen, der erste unter den Ge-bietigern Kurlands, holt den kriegerischen Zug festlich ein, als derselbe sich seiner Feste nähert, doch immer weiter geht es auf Riga zu, dessen Ordenshaus im 13. Jahrhundert, ehe Wenden des Meisters Residenz wurde, als der „Hauptstuhl" desselben angesehen wurde.

Auch iu der Stadt wurde das Herannahen des neuen Meisters mit Ungeduld erwartet: auf dem Blachfelde vor den Mauern, dem „Sand", harrten die eutgegengezogeueu Ritter, die Kreuzfahrer und die ange-seheusteu Bürger der Kommenden. — Da — ein langschmetternder Trompetenruf! sie nahen! Mit warmherzigen, ehrerbietigen Worten, mit kühlendem Willkommentrunk, dem Klirren der Schwerter und Wehen der Banner begrüßt man sich und auf der Burg winkt nach der Rast ein erquickendes Festmahl.

Doch nicht zu langer Rast kann der Meister in Riga weilen.

Bald gilt es die Burgen, die auf waldiger Höhe im Lande zerstreut liegen, aufzusuchen, auf ihnen nach dem Besteu zu sehen. Nicht ge-ring ist die Mühe und manch scharfer Ritt, manch nächtliche Reise

Bald gilt es die Burgen, die auf waldiger Höhe im Lande zerstreut liegen, aufzusuchen, auf ihnen nach dem Besteu zu sehen. Nicht ge-ring ist die Mühe und manch scharfer Ritt, manch nächtliche Reise

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