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Unter assyrischer und babylonischer Herrschaft

Im Dokument Vielfältig geprägt (Seite 31-34)

2. Geschichtlicher Überblick

2.2. Samaria als Provinzhauptstadt

2.2.1. Unter assyrischer und babylonischer Herrschaft

Bereits ab der Mitte des 9. Jh. v. Chr. wurden die Geschicke des Nordreiches Israel in zunehmendem Masse durch das neuassyrische Reich bestimmt.

Salmanassar II. (858–824 v. Chr.) war der erste assyrische König, der in der Herrschaft über die Gebiete westlich des Euphrats ein wichtiges Ziel seiner Politik sah. Im sechsten Jahr seiner Regierung (853 v. Chr.) unternahm er zu diesem Zweck einen Feldzug in Richtung Hamat, wurde jedoch im mittelsy-rischen Qarqara von einer Koalition von 12 syrisch-palästinischen Klein- und Mittelstaaten (darunter Israel) zum Stehen gebracht.45 Es gelang ihr, die Unabhängigkeit ihrer Mitglieder zu verteidigen. Auch die assyrischen Über-griffe in den Jahren 849, 847 und 845 v. Chr. konnten abgewehrt werden.46 Als Salmanassar dann aber im Jahre 841 v. Chr. erneut nach Syrien zog, zer-brach die antiassyrische Koalition: Die ehemaligen Verbündeten mussten nun Tribut zahlen. Inschriftlich erwähnt ist dies für Hamat, Tyros, Sidon und Israel (bzw. für Jehu von Beth-Omri).47 Für das Jahr 796 v. Chr. wird ein weiteres Mal berichtet, dass Israel Tribut an die Assyrer ausgerichtet habe:

Joas von Samaria zahlte ihn an Adadnarari III. (810/809–782 v. Chr.).

Auf Adadnarari III. und Salmanassar IV. (782–773 v. Chr.) folgte in As-syrien eine Periode der Schwäche, die Israel etwas Freiheit verschaffte. Mit Tiglathpileser III. (745–727 v. Chr.) kam dann aber ein Herrscher an die Macht, der die Zügel wieder fest in die Hand nahm: Im Jahre 738 v. Chr.

forderte er vom König des Nordreiches Tribut und machte ihn zum Vasallen.

Offenbar verweigerte dieser aber bereits kurze Zeit später seine Leistungen, was zu einer Rebellion (unter Mitwirkung von Aram-Damaskus) führte. Sie wurde in den Jahren 734–732 v. Chr. von Tiglathpileser niedergeschlagen und als Folge davon ein beträchtlicher Teil des Staatsgebiets von Israel (Ga-liläa, die Jesreelebene und Dor) annektiert. Immerhin konnte aber das Fort-bestehen des Königtums gesichert werden.48

Der Tod Tiglathpilesers (727 v. Chr.) löste bei den palästinischen Klein-staaten die Hoffnung aus, sie könnten sich aus ihrem Vasallenstatus befreien.

In dieser Hoffnung wurden sie jedoch von den Nachfolgern Salmanassar V.

(727–722 v. Chr.) und Sargon II. (721–705 v. Chr.) enttäuscht, die auf jede Verweigerung energisch reagierten: Da Hosea, der König des Nordreiches, den eingeforderten Tribut nicht entrichtete, wurde das verbliebene

45 HTAT: 254–260 nos. 106–107.

46 HTAT: 260–262 nos. 108–110.

47 HTAT: 253; 263–264 nos. 112–113.

48 HTAT: 292–295 nos. 143–148. Zur unsicheren Zugehörigkeit von Dor zu Israel s. HTAT:

310 mit Anm. 3.

gebiet im Zeitraum zwischen 724 und 720 v. Chr. von den Assyrern einge-nommen und in eine Reichsprovinz umgewandelt.49

Die Folgen der Eroberung für Samaria werden in den Annalen Sargons ausführlich dargestellt:50 Die Stadt wurde eingenommen, wiedererrichtet und ausgebaut; einige der Bewohner übernahm man in den eigenen Dienst (der Streitwagentruppe), andere nahmen ihre alte Tätigkeit wieder auf und wieder andere wurden nach Assyrien deportiert; Menschen fremder Länder (genannt werden Araber) siedelte man in Samaria an; ein Statthalter wurde eingesetzt und die alte Tributforderung erneuert.

Der Untergang Israels und sein Aufgehen im assyrischen Reich war ohne Zweifel ein tiefer Einschnitt in der Geschichte der Stadt Samaria und seiner Umgebung. Dennoch muss gefragt werden, wie umfassend man sich die Be-strafung durch die Assyrer vorzustellen hat: Wie gross waren die Zerstö-rungen und wie umfänglich die Deportationen bzw. die Neuansiedlungen durch die assyrischen Herrscher?

Das in der hebräischen Bibel gezeichnete Bild vermittelt den Eindruck, Samaria sei komplett zerstört und seine gesamte Bevölkerung deportiert und durch Fremde ersetzt worden. Von dieser maximalistischen Annahme des assyrischen Eingriffs wurde auch seitens der Forschung lange Zeit ausgegan-gen. Stimmt sie aber wirklich?

Im Blick auf die Zerstörung der Stadt Samaria wurden archäologisch zwar Brandschichten gefunden, die auf die assyrische Eroberung der Stadt zurückzuführen sind, sie beschränken sich aber nur auf einen relativ kleinen Bereich.51 Ausserdem zeigte sich, dass die Stadtmauer weiterhin in Gebrauch blieb und dies noch über eine lange Zeit.52 Dieser Befund führt R.E. Tappy (2007: 275) unter Einbezug der assyrischen Inschriften zum Schluss, dass es zu keinen grösseren Verheerungen gekommen sei: „Judging from the evi-dence reviewed above, neither the Assyrian texts nor the archaeology of Sa-maria point to a physical destruction of the city near the close of the third quarter of the eighth century BCE.“ Zwar könne angenommen werden, dass im Umland gebrandschatzt und geplündert wurde, es sei aber im Interesse der Assyrer gewesen, die Hauptstadt zu schonen, um sie später selber als Verwaltungszentrum nutzen zu können.53

49 Welcher Herrscher die Eroberung durchgeführt hat (Salmanassar V. oder Sargon II.) und wann genau sie anzusetzen ist, kann nicht sicher bestimmt werden, da die keilschriftlichen Quellen unterschiedliche Interpretationen erlauben (s. HTAT: 296–298).

50 HTAT: 301–302 nos. 151–152; 305 no. 158.

51 Crowfoot et al. 1942: 110–112; Naíaman 1990: 209.

52 Avigad 1993b: 1306.

53 S. auch Niemann (2007: 202–203), der annimmt, dass erst Sargon Samaria zu einer richtigen (Haupt-)Stadt machte, indem er die frühere Königsresidenz aus politischen und propagandistischen Gründen zum repräsentativen Statthaltersitz ausbaute und mit deportierten Siedlern bevölkerte. Zu den assyrischen Zerstörungsschichten in anderen israelitischen Städten s. Finkelstein 2009: 122.

Was die Deportation von Einheimischen und die Neuansiedlung von fremden Kolonisten betrifft, so zeigte ein archäologischer Survey der Regi-onen Efraim und Manasse, dass die Anzahl an Siedlungen in Israel im Über-gang von der Eisenzeit IIB zur Eisenzeit IIC signifikant abnahm und es pa-rallel zur Gründung neuer Niederlassungen kam, die sich durch ihre materi-elle Kultur von der lokalen unterschieden. Dieser Befund wird in Zusam-menhang mit den assyrischen Deporations- und Ansiedlungsmassnahmen gebracht. 54

In der neu geschaffenen assyrischen Provinz Samaria lebten Einheimi-sche und Kolonisten also noch getrennt voneinander. Es sieht so aus, als hät-ten sich die Kolonishät-ten anfangs stark an der assyrischen Kultur orientiert und sie nachgeahmt. Spätestens aber mit dem Untergang des neuassyrischen Reichs gaben sie ihre Rolle als Kolonisten auf und fingen an, sich an die Kultur der Einheimischen anzupassen (Akkulturation), was in einer Vermi-schung und Verschmelzung der Gesellschaft (Hybridisierung) resultierte.55 Diese Prozesse führten dazu, dass fremde Bevölkerungsgruppen im archäo-logische Befund im Übergang von der Eisenzeit IIB in die Eisenzeit IIC (also über die assyrische Machtübernahme hinweg) kaum nachzuweisen sind, son-dern dass kulturelle Kontinuität vorherrscht.

Die Eroberung Palästinas durch den babylonischen König Nebukadnezar II. (605–562 v. Chr.) ging anscheinend spurlos an Samaria vorüber. Die Ba-bylonische Chronik über die Jahre 626–594, die von der Einnahme Jerusa-lems berichtet, erwähnt die Stadt nicht.56 Auch sonst ist über die Verhältnisse in der babylonischen Zeit nichts in Erfahrung zu bringen. Es ist anzunehmen, dass sich durch den Machtwechsel nicht viel veränderte. Samaria blieb Statt-haltersitz und fungierte als überregionales Zentrum, das nach dem Fall Jeru-salems wahrscheinlich noch an Wichtigkeit gewann.

Fazit

Die Eroberung Samarias durch die Assyrer bildete einen tiefgreifenden Ein-schnitt in der Geschichte der Stadt: Von ihrer totalen Zerstörung ist aber nicht auszugehen, vielmehr wurde sie zum administrativen, militärischen

54 S. Zertal 2003; 2004: 57–59. Zur Deportation als Strafmassnahme unter den Assyrern s.

Oded 1979. S. auch Knoppers (2004: 170–180), der schreibt: „What one finds in the hills of Samaria is not so much a replacement of one local population by a foreign population, but rather the diminution of the local population. Wholesale abandonment does not occur as in parts of Galilee and Gilead, but significant depopulation does occur. Among the causes of such a decline, one may list death by war, disease, and starvation, forced deportations to other lands, and migration to other areas, including south to Judah. ... But the numbers of such foreign transplants do not appear to be high. Whatever exiles from foreign states were forcibly imported into the Samarian highlands, most seem to have been absorbed into the local population.“

55 Zu diesem Prozess s. Levin 2013: 234.

56 HTAT: 408–417 no. 258; s. auch Knoppers 2013: 108–109.

und wirtschaftlichen Stützpunkt der Fremdherrscher umgenutzt. Samaria wurde nach der Einnahme also nicht dem Erdboden gleichgemacht, sondern im Gegenteil zum Statthaltersitz ausgebaut. Im Rahmen dieser Umstruktu-rierungen kam es auch zur Neuansiedlung von Kolonisten, die aber trotz der Deportation eines Teils der einheimischen Bevölkerung zu keinem Abbruch der lokalen Kultur führte. Das biblische Bild eines leergefegten, von Frem-den vereinnahmten Nordreiches ist folglich stark zu relativieren.57

Im Dokument Vielfältig geprägt (Seite 31-34)