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Die Heroenzeit des Deutschen Ordens in Livland

Im Dokument Wolter Plettenberg. (Seite 111-126)

D ss Glück allein bildet keine großen Männer, Schlachten können auch durch Zufall oder ein einseitiges Talent ge­

w o n n e n w e r d e n . I n d e r B e h a u p t u n g einer großen Zache unter Widerwärtig­

keiten und Gefahren bildet sich der Held.

L. v. Ranke.

Es ist ein Zeichen jugendlichen Kraftgefühls, daß kein Ziel zu weit gesteckt, keine Aufgabe unmöglich erscheint, daß man, ohne viel zu reflektieren, die Grenzen, die Natur, Anlage oder Zeitverhältniffe mit sich bringen, zu überschreiten sich im stände fühlt.

Auch der deutsche Orden in Livland hat eine solche Periode über-schäumender Thatenlust, fröhlichen Wagens, kühnen Ansturms gehabt, eine Periode, die freilich nicht die Ziele verwirklicht sah, die sie erreichen zu können geglaubt, auf der aber doch unser rückwärts gewandtes Auge mit freudigem Stolze ruhen darf. Nicht mit der Festsetzung in Liv-land und der Unterwerfung der freiheitslustigen Eingeborenen gaben sich die Brüder vom Deutschen Hanse zufrieden, sie wandten ihre Waffen auch gegen die von Osten herandringende russische Macht und nach Süden gegen das erstarkende Litauen.

Die russische Macht, wenn auch nicht geeint, sondern zersplittert, befand sich seit dem zwölften Jahrhundert in aggressiver Bewegung auf die OstfeegestadeJ). Die Burg Jurjew war hier ihr Stützpunkt gewesen, an der Düna und im oberu Stromgebiet der livländischen Aa zinsten ihnen die Eingeborenen, ehe die Deutschen das Laud ihrer Herrschaft unterstellten. Die Kämpfe beider Völker, deren wir bereits eingehend gedacht haben, hatten eine weit über den Augenblick reichende

Be-l) cf. die interessante Studie Dr. Paul Rohrbachs „Die Schlacht auf dem Eise" Preuß. Jahrb. August 1892. Band 70. Heft 2.

beutung. Gelang es den Russen das ihnen freilich weit überlegene deutsche Element von der Ostsee auszuschließen, so mußte die Ge-staltung der gesamten Verhältnisse des Nordens auf das lebhafteste beeinflußt werden. Denn da die Mongolen, die den größten Teil des weiten Reiches damals ihrem Joch unterwarfen, auch die Ver-bindung des von ihnen verschont gebliebenen nordwestlichen Rußlands, in erster Reihe Nowgorods und Pleskaus (Pskows) mit dem übrigen Gebiet lockerten, ja zeitweilig ganz unterbrachen, so wäre jener nord­

westliche Teil „in stetem lebhaften Kontakt mit dem Abendlande, aller Wahrscheinlichkeit nach ein Glied des mittelalterlich-europäischen Systems geworden, so gut wie Polen und Schweden, denn auch die Union mit der lateinischen Kirche konnte dann nicht gut ausbleiben."

Auch auf andern Wege hätte ein ähnliches Resultat erzielt werden können. Wie, wenn es den Deutschen gelang, die nordwestlichen slavischen Stämme, unter ihnen die stolzen Städterepubliken Nowgorod und Pleskau, dauernd ihrer Machtsphäre zu unterwerfen und dem Überge­

wicht des deutschen Elements nicht nur an der Küste, sondern auch im Hinterlande zum Siege zu verhelfen, durch Errichtung eines Bistums die katholischen Tendenzen auszubreiten? Mit diesen Plänen haben sich die deutschen Ritter getragen, wenn ihnen auch weitere Zukunfts­

bilder schwerlich vorgeschwebt haben. Der Peipus wurde im Norden und Süden umgangen, Koporje am finnischen Meerbusen befestigt, im Süden Jsborsk mit stürmender Hand genommen, und nach kurzer Rast in Verbindung mit Unzufriedenen in Pleskau diese reiche Handelsstadt erobert. Schon glaubte man so weit zu sein, daß man im Ernst die Errichtung eines Bistums im Gebiet der Woten in Betracht zog, schon bot die Kurie, die von der Katholisierung der Nordwestslawen träumte, diesen ihre Hilfe gegen die Tataren an, wenn sie die geistliche Hoheit Roms anerkannten. Wer wollte leugnen, daß sich die Aussichten sür das deutsch-katholische Element überaus günstig gestalteten?

Um dieselbe Zeit griff auch das katholisch-germanische Schweden in finnisch-russische Gebiete über, Jarl Birger faßte an der Newa­

mündung Posto und der Augenblick schien nahe, wo die Nordmannen und die erzumschienten Ritter zur gemeinsamen Erwerbung dieser Lande sich vereinigten — da erfolgte unvermutet ein jäher Rückschlag.

Von Groß-Nowgorod ging die Rettung der Slawenwelt aus.

Fürst Alexander von Susdal, den die Bürger zu ihrem Herrn

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rufen, warf 1240 ben fchwebifchen Anprall in bebentnngsvoller Schlacht an ber Newa zurück, um sich bann, gefchmückt mit bem Vertrauen seines Volkes, bas ihm ben Ehrennamen „Newski" beilegte, gegen bie Deutschen zu wenben. Ohne Mühe vertrieb er bieselben aus Koporje uub stürzte 1242 bie lockere Herrschaft bes Orbens in Pleskau.

Einmal im Zuge, beschloß Fürst Alexanber, seine Waffen nach Liv-lanb selbst zu tragen itnb bie Deutschen burch ben Schrecken vor weitern Übergriffen abzuhalten. Am Ufer bes Peipus traf er auf ben Feiub, ber bie Seinen zuerst zurücktrieb, worauf bie Nowgorober auf bem Eise Stellung nahmen uub burch ein geschicktes Manöver sich so zu formieren wußten, baß sie zum Ufer, bie Ritter zum See mit ihrer Rückenlinie stauben. „Die Deutschen formierten eine tiefe geschlossene Kolonne, ben sogenannten „Schweinskopf" ober wie bie Russen sagten „bas große eiserne Schwein", um bie feinbliche Macht zu burchbrechen unb bas User zu gewinnen. Mit Macht traf bie ge­

panzerte Masse auf bas russische Heer, aber ber Ansturm mißlang — bie Mehrzahl ber Ritter fiel im Hanbgernenge unb bie sich über eine Meile hin ans bem Eise erstreckend Verfolgung vernichtete bas liv-ldnbifche Aufgebot völlig. Fürwahr ber Chronist ber Reimchronik zeigte scharfen politischen Sinn, als er im Hinblick ans bie Katastrophe schrieb:

„Wäre Pleskau da behalten,

Das wäre nun dem Christenthnme gut Bis an der Welt Ende"!l)

Doch bie Nieberlage bleibt eine Thatsache unb bamit war bie Be­

freiung bes ruf fischen Gebiets einschieben — am 5. April 1242."

Seit bieser Schlacht bitbete sich, ba Rußlanb unter bem Mon­

golenjoch schmachtete unb selbst Notugorob ber golbnen Horbe zinsen mußte, ben Slawen also bie Kraft zu geeinigtem Vorgehen gegen bie Ostseelänber mangelte, eine gewisse feste Abgrenzung bes livlänbisch-russischen Machtgebiets aus unb wenn es auch an ewigen kleinen Grenzfehben, Überfällen unb Streifereien nie gefehlt hat, ja bie Deut-fchen nochmals bis vor Pleskau Vorgebrungen finb, fo entbehrten biefe Züge ans über zweieinhalb Jahrhunberte, bis Moskau bes weiten Laubes Kräfte unter feine Fahnen fammelte, jeber größeren Bebeutung, ba eine Festsetzung ber Russen auf livlänbischem Boben nicht erfolgte.

*) Prenß. Jahrb. Maiheft 1896, pag. 348.

Erst zu Meister Plettenbergs Zeiten klang Europa abermals wider vom Ruhm neuer Russenschlachten. —

Im Augenblick freilich schien das baltische Land, dessen Herren am 1. Oktober 1243 zu Riga eilends ein gegenseitiges Schutzbündnis

— das erste in der Geschichte Livlands — schlossen, in schwerer Ge-fahr, fo daß Jnnocenz IV. in eindringlichen Kreuzzugsbullen zur Heerfahrt nach Livland aufrief und Kaiser Friedrich 1245 von Verona aus dem Orden die Herrschaft über Kurland, Semgallen und Litauen feierlich zu garantieren sich beeilte. Auch die immer wieder auftauchenden territorialen Differenzen zwischen Nikolaus und dem Orden, die sich vor allem um Kurland drehten, fanden durch Wilhelm von Modenas weife Vermittlung, dem Zwist bei so gefährlichen Zeitläuften besonders schlimm dänchte, ein vorläufiges Ende. Da Kurland neues Land war, das der Orden mit feinem Schwert erobert hatte, sollten ihm zwei Teile, der Kirche ein Teil zngehören. Jnnocenz fand diese Entscheidung billig und bestätigte sie, desgleichen that, wie gesagt, der Kaiser.

Doch würden wir fehlgehen, wollten wir annehmen, daß Jnnocenz feine Gunst einseitig dem Orden zugewandt hätte1). So sehr er den-selben nicht zu verletzen trachtete, da auf feinem blanken Schwert das christliche Leben im fernen Nordosten beruhte, so wenig war er willens, durch ihn allein sein päpstliches Ansehen dort zu behaupten. Sein Plan war vielmehr, alles dem Christentum gewonnene Land vom fin-nifchen Meerbusen bis zur Weichsel einem Metropoliten unterzuordnen, dadurch kirchlich zu festigen und zu einigen und von hier aus der griechischen Kirche in reger Propaganda entgegenzutreten. Den ge­

eigneten Mann zur Ausführung dieses Gedankens glaubte er in dem Erzbischof Albert von Armagh, dem Primas der irischen Kirche, ge-fuuden zu haben. Es war derselbe Geistliche, den nach des großen Albert Tode der Erzbischof Gerhard von Bremen zum Bischof des Livenlandes bestimmt, dessen Wahl aber Papst Honorins, um die Bremer Ansprüche für immer zu vernichten, verworfen hatte — Albert Snerbeer.

Albert Snerbeer war ein Rheinländer ans Köln, unansehnlich war seine Familie, als Bettelmönch ist er wohl auch mit dem Rucksack auf der Schalter durchs Land gezogen. Aber fein brennender Ehrgeiz ebnete

*) cf. Kurd von Schlözer. Die Hansa und der deutsche Ritterorden in den Ostseeländern. 1851, Berlin, pag. 58 ff.

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ihm die Wege zu höherem Amt: er wurde Domherr der Bremer Kirche und führte gar den in jenen Tagen doppelt ehrenvollen Titel eines Magisters. Zwar folgte 1229 jene kränkende Verwerfung durch die Kurie, doch bereits 1240 erhob sein Glück ihn auf den Stuhl eines Primas der irischen Kirche: am 30. September 1240 wurde er zu Westminster in Gegenwart des schwachen Königs Heinrich III. und des päpstlichen Legaten feierlich geweiht. Das große Kirchenkonzil zu Lyon, das Jnnocenz IV. einberief, um mit Kaiser Friedrich dem Staufen ab-zurechnen, führte auch Albert von der grünen Insel nach dem Süden Frankreichs und damit dem gewaltigen Papste zu. Der fast uube-sonueue Eifer, den Albert in Irland gezeigt, wenn es galt Kirchensachen zu fördern, erwarb ihm die Gunst des Statthalters Christi, der in ihm das Werkzeug seiner oben berührten Pläne gefunden zu haben glaubte. Ende 1245 erhob er ihn zum Legaten und Erzbischof von Preußen, Livland, Estland und Kurland, am 9. Januar 1246 teilte er den baltischen Bischöfen mit, welch „überaus erfahrener, würdevoller, großherziger und kräftiger Marin" von nun an ihr Oberhirt sein würde. Am 3. Mai fügte der Papst die Ernennung zum Legaten für Rußland den frühern Würden hinzu und bezeichnete damit offen die Wege, die Albert vorwiegend gehen sollte: Litauen, Nowgorod und das Fürstentum Galizieu waren die Hauptpunkte des katholischen An-griffs. Doch nur spärliche Frucht hat der hl. Stuhl bei diesem Be-ginnen geerntet, wozu gewiß, wenn auch nur zu geringerem Teil bei-getragen hat, daß Albert Snerbeer nicht der Mann war, den Jnnocenz in ihm sah. „Er war, wie ein Kenner1) unserer Vergangenheit ihn gezeichnet hat, kein Buxhöwden. Während jener den Staatsmann und den Geistlichen in sich vereint, mit klarer Einsicht stets die schwierigsten Verwickelungen geebnet hatte, verlor der durch des Papstes Gunst und durch das rasche Steigen seines Glückes geblendete Emporkömmling, als er den Gipfel feiner ehrgeizigen Wünsche erreicht, plötzlich alle Haltung, griff mit verwegener Hand die zartesten Verhältnisse an, forderte vor­

eilig überall die Stunde der Entscheidung heraus und mußte nur zu bald, als der Erfolg ihm fehlte, selbst anerkennen, daß ihm zur Lei-tung von Geschäften ersten Ranges Geschick und Fähigkeiten mangelten."

Seine Aufgabe in den Ordenslanden erforderte den nach Selbständig-feit strebenden Rittern gegenüber den höchsten Takt, die Verbindung

x) Schlözer. 1. c. pag. 63ff.

weiser Mäßigung und besonnener Festigkeit. „Wer aber hier zu hastigen Gewaltschritten seine Zuflucht nahm und die wohlbegründeten Rechte der Ritter irgendwie verletzte, der zündete ein Feuer an, dessen Gluten wieder zu stillen außerhalb seiner Macht lag."

Noch bevor er Riga, wo er nach dem Tode Bischof Nikolaus feinen festen Sitz nehmen sollte, erreichte, 1249, lag der Legat und Erzbischof in ärgerlichem Hader mit den Livländern, bei dem er sich so arge Blößen gab, daß selbst Jnnocenz zeitweilig seine Hand von ihm abzog und ihn im September 1250 seines Legatenamtes vorüber­

gehend enthob. Schließlich machte ein auf päpstlichen Befehl zu Lyon zusammengetretenes Schiedsgericht dem Hader vorläufig ein Ende, er-kannte Kurland als einen Teil Preußens an, d. h. sprach dem Orden zwei Drittel des Landes zu und besetzte den vakanten Stuhl von Kur-lernt) mit dem Bettelmönch Heinrich von Luxemburg. Zu gleicher Zeit bestimmte man Riga zum Sitz eines Erzstifts und gab Albert die Anwartschaft auf den rigifchen Stuhl, wenn Nikolaus feine Augen geschlossen habe. Trotzdem wurde es kaum besser, als nach dem Tode des rigischen Bischofs Suerbeer nun wirklich nach Riga kam und sich von nun an Erzbischof von Livland, Estland, Preußen und der rigischen Kirche nannte, also äußerlich das Ziel erreicht hatte, welches dem ersten Albert stets vorgeschwebt, das zu erreichen ihm aber nie geglückt war. Die Erhebung Rigas zum Erzbistum — im Januar 1254 nennt Jnnocenz Albert zuerst Erzbischof von Riga — ging scheinbar freilich ohne viel Aufsehen vor sich, sie änderte ja auch an den that-sächlichen Verhältnissen gar nichts. Die Uneinigkeit im Innern, die sich bis zur Bannung des Ordens und zu Verhandlungen des Kirchen-fürsten mit den Heiden steigerte, füüte alle die langen Jahre der Re-gierung Albert Snerbeers aus, dessen allzuspäte Nachgiebigkeit den Frieden ebensowenig herstellen konnte, wie sein früheres halsstarriges Weseu. Die Leistung des Oboedienzeides, die der Meister Anno von Gangershausen zu verweigern suchte, gelang ihm zwar zu erzwiugeu, aber fast will es scheinen, als ob der Eid, den der Deutschmeister zu Sens in Frankreich für den livländifchen Meister im Dezember 1254 dem Erzbifchof und den Bischöfen von Oefel und Dorpat leistete, auch zum letzten Mal geschworen worden ist, jedenfalls wird ein Oboedienz-eid fpäter nie mehr erwähnt und im 14. Jahrh. ist er sicher bereits in Vergessenheit geraten gewesen.

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Auch Suerbeers Bemühungen, die katholische Propaganda nach Rußland zu tragen, führten nur zu Fehlschlägen. Alexander Newsky wies jedes Anerbieten zum Glaubenswechfel weit von sich und Daniel von Galizieu, der um eiueu Rückhalt gegen die Mongolen zu haben, Königskrone und Taufe von Rom entgegengenommen, fagte sich schon 1256 von der lateinischen Kirche wieder los.

Ebenso vorübergehend war auch die anfänglich glänzende Erfolge versprechende Taufe des Großfürsten Mindaugas (oder Mindowe) von Litauen, die zudem nicht dem Erzbischof, fondern dem Orden Gewinn und Ehre eintrug. Der thatkräftige, verfchlagene und ungewöhnlich begabte Fürst, dem in seinem Streben nach einer politischen Einigung des Landes seine Verwandten und andere Teilfürsten in den Weg traten, suchte in geschickter Weise Rückhalt beim livländischen Orden und erklärte sich spätestens 1251 bereit die Taufe von den Lateinern zu nehmen1). Wer war zufriedener, als Jnnocenz IV.? Er nahm Litauen in feinen besonderen Schutz und beauftragte den Bischof von Knlm, Mindaugas zum Könige zu krönen und einen Bischof für das Litauerlaud zu weihen. Im Sommer 1253 fand der feierliche Akt statt: der Bischof Heidenreich von Kulm setzte die vom livländischen Landmeister Andreas gesandten, wohl in Riga hergestellten Kronen Mindaugas und seiner Gemahlin aufs Haupt. Die Herrfchaft der römi-schen Kirche und der deutrömi-schen Kultur schienen fest begründet. Mit ge-waltigen Schenkungen, Freibriefen und Auszeichnungen überschüttete der neue König den Orden in den folgenden Jahren, ja er soll dem livländischen Landmeister, im Falle er ohne rechtmäßige Erben stürbe, sogar sein ganzes Reich vermacht haben.

Derartige Konzessionen riefen aber bei einem großen Teil des litauischen Volkes, vor allem bei den kriegerischen uud heidnischen Scha-matten (im heutigen Kownoschen), Erbitterung und Widerspruch hervor, dem zwar Mindaugas anfänglich noch keine weitere Folge gab, der aber nicht ohne tiefgreifenden Einfluß auf die Ausgestaltung der livländischen Verhältnisse blieb. Auf eigne Hand erhoben die Schamaiten die Waffen, mit den Kuren und Semgallern, bei denen der Tag von Saule noch nicht vergessen war, traten sie in geheimes Einverständnis. Gegen die gewaltige Memelbnrg, die militärisch die Verbindung von Preußen

J) cf. Th. Schiemann. Rußland, Polen und Livland. I. Teil, pag. 216ff.

nach Kurland beherrschte, richtete sich ihr besonderer Haß. Wohl zieht der livländische Landmeister, Bnrchard von Hornhusen, gegen die Auf-sässigen, aber er wird geschlagen und muß einen zweijährigen Waffen-stillstand eingehen. Als er dann von Neuem das Schwert zieht, er-leidet er, da ihn die kurischen Hilfsvölker im Stich lassen, bei Schoden, an der heutigen kurisch-litauischen Grenze, eine zweite Niederlage.

Drehmddreißig Brüder büßen ihr Leben ein — und der Stolz der Sieger wuchs immer mehr. Der Meister glaubte zur Festigung des deutschen Namens einen Feldzug ins Werk setzen zu müssen, bei dem alle disponiblen Kräfte zusammenwirkten. Sowohl zu den dänischen Vasallen Estlands, wie zu den Brüdern in Preußen schickte er Bot-schast um Hilfe und allenthalben leistete man sie willig. Kein Ge-ringerer als der alte Ordensmarfchall Heinrich Botel zog an der Spitze wackrer Ritter aus Preußen heran, bei der Memelmündnng vereinigten sich die Heerhaufen und brachen dann zum Entsatz der von den Scha-matten belagerten Georgenburg auf. Als diefe deu Heranzug der Deutfchen hörten, wandten sie sich nordwärts und fielen plündernd in Kurland ein, ihnen nach folgten die Ritter und ereilten sie am 13. Juli 1260 am See von Durben (bei Libau). Doch welch unseliger Tag!

Die unzuverlässigen Hilfstruppen der Eingeborenen, die wie bei allen Ordensheeren auch diesmal an Zahl den stärksten Teil bildeten, standen in verräterischem Einvernehmen mit dem Feind: gleich zu Beginn wichen die Kuren, ihrem Beispiel folgten die Esten. Was nützte es, daß die Preußen sich mehr bewährten, die furchtbare Niederlage vermochten sie nicht aufzuhalten:

„Da wurde eingeschlossen Mancher Held unverdrossen, Daß er den bittern Tod erleid't Zu Durben auf dem Felde breit, Eh' denn es kam zur Wehr.

Die Heiden mit ihrem Heer Hieben die Christen allda nieder.

Gering nur war die Wehr dawider, Die da leistet die Christenheit:

Der Meister da den Martertod leid't Mit anderthalb hundert Brüdern sein.

Da war auch mancher Pilger fein, Der da litt dieselbe Not

Um Gottes Willen und den herben Tod.

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Meister Burkhard, das ist wahr, War vier und einhalb Jahr In Livland Meister gewesen,

Wie ich für wahr gelesen, Und wenig mehr:

Man klagte ihn gar sehr Er war ein Degen auserkoren, Von Hornhausen war er geboren."

So endete die furchtbare Schlacht bei Durben. Heinrich Botel, Hornhufen und die Blüte des livländischen Ordens deckten die Wahl-statt. Noch schlimmer als die Niederlage waren die Folgen derselben:

Es ging auch diesmal, wie die Reimchronik singt:

Em alt Sprichwort ha'u ich vernommen, Das Manchem vor die Thür ist kommen:

„Wenn einem Mann es missegeht, Daß selten ein Schaden allein dasteht, Er bringe denn mit sich zwei oder drei."

Von allen Seiten türmten sich die Gefahren. Zu verzweifeltem Kampfe erhoben sich die in heftigen Kämpfen von den Deutschen Brüdern unterworfenen Eingeborenen in Preußen, auf geheime Botschaft stand das ganze Volk gegen die Unterdrücker auf und von Samlands Küste bis nach Pomesanien flammte die Bewegung, von der nur das Kulmer Land nicht ergriffen wurde. Schwere Arbeit harrte der Kreuzfahrer und Brüder. Am leichtesten gelang es noch Samland zu unterwerfen, desto erbitterter tobte der Kampf in den andern Landschaften. Die Lage gestaltete sich von Jahr zu Jahr kritischer, das Interregnum im Reich unterband wirksame Hilfe ans dem Mutterlande, eine strittige Papstwahl hinderte das Eingreifen der Kurie. Erst der Ordeusmar-schall Kourad von Thierberg und der Landmeister von Gatersleben wußten eine Wandlung herbeizuführen, und von Rudolf von

Von allen Seiten türmten sich die Gefahren. Zu verzweifeltem Kampfe erhoben sich die in heftigen Kämpfen von den Deutschen Brüdern unterworfenen Eingeborenen in Preußen, auf geheime Botschaft stand das ganze Volk gegen die Unterdrücker auf und von Samlands Küste bis nach Pomesanien flammte die Bewegung, von der nur das Kulmer Land nicht ergriffen wurde. Schwere Arbeit harrte der Kreuzfahrer und Brüder. Am leichtesten gelang es noch Samland zu unterwerfen, desto erbitterter tobte der Kampf in den andern Landschaften. Die Lage gestaltete sich von Jahr zu Jahr kritischer, das Interregnum im Reich unterband wirksame Hilfe ans dem Mutterlande, eine strittige Papstwahl hinderte das Eingreifen der Kurie. Erst der Ordeusmar-schall Kourad von Thierberg und der Landmeister von Gatersleben wußten eine Wandlung herbeizuführen, und von Rudolf von

Im Dokument Wolter Plettenberg. (Seite 111-126)