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Das Münzbild als Medium

Im Dokument Vielfältig geprägt (Seite 99-104)

IV. M ETHODEN ZUR I NTERPRETATION DER M ÜNZBILDER S AMARIAS

2. Das Münzbild als Medium

Um ein Münzbild in adäquater Weise interpretieren zu können, ist es uner-lässlich, es in seiner Funktion als Massenmedium zu verstehen.322 Dadurch werden Aspekte in den Fokus gerückt, die bei der ikonographischen Analyse alleine keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen und dennoch wich-tige Anhaltspunkte bei der Bildinterpretation bieten. Konkret geht es um die Klärung der Fragen, wer welches Münzbild mit welcher Mitteilungsabsicht prägen liess und wie dieses Bild auf- und wahrgenommen werden konnte.

Diesen Fragen soll auf dem Hintergrund eines medien- bzw. kommunikati-onstheoretischen Ansatzes nachgegangen werden.323

Dabei gilt es zu beachten, dass Münzen in der Antike in erster Linie eine ökonomische Funktion hatten. Wie andere Formen von Geld (wie z.B. Vieh, Getreide oder Metall) dienten sie zum Horten von Reichtum, als Wertmass-stab oder als Tauschmittel.324 Der Unterschied von Münzen zu anderen Geld-formen liegt in zwei Charakteristika: Zum einen ist ihr Gewicht an einem bestimmten Standard ausgerichtet, woraus eine normierte Stückelung resul-tiert. Zum anderen weisen Münzen bestimmte Souveränitätssymbole einer Autorität auf, die ihnen eine Wert- und Annahmegarantie verleiht.325 Beides hat zur Folge, dass der Umgang mit Münzen im Vergleich zu anderen Geld-formen einfacher und verlässlicher wird – und beides ist an staatlich legiti-mierte Instanzen gebunden. Nur Staaten verfügten in der Antike über die Möglichkeit, standardisiertes Münzgeld in grossem Rahmen herzustellen.326 Sie nutzten diese Möglichkeit in erster Linie, um mit den Münzen ihre staat-lichen Ausgaben zu decken, die damals insbesondere im militärischen Be-reich anfielen.327

Eine Münze stellt in erster Linie ein Medium des Handels dar.328 Ihr pri-märer Zweck ist der eines Zahlungsmittels, wobei es ihre Bilder sind, die aus metallenen Schrötlingen ein (möglichst) allgemein anerkanntes Geldstück machen. Das Münzbild ist deshalb u.a. vom Bestreben bestimmt, durch ge-wisse Motive auf möglichst breite Akzeptanz bei den Münzbenutzern zu stossen. Darüber hinaus bietet es die Möglichkeit, frei wählbare visuelle

322 Zur Bezeichnung von Münzen als Massenmedium in der Antike s. Hübner 2005: 171; vgl.

auch Frevel 2005: 19.

323 Zum Umgang mit dem Medienbegriff in den Altertumswissenschaften s. Uehlinger 2000;

2005a; Frevel 2005; Frevel & Hesberg 2007.

324 S. Howgego 2000: 14–15.

325 S. Noreña 2011: 248.

326 Die Herstellung von Münzen war eine aufwendige und kostspielige Angelegenheit, bei der grosse Mengen an Edelmetall akquiriert werden mussten, welches auszumünzen, mit Herrschaftssymbolen zu versehen und in die Zirkulation einzuspeisen war (s. dazu Eich 2006: 474–475).

327 Zur Frage, aus welchen Gründen in antiken Staaten Münzen geprägt wurden, s. Howgego 1990.

328 S. Uehlinger 2005a: 44 Anm. 48.

Inhalte zu vermitteln, die freilich häufig in direktem Zusammenhang mit den für die Prägungen verantwortlichen Autoritäten stehen.

Nachdem auf den Doppelcharakter von Münzen als Zahlungsmittel und Medium hingewiesen wurde, können nun die eingangs gestellten Fragen nach der Mitteilungsabsicht bzw. der Rezeption von Münzbildern aufgenom-men werden. Als Hintergrund dafür dient die berühmt gewordene Formel von H.D. Lasswell (1948: 38), die das grundlegende Modell der Massen-kommunikation beschreibt: „Who says what in which channel, to whom, with what effect?“ Die Formel, auf der nahezu alle späteren Kommunikati-onsmodelle basieren, reduziert in ihrer Einfachheit die Kommunikation auf fünf Faktoren:

− Kommunikator: Sender einer Botschaft

− Aussage: Inhalt und Form einer Botschaft

− Medium: technisches Hilfsmittel zur Verbreitung einer Botschaft

− Rezipient: Empfänger einer Botschaft

− Wirkungbzw. Zweck der Botschaft

Im Folgenden wird Lasswells Modell bzw. der Faktor ‚Medium‘ auf das an-tike Münzbild übertragen. Dies ermöglicht es auf unkomplizierte Weise, Münzen als Kommunikationsmittel im Altertum in den Blick zu nehmen.

Das einfache Modell ist nicht dazu geeignet, tiefergreifende Fragestellungen aufzunehmen, es reicht jedoch im vorliegenden Fall dazu aus, die ikonogra-phische Analyse der perserzeitlichen Münzbilder Samarias durch einige wichtige Aspekte zu bereichern.329

329 S. Noreña (2011: 250), der trotz der Grenzen des Modells von dessen Nützlichkeit im Blick auf antike Münzbilder überzeugt ist: „Though this model does not address some important questions that will require attention, especially those of intentionality, feedback, the slow diffusion of messages over the long term, and the effects of multiple channels operating simultaneously in a complex network of communications, it nevertheless serves as a useful way to break down a complicated process into its main constituent parts.“ Laswells Modell wäre also noch um weitere Aspekte zu erweitern, wie z.B. ‚to what purpose?‘ oder ‚in which context?‘.

Kommunikator (Wer...)

Als Kommunikator wird der Sender einer Botschaft bezeichnet. Er selektiert, gestaltet, kodiert und verbreitet eine Aussage.330 Im Blick auf antike Münzen bzw. Münzbilder ist mit Kommunikator der Münzherr gemeint. Dabei han-delt es sich i. d. R. um eine staatliche Autorität, die Münzen emittiert und ihnen kraft ihrer herrschaftlichen Souveränität eine Wert- und Annahmega-rantie verlieh. Bei den Münzherren im perserzeitlichen Samaria handelt es sich in erster Linie um persische Satrapen und lokale Statthalter, von denen einige namentlich auf den Münzen genannt sind (s. dazu S. 56–67).

Aussage (... sagt was ...)

Mit der Aussage sind der Inhalt und die Form einer Botschaft gemeint, die vom Kommunikator selektiert, gestaltet, kodiert und verbreitet wird. Die Aussage eines Münzbilds in der Antike erfüllte unterschiedliche Aufgaben:

Bestimmte Motive dienten als Souveränitätssymbole, die dem Schrötling ein offizielles Gepräge gaben. Die Aussage war ein Verweis auf die emittierende Prägeherrschaft, wodurch aus einem geprägten Stück Metall eine standardi-sierte und autoristandardi-sierte Münze wurde.331 Über diese ökonomischen Aussagen hinaus konnte das Münzbild weitere visuelle Botschaften vermitteln, die sich z.B. auf politische und ideologische Themen (Herrschaft, Macht, Repräsen-tation) bezogen.332

Medium (... durch welchen Kanal ...)

Unter dem Medium versteht man das technische Hilfsmittel, mit dem eine Aussage verbreitet wird. Im vorliegenden Fall ist es das Münzbild, das uns als Medium interessiert.333 Das antike Münzbild weist charakteristische Merkmale auf, die es von anderen Medien unterscheidet. Zugleich ist es Teil eines grösseren Kommunikationsnetzes und partizipiert als solches an einem bestimmten Zeichensystem. Es zeigt beispielsweise Motive, die auch auf an-deren Medien wie Siegeln und Reliefs Verwendung finden. Diese

330 Maletzke 1998: 72.

331 In einer nicht-monetarisierten Gesellschaft fungierte das Münzbild nicht mehr als Wertgarantie (für den Nominalwert), diente aber immer noch als Herkunfts- und Qualitätsmerkmal der Münze, deren Metallwert in diesem Fall im Vordergrund stand.

332 Zur programmatischen Akzentuierung der Aussage s. Ritter 2002: 156–158.

333 Hier ist auf die Unterscheidung der Begriffe ‚Münze‘ und ‚Münzbild‘ hinzuweisen. Beide können als Medium fungieren. Die Münze ist ein Medium des Handels, durch das z.B.

Tauschgeschäfte abgewickelt werden können. Im vorliegenden Fall interessiert aber weniger die Münze als Medium, sondern speziell das Münzbild als Medium.

schiedlichen Medien konnten koordiniert werden, was das Senden bestimm-ter Botschaften auf verschiedenen Kanälen möglich machte.334

Zu den spezifischen Merkmalen, die das Münzbild von anderen Medien unterscheiden, gehört der beschränkte Raum, der auf einer Münze zur Ge-staltung einer Botschaft zur Verfügung steht und der zu Verdichtung zwingt.

Im Weiteren ist nochmals darauf hinzuweisen, dass das Münzbild als Me-dium u.a. die Funktion eines offiziellen ‚Gütesiegels‘ hatte und die Münze als vertrauenswürdiges Zahlungsmittel kennzeichnen sollte. Schliesslich ist darauf aufmerksam zu machen, dass Münzen in der Antike weite Verbrei-tung erfahren konnten, wodurch das Münzbild einen sehr breiten Rezipien-tenkreis erreichte.

Rezipient (... zu wem ...)

Als Rezipient wird der Empfänger der Botschaft bezeichnet, der diese wahr-nimmt, sie dekodiert, interpretiert und gegebenenfalls memoriert.335 Der Kreis und die Zahl an potentiellen Rezipienten von Münzbildern in der An-tike hängen davon ab, wie stark die betreffende Gesellschaft monetarisiert war. Im Blick auf Palästina kann beispielsweise angenommen werden, dass zur Zeit der römischen Herrschaft ein grosser Teil der Bevölkerung mit Mün-zen bezahlte – zumindest ab und zu. Im Vergleich dazu wissen wir über den Grad der Monetarisierung in der späten Perserzeit fast gar nichts. Wahr-scheinlich waren Münzen nur bei einem bestimmten Teil der Menschen ver-breitet. So ist beispielsweise naheliegend, dass der Lohn von Söldnern in Form von Münzen ausbezahlt wurde oder dass Händler für ihre Ware Mün-zen nahmen. Ein bekannter Sachverhalt ist, dass die Elite früher mit Münz-geld in Berührung kam als die unteren Schichten der Bevölkerung und dass in einer teilmonetarisierten Gesellschaft der Tauschhandel weiterhin eine wichtige Rolle spielte.

Als Kommunikator musste sich der Münzherr ein bestimmtes Bild von seiner Zielgruppe machen. Diese implizierten Rezipienten mochten sich von den realen Rezipienten unterscheiden, ermöglichten es aber, eine Botschaft zweckhaft so zu selektieren und zu gestalten, dass eine intendierte Wirkung zu erwarten war.336 Ob diese Wirkung auch tatsächlich erzielt wurde, erfuhr der Münzherr nicht: Da mit Münzen – wie i. d. R. allgemein bei Massen-kommunikationsmittel – eindirektional kommuniziert wird, erfolgte keine Rückmeldung der Rezipienten.

334 Diese Möglichkeit wurde insbesondere im römischen Reich perfektioniert (s. Noreña 2011: 261).

335 Maletzke 1998: 77.

336 Maletzke 1998: 73–74. Klarere Hinweise darauf finden sich erst in der Römerzeit, in der wertvolle und weniger wertvolle Prägungen unterschiedliche Motivrepertoires zeigen.

Daraus lässt sich schliessen, dass die Münzbilder mit Blick auf den Status und die Bildung der entsprechenden Benutzer ausgewählt wurden (s. Noreña 2011: 262).

Wirkung (... mit welcher Wirkung.)

Die Wirkung bezeichnet den Zweck und das Resultat eines Kommunikati-onsprozesses. Da es sich bei ihr um eine mediumsexterne Information han-delt, bleibt sie oft Gegenstand von Spekulationen. Im Blick auf die Wirkung von antiken Münzbildern ist nur sehr wenig bekannt – und was bekannt ist, lässt keine Verallgemeinerungen zu. C. Howgego (2000: 84) nimmt als Mi-nimalkonsens an, dass Münztypen gelegentlich eine Wirkung besassen, und führt ein Beispiel aus Antiochia zur Zeit des Kaisers Julian an, wo sich die Stadtbevölkerung über Münzen empörte, weil sie „einen Stier abbildeten und die Welt auf den Kopf gestellt werde“ (Sokrates Scholastikos, Hist. Eccl. III 17). Möglicherweise hatten die Antiochener die Münzbilder falsch verstan-den, denn Julian schrieb ihnen und beschimpfte sie, weil sie aus Unwissen-heit seine Münzen verhöhnen würden (Iul. Misop. 355d).337

Das überlieferte Beispiel zeigt, dass Kommunikationsprozesse selten so problemlos ablaufen, wie dies im Modell von Lasswell vorausgesetzt wird.

Das Modell geht von einer idealen Kommunikation aus, bei der ein Sender eine bestimmte Aussage intendiert, das Medium die Aussage konditioniert und der Prozess dann glückt, wenn der Empfänger sie so versteht, wie der Sender sie gemeint hatte. Dabei wird vernachlässigt, dass Kommunikation häufig von Störungen begleitet ist.

Eine solche Störung kann darin bestehen, dass der Rezipient die Botschaft nicht in der Weise dekodiert, wie sie vom Kommunikator kodiert wurde. Die Begriffe ‚kodieren‘ und ‚dekodieren‘ stammen aus der Semiotik und be-schreiben den Umstand, dass man sich bei der Kommunikation bzw. der Re-zeption einer Aussage eines bestimmten Zeichensystems bedient. Ist dem Rezipienten das vom Kommunikator verwendete Zeichensystem unbekannt oder greift er auf ein anderes Zeichensystem zurück, kommt es zur Störung der idealen Kommunikation. Als Folge von unterschiedlichem Vorwissen bzw. von Kodeunterschieden kann es sein, dass eine Aussage vom Rezipi-enten nicht wie vom Kommunikator vorgesehen oder gar nicht verstanden wird. Auch Botschaften, die mehrdeutig sind (z.B. weil ihnen ein konkreter Kontext fehlt), können zu einem Verständnis führen, das vom Kommunika-tor nicht intendiert war.

Der überlieferte Fall aus Antiochia, der das Missfallen der Stadtbevölke-rung über eine Münze von Kaiser Julian dokumentiert, kann als konkretes Beispiel dafür angeführt werden, dass antike Münzbildern nicht immer auf die vom Prägeherrn beabsichtigte Wirkung stiessen. Im erwähnten Fall kam es zu einem anderen Verständnis der Münzbilder, da die Rezipienten nicht über das nötige Vorwissen verfügten, um sie so zu lesen und zu verstehen, wie dies vom Kommunikator vorgesehen war.338 Zu diesem Missverständnis

337 S. dazu Szidat 1981: 28–31.

338 Zur Lesbar- und Verständlichkeit der Münzbilder s. Ritter 2002: 158–159; Noreña 2011:

262–263.

trug sicher auch bei, dass dem Münzbild ein konkreter Kontext fehlte und sich das Publikum dazu gezwungen sah, die Aussage in seinem eigenen kul-turellen Deutungshorizont zu dekodieren. Eine solche Vieldeutigkeit einer Botschaft wurde von den Kommunikatoren wahrscheinlich in einzelnen Fäl-len in Kauf genommen oder war sogar intendiert.339

Die Betrachtung des Münzbildes als Medium und die Unterscheidung von fünf Faktoren nach Lasswell ermöglichen einen differenzierteren Blick bei der Interpretation von Münzikonographie. Der Fokus auf den Prägeher-ren mit seiner Aussageabsicht, das Münzbild und seine Funktion sowie auf die Münznutzer und die bei ihnen intendierte bzw. erzielte Wirkung berei-chern die ikonographische Analyse durch wichtige Aspekte. Was dies im Blick auf die Münzbilder der perserzeitlichen Prägungen Samarias und ihre Deutung konkret heisst, wird im nächsten Kapitel besprochen.

3. Die Aussage des Münzbilds im Blick auf die Prägungen Samarias

Im Dokument Vielfältig geprägt (Seite 99-104)