• Keine Ergebnisse gefunden

Der Nablus-Hort

Im Dokument Vielfältig geprägt (Seite 52-56)

III. D IE PERSERZEITLICHEN M ÜNZEN S AMARIAS UND IHRE

1. Forschungsgeschichte

1.2. Zwei Hortfunde – The Coinage of Samaria

1.2.1. Der Nablus-Hort

Im Jahr 1973 wurde im Rahmen des Inventory of Greek Coin Hoards (IGCH) ein kurzer Eintrag von A. Spaer & S. Hurter zu einem Hortfund aus der Re-gion Nablus publiziert.138 Die Erwähnung perserzeitlicher Münzen aus Sa-maria sucht man darin jedoch vergeblich: Deren Existenz als separate Gruppe war damals noch nicht bekannt. Erst später, in den Jahren 1979 und 1980, machte A. Spaer in zwei kurzen Artikeln anhand von drei Beispielen auf das Vorhandensein solcher Prägungen aufmerksam.139 Er schreibt, dass zwei der präsentierten Münzen in Samaria-Sebaste erworben worden seien und dass solche Kleinsilbermünzen in den vergangenen Jahren häufiger auf dem Antikenmarkt zum Kauf angeboten worden wären. 1981 verortete Y. Meshorer im Rahmen der SNG ANS 6 sieben Imitationen attischer

133 Deutsch & Heltzer 1997: pl. 4 nos. 1–6; Elayi & Elayi 2004a: 86 no. 402, 167–168 no.

1078, 179 no. 1223, 210 no. 1403, 241 no. 1590, 291 no. 1923.

134 Deutsch & Heltzer 1997: pl. 4 nos. 7–8.

135 Deutsch & Heltzer 1997: pl. 5 no. 15.

136 Deutsch & Heltzer 1997: pl. 5 no. 9.

137 Deutsch & Heltzer 1997: pl. 5 nos. 10 (= MQ 006n), 11 (= MQ 185a), 12 (= MQ 185k), 13 (= MQ 025h), 14 (= MQ 029c).

138 IGCH: no. 1504. Erstmals erwähnt wurde der Hort bereits im Jahre 1969 in einem anonymen Bericht des ANS Annual Report (s. Ariel 2016: 17).

139 Spaer 1979: pl. 25,A–B (= MQ 041q) und Spaer 1980: pl. 1,1 (= MQ 042e) & 2 (= MQ 185e).

Münzen nach Samaria.140 In seiner Monographie Ancient Jewish Coinage ging er dann 1983 noch etwas breiter auf die neu entdeckten Prägungen ein.141 Dabei verwies er auf den eingangs erwähnten Hort von mehreren Hun-dert Silbermünzen, die 1968 auf dem Jerusalemer Antikenmarkt aufgetaucht waren und unter der Bezeichnung ‚Nablus-Hort‘ ihren Weg in verschiedene Museen und Sammlungen gefunden hatten.142

Die Herkunft des Nablus-Horts (IGCH: no. 1504 = CH: no. 9.440) ist umstritten. Er könnte tatsächlich aus der Region um Nablus oder aus Nablus selber stammen, wird aber auch mit den Funden aus dem Wādī Dālīye in Verbindung gebracht.143

Aufgrund seiner Zerschlagung nach dem Fund ist seine genaue Zusam-mensetzung unbekannt; er soll neben Schmuck über 965 Münzen umfasst haben.144

Die Herkunft der grösseren Münznominale wurde wie folgt bestimmt:

− Amisos: 1 Fragment einer Drachme

− Sinope: 2 Drachmen

− Pseudo-athenisch: mehr als 206, davon 62 Tetradrachmen145

− Tyros: 61 Schekel146

Die nach Spaer (2009: 158) rund 737 kleinen Silbermünzen blieben unbe-stimmt, mit einigen Ausnahmen:

140 SNG ANS 6: nos. 3.5–10 (vgl. AJC: 101 n. 71). Imitationen dieser Art wurden möglicherweise bereits bei den Ausgrabungen in Samaria-Sebaste in den 1930er und 1960er Jahren gefunden, damals aber noch nicht als lokale Prägungen erkannt (Crowfoot et al. 1957: 49; Fulco & Zayadine 1981: 202 no. 1; s. dazu CHL: 205).

141 AJC: 31–32 und pl. 56,1 (= MQ 051b) & 2 (= MQ 110f) & 3 (= MQ 041q) & 4 (= MQ 042e).

142 Elayi & Elayi 1993: 232 mit Anm. 197–199 sowie 238–239; Spaer 2009: 157; Duyrat 2016: 68.

143 Zur Herkunft aus der Nähe von Nablus s. IGCH: no. 1504; Elayi & Elayi 1993: 232; Eshel 2007b: 227 n. 27. Spaer (2009: 157; Gitler & Tal 2017: 604; Gitler & Tal 2018: 51) berichtet von Gerüchten, nach denen der Nablus-Hort aus dem Dorf Ǧinṣāfūt (1625.1762) an der Strasse von Qalqīliya nach Nablus (12 km westsüdwestlich von Nablus) oder aus dem Dorf Quṣra (1813.1658) nördlich von Schilo (15 km südsüdöstlich von Nablus) stammen soll; Fischer-Bossert 2010: 169–171. Zur Herkunft aus Nablus selber s. CHL:

205. Zur Herkunft aus dem Wādī Dālīye s. Cross 1969: 54 n. 10; AJC, 31–32; Cross 1988:

17; Leith 1997: 4–5 n. 12; 2014: 270.

144 S. Duyrat 2016: 67–68 sowie Gitler & Tal 2018 für die phönizischen Prägungen, deren Bestand nun aufgearbeitet vorliegt.

145 Spaer 2009: 157.

146 Gitler & Tal 2018: nos. 208–268; Vgl. dazu die Angaben in IGCH: no. 1504 (131 Stück), Elayi & Elayi 1993: nos. 133–227 (= Nablus Hoard nos. 221–306) (95 Stück) und Spaer 2009: 158 (93 Stück). S. auch Fischer-Bossert 2010: 170, Tyre a–b.

− Byblos: 1 Münze147

− Sidon: 129 Münzen148

− Tyros: 77 Münzen149

− Aschkelon: 1 Münze150

− Gaza: 1 Münze151

− Pseudo-athenische: 7 Münzen152

− Samaria: 75 Münzen153

Momentan arbeiten H. Gitler und O. Tal daran, den Nablus-Hort auf der Grundlage des Materials von A. Spaer zu rekonstruieren. Es bleibt zu hoffen, dass nach Abschluss ihrer Untersuchungen eine genauere Aussage über die Zusammensetzung des Fundes gemacht werden kann. Im Blick auf die Mün-zen aus Samaria liegen bereits erste provisorische Ergebnisse vor: In einem Artikel aus dem Jahr 2016 veröffentlichte H. Gitler eine Tabelle, in der er alle im Hort enthaltenen Münztypen aufführt:154

− Bereits von Meshorer & Qedar als ex Nablus-Hort deklariert sind folgende Münzen: MQ 004, MQ 005, MQ 006, MQ 011, MQ 013, MQ 015, MQ 040, MQ 045, MQ 058, MQ 074, MQ 084, MQ 100, MQ 101, MQ 121, MQ 134, MQ 135, MQ 197, MQ 213, MQ 216, MQ 219, MQ 220, MQ 221, MQ 222, MQ 223, MQ 224.

− Neu von Gitler in seiner Tabelle aufgeführt sind: MQ 014, MQ 047, MQ 057, MQ 059, MQ 071, MQ 092, MQ 096, MQ 097, MQ 126, MQ 130, MQ 141, MQ 177, MQ 201, MQ 212, MQ 218 (?).155

− Dazu kommen folgende Typen, die Gitler in einer überarbeiteten Liste angibt: MQ 090, MQ 205.156

Die genaue Datierung des Nablus-Horts war lange umstritten. Zwei Mög-lichkeiten standen sich gegenüber: Zum einen wurde angenommen, dass der Hort im Laufe der makedonischen Eroberung des Gebietes 333/332 v. Chr.

147 Gitler & Tal 2018: 56 no. 1; Elayi & Elayi 1993: no. 1.

148 Gitler & Tal 2018: nos. 2–130; Elayi & Elayi 1993: nos. 2–132 (= Nablus Hoard nos. 7–

52.56–135.137); s. auch Fischer-Bossert 2010: 170, Sidon a–f.

149 Gitler & Tal 2018: nos. 131–207; Elayi & Elayi 1993: nos. 228–300 (= Nablus Hoard nos. 138–210); bei Elayi & Elayi 1993: no. 258 handelt es sich um eine silberplattierte Münze.

150 Fischer-Bossert 2010: 171, Aschkelon a.

151 Fischer-Bossert 2010: 171, Gaza a.

152 Fischer-Bossert 2010: 171, Pseudo–Athenian coins without ethnic a–g.

153 Nach den Angaben im Katalog von Meshorer & Qedar (1991) lassen sich 65 Münzen dem Nablus-Hort zuordnen; vgl. Elayi & Elayi 1993: 238; s. auch Fischer-Bossert 2010: 170–

171, Samaria a–h’ und vgl. die betreffenden Einträge im Münzkatalog, der 75 Stück aus dem Nablus-Hort ausweist.

154 Gitler et al. 2016: 12; Gitler & Tal 2017: 604 Tab. 1.

155 Die betreffenden Münztypen erscheinen im Index des bearbeiteten Materials als NH*.

156 Die betreffenden Münztypen erscheinen im Index des bearbeiteten Materials als NH**.

Der Verfasser dankt H. Gitler herzlich für den Einblick in die laufenden Arbeiten zum Nablus-Hort.

bzw. der Zerstörung Samarias 331 v. Chr. verborgen wurde.157 Zum anderen bestand die Vermutung, dass er bereits 338/7 v. Chr. in die Erde kam.158

Die Differenz von rund 5 Jahren lässt sich u.a. auf die unterschiedliche zeitliche Ansetzung der Schlussmünze des Horts zurückführen. Es handelt sich dabei um eine Kleinsilbermünze aus Sidon, die gemäss ihrer Legende mz unter Mazaios geprägt wurde und die Zahl 21 bzw. 20 trägt.159 Bei dieser Jahresangabe stellt sich die Frage, auf welche Regierungszeit die Zählung zu beziehen ist.160 Wird nach dem persischen Grosskönig gezählt (wie dies auch auf aramäischen Inschriften der Zeit gemacht wurde), so würde die Prägung in eines der beiden letzten Jahre von Artaxerxes III. Ochos (359–338 v. Chr.) fallen, d.h. auf 339/8 bzw. 338/7 v. Chr.161 Alternativ wurde vorgeschlagen, die Zählung auf die Regierungsjahre des Satrapen Mazaios in Sidon zu be-ziehen (353–333 v. Chr.);162 dann wäre die späteste Münze im Jahr 334 bzw.

333 v. Chr. geprägt worden.163

Dabei blieb strittig, ob eine solche Zählung nach den Regierungsjahren eines Satrapen aber tatsächlich gebräuchlich war. Nach Lemaire (2006: 407) finden sich in der westsemitischen Epigraphie der Perserzeit nämlich ledig-lich zwei Zählarten: Die eine orientiert sich an den Regierungsjahren des lo-kalen Herrschers, die andere an denen des persischen Grosskönigs – eine Zählung nach ‚Satrapen-Jahren‘ wäre daher ungewöhnlich.164 Nun konnten J. Elayi und A.G. Elayi (2004b) auf der Grundlage neu entdeckter Münzen zeigen, dass die Zahlen auf den Mazaios-Prägungen aus Sidon wohl tatsäch-lich auf die Regierungsjahre des Satrapen verweisen. Auf ihnen findet sich nämlich eine beinahe durchgehende Zählung von 1 bis 21, was der Herr-schaftszeit von Mazaios in Sidon von 353–333 v. Chr entspräche.165 Folglich

157 IGHC: no. 1504 (332 v. Chr.); Meshorer & Qedar 1991: 66 (333/2 v. Chr.); Mildenberg 1998f = 1993: 29 Anm. 124; Meshorer & Qedar 1999: 71 (333/2 v.Chr.); Elayi & Elayi 1993: 239 (vers 333 v. Chr.); Fried 2003: 79; Duyrat 2016: 68; Gitler et al. 2016: 11.

158 Mildenberg 2000a: 378; 2000b: 92–93; Spaer 2009: 158–159; Fischer-Bossert 2010: 169.

159 Zum Jahrzeichen 21 s. Elayi & Elayi 1993: 239 nos. 45–101; 2004a: 323 nos. 2095–2149.

Zum Jahrzeichen 20 s. Mildenberg 1996: 124 Anm. 27; Spaer 2009: 158.

160 S. dazu Casabonne 2004a: 208–210.

161 S. Lemaire 1991: 98 n. 19; Mildenberg 1998d = 1990–91: 49 n. 27; Mildenberg 1996:

124; Spaer 2009: 158.

162 Elayi 21990: 218–119.

163 Elayi & Elayi 1993: 239.

164 Lemaire (2006: 408) schreibt zu einer Datierung nach Mazaios: „Ce serait donc la seule attestation d’une datation d’après les années de gouvernement d’un ‚satrape‘.“

165 Auf den sidonischen Prägungen unter Mazaios waren lange nur die Jahrzeichen 1–4 und 16–21 bekannt. Diese wurden unterschiedlich interpretiert: Für Babelon bezeichneten sie die Regierungsjahre von Artaxerxes III. (Traité II 2: 582–591); folglich hätte Mazaios von 359 bis 338 v. Chr. in Sidon Münzen geprägt. Hill dagegen nahm an, dass er dies erst ab 343 v. Chr. (nach der Eroberung der Stadt) tat und dass sich die Jahre 16–21 auf Artaxerxes III., 1–4 aber auf Dareios III. beziehen würden (BMC Phoenicia: xciii–xcix;

so auch Harrison 1982: 353–354 und Briant 1996: 734, 1041–1042). Nun führen Elayi &

Elayi (2004b: 156) weitere mz-Prägungen an, die die früheren Vorschläge in Frage stellen:

Die Münzen zeigen die Zahlen 5, 6 und 9 (sowie möglicherweise auch 10, 11 und 14) und

wäre die Schlussmünze mit der Zahl 20 bzw. 21 ca. 334/3 v. Chr. geprägt worden ist.

Somit besteht guter Grund zur Annahme, dass der Nablus-Hort im Zeit-raum um das Jahr 331 v. Chr. verborgen wurde. Der historische Anlass für das Verbergen des Hortes kann im Alexanderzug und der Eroberung der Re-gion durch die Makedonen bzw. in der makedonischen Strafaktion gegen Samaria als Folge des Aufstandes gegen den Statthalter Andromachos ver-mutet werden. Aus der Zusammensetzung des Hortes aus Schmuck und Prä-gungen unterschiedlichster Herkunft lässt sich schliessen, dass die darin ent-haltenen Münzen nicht ihres Nominal-, sondern ihres Metallwertes wegen gesammelt wurden.166

Im Dokument Vielfältig geprägt (Seite 52-56)