• Keine Ergebnisse gefunden

Das Fundament des Baues

Im Dokument Wolter Plettenberg. (Seite 43-60)

Wer wüßte nicht von dem klugen uud glaubensstarken Bischof Albert, der Riga erbaut, den Ritterorden errichtet und der in den letzten Zügen liegenden Kolonie neuen Odem eingeblasen hat, von ihm, dessen Walten und Wirken sein Schüler, der Lettenpriester Heinrich, in schmuckloser, aber inniger Sprache uns Spaterlebenden überliefert hat?

Albert von Buxhowdeu oder Appeldern nannte ihn die frühere Geschichtserzählung, wahrscheinlich kommt keiner der Namen ihm zu.

Er stammte aus vornehmstem bremischem Adel, seine Mutter war eine Schwester des Erzbischoss Hartwichs II., aus dem Geschlecht der Utlede, Wen sie jedoch in erster Ehe geheiratet, wer also Alberts Vater gewesen, wissen wir nicht, nur daß Albert zwei Brüder Rotmar und Hermann hatte, steht fest. Später vermählte sich die Mutter noch einmal und zwar mit einem Appeldern und wieder entsprossen drei Söhne der Verbindung, Engelbert, Dietrich (Theoderich) und Johann.

Die enge Bekanntschaft Alberts mit dem Erzbifchof brachte ihm die Würde eines Bremer Domherrn und damit eine Schule der hoheu Politik, die ihm fein Leben hindurch zu statten gekommen ist. Denn je weniger die Nachfolger des ehrbegierigen Adalbert diesem an Gaben

und Thatkraft gleich kamen, nmsomehr wurde das Kapitel der Mittel-Punkt der Tradition vergangener Tage. Vollends unter Hartwichs unglücklicher Regierung stieg Macht und Ansehen des Domkapitels, das zweimal Gelegenheit hatte, für den Prälaten die Zügel in seine Hand zu nehmen. In dieser Schule ist auch Albert zu dem geworden, als der er uns in dreißigjährigem Wirken in Livland entgegentritt, zu einem Staatsmann ersten Ranges: das Gleichmaß, das einem solchen eignet, zeichnet auch ihn aus. Nicht weiß die Tradition von ihm Züge sentimentaler Harmlosigkeit wie von Meinhard oder feurigen Übereifers wie von Berthold zu berichten: nirgends erscheint er über-schwänglich, nirgends tyrannisch, überall schwebt ihm das erreichbare Ziel vor den Augen, im Siege ist er fest, aber den Bogen überspannt er nicht, in der Gefahr bleibt er ruhig und wo die Gewalt nicht aus-reicht sie zu beschwören, greift er zur diplomatischen Kunst der List;

nur einmal hat er den Gegner zu hoch geschätzt, sonst bleibt er Meister der Umgebung, auch wo sie ihn zu beherrschen scheint. So war der Mann beschaffen, der erst die dauernde und starke Verbindung unserer Heimat mit dem Westen unseres Erdteils geknüpft und ihr eine feste Kulturbasis gegeben hat.

Keinen Augenblick zweifelte Albert, der wohl im März 1199 die Weihe eines Bifchofs vom Livenland erhielt, daß nur dann die Mif-sion von Erfolg sein könne, wenn der deutsche Name mit imposanter Macht im Dünalande erscheine. Diese zu schaffen, sah er daher als seine erste Aufgabe an.

Politisch erfahrener als seine Vorgänger, erkannte Albert, daß es vor allem gelte seiner Sache mächtige Gönner zu werben und jene Faktoren zu Freunden zu haben, die der Festsetzung der deutschen Macht in Livland mißgünstig zusehen könnten.

Unter diesen stand Kannd VI. von Dänemark in erster Reihe.

Seit dem Anfang des 12. Jahrhunderts war das dänische Reich von der Höhe, auf die es Kauud der Große erhoben, schnell herabgesunken und in eine Periode des Verfalls geraten, dem selbst die 1103 ein­

tretende Erhebung Lnnds zum Erzbistum nur vorübergehend zu steuern vermocht hatte.1) Die ewigen Thronwirren und dynastischen

Zwistig-* ) L a m p r e c h t 1. c . I I I . p a g . 3 9 6 f f . u n d L . v . R a n k e Weltgeschichte V I I I . pag, 375 ff.

— 38 —

feiten, die das altgermanische Erbrecht nach sich zog, zerrissen das Land, brachten es in Lehensabhängigkeit vom Kaiser und machten es zum Zielpunkt slawischer Piratenfahrten. Der Reformator und Retter seines Volkes wurde Waldemar der Große, dem der nicht minder große Kanzler, Erzbischos Absalou von Lund, zur Seite ging: eine neue Erbfolge, energische Züge gegen die slawischen Seeräuber schufen nach innen wie außen Ruhe und eröffneten eine zweite großartige Epoche dänischer Expansivpolitik, die freilich bald in Heinrich dem Löwen einen gefährlichen Widersacher erhielt. Der Sturz des Welsen gab König Waldemar den Sporn die Ostseeländer insgesamt seinem Szepter nnterthan zu machen, ein Streben, das auch in seinem Sohn Kauud VI.

einen thatkrästigen Vertreter fand. Mecklenburg, Rügen, Pommern fielen ihm zu, selbst am päpstlichen Hose sah man mit Wohlgefallen auf diese dänische Konkurrenz gegen die verhaßten Deutschen. Zu dem politischen Aufschwung der Dänen gesellte sich ein materieller und geistiger. Der Heringsfang brachte Reichtümer ins Land, deutsche Sitten hielten ihren Einzug, ja selbst in Paris studierte» junge Nor­

mannen, denen besondere Feinheit in der Dialektik und Kenntnisse des römischen Rechts nachgerühmt wurden.

Wenn Albert sich nun anschickte, zuerst an das dänische Hoflager zu reisen, so hatte er damit umsomehr Recht, als der König und sein Kanzler Absalou ihr Augenmerk auch dem fernen Osten zugewandt hatten, dessen Seeräuber eine arge Gefahr für den dänischen Handel bildeten. Über Alberts Aufenthalt in Dänemark und ob er etwa Kaimt» gegenüber sich irgendwie verpflichtet, wissen wir nichts, nur das wird als sicher berichtet, daß es ihm gelang die Hilfe und Zu­

stimmung des Königs zu erlangen.

Ebenso glückte es ihm, dessen mächtigsten Vasallen, Waldemar von Schleswig, dessen Hand den Lübecker Hasen beherrschte, zu gewinnen und dadurch Livland den Hafen zu bewahren, aus welchem dem Lande seine Pilger und Streiter zuzogen.

In anderer Weise höchst schwierig war die Zustimmung des Erz-bischoss Absalou von Lund zu erwirken, der als geistlicher Primas des Reiches die von Bremen ausgehende livländische Mission nur mit mißtrauischen Blicken betrachten konnte, ja Livland wohl als sein geistliches Erbteil ansehen mochte. Nichts spricht mehr für Alberts Geschick, als daß er selbst in Lund die Besorgnisse zu zerstreuen

wußte, ohne, soweit wir wissen, Zugeständnisse besonderer Art machen zu müssen.

Die Hauptfrage aber blieb für Albert immer, welche Haltung er inmitten des ganz Deutschland in tiefe Erregung versetzenden Bürger-krieges zwischen den beiden deutschen Königen einnehmen sollte. Sah doch das Ende des 12. Jahrhunderts Deutschland zerrissen: zwischen dem ritterlichen Staufen Philipp von Schwaben und dem Sohne des Löwen, Otto von Braunschweig, tobte grauenvoller Thronstreit und wieder hallte der Ruf durch die Lande: „Hie Welf! Hie Waibling!"

Wäre Albert seinem Herzen gefolgt, so wäre er an des Staufers Hoflager geeilt, aber seine Klugheit gebot ihm Vorsicht, war doch der große Papst Jnnocenz III. des Hohenstaufen Todfeind, lag doch auf letzterem der Bann. Wie hätte es da Albert wagen dürfen offen Partei zu nehmen — es wäre das der Todesstoß für seine livländischen Pläne gewesen! Erst nachdem der Papst den Gläubigen Westfalens und Sachsens Ablaß versprochen, wenn sie das Kreuz zur Livlandsahrt nähmen, that er den entscheidenden Schritt, der nun nicht mehr schaden konnte, und erschien in Magdeburg, wo König Philipp und seine lieb­

reizende Gemahlin das Weihnachtsfest feiern wollten. In vollem königlichem Schmuck trat der Staufer hier auf und begeisterter Jubel umtönte ihn, dem Herr Walter von der Vogelweide poetischen Ans-druck verlieh, wenn er sang:

„Zu Magdeburg ging an dem Tag, da Gott geboren Ward von einer Magd, die er zur Mutter erkoren, Der König Philipp, schön und tadelsohne;

Da gingen König, Kaisersbruder, Kaiserkind In einem Kleid, ob auch der Namen dreie sind.

Er trug des Reiches Szepter und die Krone, Gemess'nen Schritts ging er dahin,

Ihm folgte fromm die hochgeborne Königin, Ros' ohne Dorn, ein Täublein sonder Gallen.

Solch' Fest noch sah man nirgendwo,

Es dienten ihm die Thüringer und Sachsen so, Daß es dem Weisen mußte Wohlgefallen!"

Doch trotz alles aufgebotenen Prunkes war Philipps Stellung noch keine völlig gefestete und thatkrästige Hilfe zu leisten war er nicht im-stände: nur die Güter der nach Livland Aufbrechenden in seinen Königs-schütz zu nehmen, konnte er versprechen. Und unter den Herren am

— 40 —

Hoflager nahm so mancher das Kreuz, darunter Graf Konrad von Dortmund uud Hermann von Iburg aus dem Osuabrückscheu.

Es war eine stattliche Mannschaft, mit der Albert im Frühjahr 1200 den entscheidenden Schritt unternahm.

Nicht weniger als 23 Schiffe stark segelte die Flotte von Lübeck aus, forcierte nach langer Seefahrt den Eingang zum Fluß uud warf dann Anker. Nachdem die Ritter und Reisigen ans Land gestiegen waren, zog Albert die Düna aufwärts, um die in Holm lebenden Kauf-leute zu entsetzen; doch die Liven, der Größe der ihnen drohenden Ge-sahr bewußt, raffen alle Kraft zusammen und es gelingt ihnen einen siegreichen Angriff auf ein Schiff zu machen und desfen Besatzung nieder­

zuschlagen. Dann rücken sie vor Holm und belagern den in der Burg befindlichen Bischof. Aber das Kreuzheer erlahmt nicht. Sieht es sich auch von Not und Hunger bedrängt, bilden selbst Knollen und Wurzeln einige Tage seine Nahrung, in neuem Ansturm wird es der Heiden Herr.

Gleichzeitig brennen friesische Pilger die Saaten der Liven nieder und jagen den Feinden einen derartigen Schrecken ein, daß sie bestürzt um Frieden bitten. Um sich ihrer besser zu vergewissern, scheut man vor schlauer Gewaltthat nicht zurück: „Weil der Bischof jedoch," erzählt Heinrich, „ob der Treulosigkeit der Liven dem Frieden nicht traute, den sie schon vielmals gebrochen hatten, so forderte er Geiseln von den beiden Häuptlingen Anno und Kaupo und den Ältesten des Landes, welche, von den Deutschen zu einem Trinkgelage berufen, all-zumal zusammenkamen und in ein Haus eingesperrt wurden. Da sie nun fürchteten, man werde sie übers Meer nach Deutschland abführen, so haben die Vornehmsten der Dünaliven und der Thoreider ihre Knaben, gegen dreißig, dem Herrn Bischof gestellt. Der nahm sie fröhlich in Empfang, befahl das Land dem Herrn und begab sich nach Deutschland."

Bierzehnmal, gewöhnlich zwischen Ostern uud Pfingsten, ist Albert während seiner Wirksamkeit ins Mutterland gezogen, voll heiliger Begeisterung zum Zuge uach Livlaud ausrufend und die Überzeugung weckend, daß es nicht ein Abentener, sondern ein hoffnungsvolles, zukunftsreiches Unternehmen sei, zu dem er werbe. Und er wußte sein Volk, in dessen Blut der Kolonistendrang nach Osten mit uuvermiu-derter Unruhe lebte und dessen Sinn von dem schwärmerischen Trieb, zu Gottes und der Jungfrau Ehre das Schwert gegen die Heiden zu

ziehen, erfüllt mar, gewaltig mit sich fortzureißen: wenn er durchs Land zog, „auf allen Straßen und in allen Stiftungen das Kreuz zu predigen uud für seine Kirche zu begeistern und zu werbeu, dann ver-ließ willig der Ritter die Stammburg seiner Väter, es trieb den Mönch hinaus aus der Einsamkeit der klösterlichen Zelle, den Handelsmann und Handwerker vom Frieden des heimatlichen Herdes. Alles scharte sich begeisterungsvoll um das Banner der heiligen Jungsrau, der Pa-trollilt der livländischen Kirche"1). Zahlreiche Edle Niedersachsens nahmen auf seine eindringliche Mahnung das Kreuz, andere verließen mit Weib und Kind, mit Gesinde und aller Habe der alten Heimat Boden, mit im fernen Livland sich eine neue zu begründen. Neben heiliger Begeisterung stand berechtigter Eigennutz: wußten sie doch, daß Albert sie gern empfing und ihnen reiches Land zu Lehen geben würde.

Unter denen, die damals den Fuß auf livläudische Erde setzten, nennt der Chronist vor allem Konrad von Meiendorf, den Albert mit Uex­

küll belehnte und der durch seine wilde Tapferkeit der Schrecken der Feinde wurde, und den Ritter Daniel, dem Albert Lennewarden übergab.

Es find das die Anfänge der fpätern erzstistischen Lehnsritterschaft, deren Glieder, ohne an Coelibat oder sonstige Regeln gebunden zu sein, mit Weib und Kind auf den verlehnten Häusern saßen und, richtig be­

handelt, eine wuchtige Waffe in des Bischofs Hand bilden konnten. — Doch, so nutzbar die ins Land kommenden Pilger und Ritter auch waren, in erster Reihe galt es dem neugewonnenen Gebiete eine feste Organisation zu geben, namentlich einen Mittelpunkt für die Ver­

waltung, die Mission und den Handel zu schaffen. Eine kirchliche Verordnung, die den Bischöfen verbot auf die Dauer in kleinen Orten oder Burgen zu residieren, mag hinzugekommen sein, um in Albert den Gedanken zu festigen, es gelte schnell an die Gründung einer Hauptstadt des Livenlandes zu gehen. Ikescola und Holm waren zwar für die Beherrschung des Stromes bedeutungsvoll, aber ihre Entfernung von der Mündung der Düna machte sie zur Anlage eines städtischen Gemeinwesens schon deshalb untauglich, weil der Handel sich hier nie festsetzen konnte. Dieser heischte kategorisch die Nähe der völkerverbin­

denden See. Mit sichern Blick wählte Albert den Boden ans und kaufte ihn von den Liven: dort etwa, wo Bischof Berthold von den

* ) K u r d v o n S c h l ö z e r 1. c . p a g . 6 9 f f .

— 42 —

Heiden ermordet worden war, dort, wo der Righebach sich in den Strom ergoß, sollte die neue Stadt emporwachsen: die Stadt an der Righe, das spätere Riga. Schon 1201 ließ — bot doch das be-waldete Gelände Bauholz in Menge, das Gestein des Dünaufers bei Uexküll und Rnmola das nötige Steinmaterial — Albert eine Kirche — die nachherige Domkirche — und einige Gebäude für das Kapitel, das er aus Uexküll hierher verlegte errichten1). Die Hauptsache aber war die Anlegung eines Marktes, auf dem die Kaufleute Handel treiben konnten, ferner die Anstellung von Kaufleuten an diesem Markt uud zum dritten die Verleihung eines besonderen Rechts an diese angesie-delten Kaufleute. In dem Sinne kann Albert gewiß als der wirkliche Gründer Rigas gelten, daß er die Grundbedingungen für die Existenz und Fortentwicklung einer Stadt erkannte, deren Fundament der Handel war und sein mußte. Nicht zutreffend dagegen ist es, ihn sich als den Erbauer Rigas vorzustellen, der etwa eine Mauer um die Stadt habe errichten lassen. Die letztere haben die Bürger, die im Frühjahr 1202 als die Ersten unter Alberts Brnder, Engelbert von Appeldern, aus Deutsch-lernt) anlangten, selbst und nur deshalb erbaut, um gegen Angriffe der Eingeborenen besser geschützt zu sein. Erst 1207 soll die Mauer, zu deren Bau ein jeder Pilgersmann eine Anzahl von Steinen herbeizu-bringen verpflichtet wurde, die Höhe erreicht haben, daß man sich hinter ihr einigermaßen sicher fühlen konnte. Die Namen der ersten Bürger kennen wir nicht, doch scheint das Wappen Rigas, das die Schlüssel Bremens und die Türme Hamburgs aufweist, auf jene beiden Städte als die Heimat derselben zu deuten. Auf Bremen und das Weserland deuten auch zahlreiche Namen in Heinrichs Chronik, während es aller-dings auffallend bleibt, daß weder in dieser, noch in der später zu erwäh-nendeu Reimchronik bis 1211 Männer aus Hamburg genannt werden-).

Wenden wir nun den Maßnahmen unser Augenmerk zu, die Albert zum Wohl der neuen, schnell emporwachsenden Stadt mit rühm-lichem Eifer unternahm.

*) cf. 9L v. Bulmerincq 1. c. pag. 12ff und das erst nach dem Erscheinen d e r ersten A u f l a g e m e i n e s B u c h e s l i e f e r u n g s w e i s e e d i e r t e W e r k C . M e t t i g s G e -s c h i c h t e d e r S t a d t R i g a . ( R i g a . V e r l a g v o n J o n c k u n d P o l i e w -s k y ) p a g . 8 f f ; es ist auch weiterhin wiederholt benutzt worden.

2) cf. I. G. Kohl. Die Bremer beim Aufbau der Stadt Riga.

(М. z. 1. G. XII. pag. 3-33).

Vor allem mußte er daran denken den neuen Markt gegen störende Einflüsse zu schützen, so gegen den Hafen an der Semgaller-Aa.

Deshalb hatte er Theoderich von Treiden, der zu Jnnocenz III. geeilt war, um die Genehmigung für die Gründung zu erwirken, anfge-tragen, den hl. Vater um eine Bulle zu bitten, die jeden Handel auf der Semgaller-Aa untersagte. Der Papst willigte ein und erließ eine Bulle, die zu respektieren die deutschen Kaufleute für höchst vorteilhaft hielten; so wurde Riga der Stapelplatz auch für das Senlgallerlaud.

Den Kaufleuten, die sich in Riga am Markte dauernd niederzu-lassen gedachten, übergab Albert je einen Wohnplatz zum Aufbau eines Wohnhauses zum Eigentum und verlieh ihnen ein besonderes Recht nach dem Muster des Rechts der deutschen Stadtgemeinde in Wisby, also ein für den Marktverkehr besonders geeignetes Recht. Eine Stadt im eigentlichen Sinne, d. h. ein Gemeinwesen mit eigner Verfassung wurde Riga freilich erst in etwa zwanzig Jahren, anfänglich war es eine solche sicherlich nicht. Gehörte doch dem Bischof aller Grund und Boden, foweit er ihn nicht an Bürger vergeben hatte; gab es doch noch gar keine festen Gesetze darüber, wer Bürger sei — noch war es vielmehr ein jeder, er mochte frei oder unfrei, Deutscher oder Undeutscher sein, der am Markt Handel trieb! Der Bischof allein war Herr der Stadt und der Mark, in der er Rodung und Nutzung einem jeden, ohne sein Eigentumsrecht aufzugeben, gestattete, in seinem Namen übte ein von ihm ernannter Vogt oder Advokat die Polizei über die Straßen und den Markt aus, dieser spricht Recht über die Bürger im Austrage Alberts, ohne daß wir eine Einschränkung nachweisen könnten, „er richtete an Haut und Haar, an Hals und Hand", wenn auch schon früh ihm zwei Bürger als Älteste (seniores) zur Seite saßen, um darauf zu achten, daß das der Stadt verliehene Recht nicht verletzt würde. Auch die Beitreibung der Gerichtsgefälle und des Bürgerzehnten lag dem Vogt ob. Nur darin läßt sich eine gewisse Emanzipation der Bürger nachweisen, daß der Advokat nicht, wie sonst wohl, der Anführer war, Wenns in den Kampf ging: hierbei wählten sich die Bürger, d. h.

die Kaufleute und Handwerker, deren die werdende Stadt doch nicht entbehren konnte, ihre Ältesten, die ihnen voranstritten. Sie bil­

deten also eine besondere Genossenschaft oder Schutzgilde, die Brüder-schast des heiligen Kreuzes und der heiligen Dreifaltigkeit, die wahr­

- 44 —

scheinlich auf dänische Vorbilder zurückgeht^). Ob die Gründung der Gilde von den Kaufleuten und Handwerkern aus eigenem Antrieb er-folgt ist, ob die Satzungen den Bürgern aus den Händen der Geist-lichkeit überkommen, lassen wir dahingestellt. Daß aber die Einsicht, gemeinsame Gefahr geeint besser bestehen zu können, ebenso zum Zu-sammeuschlnß der Kaufleute und Handwerker geführt haben wird, wie die Möglichkeit in dieser Form der Not des Einzelnen gründlicher begegnen, die kirchlichen Bedürfnisse vollkommener befriedigen zu können, dürfte zweifellos sein, womit natürlich nicht ausgeschlossen ist, daß die Förderung des Handels und die Hebuug des Marktes an der Righe gleichfalls von der Gilde verfolgt worden sind'). Gerüstet und gewappnet sind ihre Glieder ausgezogen, um sich die Handelswege nach Polozk und Pleskau zu öffnen und dadurch Macht und Ansehen der Bürgerschaft zu heben. Wenn auch neben der Kreuz- und Drei-faltigkeitsgilde andere Verbindungen entstanden, so bewahrte jene doch unangefochten ihre dominierende Stellung. Aus ihr gingen später — wir wissen den Zeitpunkt nicht genau anzugeben — die beiden Gilden von Münster und Soest, die Große und Kleine Gilde, hervor, die neben dem Rat, dessen Entstehung gleich erzählt werden wird, die Faktoren städtischer Verwaltung bildeten. Schon seit dem 14. Jahrhundert bilden

• die drei Körperschaften des Rats (Bürgermeister und Ratsherrn), der Großen Gilde (Kauflente) und der Kleinen Gilde (alle Handwerker) die Stände der alten Stadt. —

Auch die auswärtigen Kaufleute, die nur vorübergehend sich in Riga aufhielten, traten zu Gilden zusammen, die gewiß den in Wisby und Nowgorod, Bergen oder London gebildeten ähnlich waren, sich freilich nicht, wie in diesen Städten, zu einer Gesamtgilde (gilda com­

munis) vereinigen durften.

Das waren die Anfänge der Stadt, deren Geschicke in der Zukunft so eng und unauflöslich mit denen des übrigen Landes verschmelzen sollten, die damals bereits, um mit den Worten eines neuern Historikers zu

Das waren die Anfänge der Stadt, deren Geschicke in der Zukunft so eng und unauflöslich mit denen des übrigen Landes verschmelzen sollten, die damals bereits, um mit den Worten eines neuern Historikers zu

Im Dokument Wolter Plettenberg. (Seite 43-60)